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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>John Reed: 10 Tage die die Welt ersch&uuml;tterten</TITLE>
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<BODY bgcolor="#FFFFFF">
<H3>
VI. DAS KOMITEE ZUR RETTUNG DES VATERLANDES UND DER REVOLUTION
</H3>
<P>
<P>
Freitag, 9. November
<P>
&AElig;Nowotscherkassk, 8. November. Der Aufstand der Bolschewiki und ihr
Versuch, die Provisorische Regierung zu st&uuml;rzen und in Petrograd die
Macht an sich zu rei&szlig;en, veranla&szlig;t die Kosakenregierung zu der
Erkl&auml;rung, da&szlig; sie diese Handlungen f&uuml;r verbrecherisch und
absolut unzul&auml;ssig erachtet. Die Kosaken werden darum die Provisorische
Regierung, die eine Koalitionsregierung ist, mit ihrer ganzen Macht
unterst&uuml;tzen. Unter diesen Umst&auml;nden werde ich selbst mit dem Beginn
des 7.November im Dongebiet die gesamte Macht &uuml;bernehmen bis zur
R&uuml;ckkehr der Provisorischen Regierung und der Wiederherstellung der
Ordnung in Ru&szlig;land.
<P align=right>
Gezeichnet: Ataman<I> Kaledin,</I>
<P align=right>
<I></I>Pr&auml;sident der Regierung der Kosakentruppen."
<P>
<P>
Befehl des Ministerpr&auml;sidenten Kerenski, datiert in Gatschina:
<P>
&AElig;Ich, der Ministerpr&auml;sident der Provisorischen Regierung und Oberster
Befehlshaber aller bewaffneten Kr&auml;fte der Russischen Republik,
erkl&auml;re, da&szlig; ich pers&ouml;nlich die F&uuml;hrung der Frontregimenter
&uuml;bernommen habe, die dem Vaterlande treu geblieben sind. Ich befehle
allen Truppen des Petrograder Milit&auml;rbezirks, die durch
Mi&szlig;verst&auml;ndnis oder aus Torheit dem Ruf der Verr&auml;ter am Vaterland
und an der Revolution gefolgt sind, die unverz&uuml;gliche R&uuml;ckkehr
zu ihrer Pflicht. Dieser Befehl ist allen Regimentern, Bataillonen und Kompanien
vorzulesen.
<P align=right>
Gezeichnet: A.F. Kerenski
<P align=right>
Ministerpr&auml;sident der Provisorischen Regierung
<P align=right>
und Oberster Befehlshaber."
<P>
Telegramm Kerenskis an den Kommandierenden General der Nordfront: &AElig;Die
Stadt Gattschina wurde von regierungstreuen Truppen genommen und ohne
Blutvergie&szlig;en besetzt. Kompanien von Kronst&auml;dter Matrosen und
Soldaten des Semjonowski- und des Ismailowski-Regiments haben bedingungslos
die Waffen gestreckt und sich den Regierungstruppen angeschlossen. Ich befehle
allen f&uuml;r den Vormarsch bestimmten Transporten, schnell vorzur&uuml;cken.
Vom Revolution&auml;ren Milit&auml;rkomitee haben die Truppen den Befehl
erhalten, zur&uuml;ckzugehen."
<P>
Das etwa drei&szlig;ig Kilometer s&uuml;dwestlich gelegene Gattschina war
im Verlaufe der Nacht gefallen. In der Umgebung f&uuml;hrerlos umherirrende
Abteilungen der in dem Telegramm genannten Regimenter waren in der Tat von
Kosaken umzingelt und entwaffnet worden. Es traf aber nicht zu, da&szlig;
sie sich den Regierungstruppen angeschlossen hatten. Gerade jetzt befanden
sich Trupps von ihnen verwirrt und besch&auml;mt im Smolny, bem&uuml;ht zu
erkl&auml;ren, wie sich die Sache abgespielt hatte. Sie h&auml;tten die Kosaken
nicht so nahe vermutet und dann versucht, sie zu &uuml;berreden. An der
revolution&auml;ren Front herrschte offensichtlich die gr&ouml;&szlig;te
Verwirrung. Die Garnisonen der s&uuml;dlich gelegenen kleinen St&auml;dte
hatten sich in zwei, manchmal in drei einander bek&auml;mpfende Parteien
gespalten. Die Offiziere hielten in Ermangelung einer st&auml;rkeren
Autorit&auml;t zu Kerenski, die Mehrheit der Soldaten zu den Sowjets. Der
Rest schwankte unschl&uuml;ssig hin und her. Schnell entschlossen betraute
das Revolution&auml;re Milit&auml;rkomitee mit der Verteidigung Petrograds
einen ehrgeizigen ehemaligen Hauptmann der regul&auml;ren Armee namens Murawjow,
der w&auml;hrend des Sommers die Todesbataillone organisiert und sich der
Regierung gegen&uuml;ber einmal ge&auml;u&szlig;ert hatte, da&szlig; sie
zu sanft mit den Bolschewiki verfahre. Diese m&uuml;&szlig;ten vom Erdboden
vertilgt werden. Ein Mann von ausgesprochen milit&auml;rischem Denken und
vielleicht aufrichtiger Bewunderung f&uuml;r Macht und K&uuml;hnheit. Als
ich am Morgen mein Haus verlie&szlig;, waren neben meiner T&uuml;r zwei neue
Befehle des Revolution&auml;ren Milit&auml;rkomitees angeschlagen, in denen
angeordnet wurde, da&szlig; die L&auml;den und Magazine wie gew&ouml;hnlich
offenzuhalten und alle leerstehenden R&auml;ume und Wohnungen zur Verf&uuml;gung
des Komitees zu halten seien. Seit sechsunddrei&szlig;ig Stunden waren nun
die Bolschewiki von dem &uuml;brigen Ru&szlig;land abgeschnitten. Die Eisenbahner
und die Telegrafenarbeiter weigerten sich, ihre Anordnungen weiterzugeben,
und die Postbeamten, ihre Post zu bef&ouml;rdern. Nur die Regierungsstation
f&uuml;r drahtlose Telegrafie in Zarskoje Selo schleuderte halbst&uuml;ndlich
Bulletins und Manifeste in alle Himmelsrichtungen, und mit den Kommissaren
der Stadtduma zugleich fuhren auf schnellen Z&uuml;gen die Kommissare des
Smolny durch das ganze Land. Hoch in der Luft zogen zwei Flugzeuge mit
Propagandamaterial beladen der Front zu. Aber die Ausbreitung des Aufstandes
ging mit m&auml;rchenhafter Schnelligkeit vor sich. In Helsingfors erkl&auml;rte
sich der Sowjet f&uuml;r die Revolution. In Kiew hatten sich die Bolschewiki
des Arsenals und der Telegrafenstation bem&auml;chtigt und wurden nur von
den Delegierten des Kosakenkongresses vertrieben, die dort zusammengekommen
waren. In Kasan hatte das Revolution&auml;re Milit&auml;rkomitee den lokalen
Garnisonstab und den Kommissar der Provisorischen Regierung verhaftet. Aus
dem fernen Krasnojarsk in Sibirien kamen Nachrichten, da&szlig; die Sowjets
die Kontrolle der st&auml;dtischen Einrichtungen in die H&auml;nde genommen
h&auml;tten. In Moskau, wo sich die Situation infolge eines umfangreichen
Streiks der Lederarbeiter und der Androhung einer allgemeinen Aussperrung
durch die Unternehmer besonders zugespitzt hatte, beschlossen die Sowjets
mit &uuml;berw&auml;ltigender Mehrheit die Unterst&uuml;tzung der Petrograder
Bolschewiki. Ein Revolution&auml;res Milit&auml;rkomitee war bereits gebildet
worden und in Funktion. Die Entwicklung war &uuml;berall die gleiche. Die
gro&szlig;e Mehrheit der gemeinen Soldaten und die Industriearbeiter
unterst&uuml;tzten die Sowjets, w&auml;hrend die Offiziere, die
Offizierssch&uuml;ler und die Mittelklasse im allgemeinen, ebenso wie die
b&uuml;rgerlichen Kadetten und die &AElig;gem&auml;&szlig;igten" Sozialisten,
sich auf die Seite der Regierung stellten. In allen diesen St&auml;dten bildeten
sich Komitees zur Rettung des Vaterlandes, die sich f&uuml;r den
B&uuml;rgerkrieg r&uuml;steten. Das gro&szlig;e Ru&szlig;land befand sich
in einem Zustande der Aufl&ouml;sung. Schon 1905 begann dieser Proze&szlig;.
