emacs.d/clones/www.mlwerke.de/me/me13/me13_320.htm

23 lines
7.6 KiB
HTML
Raw Normal View History

2022-08-25 20:29:11 +02:00
<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
<HTML>
<HEAD>
<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
<TITLE>Karl Marx - Honigsuesse Versicherungen</TITLE>
</HEAD>
<BODY LINK="#0000ff" VLINK="#800080" BGCOLOR="#ffffaf">
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 13, 7. Auflage 1971, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 320-322.</P>
</FONT><H2>Karl Marx</H2>
<H1>Honigs&uuml;&szlig;e Versicherungen</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben um den 6. Mai 1859.<BR>
Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 5639 vom 18. Mai 1859, Leitartikel]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S320">&lt;320&gt;</A></B> Das von Louis-Napoleon &uuml;ber seine diplomatischen Vertreter an alle Regierungen Europas &uuml;bermittelte Zirkular vom 27. April und seine Botschaft an das Corps l&eacute;gislatif vom 3. Mai beweisen, da&szlig; sich der Kaiser des Mi&szlig;trauens, das seinen Motiven und den wirklichen Zielen seiner Einmischung in die italienischen Angelegenheiten allgemein entgegengebracht wird, voll bewu&szlig;t ist und sich angestrengt bem&uuml;ht, es zu zerstreuen. In dem Zirkular versucht er nachzuweisen, da&szlig; er diese Intervention stets nur in &Uuml;bereinstimmung mit England, Preu&szlig;en und Ru&szlig;land durchf&uuml;hrte, und behauptet, diese M&ouml;chte seien ebenso unzufrieden mit der Sachlage in Italien, ebenso &uuml;berzeugt von den Gefahren, die aus der dort herrschenden Unzufriedenheit und heimlichen Agitation entstehen, und ebenso entschlossen, durch kluge Voraussicht einer unvermeidlichen Krise zuvorzukommen, wie er selbst. Doch wenn er sich zum Beweis auf die Mission Lord Cowleys nach Wien, auf den russischen Vorschlag f&uuml;r einen Kongre&szlig; und die Unterst&uuml;tzung dieser Schritte durch Preu&szlig;en beruft, scheint er zu vergessen, da&szlig; diese Aktionen nicht Italien zum Hauptgegenstand haben, sondern von dem drohenden Zwist zwischen &Ouml;sterreich und Frankreich ausgel&ouml;st und bestimmt wurden, demgegen&uuml;ber die italienische Unzufriedenheit und Agitation zur Bedeutungslosigkeit herabsank.</P>
<P>Erst als Napoleon pl&ouml;tzlich ein ungew&ouml;hnliches Interesse an den italienischen Angelegenheiten zeigte, erhielt die italienische Frage in den Augen der anderen M&auml;chte Europas eine dringliche Bedeutung. Obgleich &Ouml;sterreich als erstes die Feindseligkeiten begonnen hat, bleibt dennoch die Tatsache bestehen, da&szlig; es keinen Grund zur Er&ouml;ffnung der Feindseligkeiten gegeben h&auml;tte, wenn Sardinien nicht durch Napoleon ermutigt worden w&auml;re - wobei <A NAME="S321"><B>&lt;321&gt;</A></B> weder Preu&szlig;en noch England mitwirkten - und infolgedessen entsprechende Schritte unternommen h&auml;tte. Es ist also keineswegs so, da&szlig; Frankreich lediglich den anderen M&auml;chten seine Mitwirkung bei der friedlichen Regelung der strittigen Fragen zwischen &Ouml;sterreich und Sardinien angeboten hat, sondern es ist eine unumst&ouml;&szlig;liche Tatsache, da&szlig; sich die anderen M&auml;chte erst veranla&szlig;t f&uuml;hlten, gr&ouml;&szlig;eres Interesse daf&uuml;r zu zeigen, als Frankreich sich weitgehend an diesem Streit beteiligte und es somit f&uuml;r sie nicht mehr eine italienische, sondern eine europ&auml;ische Frage geworden war. Gerade die Tatsache, da&szlig; nur Frankreich sich veranla&szlig;t f&uuml;hlte, Sardinien gegen den &ouml;sterreichischen Angriff zu sch&uuml;tzen, widerspricht der aufgestellten Behauptung, es handele hinsichtlich der italienischen Angelegenheiten in &Uuml;bereinstimmung mit den anderen M&auml;chten. Sowohl in diesem Zirkular als auch in seiner Botschaft an das Corps l&eacute;gislatif leugnet der franz&ouml;sische Kaiser mit gro&szlig;em Eifer allen pers&ouml;nlichen