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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx - Machenschaften Mazzinis und Kossuths - Buendnis mit Louis-Napoleon - Palmerston</TITLE>
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 8, 3. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 364-366</SMALL>
<H2>Karl Marx</H2>
<H1>Machenschaften Mazzinis und Kossuths -<BR>
B&uuml;ndnis mit Louis-Napoleon -<BR>
Palmerston</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 3590 vom 19. Oktober 1852]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S364">&lt;364&gt;</A></B> London, Dienstag, 28. September 1852</P>
<P>Die folgenden Begebenheiten sind authentische Tatsachen und beziehen sich auf die Machenschaften innerhalb der italienischen und ungarischen Emigration.</P>
<P>Im Auftrage von Kossuth und Mazzini bereiste vor einiger Zeit der ungarische General Vetter ganz Italien auf den Pa&szlig; eines Malers, der B&uuml;rger der Vereinigten Staaten ist. Er war begleitet von der ungarischen S&auml;ngerin Madame Ferenczi, die Konzerte gab. Auf diese Weise drang er in die h&ouml;heren offiziellen Kreise ein, w&auml;hrend ihm die Mitteilungen Mazzinis, die er zu &uuml;berbringen hatte, die T&uuml;ren &ouml;ffneten zu den geheimen Gesellschaften. Er durchquerte das ganze Land von Turin und Genua &uuml;ber Mailand bis Rom und Neapel. K&uuml;rzlich ist er nach England zur&uuml;ckgekehrt und hat Bericht erstattet - zum gro&szlig;en Erstaunen Mazzinis, des Erzengels der Demokratie. Der Kern von Vetters Ausf&uuml;hrungen ist kurz der: Italien sei v&ouml;llig <I>materialistisch </I>geworden, der Handel mit Seide, &Ouml;l und anderen Erzeugnissen des Landes sei derart zum alleinigen Inhalt der Tagesgespr&auml;che geworden und die Bourgeoisie (Mazzinis gro&szlig;e St&uuml;tze) berechne die Ausgaben und Verluste, die die Revolution mit sich gebracht, mit so erschreckender Genauigkeit und suche sie durch eifrigste industrielle T&auml;tigkeit wettzumachen, da&szlig; der <I>Gedanke, Italien rufe demn&auml;chst eine revolution&auml;re Bewegung ins Leben, v&ouml;llig irreal </I>sei. Es kann in jenem Land, sagt Vetter in seinem Bericht, keine Erhebung stattfinden, ehe nicht der franz&ouml;sische Vulkan von neuem Feuer speit, zumal der par excellence &lt;ausgesprochen&gt; revolution&auml;re Teil der Bev&ouml;lkerung durch lange Verfolgung und st&auml;ndiges Fehlschlagen seiner Pl&auml;ne entmutigt ist und ihm vor allen Dingen die Unterst&uuml;tzung durch die Massen fehlt.</P>
<B><P><A NAME="S365">&lt;365&gt;</A></B> Nach diesem Bericht von Vetter sah sich Mazzini, der vordem so laut und so dumm gegen Frankreich gew&uuml;tet hatte, nolens volens &lt;wohl oder &uuml;bel&gt; gezwungen, noch einmal die <I>Initiative </I>an das alte Babylon &lt;Paris&gt; abzutreten.</P>
<P>Nun erhebt sich aber die Frage: Mit welcher Partei haben diese Herren wohl zu verhandeln begonnen, nachdem sie einmal beschlossen, wieder ein B&uuml;ndnis mit Frankreich einzugehen? Mit Herrn <I>Louis Bonaparte</I>!</P>
<P>Kossuth schickte im Einvernehmen mit Mazzini einen gewissen Kiss nach Paris, um Verbindungen mit den Bonapartisten aufzunehmen. Kiss kannte von fr&uuml;her her die S&ouml;hne von J&eacute;r&ocirc;me Bonaparte. Er am&uuml;siert sich in Paris, in Kaffeeh&auml;usern und in andern H&auml;usern, er geht Pierre Bonaparte nicht von der Seite, beweihr&auml;uchert ihn und schreibt gro&szlig;artige Berichte an Kossuth. Jetzt sei an der Befreiung Ungarns durch die Firma L.-Napoleon und Kossuth nicht l&auml;nger mehr zu zweifeln. Das Haupt der Revolution&auml;re sei ein B&uuml;ndnis auf Leben und Tod mit dem "Tyrannen" eingegangen.</P>