Die M&auml;rzrevolution hatte ihn nur beschleunigt, und alle Anstrengungen
der in dieser Revolution zur Macht gelangten Kompromi&szlig;ler hatten nichts
als eine vorl&auml;ufige Konservierung des innerlich hohlen alten Regimes
gezeitigt. All dies hatte sich nun unter dem Ansturm der Bolschewiki in einer
einzigen Nacht in ein Nichts aufgel&ouml;st, so wie man eine Rauchwolke
auseinanderbl&auml;st. Das alte Ru&szlig;land war nicht mehr. Die alte
Gesellschaft schmolz in der Gluthitze der Revolution, und aus dem brodelnden
Flammenmeer stiegen der Klassenkampf, gewaltig und mitleidslos, und die noch
zerbrechliche, langsam erkaltende Kruste einer neuen Welt.
<P>
In Petrograd streikten sechzehn Ministerien unter der F&uuml;hrung des
Ministeriums f&uuml;r Arbeit und des Ministeriums f&uuml;r Ern&auml;hrung
- die beiden einzigen, die von der sozialistischen Regierung im August gebildet
worden waren. Wenn jemals M&auml;nner alleingestanden haben, so war es die
&AElig;Handvoll Bolschewiki" an jenem tr&uuml;ben, kalten Morgen in den von
allen Seiten wild &uuml;ber sie hinbrausenden St&uuml;rmen. Mit dem R&uuml;cken
gegen die Wand k&auml;mpfte das Revolution&auml;re Milit&auml;rkomitee um
sein Leben. &AElig;De l'audace, encore de l'audace, et toujours de l'audace!"
(&AElig;K&uuml;hnheit, K&uuml;hnheit und abermals K&uuml;hnheit!") ....Um
f&uuml;nf Uhr morgens besetzten die Rotgardisten die R&auml;ume der
Staatsdruckerei, beschlagnahmten Tausende von Exemplaren des Protestaufrufes
der Duma und verboten das offizielle st&auml;dtische Organ. Alle
b&uuml;rgerlichen Zeitungen waren verboten, sogar &AElig;Golos Soldata",
das Organ des alten Zentralexekutivkomitees - das indessen unter einem andern
Namen, &AElig;Soldatski Golos", in einer Auflage von hunderttausend Exemplaren
herauskam: &AElig;Die M&auml;nner, die in der Nacht ihren verr&auml;terischen
Streich begannen, die die Zeitung verbieten, werden das Land nicht lange
in Unwissenheit halten k&ouml;nnen. Das Land wird die Wahrheit erfahren!
Es wird euch, ihr Herren Bolschewiki, durchschauen! Wir werden sehen!...."
Als wir kurz nach zw&ouml;lf Uhr den Newski hinunterkamen, hatte sich vor
dem Dumageb&auml;ude eine die ganze Stra&szlig;e f&uuml;llende Menschenmenge
angesammelt. Hin und wieder sah man Rotgardisten und Matrosen mit aufgepflanzten
Bajonetten, jeder umringt von zirka hundert M&auml;nnern und Frauen -
B&uuml;roangestellten, Studenten, Ladeninhabern -, mit erhobenen F&auml;usten,
Beschimpfungen und Drohungen &uuml;ber sie aussch&uuml;ttend. Auf den Stufen
Pfadfinder und Offiziere, die Nummern des &AElig;Soldatski Golos" verteilten.
Ein Arbeiter mit einer roten Armbinde und einem Revolver in der Hand stand,
zitternd vor Wut und Nervosit&auml;t, inmitten einer feindlichen Menge am
Fu&szlig;e der Treppe und verlangte die Herausgabe der Zeitungen.... Nie
in der Geschichte hat sich &auml;hnliches zugetragen. Auf der einen Seite
eine Handvoll Arbeiter und gew&ouml;hnliche Soldaten im Besitz der Waffen,
die siegreiche Revolution repr&auml;sentierend - und dabei in vollster
Armseligkeit; auf der anderen Seite ein w&uuml;tender Haufen von Leuten,
wie sie um die Mittagszeit die B&uuml;rgersteige der f&uuml;nften Avenue
zu bev&ouml;lkern pflegen, sp&ouml;ttelnd, schimpfend, schreiend:
&AElig;Verr&auml;ter, Provokateure!" Die Tore wurden von Studenten und Offizieren
bewacht, die wei&szlig;e Armbinden mit der Aufschrift: &AElig;Miliz des Komitees
f&uuml;r die &ouml;ffentliche Sicherheit" trugen, und ein halbes Dutzend
Pfadfinder kamen und gingen. Oben helle Aufregung. Hauptmann Gomberg kam
die Treppe herunter. &AElig;Sie wollen die Duma aufl&ouml;sen", sagte er.
&AElig;Der bolschewistische Kommissar ist gerade beim B&uuml;rgermeister."
Als wir nach oben kamen, st&uuml;rzte Rjasanow aus dem Zimmer heraus. Er
war gekommen, um von der Duma die Anerkennung des Rates der Volkskommissare
zu fordern, und der B&uuml;rgermeister hatte ihm eine glatte Absage gegeben.
In den B&uuml;ros fand ich eine gro&szlig;e, schwatzende Menge, hin- und
hereilend, schreiend, gestikulierend - Beamte, Intellektuelle, Journalisten,
ausl&auml;ndische Korrespondenten, franz&ouml;sische und englische
Offiziere....Der Stadtbaumeister wies triumphierend auf sie. &AElig;Die
Gesandtschaften erkennen als einzige Macht nur die Duma an", erkl&auml;rte
er. &AElig;F&uuml;r diese bolschewistischen M&ouml;rder und R&auml;uber ist
es nur noch eine Frage von Stunden. Das ganze Ru&szlig;land schart sich um
uns." Im Alexandersaal eine riesige Versammlung des Komitees zur Rettung
des Vaterlandes und der Revolution. Filippowski hatte den Vorsitz, und Skobelew
berichtete unter ungeheurem Beifall &uuml;ber neue Beitritte zum Komitee:
Exekutivkomitee der Bauernsowjets, altes Zentralexekutivkomitee, zentrales
Armeekomitee, Zentroflot, Menschewiki-Internationalisten,
Sozialrevolution&auml;re und Frontgruppendelegierte zum Kongre&szlig; der
Sowjets, Zentralkomitees der Menschewiki, der Sozialrevolution&auml;re, der
Volkssozialisten die Gruppe &AElig;Jedinstwo", Bauernverband, Genossenschaften,
Semstwos, Stadtverwaltungen, Post- und Telegrafenverb&auml;nde, der Wikshel,
Rat der Russischen Republik, Verband der Verb&auml;nde, Kaufmanns- und
Fabrikantenvereinigung... &AElig;......Die Macht der Sowjets ist nicht eine
demokratische macht, sondern eine Diktatur - und nicht eine Diktatur des
Proletariats, sondern <I>gegen</I> das Proletariat. All jene, die wissen,
was revolution&auml;re Begeisterung ist, m&uuml;ssen sich f&uuml;r die
Verteidigung der Revolution verb&uuml;nden.... Die Aufgabe des Tages ist
nicht nur, unverantwortliche Demagogen unsch&auml;dlich zu machen, sondern
den Kampf gegen die Konterrevolution aufzunehmen.... Wenn die Ger&uuml;chte
wahr sind, da&szlig; gewisse Generale in den Provinzen aus den Geschehnissen
Vorteil ziehen wollen, um gegen Petrograd zu marschieren, so ist das nur
ein weiterer Beweis, da&szlig; wir die solide Basis einer demokratischen
Organisation schaffen m&uuml;ssen. Andernfalls werden aus den Schwierigkeiten,
die wir mit den Linken haben, Schwierigkeiten mit den Rechten erwachsen.