Ehrgeiz, alle Eroberungsgel&uuml;ste, jeden Wunsch, den franz&ouml;sischen Einflu&szlig; in Italien zu befestigen. Er m&ouml;chte glauben machen, da&szlig; er sich ausschlie&szlig;lich bem&uuml;ht um die Herbeif&uuml;hrung der italienischen Unabh&auml;ngigkeit und die Wiederherstellung jenes M&auml;chtegleichgewichts, das durch das &Uuml;bergewicht &Ouml;sterreichs gest&ouml;rt wurde. Diejenigen, die sich erinnern an die Versicherungen, die der Kaiser abgab, und an die Schw&ouml;re, die er als Pr&auml;sident der Franz&ouml;sischen Republik leistete, werden kaum geneigt ein, seinen blo&szlig;en Erkl&auml;rungen unbedingtes Vertrauen zu schenken; und selbst diese seine Bem&uuml;hungen, die Bef&uuml;rchtungen zu d&auml;mpfen und den Argwohn Europas zu zerstreuen, enthalten Andeutungen, die in hohem Ma&szlig;e geeignet sind, eine gegenteilige Wirkung hervorzurufen.</P>
<P>Da&szlig; Louis-Napoleon in diesem Augenblick aufrichtig w&uuml;nscht, jede Einmischung Englands oder Deutschlands in seinen Krieg mit &Ouml;sterreich zu verhindern, kann niemand bezweifeln; doch das beweist keineswegs, da&szlig; er nichts weiter als nur eine Regelung der italienischen Angelegenheiten beabsichtigt. Angenommen, er erstrebt die Vorherrschaft in Europa, so w&uuml;rde er es nat&uuml;rlich vorziehen, die verschiedenen M&auml;chte einzeln zu bek&auml;mpfen. Er wundert sich &uuml;ber die Aufregung in einigen deutschen Staaten, obgleich diese Aufregung durch dieselben Ursachen hervorgerufen wird, mit denen er seine eigene Hast, Sardinien zu Hilfe zu eilen, zu erkl&auml;ren sucht.</P>
<P>Wenn Frankreich eine gemeinsame Grenze mit Sardinien besitzt, mit ihm durch alte Erinnerungen, durch gemeinsamen Ursprung und durch das k&uuml;rzlich geschlossene B&uuml;ndnis verbunden ist, so ist die Verwandtschaft Deutschlands und &Ouml;sterreichs die gleiche, ja noch n&auml;her; und wenn Napoleon nicht warten will, bis er selbst einer vollendeten Tatsache gegen&uuml;bersteht, n&auml;mlich dem Triumph &Ouml;sterreichs &uuml;ber Sardinien, so sind die Deutschen ebenfalls <A NAME="S322"><B>&lt;322&gt;</A></B> nicht geneigt, auf die vollendete Tatsache eines Triumphes Frankreichs &uuml;ber &Ouml;sterreich zu warten. Da&szlig; Louis-Napoleon eine Dem&uuml;tigung &Ouml;sterreichs erstrebt, insbesondere durch dessen Vertreibung aus Italien, bestreitet er nicht. Jedoch bestreitet er, italienisches Gebiet erobern oder Einflu&szlig; darauf gewinnen zu wollen, indem er erkl&auml;rt, der Zweck des Krieges sei, Italien sich selbst wiederzugeben und nicht, ihm einen blo&szlig;en Herrenwechsel aufzuzwingen. Aber angenommen, was sehr wahrscheinlich ist, die italienischen Regierungen, deren Unabh&auml;ngigkeit gegen&uuml;ber &Ouml;sterreich also verteidigt werden soll, w&uuml;rden von denjenigen bedr&auml;ngt, die Louis-Napoleon "die Freunde der Unordnung" und "die unverbesserlichen Anh&auml;nger alter Parteien" nennt. Was dann?</P>
<FONT SIZE=2><P>"Frankreich", sagt Louis-Napoleon, "hat seinen Ha&szlig; gegen die Anarchie gezeigt."</P>
</FONT><P>Er versichert, eben diesem Ha&szlig; gegen die Anarchie seine gegenw&auml;rtige Macht zu verdanken. In diesem Ha&szlig; gegen die Anarchie erblickte er seine Befugnis, die republikanische Kammer aufzul&ouml;sen, seine eigenen Eide zu brechen, die republikanische Regierung durch milit&auml;rische Gewalt zu st&uuml;rzen, die Pressefreiheit vollkommen zu vernichten und alle Gegner seiner alleinigen Gewaltherrschaft ins Exil zu treiben oder nach Cayenne zu verfrachten. K&ouml;nnte die Unterdr&uuml;ckung der Anarchie seinen Interessen in Italien nicht ebenso gut dienen? Wenn "die Unterdr&uuml;ckung der Freunde der Unordnung und der unverbesserlichen Anh&auml;nger alter Parteien" die Zerst&ouml;rung der franz&ouml;sischen Freiheit rechtfertigte, k&ouml;nnte sie nicht ebenso gut als Vorwand zum Sturz der italienischen Unabh&auml;ngigkeit dienen?</P>
</BODY>
</HTML>