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2022-08-25 20:29:11 +02:00
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<TITLE>Friedrich Engels - Dialektik der Natur - Einleitung</TITLE>
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<HR size="1">
<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 20. Berlin/DDR.
1962. &raquo;Dialektik der Natur&laquo;,
S. <!-- #BeginEditable "Seitenzahl" -->311-327<!-- #EndEditable -->.<BR>
1. Korrektur<BR>
Erstellt am 30.00.1999</SMALL></P>
<H2>Friedrich Engels - Dialektik der Natur</H2>
<H1><!-- #BeginEditable "%DCberschrift" -->Einleitung<!-- #EndEditable --></H1>
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<P><B>|311|</B> Die moderne Naturforschung, die einzige, die es zu einer wissenschaftlichen, systematischen, allseitigen Entwicklung gebracht hat im Gegensatz zu den genialen naturphilosophischen Intuitionen der Alten und zu den h&ouml;chst bedeutenden, aber sporadischen und gr&ouml;&szlig;tenteils resultatlos dahingegangnen Entdeckungen der Araber - die moderne Naturforschung datiert wie die ganze neuere Geschichte von jener gewaltigen Epoche, die wir Deutsche, nach dem uns damals zugesto&szlig;enen Nationalungl&uuml;ck, die Reformation, die Franzosen die Renaissance und die Italiener das Cinquecento nennen, und die keiner dieser Namen ersch&ouml;pfend ausdr&uuml;ckt. Es ist die Epoche, die mit der letzten H&auml;lfte des 15. Jahrhunderts anhebt. Das K&ouml;nigtum, sich st&uuml;tzend auf die St&auml;dteb&uuml;rger, brach die Macht des Feudaladels und begr&uuml;ndete die gro&szlig;en, wesentlich auf Nationalit&auml;t basierten Monarchien, in denen die modernen europ&auml;ischen Nationen und die moderne b&uuml;rgerliche Gesellschaft zur Entwicklung kamen; und w&auml;hrend noch B&uuml;rger und Adel sich in den Haaren lagen, wies der deutsche Bauernkrieg prophetisch hin auf zuk&uuml;nftige Klassenk&auml;mpfe, indem er nicht nur die emp&ouml;rten Bauern auf die B&uuml;hne f&uuml;hrte - das war nichts Neues mehr -, sondern hinter ihnen die Anf&auml;nge des jetzigen Proletariats, die rote Fahne in der Hand und die Forderung der G&uuml;tergemeinschaft auf den Lippen. In den aus dem Fall von Byzanz geretteten Manuskripten, in den aus den Ruinen Roms ausgegrabnen antiken Statuen ging dem erstaunten Westen eine neue Welt auf, das griechische Altertum; vor seinen lichten Gestalten verschwanden die Gespenster des Mittelalters; Italien erhob sich zu einer ungeahnten Bl&uuml;te der Kunst, die wie ein Widerschein des klassischen Altertums erschien und die nie wieder erreicht worden. In Italien, Frankreich, Deutschland entstand eine neue, die erste moderne Literatur, England und Spanien erlebten bald darauf ihre klassische Literaturepoche. Die Schranken <A NAME="S312"></A><B>|312|</B> des alten Orbis terrarum |Erdkreises| wurden durchbrochen, die Erde wurde eigentlich jetzt erst entdeckt und der Grund gelegt zum sp&auml;teren Welthandel und zum &Uuml;bergang des Handwerks in die Manufaktur, die wieder den Ausgangspunkt bildete f&uuml;r die moderne gro&szlig;e Industrie. Die geistige Diktatur der Kirche wurde gebrochen; die germanischen V&ouml;lker warfen sie der Mehrzahl nach direkt ab und nahmen den Protestantismus an, w&auml;hrend bei den Romanen eine von den Arabern &uuml;bernommene und von der neuentdeckten griechischen Philosophie gen&auml;hrte heitre Freigeisterei mehr und mehr Wurzel fa&szlig;te und den Materialismus des 18. Jahrhunderts vorbereitete.</P>
<P>Es war die gr&ouml;&szlig;te progressive Umw&auml;lzung, die die Menschheit bis dahin erlebt hatte, eine Zeit, die Riesen brauchte und Riesen zeugte, Riesen an Denkkraft, Leidenschaft und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit. Die M&auml;nner, die die moderne Herrschaft der Bourgeoisie begr&uuml;ndeten, waren alles, nur nicht b&uuml;rgerlich beschr&auml;nkt. Im Gegenteil, der abenteuernde Charakter der Zeit hat sie mehr oder weniger angehaucht. Fast kein bedeutender Mann lebte damals, der nicht weite Reisen gemacht, der nicht vier bis f&uuml;nf Sprachen sprach, der nicht in mehreren F&auml;chern gl&auml;nzte. Leonardo da Vinci war nicht nur ein gro&szlig;er Maler, sondern auch ein gro&szlig;er Mathematiker, Mechaniker und Ingenieur, dem die verschiedensten Zweige der Physik wichtige Entdeckungen verdanken; Albrecht D&uuml;rer war Maler, Kupferstecher, Bildhauer, Architekt und erfand au&szlig;erdem ein System der Fortifikation, das schon manche der weit sp&auml;ter durch Montalembert und die neuere deutsche Befestigung wiederaufgenommenen Ideen enth&auml;lt. Machiavelli war Staatsmann, Geschichtschreiber, Dichter und zugleich der erste nennenswerte Milit&auml;rschriftsteller der neueren Zeit. Luther fegte nicht nur den Augiasstall der Kirche, sondern auch den der deutschen Sprache aus, schuf die moderne deutsche Prosa und dichtete Text und Melodie jenes siegesgewissen Chorals, der die Marseillaise des 16. Jahrhunderts wurde. Die Heroen jener Zeit waren eben noch nicht unter die Teilung der Arbeit geknechtet, deren beschr&auml;nkende, einseitig machende Wirkungen wir so oft an ihren Nachfolgern versp&uuml;ren. Was ihnen aber besonders eigen, das ist, da&szlig; sie fast alle mitten in der Zeitbewegung, im praktischen Kampf leben und weben, Partei ergreifen und mitk&auml;mpfen, der mit Wort und Schrift, der mit dem Degen, manche mit beidem. Daher jene F&uuml;lle und Kraft des Charakters, die sie zu ganzen M&auml;nnern macht. Stubengelehrte sind die Ausnahme: entweder Leute zweiten und dritten Rangs oder vorsichtige Philister, die sich die Finger nicht verbrennen wollen.</P>
<P><B><A NAME="S313">|313|</A></B> Auch die Naturforschung bewegte sich damals mitten in der allgemeinen Revolution und war selbst durch und durch revolution&auml;r; hatte sie sich doch das Recht der Existenz zu erk&auml;mpfen. Hand in Hand mit den gro&szlig;en Italienern, von denen die neuere Philosophie datiert, lieferte sie ihre M&auml;rtyrer auf den Scheiterhaufen und in die Gef&auml;ngnisse der Inquisition. Und bezeichnend ist, da&szlig; Protestanten den Katholiken vorauseilten in der Verfolgung der freien Naturforschung. Calvin verbrannte Servet, als dieser auf dem Sprunge stand, den Lauf der Blutzirkulation zu entdecken, und zwar lie&szlig; er ihn zwei Stunden lebendig braten; die Inquisition begn&uuml;gte sich wenigstens damit, Giordano Bruno einfach zu verbrennen.</P>