Die Garnison von Petrograd kann nicht gleichg&uuml;ltig bleiben, wenn
B&uuml;rger, die den ,Golos Soldata' kaufen, und Zeitungsjungen, die die
,Rabotschaja Gaseta' verkaufen, in den Stra&szlig;en verhaftet werden. Die
Stunde der Resolutionen ist vor&uuml;ber....La&szlig;t jene, die den Glauben
an die Revolution verloren haben, sich zur&uuml;ckziehen.... um eine vereinigte
Macht aufzurichten, m&uuml;ssen wir von neuem das Prestige der Revolution
herstellen.... La&szlig;t uns schw&ouml;ren, da&szlig; wir entweder die
Revolution retten oder untergehen werden!" Der ganze Saal erhob sich, Beifall
klatschend, mit blitzenden Augen. Aber nicht ein einziger Proletarier war
zu sehen.... Dann Weinstein: &AElig;Wir m&uuml;ssen ruhig bleiben und nicht
eher zur Aktion schreiten, bevor die &ouml;ffentliche Meinung sich fest um
das Komitee zur Rettung des Vaterlandes und der Revolution geschart hat -
erst dann k&ouml;nnen wir von der Verteidigung zum Angriff &uuml;bergehen!"
Der Vertreter des Wikshel teilte mit, da&szlig; seine Organisation die Initiative
zur Bildung einer neuen Regierung &uuml;bernommen habe und da&szlig; seine
Delegierten im Augenblick die Frage mit dem Smolny diskutierten...Eine
hei&szlig;e Debatte entbrannte: Sollte man die Bolschewiki in die neue Regierung
aufnehmen? Martow pl&auml;dierte f&uuml;r ihre Zulassung. &AElig;Sie sind
schlie&szlig;lich", sagte er, &AElig;eine bedeutende politische Partei."
Die Meinungen dar&uuml;ber gingen auseinander. Die rechten Menschewiki und
die Sozialrevolution&auml;re wie auch die Volkssozialisten, die Genossenschaften
und die b&uuml;rgerlichen Elemente waren entschieden dagegen.... &AElig;Sie
haben Ru&szlig;land verraten", erkl&auml;rte ein Redner. &AElig;Sie haben
den B&uuml;rgerkrieg begonnen und die Front den Deutschen ge&ouml;ffnet.
Die Bolschewiki m&uuml;ssen erbarmungslos zusammengehauen werden..." Skobelew
war f&uuml;r den Ausschlu&szlig; sowohl der Bolschewiki wie der Kadetten.
Wir begannen eine Unterhaltung mit einem jungen Sozialrevolution&auml;r,
der seinerzeit zusammen mit den Bolschewiki die Demokratische Konferenz verlassen
hatte, als Zereteli und die &AElig;Kompromi&szlig;ler" der Demokratie
Ru&szlig;lands die Koalitionsregierung aufgezwungen hatten. &AElig;Sie hier?"
fragte ich ihn. Seine Augen schossen Blitze. &AElig;Ja!" schrie er. &AElig;Ich
verlie&szlig; den Kongre&szlig; zusammen mit meiner Partei Mittwoch nacht.
Ich habe nicht mein Leben zwanzig Jahre und mehr aufs Spiel gesetzt, um mich
jetzt der Tyrannei des unwissenden P&ouml;bels zu unterwerfen. Ihre Methoden
sind unertr&auml;glich. Aber sie haben nicht mit den Bauern gerechnet....Wenn
die Bauern in Aktion treten werden, dann d&uuml;rften sie in Minuten erledigt
sein." &AElig;Aber die Bauern - werden sie handeln? Befriedigt das Landdekret
nicht die Bauern? Was w&uuml;nschen diese mehr?" &AElig;Ah, das Landdekret!"
sagte er w&uuml;tend. &AElig;Wissen Sie, was das Landdekret ist? Es ist unser
Dekret - es ist das sozialrevolution&auml;re Programm, vollkommen! Meine
Partei hat diese Politik formuliert, auf Grund der sorgf&auml;ltigsten
Pr&uuml;fung der W&uuml;nsche der Bauern selbst. Es ist ein Diebstahl...."
&AElig;Aber wenn es ihre eigene Politik ist, warum sind Sie dagegen? Wenn
sie den W&uuml;nschen der Bauern entspricht, warum sollen diese dagegen sein?"
&AElig;Sie verstehen nicht! Sehen Sie nicht, da&szlig; die Bauern sofort
begreifen werden, da&szlig; das Ganze ein Betrug ist - da&szlig; diese
Usurpatoren das Programm der Sozialrevolution&auml;re gestohlen haben?" Ich
fragte, ob es wahr sei, da&szlig; Kaledin gegen Norden marschiere. Er nickte
und rieb sich die H&auml;nde, voll bitterer Befriedigung. &AElig;Ja. Sehen
Sie jetzt, was diese Bolschewiki angerichtet haben. Sie haben die
Konterrevolution gegen uns in Bewegung gebracht. Die Revolution ist verloren.
Die Revolution ist verloren." &AElig;Aber werden Sie die Revolution nicht
verteidigen?" &AElig;Nat&uuml;rlich werden wir sie verteidigen, bis zu unserem
letzten Blutstropfen. Jedoch werden wir unter keinen Umst&auml;nden mit den
Bolschewiki zusammengehen..." &AElig;Aber wenn Kaledin nach Petrograd kommt
und die Bolschewiki die Stadt verteidigen. Werden Sie sich ihnen nicht
anschlie&szlig;en?"
<P>
&AElig;Nat&uuml;rlich nicht. Wir werden die Stadt auch verteidigen, aber
wir werden die Bolschewiki nicht unterst&uuml;tzen. Kaledin ist der Feind
der Revolution, aber auch die Bolschewiki sind Feinde der Revolution."
<P>
&AElig;Wen ziehen Sie vor: Kaledin oder die Bolschewiki?" &AElig;Darum handelt
es sich jetzt nicht", sagte er ungeduldig. &AElig;Ich sage Ihnen, die Revolution
ist verloren. Und es sind die Bolschewiki, die schuld daran sind. Doch was
sollen wir von solchen Dingen reden? Kerenski kommt....&Uuml;bermorgen werden
wir zur Offensive &uuml;bergehen....Schon hat der Smolny Delegierte gesandt,
die uns auffordern, an einer neuen Regierungsbildung teilzunehmen. Wir haben
sie jetzt - sie sind absolut ohnm&auml;chtig..., wir werden mit ihnen nicht
zusammenarbeiten..."
<P>
Drau&szlig;en fiel ein Schu&szlig;. Wir liefen zu den Fenstern. Ein Rotgardist,
durch die Sticheleien der Menge zur Verzweiflung gebracht, hatte einen
Schu&szlig; abgegeben und ein junges M&auml;dchen am Arm verwundet. Wir konnten
sehen, wie sie in einen Wagen gehoben wurde, umringt von einer erregten Menge,
deren Stimmen bis zu uns empordrangen. Im n&auml;chsten Augenblick erschien
ein Panzerwagen an der Ecke des Michailowski, dessen Maschinengewehre hin-
und herfuhren. Die Menge begann sofort zu laufen, wie das in Petrograd
&uuml;blich ist, sie warf sich auf den Boden nieder, versteckte sich in den
Stra&szlig;enrinnen und hinter den Telefonmasten. Der Panzerwagen hielt vor
der Treppe der Duma, und ein Mann steckte seinen Kopf aus dem Turm heraus,
die Herausgabe des &AElig;Soldatski Golos" verlangend. Die Pfadfinder liefen
ins Geb&auml;ude. Einen Augenblick lang fuhr der Panzerwagen unentschieden
hin und her und verschwand dann den Newski hinauf, w&auml;hrend einige hundert
M&auml;nner und Frauen sich wieder erhoben und ihre Kleider abzustauben
begannen..... Im Innern des Geb&auml;udes hin- und herrennende Menschen,
den Arm voller Exemplare des &AElig;Soldatski Golos", nach einem Platz suchend,
um sie zu verstecken....Ein Journalist kam in das Zimmer gelaufen, er schwenkte
ein Blatt Papier. &AElig;Hier ist eine Proklamation von Krasnow!" schrie
er. Er war sofort umringt. &AElig;Drucken lassen, schnell drucken lassen,
und dann in die Kasernen damit!"
