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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Karl Marx - Wahlkorruption</TITLE>
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 8, 3. Auflage 1972, unver<65>nderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 351-357</SMALL>
<H2>Karl Marx</H2>
<H1>Die Wahlkorruption</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 3552 vom 4. September 1852]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S351">&lt;351&gt;</A></B> London, Freitag, 20. August 1852</P>
<P>Unmittelbar ehe das letzte Unterhaus auseinanderging, beschlo&szlig; es, seinen Nachfolgern den Weg ins Parlament mit so viel Schwierigkeiten wie nur irgend m&ouml;glich zu verrammeln. Es stimmte f&uuml;r ein drakonisches Gesetz gegen Bestechung, Korruption, Einsch&uuml;chterung und unsaubere Wahlpraktiken im allgemeinen.</P>
<P>Man hat eine lange Liste von Fragen aufgestellt, wie man sie sich eindringlicher und eingehender nicht vorstellen kann, die laut dieser Verordnung den Urhebern einer Petition oder den gew&auml;hlten Abgeordneten vorgelegt werden k&ouml;nnen. Sie k&ouml;nnen unter Eid darum befragt werden, wer ihre Agenten waren und welcherlei Verbindungen sie mit ihnen gehabt haben. Sie k&ouml;nnen befragt und zur Auskunft gezwungen werden, nicht nur &uuml;ber das, was sie wissen, sondern auch &uuml;ber das, was "sie vermuten, glauben oder annehmen" bez&uuml;glich der Gelder, die sie selbst oder die andere in ihrem Interesse, mit oder ohne Erm&auml;chtigung, ausgegeben haben. Mit einem Wort, kein Kandidat kann diese seltsame Feuerprobe bestehen, ohne die Gefahr des Meineids zu laufen, wenn er auch nur den leisesten Verdacht hat, jemand habe um seinetwillen sich m&ouml;glicher- oder wahrscheinlicherweise dazu verleiten lassen, die gesetzlichen Grenzen zu &uuml;bertreten.</P>
<P>Selbst wenn dieses Gesetz von der Voraussetzung ausginge, da&szlig; die neuen Gesetzgeber f&uuml;r sich dieselbe Freiheit beanspruchen wie die Geistlichkeit, die es fertigbringt, nur <I>einige </I>der 39 Artikel ihres Credos zu glauben, sie aber <I>alle </I>offiziell anerkennt, so bleiben doch noch immer genug Klauseln &uuml;brig, um das neue Parlament zu der jungfr&auml;ulichsten Versammlung zu machen, die je f&uuml;r die drei K&ouml;nigreiche &lt;England, Schottland und Irland&gt; Reden gehalten und Gesetze erlassen hat. Im <A NAME="S352"><B>&lt;352&gt;</A></B> Zusammenhang mit den unmittelbar darauf erfolgenden Wahlen betrachtet, sichert dieses Gesetz den Tories den Ruhm, da&szlig; unter ihrer Herrschaft theoretisch das Prinzip der gr&ouml;&szlig;ten Sittenstrenge im Wahlkampf proklamiert wurde, in der Praxis aber die Wahlkorruption h&ouml;chste Ausma&szlig;e erreichte.