<P>Der revolution&auml;re Akt, wodurch die Naturforschung ihre Unabh&auml;ngigkeit erkl&auml;rte und die Bullenverbrennung Luthers gleichsam wiederholte, war die Herausgabe des unsterblichen Werks, womit Kopernikus, sch&uuml;chtern zwar und sozusagen erst auf dem Totenbett, der kirchlichen Autorit&auml;t in nat&uuml;rlichen Dingen den Fehdehandschuh hinwarf. Von da an datiert die Emanzipation der Naturforschung von der Theologie, wenn auch die Auseinandersetzung der einzelnen gegenseitigen Anspr&uuml;che sich bis in unsre Tage hingeschleppt und sich in manchen K&ouml;pfen noch lange nicht vollzogen hat. Aber von da an ging auch die Entwicklung der Wissenschaften mit Riesenschritten vor sich und gewann an Kraft, man kann wohl sagen im quadratischen Verh&auml;ltnis der (zeitlichen) Entfernung von ihrem Ausgangspunkt. Es war, als sollte der Welt bewiesen werden, da&szlig; von jetzt an f&uuml;r das h&ouml;chste Produkt der organischen Materie, den menschlichen Geist, das umgekehrte Bewegungsgesetz gelte wie f&uuml;r den anorganischen Stoff.</P>
<P>Die Hauptarbeit in der nun angebrochnen ersten Periode der Naturwissenschaft war die Bew&auml;ltigung des n&auml;chstliegenden Stoffs. Auf den meisten Gebieten mu&szlig;te ganz aus dem Rohen angefangen werden. Das Altertum hatte den Euklid und das ptolem&auml;ische Sonnensystem, die Araber die Dezimalnotation, die Anf&auml;nge der Algebra, die modernen Zahlen und die Alchimie hinterlassen; das christliche Mittelalter gar nichts. Notwendig nahm in dieser Lage die elementarste Naturwissenschaft, die Mechanik der irdischen und himmlischen K&ouml;rper, den ersten Rang ein, und neben ihr, in ihrem Dienst, die Entdeckung und Vervollkommnung der mathematischen Methoden. Hier wurde Gro&szlig;es geleistet. Am Ende der Periode, das durch Newton und Linn&eacute; bezeichnet wird, finden wir diese Zweige der Wissenschaft zu einem gewissen Abschlu&szlig; gebracht. Die wesentlichsten mathematischen Methoden sind in den Grundz&uuml;gen festgestellt; die analytische Geometrie vorz&uuml;glich durch Descartes, die Logarithmen durch Neper, die Differential- und Integralrechnung durch Leibniz und vielleicht Newton. <A NAME="S314"></A><B>|314|</B> Dasselbe gilt von der Mechanik fester K&ouml;rper, deren Hauptgesetze ein f&uuml;r allemal klargestellt waren. Endlich in der Astronomie des Sonnensystems hatte Kepler die Gesetze der Planetenbewegung entdeckt und Newton sie unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Bewegungsgesetze der Materie gefa&szlig;t. Die andern Zweige der Naturwissenschaft waren weit entfernt selbst von diesem vorl&auml;ufigen Abschlu&szlig;. Die Mechanik der fl&uuml;ssigen und gasf&ouml;rmigen K&ouml;rper wurde erst gegen Ende der Periode mehr bearbeitet.<A NAME="ZT1"></A><A HREF="me20_311.htm#T1"><SUP>{1}</SUP></A> Die eigentliche Physik war noch nicht &uuml;ber die ersten Anf&auml;nge hinaus, wenn wir die Optik ausnehmen, deren ausnahmsweise Fortschritte durch das praktische Bed&uuml;rfnis der Astronomie hervorgerufen wurden. Die Chemie emanzipierte sich eben erst durch die phlogistische Theorie von der Alchimie. Die Geologie war noch nicht &uuml;ber die embryonische Stufe der Mineralogie hinaus; die Pal&auml;ontologie konnte also noch gar nicht existieren. Endlich im Gebiet der Biologie war man noch wesentlich besch&auml;ftigt mit der Sammlung und ersten Sichtung des ungeheuren Stoffs, sowohl des botanischen und zoologischen wie des anatomischen und eigentlich physiologischen. Von Vergleichung der Lebensformen untereinander, von Untersuchung ihrer geographischen Verbreitung, ihren klimatologischen etc. Lebensbedingungen, konnte noch kaum die Rede sein. Hier erreichte nur Botanik und Zoologie einen ann&auml;hernden Abschlu&szlig; durch Linn&eacute;.</P>
<P>Was diese Periode aber besonders charakterisiert, ist die Herausarbeitung einer eigent&uuml;mlichen Gesamtanschauung, deren Mittelpunkt die Ansicht <I>von der absoluten Unver&auml;nderlichkeit der Natur </I>bildet. Wie auch immer die Natur selbst zustande gekommen sein mochte: einmal vorhanden, blieb sie, wie sie war, solange sie bestand. Die Planeten und ihre Satelliten, einmal in Bewegung gesetzt von dem geheimnisvollen &raquo;ersten Ansto&szlig;&laquo;, kreisten fort und fort in ihren vorgeschriebnen Ellipsen in alle Ewigkeit oder doch bis zum Ende aller Dinge. Die Sterne ruhten f&uuml;r immer fest und unbeweglich auf ihren Pl&auml;tzen, einander darin haltend durch die &raquo;allgemeine Gravitation&laquo;. Die Erde war von jeher oder auch von ihrem Sch&ouml;pfungstage an (je nachdem) unver&auml;ndert dieselbe geblieben. Die jetzigen &raquo;f&uuml;nf Weltteile&laquo; hatten immer bestanden, immer dieselben Berge, T&auml;ler und Fl&uuml;sse, dasselbe Klima, dieselbe Flora und Fauna gehabt, es sei denn, da&szlig; durch Menschenhand Ver&auml;nderung oder Verpflanzung stattgefunden. Die Arten der Pflanzen und Tiere waren bei ihrer Entstehung ein f&uuml;r allemal festgestellt, Gleiches zeugte fortw&auml;hrend Gleiches, und es war schon viel, wenn <A NAME="S315"></A><B>|315|</B> Linn&eacute; zugab, da&szlig; hier und da durch Kreuzung m&ouml;glicherweise neue Arten entstehn konnten. Im Gegensatz zur Geschichte der Menschheit, die in der Zeit sich entwickelt, wurde der Naturgeschichte nur eine Entfaltung im Raum zugeschrieben. Alle Ver&auml;nderung, alle Entwicklung in der Natur wurde verneint. Die anfangs so revolution&auml;re Naturwissenschaft stand pl&ouml;tzlich vor einer durch und durch konservativen Natur, in der alles noch heute so war, wie es von Anfang an gewesen, und in der - bis zum Ende der Welt oder in Ewigkeit - alles so bleiben sollte, wie es von Anfang an gewesen.</P>
