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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Das Kapital - Vorwort zur englischen Ausgabe</TITLE>
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<META NAME="Date" CONTENT="1997-10-31">
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me23_033.htm"><FONT SIZE=2>Zur dritten Auflage</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me23_000.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me23_041.htm"><FONT SIZE=2>Zur vierten Auflage</FONT></A></P>
<SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 23, "Das Kapital", Bd. I, S. 36 - 40<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968 </SMALL></P>
<FONT SIZE="+2"><P ALIGN="CENTER">Vorwort zur englischen Ausgabe</FONT> </P>
<B><P><A NAME="S36">&lt;36&gt;</A></B> Die Ver&ouml;ffentlichung einer englischen Ausgabe des "Kapital" bedarf keiner Rechtfertigung. Im Gegenteil, es kann eine Erkl&auml;rung dar&uuml;ber erwartet werden, warum diese englische Ausgabe bis jetzt verz&ouml;gert worden ist, wenn man sieht, da&szlig; seit einigen Jahren die in diesem Buch vertretenen Theorien in der periodischen Presse und Tagesliteratur sowohl Englands wie Amerikas st&auml;ndig erw&auml;hnt, angegriffen und verteidigt, erkl&auml;rt und mi&szlig;deutet wurden.</P>
<P>Als es, bald nach dem Tode des Verfassers im Jahre 1883, klar wurde, da&szlig; eine englische Ausgabe des Werkes wirklich ben&ouml;tigt wurde, erkl&auml;rte sich Herr Samuel Moore, ein langj&auml;hriger Freund Marx' und des Schreibers dieser Zeilen, und mit dem Buch selbst vertrauter vielleicht als irgend jemand, dazu bereit, die &Uuml;bersetzung zu &uuml;bernehmen, die es die literarischen Testamentsvollstrecker von Marx dr&auml;ngte, der &Ouml;ffentlichkeit vorzulegen. Es wurde vereinbart, da&szlig; ich das Manuskript mit dem Original vergleichen und solche &Auml;nderungen vorschlagen sollte, die ich f&uuml;r ratsam hielte. Als es sich nach und nach herausstellte, da&szlig; seine beruflichen Besch&auml;ftigungen Herrn Moore hinderten, die &Uuml;bersetzung so schnell fertigzustellen, wie alle w&uuml;nschten, nahmen wir freudig das Angebot Dr. Avelings an, einen Teil der Arbeit zu &uuml;bernehmen; gleichzeitig erbot sich Frau Aveling, Marx' j&uuml;ngste Tochter, die Zitate zu kontrollieren und den Originaltext der zahlreichen, englischen Autoren und Blaub&uuml;chern entnommenen und von Marx ins Deutsche &uuml;bersetzten Stellen wiederherzustellen. Das ist durchg&auml;ngig geschehen bis auf einige unvermeidbare Ausnahmen.</P>
<P>Folgende Teile des Buches sind von Dr. Aveling &uuml;bersetzt worden : 1. Die Kapitel X (Der Arbeitstag) und XI (Rate und Masse des Mehrwerts); 2. der Abschnitt VI (Der Arbeitslohn, umfassend die Kapitel XIX bis XXII); 3. von Kapitel XXIV, Abteilung 4 (Umst&auml;nde, welche usw.) bis <A NAME="S37"><B>&lt;37&gt;</A></B> zum Ende des Buches, umfassend den letzten Teil von Kapitel XXIV, Kapitel XXV und den ganzen Abschnitt VIII (die Kapitel XXVI bis XXXIII); 4. die zwei Vorworte des Verfassers. Der &uuml;brige Teil des Buches ist von Herrn Moore &uuml;bersetzt worden. W&auml;hrend so jeder der &Uuml;bersetzer f&uuml;r seinen Anteil an der Arbeit allein verantwortlich ist, trage ich eine Gesamtverantwortung f&uuml;r das Ganze.</P>