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Eine neue Wahl geht vor sich, und ihr Verlauf ergibt ein Bild von <I>Bestechung, Korruption, Gewalt, Trunkenheit und Mord ohne Beispiel</I> seit der Zeit, da noch das alte Torymonopol unumschr&auml;nkt herrschte. Man berichtet tats&auml;chlich, da&szlig; Soldaten mit geladener Flinte und aufgepflanztem Bajonett liberale W&auml;hler mit Gewalt aufgreifen und sie vor den Augen ihrer Grundherren dazu zwingen, gegen ihre &Uuml;berzeugung zu stimmen; da&szlig; Soldaten diejenigen aufs Korn nehmen und kaltbl&uuml;tig erschie&szlig;en, die Mitleid f&uuml;hlen mit den vergewaltigten W&auml;hlern; da&szlig; sie Massenmord an Menschen ver&uuml;ben, die ihnen keinerlei Widerstand entgegensetzen!" (Anspielung auf die Ereignisse in Six Mile Bridge, Limerick, County Clare.) "Man wird vielleicht sagen: Ach, das war doch in Irland! Richtig - und in England benutzten sie ihre Polizei, um die Trib&uuml;nen der Gegner niederzurei&szlig;en; schickten sie organisierte Trupps lichtscheuen Gesindels aus, die in den Stra&szlig;en lauerten, um die liberalen W&auml;hler abzufangen und einzusch&uuml;chtern; &ouml;ffneten sie alle Kloaken, wo der Alkohol herrscht; streuten sie - wie in Derby - aus vollen H&auml;nden das Gold der Korruption; gingen sie in fast jedem umstrittenen Ort mit der Methode der systematischen Einsch&uuml;chterungen vor."</P>
</FONT><P>So schreibt Ernest Jones in "People's Paper". H&ouml;ren wir nun nach dem Wochenblatt der Chartisten das Wochenblatt ihrer Gegner an, das n&uuml;chternste, vern&uuml;nftigste und gem&auml;&szlig;igtste Organ der industriellen Bourgeoisie, den Londoner "Economist":</P>
<FONT SIZE=2><P>"Wir glauben behaupten zu k&ouml;nnen, da&szlig; es bei dieser allgemeinen Wahl mehr <I>niedrige Servilit&auml;t </I>gab, mehr <I>Korruption</I>, mehr <I>Einsch&uuml;chterung</I>, mehr<I> Fanatismus </I>und mehr <I>Verderbtheit </I>als je zuvor bei einem solchen Anla&szlig;. Berichten zufolge hat man bei dieser Wahl weit mehr zur Bestechung gegriffen, als dies seit vielen Jahren der Fall gewesen ... In welchem Ma&szlig;e die W&auml;hler eingesch&uuml;chtert und mit ungesetzlichen Mitteln jeder Art unter Druck gesetzt wurden, vermag selbst die k&uuml;hnste Phantasie nicht zu &uuml;bertreiben ... Nehmen wir alles in allem die viehische Besoffenheit, die niedrigen Intrigen, die Massenkorruption, die barbarischen Einsch&uuml;chterungen; die Verleumdung der rechtschaffenen Kandidaten, den Ruin der ehrlichen und die Bestechung und Entehrung der schwachen W&auml;hler; die L&uuml;gen, die Verdrehungen, die Schm&auml;hungen, die nackt und schamlos am hellichten Tag einherstolzieren; die Entweihung geheiligter Worte, die Besudlung edelster Namen - so stehen wir entsetzt vor diesem Opferberg an vernichteten Leibern und verlorenen Seelen, vor dieser Opferst&auml;tte, auf der ein neues Parlament errichtet wird."</P>
</FONT><P>Die Mittel der Korruption und der Einsch&uuml;chterung waren die &uuml;blichen: direkte Einwirkung der Regierung. So fand man bei einem Wahlagenten in <A NAME="S353"><B>&lt;353&gt;</A></B> Derby, der in flagranti &lt;auf frischer Tat&gt; bei einem Bestechungsversuch festgenommen wurde, einen Brief des Kriegsministers, Major Beresford, worin dieser selbe Beresford einen Kredit f&uuml;r Wahlgelder bei einem Handelshause bereitstellt. Der "Poole Herald" ver&ouml;ffentlicht ein Zirkular der Admiralit&auml;t an die Offiziere auf Halbsold, unterzeichnet vom Oberkommandierenden einer Marinestation, der sie ersucht, ihre Stimmen dem ministeriellen Kandidaten zu