<P>So hoch die Naturwissenschaft der ersten H&auml;lfte des achtzehnten Jahrhunderts &uuml;ber dem griechischen Altertum stand an Kenntnis und selbst an Sichtung des Stoffs, so tief stand sie unter ihm in der ideellen Bew&auml;ltigung desselben, in der allgemeinen Naturanschauung. Den griechischen Philosophen war die Welt wesentlich etwas aus dem Chaos Hervorgegangnes, etwas Entwickeltes, etwas Gewordenes. Den Naturforschern der Periode, die wir behandeln, war sie etwas Verkn&ouml;chertes, etwas Unwandelbares, den meisten etwas mit einem Schlage Gemachtes. Die Wissenschaft stak noch tief in der Theologie. &Uuml;berall sucht sie und findet sie als Letztes einen Ansto&szlig; von au&szlig;en, der aus der Natur selbst nicht zu erkl&auml;ren. Wird auch die Anziehung, von Newton pomp&ouml;serweise allgemeine Gravitation getauft, als wesentliche Eigenschaft der Materie aufgefa&szlig;t, woher kommt die unerkl&auml;rte Tangentialkraft, die erst die Planetenbahnen zustande bringt? Wie sind die zahllosen Arten der Pflanzen und Tiere entstanden? Und wie nun gar erst der Mensch, von dem doch feststand, da&szlig; er nicht von Ewigkeit her da war? Auf solche Fragen antwortete die Naturwissenschaft nur zu oft, indem sie den Sch&ouml;pfer aller Dinge daf&uuml;r verantwortlich machte. Kopernikus, im Anfang der Periode, schreibt der Theologie den Absagebrief; Newton schlie&szlig;t sie mit dem Postulat des g&ouml;ttlichen ersten Ansto&szlig;es. Der h&ouml;chste allgemeine Gedanke, zu dem diese Naturwissenschaft sich aufschwang, war der der Zweckm&auml;&szlig;igkeit der Natureinrichtungen, die flache Wolffsche Teleologie, wonach die Katzen geschaffen wurden, um die M&auml;use zu fressen, die M&auml;use, um von den Katzen gefressen zu werden, und die ganze Natur, um die Weisheit des Sch&ouml;pfers darzutun. Es gereicht der damaligen Philosophie zur h&ouml;chsten Ehre, da&szlig; sie sich durch den beschr&auml;nkten Stand der gleichzeitigen Naturkenntnisse nicht beirren lie&szlig;, da&szlig; sie - von Spinoza bis zu den gro&szlig;en franz&ouml;sischen Materialisten - darauf beharrte, die Welt aus sich selbst zu erkl&auml;ren, und der Naturwissenschaft der Zukunft die Rechtfertigung im Detail &uuml;berlie&szlig;.</P>
<P>Ich rechne die Materialisten des achtzehnten Jahrhunderts noch mit zu dieser Periode, weil ihnen kein andres naturwissenschaftliches Material zu <A NAME="S316"></A><B>|316|</B> Gebote stand als das oben geschilderte. Kants epochemachende Schrift blieb ihnen ein Geheimnis, und Laplace kam lange nach ihnen. Vergessen wir nicht, da&szlig; diese veraltete Naturanschauung, obwohl an allen Ecken und Enden durchl&ouml;chert durch den Fortschritt der Wissenschaft, die ganze erste H&auml;lfte des neunzehnten Jahrhunderts beherrscht hat <A NAME="ZT2"></A><A HREF="me20_311.htm#T2"><SUP>{2}</SUP></A> und noch jetzt, der Hauptsache nach, auf allen Schulen gelehrt wird <A NAME="ZF1"></A><A HREF="me20_311.htm#F1"><SUP>(1)</SUP></A>.</P>
<P>Die erste Bresche in diese versteinerte Naturanschauung wurde geschossen nicht durch einen Naturforscher, sondern durch einen Philosophen. 1755 erschien <I>Kants</I> &raquo;Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels&laquo;. Die Frage nach dem ersten Ansto&szlig; war beseitigt; die Erde und das ganze Sonnensystem erschienen als etwas im Verlauf der Zeit <I>Gewordenes</I>. H&auml;tte die gro&szlig;e Mehrzahl der Naturforscher weniger von dem Abscheu vor dem Denken gehabt, den Newton mit der Warnung ausspricht: Physik, h&uuml;te dich vor der Metaphysik! - sie h&auml;tten aus dieser einen genialen Entdeckung Kants Folgerungen ziehn m&uuml;ssen, die ihnen endlose Abwege, unerme&szlig;liche Mengen in falschen Richtungen vergeudeter Zeit und Arbeit ersparte. Denn in Kants Entdeckung lag der Springpunkt alles ferneren Fortschritts. War die Erde etwas Gewordenes, so mu&szlig;te ihr gegenw&auml;rtiger geologischer, geographischer, klimatischer Zustand, mu&szlig;ten ihre Pflanzen und Tiere ebenfalls etwas Gewordenes sein, mu&szlig;te sie eine Geschichte haben nicht nur im Raum nebeneinander, sondern auch in der Zeit nacheinander. W&auml;re sofort in dieser Richtung entschlossen fortuntersucht worden, die Naturwissenschaft w&auml;re jetzt bedeutend weiter, als sie ist. Aber was <A NAME="S317"></A><B>|317|</B> konnte von der Philosophie Gutes kommen? Kants Schrift blieb ohne unmittelbares Resultat, bis lange Jahre sp&auml;ter Laplace und Herschel ihren Inhalt ausf&uuml;hrten und n&auml;her begr&uuml;ndeten und damit die &raquo;Nebularhypothese&laquo; allm&auml;hlich zu Ehren brachten. Fernere Entdeckungen verschafften ihr endlich den Sieg; die wichtigsten darunter waren: die Eigenbewegung der Fixsterne, der Nachweis eines widerstehenden Mittels im Weltraum, der durch die Spektralanalyse gef&uuml;hrte Beweis der chemischen Identit&auml;t der Weltmaterie und des Bestehens solcher gl&uuml;henden Nebelmassen, wie Kant sie vorausgesetzt <A NAME="ZT3"></A><A HREF="me20_311.htm#T3"><SUP>{3}</SUP></A>.</P>
<P>Es ist aber erlaubt zu zweifeln, ob der Mehrzahl der Naturforscher der Widerspruch einer sich ver&auml;ndernden Erde, die unver&auml;nderliche Organismen tragen soll, so bald zum Bewu&szlig;tsein gekommen w&auml;re, h&auml;tte die aufd&auml;mmernde Anschauung, da&szlig; die Natur nicht <I>ist</I>, sondern <I>wird </I>und <I>vergeht</I>, nicht von andrer Seite Sukkurs bekommen. Die Geologie entstand und wies nicht nur nacheinander gebildete und &uuml;bereinander gelagerte Erdschichten auf, sondern auch in diesen Schichten die erhaltenen Schalen und Skelette ausgestorbner Tiere, die St&auml;mme, Bl&auml;tter und Fr&uuml;chte nicht mehr vorkommender Pflanzen. Man mu&szlig;te sich entschlie&szlig;en anzuerkennen, da&szlig; nicht nur die Erde im ganzen und gro&szlig;en, da&szlig; auch ihre jetzige Oberfl&auml;che und die darauf lebenden Pflanzen und Tiere eine zeitliche Geschichte hatten. Die Anerkennung geschah anfangs widerwillig genug. Cuviers Theorie von den Revolutionen der Erde war revolution&auml;r in der Phrase und reaktion&auml;r in der Sache. An die Stelle der Einen g&ouml;ttlichen Sch&ouml;pfung setzte sie eine ganze Reihe wiederholter Sch&ouml;pfungsakte, machte das Mirakel zu einem wesentlichen Hebel der Natur. Erst Lyell brachte Verstand in die Geologie, indem er die pl&ouml;tzlichen, durch die Launen des Sch&ouml;pfers hervorgerufenen Revolutionen ersetzte durch die allm&auml;hlichen Wirkungen einer langsamen Umgestaltung der Erde.<A NAME="ZF2"></A><A HREF="me20_311.htm#F2"><SUP>(2)</SUP></A></P>
<P>Die Lyellsche Theorie war noch unvertr&auml;glicher mit der Annahme best&auml;ndiger organischer Arten als alle ihre Vorg&auml;ngerinnen. Allm&auml;hliche Umgestaltung der Erdoberfl&auml;che und aller Lebensbedingungen f&uuml;hrte direkt <A NAME="S318"></A><B>|318|</B> auf allm&auml;hliche Umgestaltung der Organismen und ihre Anpassung an die sich &auml;ndernde Umgebung, auf die Wandelbarkeit der Arten. Aber die Tradition ist eine Macht nicht nur in der katholischen Kirche, sondern auch in der Naturwissenschaft. Lyell selbst sah jahrelang den Widerspruch nicht, seine Sch&uuml;ler noch weniger. Es ist dies nur zu erkl&auml;ren durch die inzwischen in der Naturwissenschaft herrschend gewordne Teilung der Arbeit, die jeden auf sein spezielles Fach mehr oder weniger beschr&auml;nkte und nur wenige nicht des allgemeinen &Uuml;berblicks beraubte.</P>