<P>Die dritte deutsche Ausgabe, die durchweg zur Grundlage unserer Arbeit genommen wurde, ist von mir 1883 vorbereitet worden unter Zuhilfenahme der vom Verfasser hinterlassenen Notizen, die jene Stellen der zweiten Ausgabe angeben, welche durch bezeichnete Stellen des 1873 ver&ouml;ffentlichten franz&ouml;sischen Textes ersetzt werden sollten.<A NAME="Z1"><A HREF="me23_036.htm#M1">(1)</A></A> Die so im Text der zweiten Ausgabe zustande gekommenen Ver&auml;nderungen stimmten im allgemeinen mit den &Auml;nderungen &uuml;berein, die Marx in einer Reihe von handschriftlichen Anweisungen f&uuml;r eine englische &Uuml;bersetzung vorgeschrieben hat, die vor zehn Jahren in Amerika geplant war, aber haupts&auml;chlich aus Mangel an einem t&uuml;chtigen und geeigneten &Uuml;bersetzer aufgegeben wurde. Dies Manuskript wurde uns von unserem alten Freund, Herrn F. A. Sorge in Hoboken, N[ew] J[ersey], zur Verf&uuml;gung gestellt. Es bezeichnet noch einige weitere Einschaltungen aus der franz&ouml;sischen Ausgabe; aber da es so viele Jahre &auml;lter ist als die letzten Anweisungen f&uuml;r die dritte Ausgabe, habe ich mich nicht f&uuml;r befugt gehalten, anders davon Gebrauch zu machen als ausnahmsweise und besonders in F&auml;llen, in denen es uns &uuml;ber Schwierigkeiten hinweghalf. Ebenso ist der franz&ouml;sische Text bei den meisten schwierigen Stellen herangezogen worden als Anhaltspunkt daf&uuml;r, was der Verfasser selbst zu opfern bereit war, wo immer etwas von der ganzen Bedeutung des Originals in der &Uuml;bersetzung geopfert werden mu&szlig;te.</P>
<P>Eine Schwierigkeit besteht dennoch, die wir dem Leser nicht ersparen konnten: die Benutzung von gewissen Ausdr&uuml;cken in einem nicht nur vom Sprachgebrauch des t&auml;glichen Lebens, sondern auch dem der gew&ouml;hnlichen politischen &Ouml;konomie verschiednen Sinne. Doch dies war unvermeidlich. Jede neue Auffassung einer Wissenschaft schlie&szlig;t eine Revolution in den Fachausdr&uuml;cken dieser Wissenschaft ein. Dies beweist am besten die Chemie, in der die gesamte Terminologie ungef&auml;hr alle zwanzig Jahre <A NAME="S38"><B>&lt;38&gt;</A></B> radikal ge&auml;ndert wird und wo man kaum eine organische Verbindung finden wird, die nicht eine ganze Reihe von verschiednen Namen durchgemacht hat. Die politische &Ouml;konomie hat sich im allgemeinen damit zufriedengegeben, die Ausdr&uuml;cke des kommerziellen und industriellen Lebens, so wie sie waren, zu nehmen und mit ihnen zu operieren, wobei sie vollkommen &uuml;bersehen hat, da&szlig; sie sich dadurch auf den engen Kreis der durch diese Worte ausgedr&uuml;ckten Ideen beschr&auml;nkte. So ist selbst die klassische politische &Ouml;konomie, obgleich sie sich vollkommen bewu&szlig;t war, da&szlig; sowohl Profit wie Rente nur Unterabteilungen, St&uuml;cke jenes unbezahlten Teils des Produkts sind, das der Arbeiter seinem Unternehmer(dessen erstem Aneigner, obgleich nicht letztem, ausschlie&szlig;lichem Besitzer) liefern mu&szlig;, doch niemals &uuml;ber die &uuml;blichen Begriffe von Profit und Rente hinausgegangen, hat sie niemals diesen unbezahlten Teil des Produkts(von Marx Mehrprodukt genannt) in seiner Gesamtheit als ein Ganzes untersucht und ist deshalb niemals zu einem klaren Verst&auml;ndnis gekommen weder seines Ursprungs und seiner Natur, noch auch der Gesetze, die die nachtr&auml;gliche Verteilung seines Werts regeln. &Auml;hnlich wird alle Industrie, soweit nicht Landwirtschaft oder Handwerk, unterschiedlos in