geben. Man ging mit offener Waffengewalt vor, so z.B. in Cork, Belfast und Limerick (wobei im letztgenannten Orte acht Personen get&ouml;tet wurden). Die Gutsherren bedrohten ihre P&auml;chter mit Vertreibung, sollten sie anders als die Gutsherren stimmen; Lord Derbys Verwalter gingen darin mit gutem Beispiel voran. Gesch&auml;ftsleuten drohte man mit Boykott, Arbeitern mit Entlassung, W&auml;hler wurden betrunken gemacht etc. etc. Diesen <I>profanen </I>Mitteln der Korruption f&uuml;gten die Tories dann noch die <I>religi&ouml;sen </I>hinzu. Man erlie&szlig; eine k&ouml;nigliche Proklamation gegen die Prozessionen der r&ouml;misch-katholischen Kirche, um Bigotterie und religi&ouml;sen Ha&szlig; zu entflammen; &uuml;berall erhob sich der Ruf: "No popery!"&lt;"Keine Papstwirtschaft!"&gt;. Diese Proklamation f&uuml;hrte dann z.B. zu den Unruhen in Stockport. Die irischen Priester schlugen nat&uuml;rlich mit den gleichen Waffen zur&uuml;ck.</P>
<P>Die Wahl ist kaum vorbei, und schon sind bei einem einzigen Kronanwalt Petitionen aus 25 Orten eingelaufen, die Wahlresultate wegen Bestechung und Einsch&uuml;chterung zu annullieren. Derby, Cockermouth, Barnstaple, Harwich, Canterbury, Yarmouth, Wakefield, Boston, Huddersfield, Windsor und viele andere Orte reichten solche Proteste gegen gew&auml;hlte Mitglieder ein und brachten die Kosten f&uuml;r das Verfahren auf. Es ist bereits erwiesen, da&szlig; man zum mindesten acht bis zehn der Abgeordneten f&uuml;r Derby infolge dieser Proteste selbst unter den g&uuml;nstigsten Bedingungen wird ablehnen m&uuml;ssen.</P>
<P>Diese Bestechungs-, Korruptions- und Einsch&uuml;chterungsszenen spielten sich nat&uuml;rlich haupts&auml;chlich in den landwirtschaftlichen Bezirken und in den Wahlgemeinden der Peers &lt;Mitglieder des Oberhauses (Hochadel)&gt; ab; f&uuml;r die Erhaltung einer m&ouml;glichst gro&szlig;en Anzahl dieser Gemeinden hatten die Whigs 1831 in der Reformbill ihren ganzen Scharfsinn aufgeboten. Die gro&szlig;en St&auml;dte und dichtbev&ouml;lkerten Industriebezirke boten durch die eigent&uuml;mliche Beschaffenheit ihrer W&auml;hlerschaft einen sehr ung&uuml;nstigen Boden f&uuml;r solche Wahlman&ouml;ver.</P>
<P>Wahltage sind in England von jeher Bacchanalien trunkener Ausschweifung, eine Art traditionell gewordener B&ouml;rsentermine, an denen politische &Uuml;berzeugungen diskontiert werden und die Kneipwirte reichste Ernte einheimsen.</P>
<B><P><A NAME="S354">&lt;354&gt;</A> </B>Eine englische Zeitschrift &lt;"The Economist"&gt; bemerkt dazu:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Diese immer wiederkehrenden Saturnalien hinterlassen unweigerlich bleibende Spuren ihres verpestenden Wirkens."</P>
