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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Friedrich Engels - Der Verlauf des Krieges</TITLE>
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<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 13, 7. Auflage 1971, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 372-375.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 04.08.1998</P>
</FONT><H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Der Verlauf des Krieges</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben am 2. Juni 1859.<BR>
Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 5665 vom 17. Juni 1859, Leitartikel]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S372">&lt;372&gt;</A></B> Bisher war es Garibaldi, der den Kriegsruhm davontrug; er scheint allerdings auch nicht vor jenem k&uuml;hnen Draufg&auml;ngertum zur&uuml;ckzuschrecken, vor dem Napoleon III. seine Soldaten warnt. Ganz pl&ouml;tzlich wurde dieser Freiwilligenf&uuml;hrer zum Helden Italiens, obgleich die bonapartistische Presse auf dieser Seite des Atlantiks versucht, den Ruhm seiner Heldentaten ganz f&uuml;r ihren eigenen gro&szlig;en Helden in Anspruch zu nehmen. Die Lorbeeren des Freisch&auml;rlergenerals haben anscheinend in der Brust Viktor Emanuels das Bestreben geweckt, ihm nachzueifern; und so kam es zum Gefecht von Palestro, von dem wir leider bisher nur telegraphische Berichte erkalten haben, und diese auch nur aus dem sardinischen Hauptquartier.</P>
<P>Danach scheint die 4. piemontesische Division unter Cialdini, die einige Tage zuvor die Sesia bei Vercelli &uuml;berschritten und die Folgezeit mit Pl&auml;nkeleien gegen &ouml;sterreichische Vorposten zugebracht hatte, am 30. Mai die befestigte Position des Feindes bei Palestro, Vinzaglio und Confienza angegriffen zu haben. Die Piemontesen schlugen die Brigade, die die Stellung besetzt hielt (h&ouml;chstwahrscheinlich die Brigade des Generals Gablenz), aber wie berichtet wird, versuchte am n&auml;chsten Morgen (dem 31. Mai) eine Streitmacht von 25.000 &Ouml;sterreichern, die Position zur&uuml;ckzuerobern. Sie beabsichtigten, die rechte Flanke der Piemontesen zu umgehen, wobei sie ihre eigene Flanke dem Korps des Generals Canrobert (Division Trochu) aussetzten, das eine Br&uuml;cke &uuml;ber die Sesia geschlagen hatte und sich jetzt n&auml;herte. Der Kaiser befahl sofort dem 3. Zuavenregiment, die Piemontesen zu unterst&uuml;tzen. "Obwohl sie ohne Beistand waren" griffen sie eine &ouml;sterreichische Batterie an, nahmen die sechs Gesch&uuml;tze und trieben die Bedeckungsmannschaft in einen Kanal, wo 400 von ihnen ertrunken sein sollen. Der K&ouml;nig von Sardinien war im dichtesten Kampfgew&uuml;hl und so darauf <A NAME="S373"><B>&lt;373&gt;</A></B> versessen, den Feind niederzumetzeln da&szlig; "die Zuaven vergeblich versuchten, ihn zur&uuml;ckzuhalten". Dem Bericht zufolge wurden die Zuaven von General Cialdini pers&ouml;nlich angef&uuml;hrt. Schlie&szlig;lich mu&szlig;ten die &Ouml;sterreicher zur&uuml;ckweichen und 1.000 Gefangene und acht Gesch&uuml;tze in der Hand der Alliierten zur&uuml;cklassen. "Die Verluste der &Ouml;sterreicher", sagen die Piemontesen, "waren sehr gro&szlig;; die unserer eigenen Truppen sind noch unbekannt." Zur gleichen Zeit fand ein weiterer Kampf bei Confienza statt, in dem der Feind von der Division des Generals Fanti geschlagen wurde. Gegen 6 Uhr abends versuchten die &Ouml;sterreicher jedoch einen erneuten Angriff auf Palestro, aber mit ebensowenig Erfolg. Am 1. Juni marschierte General Niel mit dem vierten franz&ouml;sischen Korps in Novara ein, anscheinend ohne auf Widerstand zu sto&szlig;en.</P>