<P>Inzwischen hatte die Physik gewaltige Fortschritte gemacht, deren Resultate in dem f&uuml;r diesen Zweig der Naturforschung epochemachenden Jahr 1842 von drei verschiedenen M&auml;nnern fast gleichzeitig zusammengefa&szlig;t wurden. Mayer in Heilbronn und Joule in Manchester wiesen den Umschlag von W&auml;rme in mechanische Kraft und von mechanischer Kraft in W&auml;rme nach. Die Feststellung des mechanischen &Auml;quivalents der W&auml;rme stellte dies Resultat au&szlig;er Frage. Gleichzeitig bewies Grove - kein Naturforscher von Profession, sondern ein englischer Advokat - durch einfache Verarbeitung der bereits erreichten einzelnen physikalischen Resultate die Tatsache, da&szlig; alle sog. physikalischen Kr&auml;fte, mechanische Kraft, W&auml;rme, Licht, Elektrizit&auml;t, Magnetismus, ja selbst die sog. chemische Kraft, unter bestimmten Bedingungen die eine in die andre umschlagen, ohne da&szlig; irgendwelcher Kraftverlust stattfindet, und bewies so nachtr&auml;glich auf physikalischem Wege den Satz des Descartes, da&szlig; die Quantit&auml;t der in der Welt vorhandenen Bewegung unver&auml;nderlich ist. Hiermit waren die besondren physikalischen Kr&auml;fte, sozusagen die unver&auml;nderlichen &raquo;Arten&laquo; der Physik, in verschieden differenzierte und nach bestimmten Gesetzen ineinander &uuml;bergehende Bewegungsformen der Materie aufgel&ouml;st. Die Zuf&auml;lligkeit des Bestehens von soundso viel physikalischen Kr&auml;ften war aus der Wissenschaft beseitigt, indem ihre Zusammenh&auml;nge und &Uuml;berg&auml;nge nachgewiesen. Die Physik war, wie schon die Astronomie, bei einem Resultat angekommen, das mit Notwendigkeit auf den ewigen Kreislauf der sich bewegenden Materie als Letztes hinwies.</P>
<P>Die wunderbar rasche Entwicklung der Chemie seit Lavoisier und besonders seit Dalton griff die alten Vorstellungen von der Natur von einer andern Seite an. Durch Herstellung von bisher nur im lebenden Organismus erzeugten Verbindungen auf anorganischem Wege wies sie nach, da&szlig; die Gesetze der Chemie f&uuml;r organische K&ouml;rper dieselbe G&uuml;ltigkeit haben wie f&uuml;r unorganische, und f&uuml;llte sie einen gro&szlig;en Teil der noch nach Kant auf ewig un&uuml;berschreitbaren Kluft zwischen unorganischer und organischer Natur aus.</P>
<P><B><A NAME="S319">| 319|</A></B> Endlich hatten auch auf dem Gebiet der biologischen Forschung, namentlich die seit Mitte des vorigen Jahrhunderts systematisch betriebnen wissenschaftlichen Reisen und Expeditionen, die genauere Durchforschung der europ&auml;ischen Kolonien in allen Weltteilen durch dort lebende Fachleute, ferner die Fortschritte der Pal&auml;ontologie, der Anatomie und Physiologie &uuml;berhaupt, besonders seit systematischer Anwendung des Mikroskops und Entdeckung der Zelle, so viel Material gesammelt, da&szlig; die Anwendung der vergleichenden Methode m&ouml;glich und zugleich notwendig wurde.<A NAME="ZT4"></A><A HREF="me20_311.htm#T4"><SUP>{4}</SUP></A> Einerseits wurden durch die vergleichende physische Geographie die Lebensbedingungen der verschiednen Floren und Faunen festgestellt, andrerseits die verschiednen Organismen nach ihren homologen Organen untereinander verglichen, und zwar nicht nur im Zustand der Reife, sondern auf allen ihren Entwicklungsstufen. Je tiefer und genauer diese Untersuchung gef&uuml;hrt wurde, desto mehr zerflo&szlig; ihr unter den H&auml;nden jenes starre System einer unver&auml;nderlich fixierten organischen Natur. Nicht nur, da&szlig; immer mehr einzelne Arten von Pflanzen und Tieren rettungslos ineinander verschwammen, es tauchten Tiere auf, wie Amphioxus und Lepidosiren, die aller bisherigen Klassifikation spotteten <A NAME="ZT5"></A><A HREF="me20_311.htm#T5"><SUP>{5}</SUP></A>, und endlich stie&szlig; man auf Organismen, von denen nicht einmal zu sagen war, ob sie zum Pflanzenreich oder zum Tierreich geh&ouml;rten. Die L&uuml;cken im pal&auml;ontologischen Archiv f&uuml;llten sich mehr und mehr und zwangen auch dem Widerstrebendsten den schlagenden Parallelismus auf, der zwischen der Entwicklungsgeschichte der organischen Welt im ganzen und gro&szlig;en und der des einzelnen Organismus besteht, den Ariadnefaden, der aus dem Labyrinth f&uuml;hren sollte, worin Botanik und Zoologie sich tiefer und tiefer zu verirren schienen. Es war bezeichnend, da&szlig; fast gleichzeitig mit Kants Angriff auf die Ewigkeit des Sonnensystems C. F. Wolff 1759 den ersten Angriff auf die Best&auml;ndigkeit der Arten erlie&szlig; und die Abstammungslehre proklamiertet. Aber was bei ihm nur noch geniale Antizipation, das nahm bei Oken, Lamarck, Baer feste Gestalt an und wurde genau 100 Jahre sp&auml;ter, 1859, von Darwin sieghaft durchgef&uuml;hrt. Fast gleichzeitig wurde konstatiert, da&szlig; Protoplasma und Zelle, die schon fr&uuml;her als letzte Formbestandteile aller Organismen nachgewiesen, als niedrigste organische Formen selbst&auml;ndig lebend vorkommen. Damit war sowohl die Kluft zwischen anorganischer und organischer Natur auf ein Minimum reduziert, wie auch eine der wesentlichsten Schwierigkeiten beseitigt, die der Abstammungstheorie der Organismen bisher entgegen- <A NAME="S320"></A><B>|320|</B> stand. Die neue Naturanschauung war in ihren Grundz&uuml;gen fertig: Alles Starre war aufgel&ouml;st, alles Fixierte verfl&uuml;chtigt, alles f&uuml;r ewig gehaltene Besondere verg&auml;nglich geworden, die ganze Natur als in ewigem Flu&szlig; und Kreislauf sich bewegend nachgewiesen.</P>
<P ALIGN="CENTER">&#151;&#151;&#151;&#151;&#151;</P>
<P>Und so sind wir denn wieder zur&uuml;ckgekehrt zu der Anschauungsweise der gro&szlig;en Gr&uuml;nder der griechischen Philosophie, da&szlig; die gesamte Natur, vom Kleinsten bis zum Gr&ouml;&szlig;ten, von den Sandk&ouml;rnern bis zu den Sonnen, von den Protisten bis zum Menschen, in ewigem Entstehen und Vergehen, in unaufh&ouml;rlichem Flu&szlig;, in rastloser Bewegung und Ver&auml;nderung ihr Dasein hat. Nur mit dem wesentlichen Unterschied, da&szlig;, was bei den Griechen geniale Intuition war, bei uns Resultat streng wissenschaftlicher, erfahrungsm&auml;&szlig;iger Forschung ist und daher auch in viel bestimmterer und klarerer Form auftritt. Allerdings ist der empirische Nachweis dieses Kreislaufs nicht ganz und gar frei von L&uuml;cken, aber diese sind unbedeutend im Vergleich zu dem, was bereits sichergestellt ist, und f&uuml;llen sich mit jedem Jahr mehr und mehr aus. Und wie k&ouml;nnte der Nachweis im Detail anders als l&uuml;ckenhaft sein, wenn man bedenkt, da&szlig; die wesentlichsten Zweige der Wissenschaft - die transplanetarische Astronomie, die Chemie, die Geologie - kaum ein Jahrhundert, die vergleichende Methode in der Physiologie kaum f&uuml;nfzig Jahre wissenschaftlicher Existenz z&auml;hlen, da&szlig; die Grundform fast aller Lebensentwicklung, die Zelle, noch nicht vierzig Jahre entdeckt ist! <A NAME="ZT6"></A><A HREF="me20_311.htm#T6"><SUP>{6}</SUP></A></P>