<P>
&AElig;Auf den Befehl des Obersten Befehlshabers bin ich zum Befehlshaber
der um Petrograd konzentrierten Truppen ernannt. B&uuml;rger, Soldaten, tapfere
Kosaken des Don, des Kuban, des Transbaikal, des Amur, des Jenissej, ihr
alle, die ihr euerm Eid treu geblieben seid, die ihr geschworen habt, euern
Kosakeneid treu zu halten - ich rufe euch auf, Petrograd zu retten vor der
Anarchie, vor dem Hunger, vor der Tyrannei, Ru&szlig;land zu erretten vor
der unertr&auml;glichen Schande, die eine Handvoll mit dem Golde Wilhelms
gekaufter, unwissender M&auml;nner &uuml;ber Ru&szlig;land zu bringen versuchen.
Die Provisorische Regierung, der ihr in den gro&szlig;en M&auml;rztagen die
Treue geschworen habt, ist nicht gest&uuml;rzt, sie wurde nur mit Gewalt
aus dem Geb&auml;ude getrieben, in dem sie ihre Sitzungen abhielt. Die Regierung
jedoch, mit Hilfe der Fronttruppen, die treu ihre Pflicht erf&uuml;llen,
mit Hilfe des Kosakenrates, der unter seinem Kommando alle Kosaken vereinigt,
im Bewu&szlig;tsein ihrer St&auml;rke und in v&ouml;lliger &Uuml;bereinstimmung
mit dem Willen des russischen Volkes, hat geschworen, dem Lande zu dienen,
ihren Vorfahren in den st&uuml;rmischen Zeiten von 1612 gleich, da die Kosaken
des Don das von den Schweden, den Polen und den Litauern bedrohte Moskau
befreiten. Eure Regierung besteht noch immer.... Die aktive Armee blickt
auf diese Verbrecher mit Emp&ouml;rung und Verachtung. Ihre Akte der
Zerst&ouml;rung und der Pl&uuml;nderungen, ihre Verbrechen, ihre deutsche
Manier, mit der sie auf das - niedergeworfene, aber noch nicht besiegte -
Ru&szlig;land schauen, hat sie dem ganzen Volke entfremdet. B&uuml;rger,
Soldaten, tapfere Kosaken der Petrograder Garnison! Schickt mir eure Delegierten,
damit ich wei&szlig;, wer Verr&auml;ter an seinem Lande ist und wer nicht,
damit unn&uuml;tzes Blutvergie&szlig;en vermieden wird."
<P>
Fast im selben Moment hie&szlig; es, da&szlig; Rotgardisten im Begriff seien,
das Geb&auml;ude zu umzingeln. Ein Offizier trat herein, mit einer roten
Armbinde, und verlangte den B&uuml;rgermeister. Wenige Minuten sp&auml;ter
ging er, und der alte Schrejder kam aus seinem B&uuml;ro, abwechselnd rot
und bla&szlig; im Gesicht. &AElig;Eine au&szlig;erordentliche Sitzung der
Duma!" schrie er. &AElig;Sofort!" In dem gro&szlig;en Saal wurden die
Gesch&auml;fte unterbrochen. &AElig;Alle Mitglieder der Duma zu einer
au&szlig;erordentlichen Sitzung!"
<P>
&AElig;Was ist los?" &AElig;Ich wei&szlig; nicht - man will uns verhaften
- man will die Duma aufl&ouml;sen - man verhaftet Mitglieder vor dem Tor
!" So liefen die Ger&uuml;chte. Im Nikolaisaal war kaum Platz zum Stehen.
Der B&uuml;rgermeister gab bekannt, da&szlig; an allen Eing&auml;ngen Truppen
stationiert seien, die niemand herein und heraus lie&szlig;en, und da&szlig;
ein Kommissar gedroht habe, die Stadtduma aufzul&ouml;sen und ihre Mitglieder
zu verhaften. Eine Flut leidenschaftlicher Reden von Mitgliedern und sogar
von den Galerien war die Antwort. Die frei gew&auml;hlte Stadtverwaltung
k&ouml;nne von <I>keiner</I> Macht aufgel&ouml;st werden; die Person des
B&uuml;rgermeisters und aller anderen Mitglieder sei unverletzlich; die Tyrannen,
die Provokateure, die deutschen Agenten k&ouml;nnten niemals anerkannt werden;
was die Drohung mit der Aufl&ouml;sung anbelange, so sollten sie nur versuchen
- &AElig;nur &uuml;ber unsere Leichname werden sie in diesen Saal eindringen,
wir werden, den r&ouml;mischen Senatoren der Antike gleich, mit W&uuml;rde
das Kommen der Barbaren erwarten..." Entschlie&szlig;ung, die Dumas und Semstwos
von ganz Ru&szlig;land telegrafisch zu benachrichtigen. Entschlie&szlig;ung,
da&szlig; es f&uuml;r den B&uuml;rgermeister oder den Pr&auml;sidenten der
Duma unm&ouml;glich sei, in irgendwelche Beziehungen zu den Vertretern des
Revolution&auml;ren Milit&auml;rkomitees oder zu dem sogenannten Rat der
Volkskommissare zu treten. Resolution, einen neuen Appell an die
Bev&ouml;lkerung Petrograds zu richten, sich f&uuml;r die Verteidigung ihrer
erw&auml;hlten Stadtregierung zu erheben. Resolution, in permanenter Tagung
zusammenzubleiben... Inzwischen kam ein Mitglied mit der Nachricht, da&szlig;
er mit dem Smolny telefoniert und da&szlig; das Revolution&auml;re
Milit&auml;rkomitee ihm erkl&auml;rt habe, da&szlig; keinerlei Befehle gegeben
worden seien, die Duma zu umzingeln, und da&szlig; die Truppen
zur&uuml;ckgezogen w&uuml;rden. Als wir die Treppen hinunterkamen, st&uuml;rmte,
in h&ouml;chster Aufregung, Rjasanow durch das Haupttor. &AElig;Werden Sie
die Duma aufl&ouml;sen?" fragte ich. &AElig;Mein Gott, nein!" antwortete
er. &AElig;Es ist alles ein Irrtum. Ich habe dem B&uuml;rgermeister heute
morgen mitgeteilt, da&szlig; wir die Duma in Ruhe lassen w&uuml;rden..."
Aus dem Newski, in der sinkenden D&auml;mmerung, kam eine lange doppelte
Reihe Radfahrer mit Gewehren &uuml;ber ihren Schultern. Sie hielten. Die
Menge dr&auml;ngte auf sie ein, sie mit Fragen &uuml;berh&auml;ufend. &AElig;Wer
seid ihr? Woher kommt ihr?" fragte ein &auml;ltlicher dicker Mann mit einer
Zigarre im Munde. &AElig;Zw&ouml;lfte Armee, von der Front. Wir kommen, um
die Sowjets gegen die verdammten Bourgeois zu verteidigen." W&uuml;tende
Schreie. &AElig;Ah! Bolschewistische Gendarmen! Bolschewistische Kosaken!"
Ein kleiner Offizier in einem Ledermantel kam die Stufen heruntergeeilt.
&AElig;Die Garnison schwankt!" rief er mir zu. &AElig;Das ist der Anfang
vom Ende der Bolschewiki. Wollen Sie sehen, wie die Zeiten sich &auml;ndern?
Kommen Sie mit!" Und fast laufend, eilte er den Michailowski hinauf. Wir
hinter ihm her. &AElig;Welches Regiment ist es?" &AElig;Die Bronewiki." Und
in der Tat war hier die Lage ernst. Die Bronewiki waren die Panzerwagentruppen,
gewisserma&szlig;en der Schl&uuml;ssel der ganzen Situation. Wer die Bronewiki
hatte, der hatte sie Stadt. &AElig;Die Kommissare des Komitees zur Rettung
des Vaterlandes und die Vertreter der Duma haben zu ihnen gesprochen.Jetzt
haben sie eine Versammlung,wo sie entscheiden werden."
<P>
&AElig;Was entscheiden? Auf wessen Seite sie k&auml;mpfen sollen?" &AElig;O
nein, so darf man ihnen nicht kommen. Sie werden niemals gegen die Bolschewiki
k&auml;mpfen, sondern h&ouml;chstens beschlie&szlig;en, neutral zu bleiben
- dann aber werden die Offizierssch&uuml;ler und Kosaken...."