dem Ausdruck Manufaktur zusammengefa&szlig;t und dadurch die Unterscheidung zwischen zwei gro&szlig;en und wesentlich verschiednen Perioden der &ouml;konomischen Geschichte ausgel&ouml;scht: der Periode der eigentlichen Manufaktur, die auf der Teilung der Handarbeit, und der Periode der modernen Industrie, die auf der Maschinerie beruht. Es ist indessen selbstverst&auml;ndlich, da&szlig; eine Theorie, die die moderne kapitalistische Produktion als eine blo&szlig;e Entwicklungsstufe der &ouml;konomischen Geschichte der Menschheit ansieht, andre Ausdr&uuml;cke gebrauchen mu&szlig; als die jenen Schriftstellern gewohnten, welche diese Produktionsweise als unverg&auml;nglich und endg&uuml;ltig ansehn.</P>
<P>Ein Wort &uuml;ber die Methode des Verfassers zu zitieren, mag nicht unangebracht sein. In der Mehrzahl der F&auml;lle dienen die Zitate in der &uuml;blichen Weise als dokumentarische Belege f&uuml;r im Text aufgestellte Behauptungen. Aber in vielen F&auml;llen werden Stellen aus &ouml;konomischen Schriftstellern angef&uuml;hrt, um aufzuzeigen, wann, wo und von wem eine bestimmte Ansicht zum erstenmal klar ausgesprochen wurde. Das geschieht in solchen F&auml;llen, wo die angef&uuml;hrte Meinung von Wichtigkeit ist als mehr oder weniger ad&auml;quater Ausdruck der zu einer gewissen Zeit vorherrschenden Bedingungen der gesellschaftlichen Produktion und des Austauschs, und ganz unabh&auml;ngig davon, ob sie Marx anerkennt oder ob sie allgemein g&uuml;ltig. Diese Zitate versehen daher den Text mit einem der Geschichte der Wissenschaft e<A NAME="S39">ntlehnten laufenden Kommentar.</P>
<B><P>&lt;39&gt;</A></B> Unsere &Uuml;bersetzung umfa&szlig;t nur das erste Buch des Werkes. Aber diese erste Buch ist in hohem Ma&szlig;e ein Ganzes in sich selbst und hat zwanzig Jahre lang f&uuml;r ein selbst&auml;ndiges Werk gegolten. Das zweite Buch, das ich 1885 in deutscher Sprache herausgegeben habe, ist entschieden unvollst&auml;ndig ohne das dritte, das nicht vor Ende 1887 ver&ouml;ffentlicht werden kann. Wenn Buch III im deutschen Original herausgebracht ist, wird es fr&uuml;h genug sein, an die Vorbereitung einer englischen Ausgabe von beiden zu denken.</P>
<P>"Das Kapital" wird auf dem Kontinent oft "die Bibel der Arbeiterklasse" genannt. Da&szlig; die in diesem Werk gewonnenen Schlu&szlig;folgerungen t&auml;glich mehr und mehr zu grundlegenden Prinzipien der gro&szlig;en Bewegung der Arbeiterklasse werden, nicht nur in Deutschland und der Schweiz, sondern auch in Frankreich, in Holland und Belgien, in Amerika und selbst in Italien und Spanien; da&szlig; &uuml;berall die Arbeiterklasse in diesen Schlu&szlig;folgerungen mehr und mehr den angemessensten Ausdruck ihrer Lage und ihrer Bestrebungen anerkennt, das wird niemand leugnen, der mit dieser Bewegung vertraut ist. Und auch in England &uuml;ben die Theorien von Marx gerade in diesem Augenblick einen machtvollen Einflu&szlig; auf die sozialistischer Bewegung aus, die sich in den Reihen der "Gebildeten" nicht weniger ausbreitet als in den Reihen der Arbeiterklasse. Aber das ist nicht alles. Die Zeit r&uuml;ckt schnell heran, wo eine gr&uuml;ndliche Untersuchung der &ouml;konomischen Lage Englands sich aufzwingen wird als eine unwiderstehliche nationale Notwendigkeit. Der Gang des industriellen Systems Englands, der unm&ouml;glich ist ohne eine st&auml;ndige und schnelle Ausdehnung der Produktion und daher der M&auml;rkte, ist zum Stillstand gekommen. Der Freihandel hat seine Hilfsquellen ersch&ouml;pft; selbst Manchester zweifelt an diesem seinem ehemaligen &ouml;konomischen Evangelium.