<P>Aus wirbelnden, gl&uuml;henden Dunstmassen, deren Bewegungsgesetze vielleicht erschlossen werden, nachdem die Beobachtungen einiger Jahrhunderte uns &uuml;ber die Eigenbewegung der Sterne Klarheit verschafft, entwickelten sich durch Zusammenziehung und Abk&uuml;hlung die zahllosen Sonnen und Sonnensysteme unsrer von den &auml;u&szlig;ersten Sternringen der Milchstra&szlig;e begrenzten Weltinsel. Diese Entwicklung ging offenbar nicht &uuml;berall gleich schnell vor sich. Die Existenz dunkler, nicht blo&szlig; planetarischer K&ouml;rper, also ausgegl&uuml;hter Sonnen in unserm Sternsystem, dr&auml;ngt sich der Astronomie mehr und mehr auf (M&auml;dler); andrerseits geh&ouml;rt (nach <A NAME="S321"></A><B>|321|</B> Secchi) ein Teil der dunstf&ouml;rmigen Nebelflecke als noch nicht fertige Sonnen zu unserm Sternsystem, wodurch nicht ausgeschlossen ist, da&szlig; andre Nebel, wie M&auml;dler behauptet, ferne selbst&auml;ndige Weltinseln sind, deren relative Entwicklungsstufe das Spektroskop festzustellen hat.</P>
<P>Wie aus einer einzelnen Dunstmasse ein Sonnensystem sich entwickelt, hat Laplace im Detail in bis jetzt un&uuml;bertroffner Weise nachgewiesen; die sp&auml;tere Wissenschaft hat ihn mehr und mehr best&auml;tigt.</P>
<P>Auf den so gebildeten einzelnen K&ouml;rpern - Sonnen wie Planeten und Satelliten - herrscht anfangs diejenige Bewegungsform der Materie vor, die wir W&auml;rme nennen. Von chemischen Verbindungen der Elemente kann selbst bei einer Temperatur, wie sie heute noch die Sonne hat, keine Rede sein; inwieweit die W&auml;rme sich dabei in Elektrizit&auml;t oder Magnetismus umsetzt, werden fortgesetzte Sonnenbeobachtungen zeigen; da&szlig; die auf der Sonne vorgehenden mechanischen Bewegungen lediglich aus dem Konflikt der W&auml;rme mit der Schwere hervorgehn, ist schon jetzt so gut wie ausgemacht.</P>
<P>Die einzelnen K&ouml;rper k&uuml;hlen sich um so rascher ab, je kleiner sie sind. Satelliten, Asteroiden, Meteore zuerst, wie denn ja unser Mond l&auml;ngst verstorben ist. Langsamer die Planeten, am langsamsten der Zentralk&ouml;rper.</P>
<P>Mit der fortschreitenden Abk&uuml;hlung tritt das Wechselspiel der ineinander umschlagenden physikalischen Bewegungsformen mehr und mehr in den Vordergrund, bis endlich ein Punkt erreicht wird, von wo an die chemische Verwandtschaft anf&auml;ngt, sich geltend zu machen, wo die bisher chemisch indifferenten Elemente sich nacheinander chemisch differenzieren, chemische Eigenschaften erlangen, Verbindungen miteinander eingehn. Diese Verbindungen wechseln fortw&auml;hrend mit der abnehmenden Temperatur, die nicht nur jedes Element, sondern auch jede einzelne Verbindung von Elementen verschieden beeinflu&szlig;t, mit dem davon abh&auml;ngenden &Uuml;bergang eines Teils der gasf&ouml;rmigen Materie zuerst in den fl&uuml;ssigen, dann in den festen Zustand und mit den dadurch geschaffenen neuen Bedingungen.</P>
<P>Die Zeit, wo der Planet eine feste Rinde und Wasseransammlungen auf seiner Oberfl&auml;che hat, f&auml;llt zusammen mit der, von wo an seine Eigenw&auml;rme mehr und mehr zur&uuml;cktritt gegen die ihm zugesandte W&auml;rme des Zentralk&ouml;rpers. Seine Atmosph&auml;re wird der Schauplatz meteorologischer Erscheinungen in dem Sinne, wie wir das Wort jetzt verstehn, seine Oberfl&auml;che der Schauplatz geologischer Ver&auml;nderungen, bei denen die durch atmosph&auml;rische Niederschl&auml;ge herbeigef&uuml;hrten Ablagerungen immer mehr &Uuml;bergewicht erlangen &uuml;ber die sich langsam abschw&auml;chenden Wirkungen nach au&szlig;en des hei&szlig;fl&uuml;ssigen Innern.</P>
<P><B><A NAME="S322">|322|</A></B> Gleicht sich endlich die Temperatur so weit aus, da&szlig; sie wenigstens an einer betr&auml;chtlichen Stelle der Oberfl&auml;che die Grenzen nicht mehr &uuml;berschreitet, in denen das Eiwei&szlig; lebensf&auml;hig ist, so bildet sich, unter sonst g&uuml;nstigen chemischen Vorbedingungen, lebendiges Protoplasma. Welches diese Vorbedingungen sind, wissen wir heute noch nicht, was nicht zu verwundern, da nicht einmal die chemische Formel des Eiwei&szlig;es bis jetzt feststeht, wir noch nicht einmal wissen, wieviel chemisch verschiedene Eiwei&szlig;k&ouml;rper es gibt, und da erst seit ungef&auml;hr zehn Jahren die Tatsache bekannt ist, da&szlig; vollkommen strukturloses Eiwei&szlig; alle wesentlichen Funktionen des Lebens, Verdauung, Ausscheidung, Bewegung, Kontraktion, Reaktion gegen Reize, Fortpflanzung, vollzieht.</P>
<P>Es mag Jahrtausende gedauert haben, bis die Bedingungen eintraten, unter denen der n&auml;chste Fortschritt geschehn und dies formlose Eiwei&szlig; durch Bildung von Kern und Haut die erste Zelle herstellen konnte. Aber mit dieser ersten Zelle war auch die Grundlage der Formbildung der ganzen organischen Welt gegeben, zuerst entwickelten sich, wie wir nach der ganzen Analogie des pal&auml;ontologischen Archivs annehmen d&uuml;rfen, zahllose Arten zellenloser und zelliger Protisten, wovon das einzige Eozoon canadense uns &uuml;berliefert, und wovon einige allm&auml;hlich zu den ersten Pflanzen, andre zu den ersten Tieren sich differenzierten. Und von den ersten Tieren aus entwickelten sich, wesentlich durch weitere Differenzierung, die zahllosen Klassen, Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten der Tiere, zuletzt die Form, in der das Nervensystem zu seiner vollsten Entwicklung kommt, die der Wirbeltiere, und wieder zuletzt unter diesen das Wirbeltier, in dem die Natur das Bewu&szlig;tsein ihrer selbst erlangt - der Mensch.</P>