<P>
Das Tor der gro&szlig;en Michailowski - Reitschule g&auml;hnte schwarz. Zwei
Posten versuchten uns anzuhalten. Aber wir huschten vor&uuml;ber, ohne auf
ihre w&uuml;tenden Zurufe zu achten. Im Innern eine einzige, matt brennende
Bogenlampe, hoch unter dem Dach der m&auml;chtigen Halle, deren luftige Pfeiler
und Fensterb&ouml;gen in der D&auml;mmerung fast verschwanden. An den Seiten
die dunklen Silhouetten riesiger Panzerwagen. Einer stand in der Mitte der
Halle, direkt unter der Lampe, und um ihn herum waren an die zweitausend
wettergebr&auml;unte Soldaten versammelt, fast verschwindend in der Riesenhaften
Ausdehnung des Geb&auml;udes. Ein Dutzend Leute, Offiziere und der Vorsitzende
des Soldatenkomitees, waren auf dem Dach des Wagens postiert, und vom Turm
aus sprach ein Soldat. Die war Chanshonow, der schon den im vergangenen Sommer
abgehaltenen Gesamtrussischen Kongre&szlig; der Panzereinheiten geleitet
hatte. Ein geschmeidiger h&uuml;bscher Mensch in einem Lederrock mit
Offiziersachselst&uuml;cken, der mit lebhafter Beredsamkeit f&uuml;r die
Neutralit&auml;t der Truppen eintrat. &AElig;Es ist entsetzlich, zu denken,
da&szlig; Russen einander morden sollen. Es darf keinen B&uuml;rgerkrieg
geben zwischen Soldaten, die Schulter an Schulter den Zaren und den
&auml;u&szlig;eren Feind in Schlachten bezwungen haben, die noch lange in
der Geschichte fortleben werden. Was k&uuml;mmert uns Soldaten das Gez&auml;nk
der politischen Parteien? Es f&auml;llt mir nicht ein, zu behaupten, da&szlig;
die Provisorische Regierung eine demokratische Regierung war. Wir wollen
keine Koalition mit der Bourgeoisie! Aber was wir haben m&uuml;ssen, ist
eine Regierung der vereinten Demokratie, sonst ist Ru&szlig;land verloren.
Bekommen wir eine solche Regierung, dann ist der B&uuml;rgerkrieg unn&ouml;tig
und der Brudermord bleibt uns erspart." Das klang einleuchtend, und der weite
Raum hallte vom Beifall wider. Ein Soldat kletterte hinauf, bla&szlig; und
&uuml;berm&uuml;det. &AElig;Genossen! Ich komme von der rum&auml;nischen
Front, und ich sage euch, da&szlig; wir Frieden haben m&uuml;ssen, sofortigen
Frieden. Wer immer uns den Frieden geben kann, seien es nun die Bolschewiki
oder diese neue Regierung, dem werden wir folgen. Friede. Friede! Wir an
der Front k&ouml;nnen nicht mehr k&auml;mpfen, weder gegen die Deutschen
noch gegen die Russen", und damit schlo&szlig; er. Aus den wogenden Massen
stieg ein Durcheinander streitender Stimmen, das sich zu zornigen Rufen
steigerte, als der n&auml;chste Redner, ein Menschewik, sie zu &uuml;berzeugen
suchte, da&szlig; der Krieg weitergef&uuml;hrt werden m&uuml;sse bis zum
Siege der Alliierten. &AElig;Du sprichst wie Kerenski!" rief eine rauhe Stimme
dem Redner zu. Ein Dumadelegierter pl&auml;dierte f&uuml;r Neutralit&auml;t.
Sie h&ouml;rten ihm zu, aber voller Mi&szlig;trauen, f&uuml;hlten, da&szlig;
er nicht zu ihnen geh&ouml;rte. Niemals wieder sah ich M&auml;nner so
&auml;ngstlich bem&uuml;ht, zu begreifen und richtig zu entscheiden, unbeweglich,
in fast bedrohlicher Spannung auf die Redner starrend, die Augenbrauen
zusammengezogen in der Anspannung des Nachdenkens, die Stirnen
schwei&szlig;bedeckt; Riesen an Gestalt, mit den klaren, unschuldigen Augen
von Kindern und den Gesichtern von Helden. Jetzt sprach ein Bolschewik, einer
von ihren eigenen Leuten, heftig, ha&szlig;erf&uuml;llt. Sie h&ouml;rten
ihm nicht mit mehr Sympathie zu als den anderen. Seine Art entsprach nicht
ihrer Stimmung. Aber er ri&szlig; sie einen Moment lang aus dem Trott
allt&auml;glichen kleinlichen Denkens empor zum Bewu&szlig;tsein ihrer
Verantwortung gegen&uuml;ber dem Schicksal Ru&szlig;lands, des Sozialismus,
der Welt, der Revolution. Redner folgte auf Redner, unter gespanntem, nur
dann und wann von Beifalls- oder Zornesrufen unterbrochenem Schweigen abwechselnd
f&uuml;r und gegen die Neutralit&auml;t sprechend. Chanshonow redete noch
einmal, hinrei&szlig;end, sympathisch. Aber war er nicht ein Offizier, wieviel
er immer vom Frieden sprach? Dann ein Arbeiter aus dem Stadtteil Wassili-Ostrow.
Ihn empfingen sie mit den Worten: &AElig;Nun, Arbeiter, wirst du uns den
Frieden bringen?" Ganz in unserer N&auml;he hatten einige Leute, in der Mehrzahl
waren es Offiziere, eine Art Claque gebildet, die systematisch f&uuml;r die
Verteidiger der Neutralit&auml;t Stimmung machte. &AElig;Chanshonow, Chanshonow!"
riefen sie fortgesetzt und zischten und pfiffen, wenn ein Bolschewik zu sprechen
versuchte. Pl&ouml;tzlich begannen auf dem Dach des Wagens die Komiteemitglieder
und die Offiziere, die sich offenbar &uuml;ber irgend etwas uneinig geworden
waren, aufgeregt und heftig gestikulierend aufeinander einzureden. Die
Versammlung wurde aufmerksam und verlangte zu wissen, um was es sich handle.
Ein Soldat, von einem Offizier zur&uuml;ckgehalten, ri&szlig; sich los und
hob seine Hand empor. &AElig;Genossen", schrie er, &AElig;der Genosse Krylenko
ist hier und w&uuml;nscht uns zu sprechen." Ein Sturm wilden Beifalls brach
los, dann Pfeifen und Rufe: &AElig;Prossim! Prossim! - Doloi!" (Hinauf! Hinauf!
- Nieder mit ihm!). W&auml;hrenddessen kletterte, von hilfsbereiten H&auml;nden
gezogen und geschoben, der Volkskommissar f&uuml;r das Heer an der Seite
des Wagens empor. Sich aufrichtend, stand er einen Moment, ging dann nach
vorn, die H&auml;nde auf die H&uuml;ften gest&uuml;tzt, und blickte
l&auml;chelnd um sich, eine kleine Gestalt, kurzbeinig, ohne Kopfbedeckung
und ohne Rangabzeichen auf der Uniform. Die Claque in meiner N&auml;he
h&ouml;rte nicht auf zu schreien: &AElig;Chanshonow, Chanshonow! Wir wollen
Chanshonow h&ouml;ren! Hinunter mit ihm! Schlu&szlig;, Schlu&szlig;! Nieder
mit dem Verr&auml;ter!" Die Aufregung begann allgemein zu werden. Da
pl&ouml;tzlich eine Bewegung gleich einer auf uns niederrollenden Lawine:
riesenhafte, zornigblickende Gestalten bahnten sich einen Weg durch das
Gedr&auml;nge. &AElig;Wer st&ouml;rt hier unsere Versammlung? Woher das
Pfeifen??" Die Claque verstummte, dr&uuml;ckte sich schleunigst und
unterlie&szlig; jede weitere St&ouml;rung.
<P>
&AElig;Genossen Soldaten!" begann Krylenko mit vor M&uuml;digkeit heiserer
Stimme. &AElig;Ich kann leider nur sehr schlecht zu euch sprechen, denn ich
habe seit vier Tagen nicht mehr geschlafen. Ich brauche euch nicht erst zu
sagen, da&szlig; ich ein Soldat bin wie ihr und da&szlig; ich den Frieden
w&uuml;nsche. Was ich aber hier sagen mu&szlig;, ist, da&szlig; die
bolschewistische Partei, die mit eurer Hilfe und mit Hilfe vieler anderer
braver Genossen in der siegreichen Arbeiter- und Soldatenrevolution die Macht
der blutd&uuml;rstigen Bourgeoisie st&uuml;rzte, das von ihr gegebene
Versprechen, ein Friedensangebot an alle kriegf&uuml;hrenden V&ouml;lker
zu richten, bereits, und zwar am heutigen Tag, eingel&ouml;st hat."