</FONT><P>Das ist auch ganz nat&uuml;rlich, denn sie sind tats&auml;chlich Saturnalien im altr&ouml;mischen Sinne des Wortes, da der Herr zum Knecht und der Knecht zum Herrn wurde. Wird aber der Knecht nur f&uuml;r einen Tag zum Herrn, so herrscht an diesem einen Tage unumschr&auml;nkt die Brutalit&auml;t. Herren waren die erhabenen W&uuml;rdentr&auml;ger der herrschenden Klassen bzw. eines Teils dieser Klassen, und die Knechte die gro&szlig;e Masse dieser selben Klassen. Da gab es denn die privilegierten W&auml;hler, umgeben von der Masse der Nichtw&auml;hler, von jenen Tausenden, die zu keinem anderen Behuf da sind, als blo&szlig;e Mitl&auml;ufer zu sein, und deren durch Zuruf und Handzeichen gegebene Unterst&uuml;tzung man stets als w&uuml;nschenswert empfand, wenn auch blo&szlig; um des theatralischen Effekts willen. Verfolgt man die Geschichte der britischen Wahlen um ein Jahrhundert oder auch l&auml;nger zur&uuml;ck, so f&uuml;hlt man sich versucht zu fragen, nicht etwa, warum die englischen Parlamente so schlecht waren, sondern im Gegenteil, wie sie es bei alledem fertigbrachten, immerhin noch so gut zu sein und, wenn auch nur undeutlich, die wirkliche Bewegung der englischen Gesellschaft immerhin so weit widerzuspiegeln - wie auch oft gerade Gegner des Repr&auml;sentativsystems erstaunt sein m&uuml;ssen, wenn sie entdecken, da&szlig; legislative K&ouml;rperschaften, in denen die abstrakte Mehrheit, der Zufall der blo&szlig;en Zahl ausschlaggebend ist, doch wenigstens w&auml;hrend der Zeit ihrer vollen Lebenskraft entsprechend den Erfordernissen der Situation entscheiden und beschlie&szlig;en. Selbst wenn man seine Deduktionen noch so logisch aufzubauen versteht, wird man nie aus dem blo&szlig;en Zahlenverh&auml;ltnis die Notwendigkeit eines Votums herzuleiten verm&ouml;gen, das der wirklichen Sachlage entspricht. Aber aus einer gegebenen Sachlage wird sich die Notwendigkeit gewisser Proportionen wie von selbst ergeben. Was war denn der althergebrachte Usus der Bestechung bei den englischen Wahlen andres als eine ebenso brutale wie popul&auml;re Form, in der sich die relative St&auml;rke der k&auml;mpfenden Parteien zeigte? Die Mittel ihres Einflusses und ihrer Herrschaft, die sie ansonsten in <I>normaler </I>Weise geltend machen, werden dann einige Tage lang in abnormer und in mehr oder weniger burlesker Weise angewendet. Die Pr&auml;misse aber bleibt bestehen: da&szlig; n&auml;mlich die Kandidaten der rivalisierenden Parteien die Interessen der Masse der W&auml;hler vertreten w&uuml;rden und die privilegierten W&auml;hler wiederum die Interessen der Masse der Nichtw&auml;hler oder vielmehr, da&szlig; diese nicht stimmberechtigte Masse noch keine <A NAME="S355"><B>&lt;355&gt;</A></B> spezifischen eigenen Interessen habe. Die delphischen Priesterinnen mu&szlig;ten sich mit D&auml;mpfen in einen Rausch versetzen, bevor sie imstande waren, ihre Orakel zu finden. Das britische Volk mu&szlig; sich mit Bier und Branntwein berauschen, um imstande zu sein, seine Orakelfindigen, die Gesetzgeber, zu finden. Und wo es wiederum diese Orakelfindigen zu suchen hatte, das verstand sich von selbst.</P>