<P>Auch der Mensch entsteht durch Differenzierung. Nicht nur individuell, aus einer einzigen Eizelle bis zum kompliziertesten Organismus differenziert, den die Natur hervorbringt - nein, auch historisch. Als nach jahrtausendelangem Ringen die Differenzierung der Hand vom Fu&szlig;, der aufrechte Gang, endlich festgestellt, da war der Mensch vom Affen geschieden, da war der Grund gelegt zur Entwicklung der artikulierten Sprache und zu der gewaltigen Ausbildung des Gehirns, die seitdem die Kluft zwischen Menschen und Affen un&uuml;bersteiglich gemacht hat. Die Spezialisierung der Hand - das bedeutet das <I>Werkzeug</I>, und das Werkzeug bedeutet die spezifisch menschliche T&auml;tigkeit, die umgestaltende R&uuml;ckwirkung des Menschen auf die Natur, die Produktion. Auch Tiere im engern Sinne haben Werkzeuge, aber nur als Glieder ihres Leibes - die Ameise, die Biene, der Biber; auch Tiere produzieren, aber ihre produktive Einwirkung auf die umgebende Natur ist dieser gegen&uuml;ber gleich Null. Nur der Mensch hat es fertig- <A NAME="S323"></A><B>|323|</B> gebracht, der Natur seinen Stempel aufzudr&uuml;cken, indem er nicht nur Pflanzen und Tiere versetzte, sondern auch den Aspekt, das Klima seines Wohnorts, ja die Pflanzen und Tiere selbst so ver&auml;nderte, da&szlig; die Folgen seiner T&auml;tigkeit nur mit dem allgemeinen Absterben des Erdballs verschwinden k&ouml;nnen. Und das hat er fertiggebracht zun&auml;chst und wesentlich vermittelst der <I>Hand</I>. Selbst die Dampfmaschine, bis jetzt sein m&auml;chtigstes Werkzeug zur Umgestaltung der Natur, beruht, weil Werkzeug, in letzter Instanz auf der Hand. Aber mit der Hand entwickelte sich Schritt f&uuml;r Schritt der Kopf, kam das Bewu&szlig;tsein zuerst der Bedingungen einzelner praktischer Nutzeffekte, und sp&auml;ter, bei den beg&uuml;nstigteren V&ouml;lkern, daraus hervorgehend die Einsicht in die sie bedingenden Naturgesetze. Und mit der rasch wachsenden Kenntnis der Naturgesetze wuchsen die Mittel der R&uuml;ckwirkung auf die Natur; die Hand allein h&auml;tte die Dampfmaschine nie fertiggebracht, h&auml;tte das Gehirn des Menschen sich nicht mit und neben ihr und teilweise durch sie korrelativ entwickelt.</P>
<P>Mit dem Menschen treten wir ein in die <I>Geschichte</I>. Auch die Tiere haben eine Geschichte, die ihrer Abstammung und allm&auml;hlichen Entwicklung bis auf ihren heutigen Stand, Aber diese Geschichte wird f&uuml;r sie gemacht, und soweit sie selbst daran teilnehmen, geschieht es ohne ihr Wissen und Wollen. Die Menschen dagegen, je mehr sie sich vom Tier im engeren Sinn entfernen, desto mehr machen sie ihre Geschichte selbst, mit Bewu&szlig;tsein, desto geringer wird der Einflu&szlig; unvorhergesehener Wirkungen, unkontrollierter Kr&auml;fte auf diese Geschichte, desto genauer entspricht der geschichtliche Erfolg dem vorher festgestellten Zweck. Legen wir aber diesen Ma&szlig;stab an die menschliche Geschichte, selbst der entwickeltsten V&ouml;lker der Gegenwart, so finden wir, da&szlig; hier noch immer ein kolossales Mi&szlig;verh&auml;ltnis besteht zwischen den vorgesteckten Zielen und den erreichten Resultaten, da&szlig; die unvorhergesehenen Wirkungen vorherrschen, da&szlig; die unkontrollierten Kr&auml;fte weit m&auml;chtiger sind als die planm&auml;&szlig;ig in Bewegung gesetzten. Und dies kann nicht anders sein, solange die wesentlichste geschichtliche T&auml;tigkeit der Menschen, diejenige, die sie aus der Tierheit zur Menschheit emporgehoben hat, die die materielle Grundlage aller ihrer &uuml;brigen T&auml;tigkeiten bildet, die Produktion ihrer Lebensbed&uuml;rfnisse, d.h. heutzutage die gesellschaftliche Produktion, erst recht dem Wechselspiel unbeabsichtigter Einwirkungen von unkontrollierten Kr&auml;ften unterworfen ist und den gewollten Zweck nur ausnahmsweise, weit h&auml;ufiger aber sein grades Gegenteil realisiert. Wir haben in den fortgeschrittensten Industriel&auml;ndern die Naturkr&auml;fte geb&auml;ndigt und in den Dienst der Menschen gepre&szlig;t; wir haben damit die Produktion ins unendliche vervielfacht, so <A NAME="S324"></A><B>|324|</B> da&szlig; ein Kind jetzt mehr erzeugt als fr&uuml;her hundert Erwachsene. Und was ist die Folge? Steigende &Uuml;berarbeit und steigendes Elend der Massen und alle zehn Jahre ein gro&szlig;er Krach. Darwin wu&szlig;te nicht, welch bittre Satire er auf die Menschen und besonders auf seine Landsleute schrieb, als er nachwies, da&szlig; die freie Konkurrenz, der Kampf ums Dasein, den die &Ouml;konomen als h&ouml;chste geschichtliche Errungenschaft feiern, der Normalzustand des Tierreichs ist. Erst eine bewu&szlig;te Organisation der gesellschaftlichen Produktion, in der planm&auml;&szlig;ig produziert und verteilt wird, kann die Menschen ebenso in gesellschaftlicher Beziehung aus der &uuml;brigen Tierwelt herausheben, wie dies die Produktion &uuml;berhaupt f&uuml;r die Menschen in spezifischer Beziehung getan hat. Die geschichtliche Entwicklung macht eine solche Organisation t&auml;glich unumg&auml;nglicher, aber auch t&auml;glich m&ouml;glicher. Von ihr wird eine neue Geschichtsepoche datieren, in der die Menschen selbst, und mit ihnen alle Zweige ihrer T&auml;tigkeit, namentlich auch die Naturwissenschaft, einen Aufschwung nehmen werden, der alles Bisherige in tiefen Schatten stellt.</P>
<P>Indes, &raquo;alles was entsteht, ist wert, da&szlig; es zugrunde geht&laquo;. Millionen Jahre m&ouml;gen dar&uuml;ber vergehn, Hunderttausende von Geschlechtern geboren werden und sterben; aber unerbittlich r&uuml;ckt die Zeit heran, wo die sich ersch&ouml;pfende Sonnenw&auml;rme nicht mehr ausreicht, das von den Polen herandr&auml;ngende Eis zu schmelzen, wo die sich mehr und mehr um den &Auml;quator zusammendr&auml;ngenden Menschen endlich auch dort nicht mehr W&auml;rme genug zum Leben finden, wo nach und nach auch die letzte Spur organischen Lebens verschwindet und die Erde, ein erstorbner, erfrorner Ball wie der Mond, in tiefer Finsternis und in immer engeren Bahnen um die ebenfalls erstorbne Sonne kreist und endlich hineinf&auml;llt. Andre Planeten werden ihr vorangegangen sein, andre folgen ihr; anstatt des harmonisch gegliederten, hellen, warmen Sonnensystems verfolgt nur noch eine kalte, tote Kugel ihren einsamen Weg durch den Weltraum. Und so wie unserm Sonnensystem ergeht es fr&uuml;her oder sp&auml;ter allen andern Systemen unsrer Weltinsel, ergeht es denen aller &uuml;brigen zahllosen Weltinseln, selbst denen, deren Licht nie die Erde erreicht, solange ein menschliches Auge auf ihr lebt, es zu empfangen.</P>
<P>Und wenn nun ein solches Sonnensystem seinen Lebenslauf vollbracht und dem Schicksal alles Endlichen, dem Tode verfallen ist, wie dann? Wird die Sonnenleiche in Ewigkeit als Leiche durch den unendlichen Raum fortrollen und alle die ehemals unendlich mannigfaltig differenzierten Naturkr&auml;fte f&uuml;r immer in die eine Bewegungsform der Attraktion aufgehn?</P>