(St&uuml;rmischer Beifall.) &AElig;Man fordert euch hier zur Neutralit&auml;t
auf, w&auml;hrend die Offizierssch&uuml;ler und die Todesbataillone, die
niemals neutral sind, uns in den Stra&szlig;en niederschie&szlig;en und Kerenski
oder irgendeinen andern von dieser Bande nach Petrograd zur&uuml;ckbringen
wollen. Vom Don aus marschiert Kaledin; Kerenski kommt von der Front, und
Kornilow hetzt die Tekinzy auf und will sein Augustabenteuer wiederholen.
Die Menschewiki und Sozialrevolution&auml;re, die euch hier so &auml;ngstlich
beschw&ouml;ren, doch um alles in der Welt den B&uuml;rgerkrieg zu verhindern,
haben sie sich anders an der Macht halten k&ouml;nnen als vermittels des
B&uuml;rgerkrieges, der seit dem letzten Juli nicht aufgeh&ouml;rt hat zu
w&uuml;ten und in dem sie immer - genau wie heute - auf der Seite der Bourgeoisie
zu finden waren? Wie kann ich euch &uuml;berzeugen, wenn ihr euch bereits
festgelegt habt? Die Frage ist ganz klar. Auf der einen Seite die Kerenski,
Kaledin, Kornilow, die Menschewiki, die Sozialrevolution&auml;re, die Kadetten,
die Duma und die Offiziere. Auf der anderen Seite stehen die Arbeiter, die
Soldaten und Matrosen, die armen Bauern. Die Regierung ist in euren H&auml;nden.
Ihr seid die Herren. Ganz Ru&szlig;land geh&ouml;rt euch. Wollt ihr es wieder
zur&uuml;ckgeben?" Nur mit der gr&ouml;&szlig;ten Willensanstrengung hielt
er sich, w&auml;hrend er redete, aufrecht; aber die ihn beseelende tiefe
und ehrliche Begeisterung begann allm&auml;hlich trotz seiner Erm&uuml;dung
ihre Wirkung auf die Versammlung auszu&uuml;ben. Als er geendet hatte, w&auml;re
er fast gefallen. Hundert H&auml;nde streckten sich ihm entgegen, ihm beim
Herabsteigen behilflich zu sein.
<P>
Chanshonow versuchte erneut zu sprechen. Aber &AElig;abstimmen, abstimmen!"
schallte es ihm entgegen. Er gab schlie&szlig;lich nach und verlas die
Resolution, die besagte, da&szlig; die Panzereinheit ihren Vertreter aus
dem Revolution&auml;ren Milit&auml;rkomitee zur&uuml;ckziehen und in dem
gegenw&auml;rtigen B&uuml;rgerkrieg neutral bleiben w&uuml;rde. Wer f&uuml;r
die Resolution war, sollte nach rechts, wer dagegen war, nach links treten.
Es gab einen Moment des Schwankens. Dann aber begann die Menge, in immer
schnellerem Tempo, einer &uuml;ber den anderen stolpernd, nach links zu fluten.
Nicht weit von uns entfernt fanden sich gegen f&uuml;nfzig Mann zusammen,
die f&uuml;r die Resolution gestimmt hatten; das war alles. W&auml;hrend
noch die Halle von dem Siegesjubel der anderen widert&ouml;nte , verlie&szlig;
das H&auml;uflein eiligst das Geb&auml;ude - und einige von ihnen auch f&uuml;r
immer die Revolution. Derselbe Kampf spielte sich in allen Kasernen der Stadt
ab, in allen Bezirken, an der ganzen Front, in ganz Ru&szlig;land. Solcher
Krylenkos gab es viele; nie zum Schlafen kommend, von Ort zu Ort eilend,
die Regimenter &uuml;berwachend, &uuml;berredend, drohend, beschw&ouml;rend.
Dasselbe in s&auml;mtlichen Ortsorganisationen jeder einzelnen Gewerkschaft,
in den Fabriken, in den D&ouml;rfern, auf den Kriegsschiffen der weitverstreuten
russischen Flotte. In dem weiten Land Hunderttausende russischer M&auml;nner,
Arbeiter, Bauern, Soldaten, Matrosen, um die Redner geschart, mit ungeheurem
Willensaufwand zu begreifen, zu w&auml;hlen bem&uuml;ht, angespannt nachdenkend
- und zu guter Letzt so einm&uuml;tig entscheidend. So war die russische
Revolution...
<P>
Der neue Rat der Volkskommissare im Smolny war inzwischen nicht m&uuml;&szlig;ig
gewesen. Das erste Dekret war bereits im Druck und wurde in Tausenden von
Exemplaren noch in derselben Nacht in den Stra&szlig;en der Stadt verbreitet
und in m&auml;chtigen Ballen mit den s&uuml;d- und ostw&auml;rts fahrenden
Z&uuml;gen ins Land bef&ouml;rdert:
<P>
&AElig;Im Namen der von dem Gesamtrussischen Sowjetkongre&szlig; der Arbeiter-
und Soldatendeputierten unter Mitwirkung von Bauerndeputierten gew&auml;hlten
Regierung der Republik ordnet der Rat der Volkskommissare an:
<P>
1. Die Wahlen zur Konstituierenden Versammlung werden auf den 12. November
angesetzt.
<P>
2. Alle Wahlkommissionen, die Organe der lokalen Selbstverwaltung, die Sowjets
der Arbeiter- und Soldatendeputierten und die Soldatenorganisationen an der
Front werden aufgefordert, die Durchf&uuml;hrung freier und
ordnungsm&auml;&szlig;iger Wahlen an dem festgesetzten Datum sicherzustellen.
<P>
Im Namen der Regierung der Russischen Republik
<P>
Der Vorsitzende des Rates der Volkskommissare <I> </I>
<P>
<I> Wladimir Uljanow - Lenin</I>."
<P>
<P>
Die im Stadthaus tagende Duma war in voller Aufregung. Als wir ankamen, hatte
gerade ein Mitglied des Rates der Russischen Republik das Wort. Der Rat,
erkl&auml;rte er, betrachte sich keineswegs als aufgel&ouml;st, er sei nur
au&szlig;erstande, seine Arbeiten fortzusetzen, solange er nicht einen neuen
Sitzungsraum zur Verf&uuml;gung habe. In der Zwischenzeit habe das
&Auml;ltestenkollegium des Rates beschlossen, in corpore dem Komitee zur
Rettung des Vaterlandes beizutreten. Dies war die letzte
Lebens&auml;u&szlig;erung des Rates der Russischen Republik. Dann kam das
gewohnte Nacheinander von Delegierten aus den Ministerien, dem Wikshel, dem
Verband der Post- und Telegrafenbeamten, die zum hundertsten Male ihren festen
Willen bekundeten, unter keinen Umst&auml;nden f&uuml;r die bolschewistischen
Usurpatoren zu arbeiten. Ein Offizierssch&uuml;ler, der mit im Winterpalast
gewesen war, schilderte in stark aufgetragenen Farben seine und seiner Kameraden
angebliche Heldentaten und das schm&auml;hliche Verhalten der Rotgardisten.
Alles wurde kritiklos geglaubt. Irgend jemand las laut einen Bericht aus
der sozialrevolution&auml;ren Zeitung &AElig;Narod" vor, der den im Winterpalast
angerichteten Schaden auf f&uuml;nfhundert Millionen Rubel veranschlagte
und die angeblichen Pl&uuml;nderungen und Zerst&ouml;rungen in allen Einzelheiten
beschrieb. Von Zeit zu Zeit kamen Kuriere mit neuen Telefonmeldungen: Die
vier sozialistischen Minister seien aus dem Gef&auml;ngnis entlassen worden.