<P>Bevor all das geschehen, waren der alte Lelewel, der Pole, und Thadd&auml;us Gorzowski, ein russischer Priester, im Namen der sogenannten Zentralisation der Polen nach London gekommen und hatten Kossuth und Mazzini den Plan eines Aufstandes vorgelegt, dessen Angelpunkt in der Zusammenarbeit mit Bonaparte liegen sollte. Ihr spezieller Freund in London war ein Graf Lanckoronski, der obendrein ein kaiserlich-russischer Agent ist, und ihrem Plan war die hohe Ehre widerfahren, in St. Petersburg &uuml;berarbeitet und verbessert worden zu sein, nachdem er vorgelegen. Besagter Graf Lanckoronski ist jetzt in Paris, um Kiss nicht aus den Augen zu lassen, und von dort wird er nach Ostende gehen, um neue Instruktionen aus St. Petersburg zu empfangen.</P>
<P>Kiss hat aus Paris alle m&ouml;glichen Zusicherungen an Kossuth geschickt, die eigentlich in ein M&auml;rchenbuch geh&ouml;ren, die aber angesichts der m&auml;rchenhaften Zust&auml;nde in Frankreich vielleicht sogar wahr sind. Es hei&szlig;t, Kossuth habe einen von Louis-Napoleon eigenh&auml;ndig geschriebenen Brief erhalten, der ihn eingeladen, <I>nach Paris zu kommen</I>. Kossuth hat Abschriften dieses Briefes in allen Provinzen Ungarns zirkulieren lassen. Er hat dort alles f&uuml;r einen allgemeinen Aufruhr vorbereitet. Sogar k&ouml;niglich-kaiserliche Beamte sind an dem Komplott beteiligt. Kossuth hofft, die Aff&auml;re im Oktober zu beginnen.</P>
<P>Soweit enth&auml;lt mein Bericht nichts als die fast w&ouml;rtliche Wiederholung der Dinge, die man mir mitgeteilt hat. Fragt man mich jetzt nach meiner Ansicht dazu, so meine ich, da&szlig; Louis Bonaparte zwei Fliegen mit einer Klappe <A NAME="S366"><B>&lt;366&gt;</A></B> schlagen m&ouml;chte. Er will sich bei Kossuth und Mazzini lieb Kind machen und sie dann an die &Ouml;sterreicher verraten, woraufhin diese ihre Zustimmung geben sollen, da&szlig; er sich zum Kaiser der Franzosen mache. Au&szlig;erdem glaubt er, da&szlig; Kossuth und Mazzini ihren ganzen Einflu&szlig; in der revolution&auml;ren Partei verlieren werden, sobald bekannt wird, da&szlig; sie mit ihm verhandelt bzw. die Verbindung mit ihm aufgenommen haben. Im &uuml;brigen st&ouml;&szlig;t er bei den absolutistischen M&auml;chten auf gro&szlig;en Widerstand gegen seine Thronbesteigung, und es ist durchaus m&ouml;glich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, da&szlig; er, als echter Abenteurer, geneigt ist, es mit den Verschw&ouml;rern zu versuchen.</P>
<P>Was nun Italien im besondern betrifft, so hofft Louis Bonaparte, die Lombardei und Venedig seinen eigenen Territorien einzuverleiben, w&auml;hrend Neapel an seinen Vetter Murat fiele.</P>
<P>Sch&ouml;ne Aussichten f&uuml;r Signor Mazzini!</P>
<P>Da ich nun nochmals auf Italien zu sprechen gekommen, erlaube man mir, noch eine andre Neuigkeit mitzuteilen. Die Gr&auml;fin Visconti, eine der Heroinen der letzten Episode des italienischen Freiheitskampfes, ist vor kurzem hier gewesen und hat eine lange Unterredung mit Lord Palmerston gehabt. Seine Lordschaft sagte ihr, da&szlig; er hoffe, noch vor Ende dieses Jahres an der Spitze der britischen Regierung zu stehen, und da&szlig; Europa dann einer schnellen Umwandlung entgegengehen w&uuml;rde. Besonders Italien k&ouml;nne man nicht l&auml;nger in den Klauen &Ouml;sterreichs belassen, weil auf die Dauer kein Land mit Pulver und Blei regiert werden k&ouml;nne. Dabei gab Palmerston zu verstehen, da&szlig; er in Frankreich seinen Verb&uuml;ndeten zu finden hoffe. Er w&uuml;nsche jedoch, da&szlig; die Lombardei im Falle einer allgemeinen Erhebung sofort an Piemont angeschlossen werde und da&szlig; man die Frage, ob daraus eine Republik werde, v&ouml;llig der Zukunft &uuml;berlassen m&uuml;sse.</P>
<P>Was mich betrifft, so bin ich davon &uuml;berzeugt, da&szlig; der alte Veteran Palmerston unter den gr&ouml;&szlig;ten Illusionen laboriert; insbesondere wei&szlig; er nicht, da&szlig;, selbst wenn er in den parlamentarischen Koterien noch einigen Einflu&szlig; besitzt, er ihn im Lande aber verloren hat.</P></BODY>
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