<B></B>
<P><SMALL><B><A NAME="S325">|325|</A></B> &raquo;Oder&laquo;, wie Secchi fragt (p. 810), &raquo;sind Kr&auml;fte in der Natur vorhanden, welche das tote System in den anf&auml;nglichen Zustand des gl&uuml;henden Nebels zur&uuml;ckversetzen und es zu neuem Leben wieder aufwecken k&ouml;nnen? Wir wissen es nicht.&laquo;</SMALL></P>
<P>Allerdings wissen wir das nicht in dem Sinn, wie wir wissen, da&szlig; 2 &times; 2 = 4 ist, oder da&szlig; die Attraktion der Materie zu- und abnimmt nach dem Quadrat der Entfernung. Aber in der theoretischen Naturwissenschaft, die ihre Naturanschauung m&ouml;glichst zu einem harmonischen Ganzen verarbeitet und ohne die heutzutage selbst der gedankenloseste Empiriker nicht vom Fleck kommt, haben wir sehr oft mit unvollkommen bekannten Gr&ouml;&szlig;en zu rechnen und hat die Konsequenz des Gedankens zu allen Zeiten der mangelhaften Kenntnis forthelfen m&uuml;ssen. Nun hat die moderne Naturwissenschaft den Satz von der Unzerst&ouml;rbarkeit der Bewegung von der Philosophie adoptieren m&uuml;ssen; ohne ihn kann sie nicht mehr bestehn. Die Bewegung der Materie aber, das ist nicht blo&szlig; die grobe mechanische Bewegung, die blo&szlig;e Ortsver&auml;nderung, das ist W&auml;rme und Licht, elektrische und magnetische Spannung, chemisches Zusammengehn und Auseinandergehn, Leben und schlie&szlig;lich Bewu&szlig;tsein. Sagen, da&szlig; die Materie w&auml;hrend ihrer ganzen zeitlos unbegrenzten Existenz nur ein einziges Mal und f&uuml;r eine ihrer Ewigkeit gegen&uuml;ber verschwindend kurze Zeit in der M&ouml;glichkeit sich befindet, ihre Bewegung zu differenzieren und dadurch den ganzen Reichtum dieser Bewegung zu entfalten, und da&szlig; sie vor- und nachher in Ewigkeit auf blo&szlig;e Ortsver&auml;nderung beschr&auml;nkt bleibt - das hei&szlig;t behaupten, da&szlig; die Materie sterblich und die Bewegung verg&auml;nglich ist. Die Unzerst&ouml;rbarkeit der Bewegung kann nicht blo&szlig; quantitativ, sie mu&szlig; auch qualitativ gefa&szlig;t werden; eine Materie, deren rein mechanische Ortsver&auml;nderung zwar die M&ouml;glichkeit in sich tr&auml;gt, unter g&uuml;nstigen Bedingungen in W&auml;rme, Elektrizit&auml;t, chemische Aktion, Leben umzuschlagen, die aber au&szlig;erstande ist, diese Bedingungen aus sich selbst zu erzeugen, eine solche Materie hat <I>Bewegung eingeb&uuml;&szlig;t</I>, eine Bewegung, die die F&auml;higkeit verloren hat, sich in die ihr zukommenden verschiedenen Formen umzusetzen, hat zwar noch Dynamis |Potenz zu wirken|, aber keine Energeia |Wirksamkeit| mehr, und ist damit teilweise zerst&ouml;rt worden. Beides aber ist undenkbar.</P>
<P>Soviel ist sicher: Es gab eine Zeit, wo die Materie unsrer Weltinsel eine solche Menge Bewegung - welcher Art, wissen wir bis jetzt nicht - in W&auml;rme umgesetzt hatte, da&szlig; daraus die zu (nach M&auml;dler) mindestens 20 Millionen Sternen geh&ouml;rigen Sonnensysteme sich entwickeln konnten, deren allm&auml;hliches Absterben ebenfalls gewi&szlig; ist. Wie ging dieser Umsatz <A NAME="S326"></A><B>|326|</B> vor sich? Wir wissen es ebensowenig, wie Pater Secchi wei&szlig;, ob das k&uuml;nftige caput mortuum |toter &Uuml;berrest| unsres Sonnensystems je wieder in Rohstoff zu neuen Sonnensystemen verwandelt wird. Aber entweder m&uuml;ssen wir hier auf den Sch&ouml;pfer rekurrieren, oder wir sind zu der Schlu&szlig;folgerung gezwungen, da&szlig; der gl&uuml;hende Rohstoff zu den Sonnensystemen unsrer Weltinsel auf nat&uuml;rlichem Wege erzeugt wurde, durch Bewegungsverwandlungen, die der sich bewegenden Materie <I>von Natur zustehn</I>, und deren Bedingungen also auch von der Materie, wenn auch erst nach Millionen und aber Millionen Jahren, mehr oder weniger zuf&auml;llig, aber mit der auch dem Zufall inh&auml;renten Notwendigkeit sich reproduzieren m&uuml;ssen.</P>
<P>Die M&ouml;glichkeit einer solchen Umwandlung wird mehr und mehr zugegeben. Man kommt zu der Ansicht, da&szlig; die Weltk&ouml;rper die schlie&szlig;liche Bestimmung haben, ineinander zu fallen, und man berechnet sogar die W&auml;rmemenge, die sich bei solchen Zusammenst&ouml;&szlig;en entwickeln mu&szlig;. Das pl&ouml;tzliche Aufblitzen neuer Sterne, das ebenso pl&ouml;tzliche hellere Aufleuchten altbekannter, von dem die Astronomie uns berichtet, erkl&auml;rt sich am leichtesten aus solchen Zusammenst&ouml;&szlig;en. Dabei bewegt sich nicht nur unsre Planetengruppe um die Sonne und unsre Sonne innerhalb unsrer Weltinsel, sondern auch unsre ganze Weltinsel bewegt sich fort im Weltraum in tempor&auml;rem, relativem Gleichgewicht mit den &uuml;brigen Weltinseln; denn selbst relatives Gleichgewicht frei schwebender K&ouml;rper kann nur bestehn bei gegenseitig bedingter Bewegung; und manche nehmen an, da&szlig; die Temperatur im Weltraum nicht &uuml;berall dieselbe ist. Endlich: Wir wissen, da&szlig; mit Ausnahme eines verschwindend kleinen Teils die W&auml;rme der zahllosen Sonnen unsrer Weltinsel im Raum verschwindet und sich vergeblich abm&uuml;ht, die Temperatur des Weltraums auch nur um ein Milliontel Grad Celsius zu erh&ouml;hen. Was wird aus all dieser enormen W&auml;rmequantit&auml;t? Ist sie f&uuml;r alle Zeiten aufgegangen in dem Versuch, den Weltraum zu heizen, hat sie praktisch aufgeh&ouml;rt zu existieren und besteht sie nur noch theoretisch weiter in der Tatsache, da&szlig; der Weltraum w&auml;rmer geworden ist um einen Graddezimalbruchteil, der mit zehn oder mehr Nullen anf&auml;ngt? Diese Annahme leugnet die Unzerst&ouml;rbarkeit der Bewegung; sie l&auml;&szlig;t die M&ouml;glichkeit zu, da&szlig; durch sukzessives Ineinanderfallen der Weltk&ouml;rper alle vorhandene mechanische Bewegung in W&auml;rme verwandelt und diese in den Weltraum ausgestrahlt werde, womit trotz aller &raquo;Unzerst&ouml;rbarkeit der Kraft&laquo; alle Bewegung &uuml;berhaupt aufgeh&ouml;rt h&auml;tte. (Es zeigt sich hier beil&auml;ufig, wie schief die Bezeichnung: Unzerst&ouml;rbarkeit der Kraft, statt Unzerst&ouml;rbarkeit der Bewegung ist.) Wir kommen also zu dem Schlu&szlig;, da&szlig; auf <A NAME="S327"></A><B>|327|</B> einem Wege, den es sp&auml;ter einmal die Aufgabe der Naturforschung sein wird aufzuzeigen, die in den Weltraum ausgestrahlte W&auml;rme die M&ouml;glichkeit haben mu&szlig;, in eine andre Bewegungsform sich umzusetzen, in der sie wieder zur Sammlung und Bet&auml;tigung kommen kann. Und damit f&auml;llt die Hauptschwierigkeit, die der R&uuml;ckverwandlung abgelebter Sonnen in gl&uuml;henden Dunst entgegenstand.</P>