Krylenko sei in die Peter-Pauls-Festung gegangen, um an den Admiral Werderewski
die Aufforderung zu richten, das noch unbesetzte Marineministerium zu
&uuml;bernehmen. Der alte Seemann habe akzeptiert. Kerenski habe von Gattschina
aus den Vormarsch angetreten. Die bolschewistischen Garnisonen zogen sich
vor ihm zur&uuml;ck. Im Smolny h&auml;tten sie ein neues Dekret herausgegeben,
bestimmt, die Vollmachten der Stadtduma hinsichtlich der Lebensmittelversorgung
zu umgrenzen. Diese letzte &AElig;Unversch&auml;mtheit" hatte einen Wutausbruch
zur Folge. Lenin, der Usurpator und Tyrann, dessen Kommissare sich der
st&auml;dtischen Garagen und Vorratsh&auml;user bem&auml;chtigt hatten, sich
in die T&auml;tigkeit der Ern&auml;hrungs&auml;mter einmischten, dieser Lenin
ma&szlig;te sich an, die Grenzen der Macht der freien, unabh&auml;ngigen,
autonomen Stadtverwaltung bestimmen zu wollen. Ein Mitglied schlug zornentbrannt
vor, der Stadt die Lebensmittelzufuhr zu sperren, wenn die Bolschewiki es
wagen sollten, sich in die Gesch&auml;fte der Ern&auml;hrungs&auml;mter
einzumischen....Ein anderer, Vertreter des Ern&auml;hrungsamtes, schilderte
die Situation als sehr ernst und forderte Ma&szlig;nahmen zur beschleunigten
Heranf&uuml;hrung der Lebensmittelz&uuml;ge. Dedonenko teilte begeistert
mit, da&szlig; die Garnison schwanke. Das Semjonowski-Regiment habe schon
den Beschlu&szlig; gefa&szlig;t, sich den Befehlen der sozialrevolution&auml;ren
Partei zu unterstellen; Die Besatzungen der Torpedoboote auf der Newa seien
unschl&uuml;ssig. Es wurden sofort sieben Mitglieder bestimmt, die die Propaganda
fortsetzen sollten......Dann betrat der alte B&uuml;rgermeister die
Trib&uuml;ne: &AElig;Genossen und B&uuml;rger! Ich erfahre soeben, da&szlig;
das Leben der Gefangenen in der Peter-Pauls-Festung in Gefahr ist. Vierzehn
Offizierssch&uuml;ler von der Pawlowsker Schule sind von den bolschewistischen
W&auml;chtern gepr&uuml;gelt und gemartert worden. Einer hat den Verstand
verloren. Jetzt drohen sie, die Minister zu lynchen!" Ein Sturm der
Entr&uuml;stung und des Schreckens brach los, der sich nur noch steigerte,
als eine in Grau gekleidete, untersetzte kleine Frau das Wort verlangte.
Dies was Wera Sluzkaja, eine alte Revolution&auml;rin und ein bolschewistisches
Mitglied der Duma. &AElig;Das ist eine L&uuml;ge und Provokation", erkl&auml;rte
sie, ungeachtet der gegen sie geschleuderten Schm&auml;hungen. &AElig;Die
Arbeiter-und-Bauern-Regierung, die die Todesstrafe abgeschafft hat, kann
solche Handlungen gar nicht dulden. Wir verlangen die unverz&uuml;gliche
Vornahme einer Untersuchung, und wenn an solchen Erz&auml;hlungen auch nur
ein K&ouml;rnchen Wahrheit sein sollte, wird die Regierung nicht verfehlen,
sofort die energischsten Ma&szlig;nahmen zu treffen."
<P>
Es wurde eine Kommission aus Mitgliedern aller Parteien ernannt und , zusammen
mit dem B&uuml;rgermeister, in die Peter-Pauls-Festung entsandt, um Erkundigungen
einzuziehen. Als wir ihnen folgten, war die Duma dabei, eine weitere Kommission
zu w&auml;hlen, die mit Kerenski konferieren und auf ihn einwirken sollte,
damit er Blutvergie&szlig;en m&ouml;glichst vermeide, wenn er in die Hauptstadt
einz&ouml;ge.
<P>
Es war Mitternacht, als wir die Wachen am Festungstor passierten und in dem
schwachen Schimmer vereinzelter elektrischer Lampen dahinschritten, an der
Kirche, wo die Zarengr&auml;ber liegen, und dem schlanken goldenen Turm mit
seinem Glockenspiel vorbei, das noch Monate nach der M&auml;rzrevolution
nicht aufgeh&ouml;rt hatte, jeden Mittag das &AElig;Gott erhalte den Zaren"
zu spielen. Der Platz lag wie ausgestorben; die meisten Fenster blickten
dunkel auf uns herab. Gelegentlich stie&szlig;en wir auf Gestalten, die in
der Dunkelheit ungeschickt dahinstolperten und unsere Fragen gew&ouml;hnlich
mit &AElig;Ja ne snaju" (Ich wei&szlig; nicht.) beantworteten. Zu unserer
Linken ragte drohend die Silhouette der Trubezkoi-Bastion empor, wo in den
Tagen des Zaren so viele M&auml;rtyrer lebendig begraben wurden und ihren
Verstand und ihr Leben verloren, wo die Provisorische Regierung dann die
Minister des Zaren gefangenhielt und wo nun die neue Regierung die Minister
der Provisorischen Regierung eingekerkert hatte. Ein freundlicher Matrose
f&uuml;hrte uns in ein kleines Haus, zum B&uuml;ro des Kommandanten. Dort
sa&szlig;en in &uuml;berheiztem, von Tabaksrauch erf&uuml;lltem Raum, um
einen lustig dampfenden Samowar, ein halbes Dutzend Rotgardisten, Matrosen
und Soldaten. Sie begr&uuml;&szlig;ten uns mit gro&szlig;er Herzlichkeit
und boten uns Tee an. Der Kommandant sei nicht da. Er begleite eine Kommission
von &AElig;Sabotashniki" (Saboteuren) aus der Stadtduma, die sich nicht ausreden
lassen wollten, da&szlig; hier alle gefangenen Offizierssch&uuml;ler gemordet
w&uuml;rden. Die revolution&auml;ren Soldaten fanden dies zu drollig. In
einer Ecke sa&szlig; ein kahlk&ouml;pfiger, aufgeregter kleiner Herr in Gehrock
und kostbarem Pelzmantel, der an seinem Schnurrbart kaute und wie eine gefangene
Ratte um sich blickte. Er war eben verhaftet worden. Irgend jemand meinte
nachl&auml;ssig, da&szlig; er ein Minister oder dergleichen sei. Obwohl keinerlei
Feindseligkeit ausgesetzt, war das M&auml;nnchen augenscheinlich furchtbar
&auml;ngstlich. Ich ging zu ihm hin&uuml;ber und sprach ihn auf Franz&ouml;sisch
an. &AElig;Graf Tolstoi", antwortete er, sich steif verbeugend. &AElig;ich
verstehe nicht, warum man mich verhaftet hat. Ich kam &uuml;ber die
Troizki-Br&uuml;cke, um nach Hause zu gehen, als zwei dieser - dieser Personen
- mich anhielten. Ich war Kommissar der Provisorischen Regierung beim
Generalstab, aber in keiner Weise Mitglied der Regierung..." &AElig;La&szlig;t
ihn gehen", meinte ein Matrose. &AElig;Er ist ungef&auml;hrlich.." &AElig;Nein",
antwortete der Soldat, der den Gefangenen gebracht hatte. &AElig;Wir m&uuml;ssen
den Kommandanten fragen." &AElig;Oh, der Kommandant!" sagte der Matrose.
&AElig;Wozu habt ihr eigentlich die Revolution gemacht? Um nach wie vor den
Befehlen von Offizieren zu gehorchen?" Ein F&auml;hnrich des Pawlowski-Regiments
erz&auml;hlte, wie der Aufstand begonnen hatte. &AElig;Das Regiment hatte
in der Nacht zum Sechsten Wachdienst beim Generalstab. Einige meiner Kameraden
und ich standen Wache; Iwan Pawlowitsch und ein anderer - ich wei&szlig;
im Moment seinen Namen nicht - sa&szlig;en hinter den Fenstervorh&auml;ngen
in dem Zimmer, wo der Stab eine Sitzung abhielt, und sie h&ouml;rten allerlei.