<P>Seitdem durch den Frieden von 1849 das spada d'Italia in die Scheide zur&uuml;ckgesteckt wurde, haben wir keinen so verworrenen und widerspruchsvollen Bericht &uuml;ber eine Schlacht mehr lesen m&uuml;ssen. Und dabei haben wir in unserer Zusammenfassung noch einige der r&auml;tselhaftesten Stellen ausgelassen. Die &Ouml;sterreicher greifen mit 25.000 Mann an; werden diese s&auml;mtlich gegen Palestro vorgeschickt oder geh&ouml;ren zu ihnen die Truppen, die von Fanti bei Confienza geschlagen wurden? Da deren St&auml;rke nicht im einzelnen angegeben wird, ist es sicher richtig, wenn wir unter Ber&uuml;cksichtigung der au&szlig;erordentlichen Wahrheitsliebe der piemontesischen Berichte zu der Schlu&szlig;folgerung gelangen, da&szlig; sich die Gesamtzahl der &Ouml;sterreicher, die am 31. Mai im Kampf standen, auf ungef&auml;hr 25.000 belief. Wie stark die Kr&auml;fte waren, von denen sie geschlagen wurden, werden wir noch sehen. Als die Piemontesen in Gefahr geraten, befiehlt der Kaiser dem 3. Zuavenregiment anzugreifen. Cialdini f&uuml;hrt sie, und der K&ouml;nig st&uuml;rmt mit ihnen vorw&auml;rts, dorthin, wo der Kampf am heftigsten tobt, w&auml;hrend die Zuaven vergeblich versuchen, ihn zur&uuml;ckzuhalten.</P>
<P>Ein pr&auml;chtiges Bild! Wie gro&szlig;artig die Rollen verteilt sind! Louis-Napoleon, "der Kaiser", befiehlt den Zuaven anzugreifen. Cialdini, der General, und ein Piemontese dazu, f&uuml;hrt sie an - ein Piemontese f&uuml;hrt die franz&ouml;sischen Zuaven! "Der K&ouml;nig" st&uuml;rzt sich unter sie und k&auml;mpft unter dem Kommando seines eigenen Generals, wo der Kampf am heftigsten tobt. Aber es wird auch gesagt, der K&ouml;nig habe die 4. piemontesische Division, n&auml;mlich die von Cialdini, selbst befehligt. Was wirklich aus der 4. Division geworden sein mag, w&auml;hrend Cialdini die Zuaven anf&uuml;hrte und der K&ouml;nig sich in das heftigste Kampfgew&uuml;hl st&uuml;rzte, werden wir vielleicht nie erfahren. Aber das &uuml;berrascht uns bei Viktor Emanuel nicht. W&auml;hrend der verh&auml;ngnisvollen Schlacht von Novara hatte er &auml;hnliche kindische Einf&auml;lle, vernach- <A NAME="S374"><B>&lt;374&gt;</A></B> l&auml;ssigte seine Division und trug so nicht wenig zu seiner eigenen Niederlage und zum Triumph Radetzkys bei.</P>
<P>Aus diesen verworrenen Nachrichten &uuml;ber ein Gefecht, dessen wirklicher Charakter erst sichtbar werden wird, wenn wir die offiziellen Berichte von den Franzosen und &Ouml;sterreichern erhalten, k&ouml;nnen wir jedoch einige n&uuml;tzliche Fakten entnehmen. Der &auml;u&szlig;erste linke Fl&uuml;gel der Alliierten war bisher von dem franz&ouml;sischen Korps des Generals Niel gebildet worden; er stand an der Dora Baltea westlich von Vercelli. Als n&auml;chste standen bei Casale die beiden piemontesischen Divisionen (die 4. und 3.) unter Cialdini und Durando. Bei Alessandria und Valenza lagen die piemontesischen Divisionen Castelborgos (die 1. ) und Fantis (die 2.), die franz&ouml;sischen Korps unter Mac-Mahon und Canrobert und die Garde, die das Zentrum bildeten. &Ouml;stlich von Alessandria, bei Tortona, Novi und Voghera, standen Cucchiaris 5. piemontesische Division und das franz&ouml;sische Korps unter Baraguay d'Hilliers.</P>