<P>Von dem Augenblick an, wo die industrielle und kommerzielle Mittelklasse, also die Bourgeoisie, als offizielle Partei neben den Whigs und Tories auftrat, und besonders mit der Annahme der Reformbill im Jahre 1831, &auml;nderte sich die relative Stellung der Klassen und der Parteien gr&uuml;ndlich. Diese Bourgeois hatten f&uuml;r kostspielige Wahlman&ouml;ver, f&uuml;r faux frais &lt;falsche Kosten&gt; bei den allgemeinen Wahlen durchaus nichts &uuml;brig. Sie fanden es billiger, dem aristokratischen Grundherren mit allgemeinen moralischen und nicht mit Mitteln aus dem eigenen Portemonnaie das Feld streitig zu machen. Andererseits waren sie sich bewu&szlig;t, ein in der modernen Gesellschaft allgemein &uuml;berwiegendes Interesse zu vertreten. Sie waren daher in der Lage zu fordern, da&szlig; sich die W&auml;hler von ihren gemeinsamen nationalen Interessen und nicht von pers&ouml;nlichen und lokalen Belangen leiten lassen; und je &ouml;fter sie auf diese Forderung zur&uuml;ckkamen, desto mehr konzentrierte sich gerade infolge der Zusammensetzung der W&auml;hlerschaft die letztere Art der Beeinflussung der W&auml;hler in der Landaristokratie, w&auml;hrend sie der Bourgeoisie fremd blieb. Darum k&auml;mpfte die Bourgeoisie f&uuml;r das Prinzip moralisch unanfechtbarer Wahlen und erzwang die Annahme entsprechender Gesetze, die allesamt als Schutzwehr gegen die lokalen Einfl&uuml;sse der aristokratischen Grundherren gedacht waren. Und in der Tat, seit dem Jahre 1831 nahm die Bestechung zivilisiertere, verstecktere Formen an, und die allgemeinen Wahlen verliefen in einer n&uuml;chterneren Atmosph&auml;re als fr&uuml;her. Als endlich die Masse des Volkes aufh&ouml;rte, als blo&szlig;er Chor an den K&auml;mpfen der offiziellen Helden, die unter sich die Lose zogen, mehr oder weniger leidenschaftlich teilzunehmen und sich in bacchantischem Jubel &uuml;ber die Schaffung der parlamentarischen Gottheiten zu verlieren wie die Kureten auf Kreta bei der Geburt Jupiters, wobei sie sich f&uuml;r diese Anteilnahme am Ruhme der Helden mit Geld und Schmaus traktieren lie&szlig;, als die Chartisten in drohenden Massen den ganzen Ring umstellten, in dem sich der offizielle Wahlkampf abzuspielen hatte, und mit argw&ouml;hnischem Mi&szlig;trauen jede Bewegung innerhalb dieses Ringes beobachteten - da konnte eine Wahl wie die von 1852 nur allgemeinste Entr&uuml;stung hervorrufen, da mu&szlig;te sie selbst der konservativen "Times" erstmalig einige <A NAME="S356"><B>&lt;356&gt;</A></B> wenige Worte zugunsten des allgemeinen Wahlrechts entlocken, w&auml;hrend die ganze gro&szlig;e Masse des britischen Proletariats wie mit einer Stimme in lautem Protest aufschrie. Die Feinde der Reform, sie haben den Reformern die besten Argumente geliefert: so sieht eine Wahl unter dem System der Klassenherrschaft aus, so ein Unterhaus unter solch einem Wahlsystem!</P>
<P>Um Bestechung, Korruption und Einsch&uuml;chterung, wie sie w&auml;hrend der letzten Wahl praktiziert wurden, in ihrer Art voll erfassen zu k&ouml;nnen, darf man eine Tatsache, die in gleicher Richtung wirkt, nicht &uuml;bersehen.</P>
<P>Betrachtet man die allgemeinen Wahlen seit 1831, so findet man, da&szlig; mit dem zunehmenden Druck der nichtstimmberechtigten Majorit&auml;t im Lande auf die privilegierte W&auml;hlerschaft, mit der immer lauteren Forderung der Bourgeoisie nach Erweiterung des Kreises der W&auml;hlerschaft, mit der Forderung der Arbeiterklasse, jede Spur eines solchen privilegierten Kreises zu tilgen - da&szlig; mit dieser ganzen Entwicklung die Zahl der W&auml;hler, die wirklich ihre Stimmen abgaben, mehr und mehr zur&uuml;ckging und die W&auml;hlerschaft so einem immer engeren Kreis entsprach. Nie ist das so deutlich hervorgetreten wie bei der letzten Wahl.</P>