<A NAME="Z2"><A HREF="me23_036.htm#M2">(2)</A></A> Die sich schnell entwickelnde ausl&auml;ndische Industrie starrt der englischen Produktion &uuml;berall ins Gesicht, nicht nur auf zollgesch&uuml;tzten, sondern auch auf neutralen M&auml;rkten und sogar diesseits des Kanals. W&auml;hrend die Produktivkraft in <A NAME="S40"><B>&lt;40&gt;</A></B> geometrischer Reihe w&auml;chst, schreitet die Ausdehnung der M&auml;rkte bestenfalls in einer arithmetischen Reihe fort. Der zehnj&auml;hrige Zyklus von Stagnation, Prosperit&auml;t, &Uuml;berproduktion und Krise, der von 1825 bis 1867 immer wiederkehrte, scheint allerdings abgelaufen zu sein; aber nur um uns im Sumpf der Verzweiflung einer dauernden und chronischen Depression landen zu lassen. Die ersehnte Periode der Prosperit&auml;t will nicht kommen; sooft wir die sie ank&uuml;ndigenden Symptome zu erblicken glauben, sooft verschwinden sie wieder in der Luft. Inzwischen stellt jeder folgende Winter erneut die Frage: "was tun mit den Arbeitslosen?" Aber w&auml;hrend die Zahl der Arbeitslosen von Jahr zu Jahr anschwillt, ist niemand da, um diese Frage zu beantworten; und wir k&ouml;nnen den Zeitpunkt beinahe berechnen, wo die Arbeitslosen die Geduld verlieren und ihr Schicksal in ihre eignen H&auml;nde nehmen werden. In einem solchen Moment sollte sicherlich die Stimme eines Mannes geh&ouml;rt werden, dessen ganze Theorie das Ergebnis eines lebenslangen Studiums der &ouml;konomischen Geschichte und Lage Englands ist und den dieses Studium zu dem Schlu&szlig; gef&uuml;hrt hat, da&szlig;, zumindest in Europa, England das einzige Land ist, wo die unvermeidliche soziale Revolution g&auml;nzlich mit friedlichen und gesetzlichen Mitteln durchgef&uuml;hrt werden k&ouml;nnte. Gewi&szlig; hat er nie vergessen hinzuzuf&uuml;gen, da&szlig; er kaum erwarte, die herrschenden Klassen Englands w&uuml;rden sich ohne "proslavery rebellion" dieser friedlichen und gesetzlichen Revolution unterwerfen.</P>
<P>5. November 1886</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Friedrich Engels</I> </P>
<P><HR></P>
<P><A NAME="M1">Fu&szlig;noten</P>
<P>(1)</A> "Le Capital. Par Karl Marx", &Uuml;bersetzung von M. J. Roy, vom Autor v&ouml;llig durchgesehen, Paris, Lach&acirc;tre. Diese &Uuml;bersetzung enth&auml;lt besonders im letzten Teil des Buchs betr&auml;chtliche Ver&auml;nderungen und Erg&auml;nzungen zum Text der zweiten deutschen Ausgabe. <A HREF="me23_036.htm#Z1">&lt;=</A><A NAME="M2"></P>
<P>(2)</A> Bei der Vierteljahrversammlung der Handelskammer von Manchester, die heute nachmittag abgehalten wurde, fand eine lebhafte Diskussion &uuml;ber die Freihandelsfrage statt. Eine Resolution wurde eingebracht in dem Sinne, da&szlig; "man 40 Jahre vergebens darauf gewartet hat, da&szlig; andre Nationen dem von England gegebenen Beispiel des Freihandels folgen, und die Kammer nun die Zeit f&uuml;r gekommen h&auml;lt, diesen Standpunkt zu &auml;ndern". Die Resolution wurde mit nur einer Stimme Mehrheit abgelehnt, bei dem Stimmenverh&auml;ltnis von 21 f&uuml;r und 22 dagegen.("Evening Standard", 1. Nov. 1886.) <A HREF="me23_036.htm#Z2">&lt;=</A></P></BODY>
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