<P>Bei Palestro und Confienza (diese Orte sind kaum drei Meilen voneinander entfernt) finden wir jedoch nicht nur Cialdini, sondern auch Fanti im Kampf, und obgleich nichts von Niel gesagt wird, finden wir doch Canrobert dort. Au&szlig;erdem kam auch das 3. Zuavenregiment zum Einsatz, das weder zu dem Korps Canroberts noch zu einem der drei anderen franz&ouml;sischen Korps geh&ouml;rt. Schlie&szlig;lich erfahren wir, da&szlig; Louis-Napoleon sein Hauptquartier nach Vercelli verlegt hat und da&szlig; General Niel einen Tag nach der Schlacht Novara besetzte. Das zeugt von einer entschiedenen Ver&auml;nderung in der Aufstellung der alliierten Armee. Der linke Fl&uuml;gel bestand zuvor aus Niels Korps, 26 Bataillone und aus Cialdinis Division, 14 Bataillone, insgesamt 40 Bataillone; jetzt ist er verst&auml;rkt worden durch Canroberts Korps mit 39 Bataillonen und Fantis Division mit 14 Bataillonen, macht zusammen 53 Bataillone; damit erh&ouml;ht sich die Gesamtst&auml;rke dieses Teils der alliierten Armee auf 93 Bataillone. Davon waren zugestandenerma&szlig;en die zwei piemontesischen Divisionen, 28 Bataillone, die Division Trochu von Canroberts Korps, 13 Bataillone, insgesamt 25.000 Piemontesen und mindestens 11.000 Franzosen, mehr oder weniger an dem Gefecht von Palestro beteiligt. Das erkl&auml;rt, wieso die 25.000 &Ouml;sterreicher zur&uuml;ckgeworfen wurden.</P>
<P>Aber diese Verst&auml;rkung des linken Fl&uuml;gels wurde offensichtlich zu einem anderen Zweck durchgef&uuml;hrt; das beweisen Niels Vormarsch auf Novara und auch die Verlegung von Louis-Napoleons Hauptquartier nach Vercelli. Au&szlig;erdem l&auml;&szlig;t die Wahrscheinlichkeit, da&szlig; die Garde ihm dorthin gefolgt ist, wenig Zweifel hinsichtlich der Absichten der Alliierten. Die Garde verst&auml;rkt die Streitkr&auml;fte an der Sesia auf insgesamt 127 Bataillone, und wie bei Montebello k&ouml;nnen Truppen vom &auml;u&szlig;ersten rechten Fl&uuml;gel rasch mit der <A NAME="S375"><B>&lt;375&gt;</A></B> Eisenbahn herangebracht werden und rechtzeitig an einer gr&ouml;&szlig;eren Aktion teilnehmen. Demnach bleiben zwei M&ouml;glichkeiten. Entweder setzt Louis-Napoleon die jetzt begonnene Truppenbewegung fort, indem er die &ouml;sterreichische Rechte v&ouml;llig umgeht und die Masse seiner Armee auf der von Vercelli direkt nach Mailand f&uuml;hrenden Stra&szlig;e zwischen Vercelli und Novara aufstellt, w&auml;hrend er gleichzeitig die &Ouml;sterreicher durch Demonstrationen an der Po-Linie ablenkt. Oder er konzentriert bei eifrigen Demonstrationen gegen die &ouml;sterreichische Rechte seine Hauptkr&auml;fte bei Valenza, wo Baraguay, Mac-Mahon und die Garde mit 99 Bataillonen und Cucchiari, Durando und Castelborgo mit 42 Bataillonen stehen, die durch rasche Verlegung von Canroberts Korps und einigen Piemontesen nach diesem Standort verst&auml;rkt werden k&ouml;nnen, wodurch 170 Bataillone an einem Punkt vereinigt w&auml;ren und das &ouml;sterreichische Zentrum &uuml;berfallen k&ouml;nnten, um es zu zerschlagen.</P>
<P>Die Offenheit, mit der Canroberts Korps (von dem nach allem nur Trochus Division dort sein konnte) und Fantis Piemontesen an der Sesia aufmarschierten, w&auml;hrend Louis-Napoleon unter &auml;hnlicher Schaustellung sein Hauptquartier nach Vercelli verlegte, scheinen f&uuml;r die zweite M&ouml;glichkeit zu sprechen. Aber wir k&ouml;nnen nur Vermutungen anstellen.</P>
<P>Inzwischen sind die &Ouml;sterreicher offenbar noch an der Agogna, obgleich die Londoner "Daily News" von ihrem R&uuml;ckzug &uuml;ber den Ticino berichtete. Ihre Truppen konzentrieren sich immer mehr auf einem kleinen Raum um Garlasco. Dann und wann strecken sie ihre F&uuml;hler aus, wie z.B. bei Montebello oder bei Palestro, achten aber darauf, sich nicht zu zersplittern. Ihre St&auml;rke betr&auml;gt mindestens sechs Armeekorps mit 160 bis 200 Bataillonen (je nachdem, wieviele f&uuml;r Garnisonen abgezogen wurden). Die Kr&auml;fte scheinen also ziemlich gleich zu sein. Ein paar Tage noch, und die in den Wolken verborgenen Blitze m&uuml;ssen sich entladen.</P>
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