<P>Nehmen wir z.B. London. In der City bel&auml;uft sich die W&auml;hlerschaft auf 26.728; davon stimmten nur 10.000 ab. Zu den Tower-Hamlets &lt;Wahlbezirk, der die in fr&uuml;heren Zeiten um die Londoner Burg entstandenen D&ouml;rfer umfa&szlig;t&gt; geh&ouml;ren 23.534 eingeschriebene W&auml;hler; davon stimmten nur 12.000 ab. In Finsbury stimmten von 20.025 W&auml;hlern noch nicht die H&auml;lfte ab. In Liverpool, wo sich einer der lebhaftesten Wahlk&auml;mpfe abspielte, kamen von 17.433 eingetragenen W&auml;hlern nur 13.000 zur Urne.</P>
<P>Diese Beispiele d&uuml;rften gen&uuml;gen. Was beweisen sie? Sie beweisen die Apathie der privilegierten W&auml;hler. Und was beweist diese Apathie? Da&szlig; dieser Kreis von W&auml;hlern sich &uuml;berlebt hat, da&szlig; er jedes Interesse an einer eigenen politischen Existenz verloren hat. Es geht hier keineswegs um eine Apathie gegen die Politik an sich, sondern gegen eine Art der Politik, deren Resultat haupts&auml;chlich nur darin bestehen kann, da&szlig; die Tories jeweils die Whigs vertreiben oder die Whigs die Tories besiegen. Die W&auml;hler f&uuml;hlen instinktiv, da&szlig; die Entscheidung nicht mehr in den H&auml;nden des Parlaments liegt und da&szlig; auch bei der Bildung eines Parlaments nichts Entscheidendes geschieht. Wer hob die Korngesetze auf? Ganz bestimmt nicht die W&auml;hler, die f&uuml;r ein protektionistisches Parlament gestimmt hatten, und noch weniger dieses protektionistische Parlament selber; das schaffte einzig und allein der Druck von au&szlig;en. An diesen Druck von au&szlig;en, an eine Beeinflussung des Parlaments <A NAME="S357"><B>&lt;357&gt;</A></B> durch andere Mittel als die blo&szlig;e Stimmabgabe, glaubt jetzt bereits ein gro&szlig;er Teil der W&auml;hler selbst. Sie betrachten den bisherigen gesetzlichen Modus der Abstimmung als eine veraltete Formalit&auml;t, und in dem Moment, wo das Parlament sich dem Druck von au&szlig;en entgegenstemmen und der Nation Gesetze diktieren wollte, die nur den Willen dieses engen Kreises der W&auml;hler ausdr&uuml;cken, w&uuml;rden diese sich dem allgemeinen Ansturm gegen das ganze System dieser veralteten Maschinerie anschlie&szlig;en.</P>
<P>Die Bestechungen und Einsch&uuml;chterungen, die die Tories praktizierten, waren daher nur gewaltsame Wiederbelebungsversuche absterbender Wahlk&ouml;rperschaften, die unf&auml;hig geworden sind, Positives zu leisten, die keine entscheidenden Wahlresultate, kein wirkliches nationales Parlament mehr hervorbringen k&ouml;nnen. Was ergibt sich daraus? Das alte Parlament wurde aufgel&ouml;st, weil es am Ende seiner Laufbahn sich selbst in lauter Splittergruppen aufgel&ouml;st hatte, die sich gegenseitig zu vollst&auml;ndiger Ohnmacht verdammten. Das neue Parlament f&auml;ngt so an, wie das alte endete: in greisenhafter L&auml;hmung schon in der Stunde seiner Geburt.</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Karl Marx</P></I></BODY>
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