Unter anderem auch Befehle an die Offizierssch&uuml;ler von Gattschina, in
der Nacht nach Petrograd zu kommen, und eine Befehl f&uuml;r die Kosaken,
sich f&uuml;r den anderen Morgen marschfertig zu halten....Die wichtigsten
Stellen der Stadt sollten vor Tagesgrauen besetzt, dann die Br&uuml;cken
ge&ouml;ffnet werden. Als sie jedoch davon zu sprechen begannen, da&szlig;
der Smolny umzingelt werden sollte, hielt Iwan Pawlowitsch es nicht l&auml;nger
aus. Es war in diesem Moment gerade ein gro&szlig;es Kommen und Gehen; so
schl&uuml;pfte er hinaus und kam zur Wachstube herunter, der andere Genosse
blieb oben, um aufzuschnappen, was er konnte. Ich dachte mir schon, da&szlig;
irgend etwas im Gange war. Automobile voller Offiziere kamen an, s&auml;mtliche
Minister waren anwesend. Iwan Pawlowitsch teilte mir mit, was er geh&ouml;rt
hatte. Es war halbdrei Uhr morgens. Der Schriftf&uuml;hrer des Regimentskomitees
war da, und wir machten ihm Mitteilung und fragten, was wir tun sollten.
,Alles verhaften, was kommt und was geht!' sagte er. Das machten wir. Im
Verlauf einer Stunde hatten wir einige Offiziere und ein paar Minister, die
wir direkt nach dem Smolny bringen lie&szlig;en. Das Revolution&auml;re
Milit&auml;rkomitee war jedoch nicht bereit; sie wu&szlig;ten nicht, was
mit ihnen anfangen; und bald kam der Befehl, alle laufen zu lassen und niemand
mehr zu verhaften. Wir st&uuml;rmten nat&uuml;rlich gleich nach dem Smolny
und haben etwa eine Stunde lang geredet, bis sie endlich kapierten, da&szlig;
Krieg war. Es war genau f&uuml;nf Uhr, als wir zum Stab zur&uuml;ckkamen,
die meisten waren mittlerweile weg. Wir fa&szlig;ten aber doch einige, und
die ganze Garnison war in Bewegung..."
<P>
Ein Rotgardist von Wassili-Ostrow beschrieb in allen Einzelheiten, was sich
in seinem Bezirk an dem gro&szlig;en Tag des Aufstandes abgespielt hatte.
&AElig;Wir hatten nicht ein Maschinengewehr dort", sagte er lachend, &AElig;und
der Smolny konnte uns keine geben. Genosse Salkind, ein Mitglied des
Zentralb&uuml;ros der Bezirksduma, erinnerte sich pl&ouml;tzlich, da&szlig;
in dem Sitzungssaal der Bezirksduma ein Maschinengewehr lagerte, das von
den Deutschen erobert worden war. Er und ich und dann noch ein anderer Genosse
gingen hin, um es zu holen. Die Menschewiki und Sozialrevolution&auml;re
hatten gerade eine Sitzung. Wir machten die T&uuml;r auf und gingen einfach
hinein. Zw&ouml;lf oder f&uuml;nfzehn Personen sa&szlig;en um einen Tisch
herum, gegen uns drei. Als sie uns sahen, h&ouml;rten sie auf zu sprechen
und starrten uns an. Wir gingen, ohne uns umzusehen, durch das Zimmer, nahmen
das Maschinengewehr auseinander, Genosse Salkind packte den einen Teil, ich
den anderen; wir nahmen sie auf unsere Schulter und zogen ab - nicht einer
sagte ein Wort!" &AElig;Wissen Sie eigentlich, wie wir den Winterpalast nahmen?"
fragte ein dritter, ein Matrose. &AElig;So um elf Uhr herum hatten wir heraus,
da&szlig; an der Seite der Newa keine Offizierssch&uuml;ler mehr waren. Wir
brachen die Tore ein und schlichen, teils einzeln, teils in Gruppen, die
verschiedenen Treppen hinauf. Oben angekommen, wurden wir von den
Offizierssch&uuml;lern festgehalten, und sie nahmen uns unsere Gewehre ab.
Von unseren Genossen kamen aber immer mehr, und schlie&szlig;lich hatten
wir die Mehrheit. Jetzt drehten wir den Spie&szlig; um und nahmen den
Offizierssch&uuml;lern die Gewehre weg..."
<P>
In diesem Moment trat der Kommandant herein, ein fr&ouml;hlich dreinschauender
junger Unteroffizier, seinen Arm in einer Binde und tiefe R&auml;nder von
Schlaflosigkeit unter den Augen. Sein erster Blick fiel auf den Gefangenen,
der ihn sofort mit Erkl&auml;rungen best&uuml;rmte. &AElig;Ach, ich wei&szlig;",
unterbrach der andere. &AElig;Sie geh&ouml;ren mit zu dem Komitee, das am
Mittwoch nachmittag die Kapitulation des Stabes verweigerte. Wir haben indes
kein Interesse an Ihnen, B&uuml;rger. Entschuldigung-." Er &ouml;ffnete die
T&uuml;r und gab dem Grafen Tolstoi mit einer Handbewegung zu verstehen,
da&szlig; er gehen k&ouml;nne. Verschiedene andere, besonders die Rotgardisten,
wollten protestieren, und der Matrose bemerkte triumphierend: &AElig;Da habt
ihr's! Sagte ich's nicht?" Zwei Soldaten verlangten jetzt den Kommandanten
zu sprechen. Sie waren ein von der Festungsgarnison gew&auml;hltes
Protestkomitee. Die Soldaten beklagten sich dar&uuml;ber, da&szlig; die
Gefangenen genauso verpflegt w&uuml;rden wie die Wachen, wo doch die vorhandenen
Lebensmittel nicht einmal ausreichten, die Mannschaften satt zu machen.
&AElig;Warum sollen wir die Konterrevolution&auml;re so gut behandeln?"
&AElig;Wir sind Revolution&auml;re, Genossen, und keine Banditen", antwortete
ihnen der Kommandant. Er wandte sich zu uns. Wir sprachen mit ihm &uuml;ber
die Ger&uuml;chte, denen zufolge die Offizierssch&uuml;ler gemartert w&uuml;rden
und das Leben der Minister bedroht sei. &AElig;K&ouml;nnten wir die Gefangenen
wohl sehen, um in der Lage zu sein, diesen Erz&auml;hlungen entgegenzutreten?"
<P>
&AElig;Nein!" versetzte der junge Soldat. &AElig;ich will die Gefangenen
nicht noch einmal st&ouml;ren. Ich habe sie eben erst wecken m&uuml;ssen
- sie glaubten, wir k&auml;men, sie umzubringen. Die meisten
Offizierssch&uuml;ler haben wir schon freigelassen, der Rest wird morgen
gehen." &AElig;D&uuml;rfen wir mit der Dumakommission sprechen?" Der Kommandant,
der sich ein Glas Tee einschenkte, nickte. &AElig;Sie sind noch drau&szlig;en
im Saal." So war es in der Tat. Die Kommissionsmitglieder standen drau&szlig;en
vor der T&uuml;r, im schwachen Licht einer &Ouml;llampe um den
B&uuml;rgermeister geschart, aufgeregt miteinander redend. &AElig;Herr
B&uuml;rgermeister", begann ich, &AElig;wir sind amerikanische Korrespondenten.
Wollen Sie uns bitte offiziell das Resultat ihrer Nachforschungen mitteilen?"
Darauf der B&uuml;rgermeister: &AElig;Die Berichte entsprachen nicht der
Wahrheit. Von den Zwischenf&auml;llen abgesehen, die sich abspielten, als
die Minister hier eingeliefert wurden, hat man sie durchaus r&uuml;cksichtsvoll
behandelt. Den Offizierssch&uuml;lern ist kein Leid geschehen." Den Newski
hinauf marschierte in tiefem Schweigen eine endlose Kolonne Soldaten - Kerenski
entgegen.....In den Nebenstra&szlig;en sausten unbeleuchtete Automobile hin
und her, und verstohlenes emsiges Treiben herrschte in der Fontanka Nr.6,
dem Hauptquartier des Bauernsowjets, in einigen Wohnungen eines hohen
Geb&auml;udes am Newski und in der Ingenieurschule. Die Duma war hell
erleuchtet.... Im Revolution&auml;ren Milit&auml;rkomitee wetterleuchtete
es wie vor einem drohenden Gewitter.
</BODY></HTML>