<P>&Uuml;brigens ist die sich ewig wiederholende Aufeinanderfolge der Welten in der endlosen Zeit nur die logische Erg&auml;nzung des Nebeneinanderbestehens zahlloser Welten im endlosen Raum - ein Satz, dessen Notwendigkeit sich sogar dem antitheoretischen Yankee-Gehirn Drapers aufzwingt.<A NAME="ZF3"></A><A HREF="me20_311.htm#F3"><SUP>(3)</SUP></A></P>
<P>Es ist ein ewiger Kreislauf, in dem die Materie sich bewegt, ein Kreislauf, der seine Bahn wohl erst in Zeitr&auml;umen vollendet, f&uuml;r die unser Erdenjahr kein ausreichender Ma&szlig;stab mehr ist, ein Kreislauf, in dem die Zeit der h&ouml;chsten Entwicklung, die Zeit des organischen Lebens und noch mehr die des Lebens selbst- und naturbewu&szlig;ter Wesen ebenso knapp bemessen ist wie der Raum, in dem Leben und Selbstbewu&szlig;tsein zur Geltung kommen; ein Kreislauf, in dem jede endliche Daseinsweise der Materie, sei sie Sonne oder Dunstnebel, einzelnes Tier oder Tiergattung, chemische Verbindung oder Trennung, gleicherweise verg&auml;nglich, und worin nichts ewig ist als die ewig sich ver&auml;ndernde, ewig sich bewegende Materie und die Gesetze, nach denen sie sich bewegt und ver&auml;ndert. Aber wie oft und wie unbarmherzig auch in Zeit und Raum dieser Kreislauf sich vollzieht; wieviel Millionen Sonnen und Erden auch entstehn und vergehn m&ouml;gen; wie lange es auch dauern mag, bis in einem Sonnensystem nur auf Einem Planeten die Bedingungen des organischen Lebens sich herstellen; wie zahllose organische Wesen auch vorhergehn und vorher untergehn m&uuml;ssen, ehe aus ihrer Mitte sich Tiere mit denkf&auml;higem Gehirn entwickeln und f&uuml;r eine kurze Spanne Zeit lebensf&auml;hige Bedingungen vorfinden, um dann auch ohne Gnade ausgerottet zu werden - wir haben die Gewi&szlig;heit, da&szlig; die Materie in allen ihren Wandlungen ewig dieselbe bleibt, da&szlig; keins ihrer Attribute je verlorengehn kann, und da&szlig; sie daher auch mit derselben eisernen Notwendigkeit, womit sie auf der Erde ihre h&ouml;chste Bl&uuml;te, den denkenden Geist, wieder ausrotten wird, ihn anderswo und in andrer Zeit wieder erzeugen mu&szlig;.</P>
<P>
<HR size="1">
<P></P>
<P>Fu&szlig;noten von Friedrich Engels</P>
<P><SUP><A NAME="F1">(1)</A></SUP> Wie unersch&uuml;tterlich noch 1861 ein Mann an diese Ansicht glauben kann, dessen wissenschaftliche Leistungen h&ouml;chst bedeutendes Material zu ihrer Beseitigung geliefert haben, zeigen folgende klassischen Worte:</P>
<P>&raquo;Alle [Einrichtungen im System unserer Sonne zielen, soweit wir sie zu durchschauen imstande sind, auf Erhaltung des Bestehenden und unab&auml;nderliche Dauer. Wie kein Tier, keine Pflanze der Erde seit den &auml;ltesten Zeiten vollkommener oder &uuml;berhaupt ein anderes geworden ist, wie wir in allen Organismen nur Stufenfolgen <I>neben</I>einander, nicht <I>nach</I>einander antreffen, wie unser eigenes Geschlecht in k&ouml;rperlicher Beziehung stets dasselbe geblieben ist - so wird auch selbst die gr&ouml;&szlig;te Mannigfaltigkeit der koexistierenden Weltk&ouml;rper uns nicht berechtigen, in diesen Formen blo&szlig; verschiedene Entwicklungsstufen anzunehmen, vielmehr ist alles Erschaffene <I>gleich</I> vollkommen] in sich&laquo; (M&auml;dler, &raquo;Pop. Astr[onomie]&laquo;, Berlin 1861, 5. Aufl., S. 316). <A HREF="me20_311.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><SUP><A NAME="F2">(2)</A></SUP> Der Mangel der Lyellschen Anschauung - wenigstens in ihrer ersten Form - lag darin, da&szlig; sie die auf der Erde wirkenden Kr&auml;fte als konstant auffa&szlig;te, konstant nach Qualit&auml;t und Quantit&auml;t. Die Abk&uuml;hlung der Erde besteht nicht f&uuml;r ihn; die Erde entwickelt sich nicht in bestimmter Richtung, sie ver&auml;ndert sich blo&szlig; in zusammenhangsloser, zuf&auml;lliger Weise. <A HREF="me20_311.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<P><SUP><A NAME="F3">(3)</A></SUP> &raquo;The multiplicity of worlds in infinite space leads to the conception of a succession of worlds in infinite time.&laquo; |&raquo;Die Vielheit der Welten im endlosen Raum f&uuml;hrt zur Auffassung von einer Aufeinanderfolge der Welten in der endlosen Zeit.&laquo;| (Draper, &raquo;Hist[ory of the] Int[ellectual] Devel[opment of Europe]&laquo;. Vol. II, p. [325]. <A HREF="me20_311.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<P>
<HR size="1">
<P></P>
<P><SUP><A NAME="T1">{1}</A></SUP> Am Rande des Manuskripts vermerkte Engels mit Bleistift: &raquo;Torricelli bei Gelegenheit der Alpenstromregulierung&laquo;. <A HREF="me20_311.htm#ZT1">&lt;=</A></P>
<P><SUP><A NAME="T2">{2}</A></SUP> Am Rande des Manuskripts vermerkte Engels: &raquo;Die Festigkeit der alten Naturanschauung lieferte den Boden zur allgemeinen Zusammenfassung der gesamten Naturwissenschaft als ein Ganzes. Die franz&ouml;sischen Enzyklop&auml;disten, noch rein mechanisch nebeneinander, dann gleichzeitig St. Simon und deutsche Naturphilosophie, vollendet durch Hegel.&laquo;. <A HREF="me20_311.htm#ZT2">&lt;=</A></P>
<P><SUP><A NAME="T3">{3}</A></SUP> Am Rande des Manuskripts vermerkte Engels mit Bleistift: &raquo;Flutwellenrotationshemmung, auch von Kant, erst jetzt verstanden&laquo;. <A HREF="me20_311.htm#ZT3">&lt;=</A></P>
<P><SUP><A NAME="T4">{4}</A></SUP> Am Rande des Manuskripts vermerkte Engels: &raquo;Embryologie&laquo;. <A HREF="me20_311.htm#ZT4">&lt;=</A></P>
<P><SUP><A NAME="T5">{5}</A></SUP> Am Rande des Manuskripts vermerkte Engels: &raquo;Ceratodus. Dito Archaeopteryx etc.&laquo;. <A HREF="me20_311.htm#ZT5">&lt;=</A></P>
<P><SUP><A NAME="T6">{6}</A></SUP> Dieser Absatz ist im Engelsschen Manuskript vom vorhergehenden und vom folgenden Absatz durch horizontale Striche getrennt und schr&auml;g durchgestrichen, wie es Engels mit solchen Abs&auml;tzen eines Manuskripts zu tun pflegte, die er in anderen Arbeiten benutzt hatte. <A HREF="me20_311.htm#ZT6">&lt;=</A></P>
<!-- #EndEditable -->
<HR size="1" align="left" width="200">
<P><SMALL>Pfad: &raquo;../me/me20&laquo;<BR>
<!-- #BeginEditable "Dateien" --><!-- #EndEditable --></SMALL></P>
<HR size="1">
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
<TR>
<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="me20_305.htm"><SMALL>Inhalt</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="../default.htm"><SMALL>Marx/Engels</SMALL></A></TD>
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