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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>"Neue Rheinische Zeitung" - Die Taten des Hauses Hohenzollern</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me06_476.htm"><FONT SIZE=2>Der Zar und seine Unterkn&auml;sen</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="../me_nrz49.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me06_481.htm"><FONT SIZE=2>[Offensive der Kontrerevolution und Sieg der Revolution]</FONT></A></P>
<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 477-480<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959</SMALL></P>
<FONT SIZE=5><P>Die Taten des Hauses Hohenzollern</P>
</FONT><FONT SIZE=2><P>["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 294 vom 10. Mai 1849]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S477">&lt;477&gt;</A></B> * <I>K&ouml;ln</I>, 9. Mai, Die Regierung des Herrn von Hohenzollern scheint in den letzten Tagen ihrer Existenz und der Existenz des preu&szlig;ischen Staats den alten Ruf des preu&szlig;ischen und Hohenzollernschen Namens noch einmal aufs vollste bew&auml;hren zu wollen.</P>
<P>Wer kennt nicht die Charakteristik aus Heines Gedicht:</P><DIR>
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<FONT SIZE=2><P>Ein Kind mit gro&szlig;em K&uuml;rbiskopf,<BR>
Mit langem Schnurrbart, greisem Zopf,<BR>
Mit spinnig langen, doch starken &Auml;rmchen,<BR>
Mit Riesenmagen, doch kurzen Ged&auml;rmchen,<BR>
Ein Wechselbalg ... <BR>
&lt;H. Heine, "Der Wechselbalg"&gt;</P></DIR>
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</DIR>
</FONT><P>Wer kennt nicht die Treubr&uuml;che, die Perfidien, die Erbschleichereien, durch die jene Familie von Korpor&auml;len gro&szlig; geworden ist, die den Namen Hohenzollern tr&auml;gt?</P>
<P>Man wei&szlig;, wie der sogenannte "gro&szlig;e Kurf&uuml;rst" (als ob ein "Kurf&uuml;rst" je "gro&szlig;" sein k&ouml;nnte!) den ersten Verrat an Polen beging, indem er, der Alliierte Polens gegen Schweden, pl&ouml;tzlich zu den Schweden &uuml;berging, um Polen im Frieden von Oliva desto besser pl&uuml;ndern zu k&ouml;nnen.</P>
<P>Man kennt die abgeschmackte Figur Friedrichs I., die brutale Roheit Friedrich Wilhelms I.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie Friedrich II., der Erfinder des patriarchalischen Despotismus, der Freund der Aufkl&auml;rung vermittelst der Stockpr&uuml;gel, sein Land an franz&ouml;sische Entrepreneurs &lt;Unternehmer&gt; meistbietend versteigerte; man wei&szlig;, wie er sich mit Ru&szlig;land und &Ouml;streich verband, um einen Raub an Polen zu begehen, der noch jetzt, nach der Revolution von 1848, als ein unabgewaschener Schandfleck auf der deutschen Geschichte sitzt.</P>
<B><P><A NAME="S478">&lt;478&gt;</A></B> Man wei&szlig;, wie Friedrich Wilhelm II. den Raub an Polen vollenden half, wie er die geraubten polnischen National- und Kircheng&uuml;ter an seine H&ouml;flinge verschleuderte.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie er 1792 mit &Ouml;streich und England die Koalition zur Unterdr&uuml;ckung der glorreichen franz&ouml;sischen Revolution schlo&szlig; und in Frankreich einfiel; man wei&szlig; ebenfalls, wie sein "herrliches Kriegsheer", mit Schimpf und Schande bedeckt, aus Frankreich herausgetrieben wurde.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie er dann seine Alliierten im Stiche lie&szlig; und sich beeilte, mit der franz&ouml;sischen Republik Friede zu schlie&szlig;en.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie er, der f&uuml;r den legitimen K&ouml;nig von Frankreich und Navarra zu schw&auml;rmen vorgab, die Krondiamanten ebendieses K&ouml;nigs um ein billiges der franz&ouml;sischen Republik abkaufte und so mit dem Ungl&uuml;ck seines "Herrn Bruders Liebden" Wucher trieb.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie er, dessen ganzes Leben ein echt hohenzollersches Gemisch von &Uuml;ppigkeit und Mystizismus, von greisenhafter L&uuml;sternheit und kindischem Aberglauben war, die Freiheit der Gedanken&auml;u&szlig;erung in Bischoffwerderschen Edikten mit F&uuml;&szlig;en trat.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie sein Nachfolger, <I>Friedrich Wilhelm III.</I>, der "Gerechte", seine alten Bundesgenossen f&uuml;r das ihm als K&ouml;der hingeworfene Hannover an Napoleon verriet.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie er gleich darauf Napoleon an ebendieselben ehemaligen Bundesgenossen verriet, indem er, im Solde Englands und Ru&szlig;lands, die in der Person Napoleons verk&ouml;rperte franz&ouml;sische Revolution angriff.</P>
<P>Man wei&szlig;, welchen Erfolg dieser Angriff hatte: die unerh&ouml;rte Niederlage des "herrlichen Kriegsheeres" bei Jena, das pl&ouml;tzliche Ausbrechen der moralischen L&auml;usekrankheit am ganzen preu&szlig;ischen Staatsk&ouml;rper, eine Reihe von Verr&auml;tereien, Niedertr&auml;chtigkeiten und Kriechereien preu&szlig;ischer Beamten, davor Napoleon und seine Generale sich mit Ekel abwandten.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie Friedrich Wilhelm III. 1813 das preu&szlig;ische Volk durch sch&ouml;ne Worte und herrliche Verhei&szlig;ungen wirklich so weit brachte, da&szlig; es glaubte, gegen die Franzosen in einen "Befreiungskrieg" zu ziehen, obwohl es sich um weiter nichts handelte als um die Unterdr&uuml;ckung der franz&ouml;sischen Revolution und die Herstellung der alten Wirtschaft von Gottes Gnaden.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie die sch&ouml;nen Versprechungen vergessen waren, sobald die Heilige Allianz am 30. M&auml;rz 1814 ihren Einzug in Paris gehalten hatten.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie bei der R&uuml;ckkehr Napoleons von Elba die Begeisterung des Volkes schon wieder so weit abgek&uuml;hlt war, da&szlig; der Hohenzoller durch das Versprechen einer Konstitution (Edikt vom 22. Mai 1815 - 4 Wochen vor der Schlacht von Waaterloo) den erloschenen Eifer wieder beleben mu&szlig;te.</P>
<B><P><A NAME="S479">&lt;479&gt;</A></B> Man erinnert sich der Verhei&szlig;ungen der deutschen Bundesakte und der Wiener Schlu&szlig;akte: Pre&szlig;freiheit, Verfassung usw.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie der "gerechte" Hohenzoller sein Wort gehalten hat: Heilige Allianz und Kongresse zur Unterdr&uuml;ckung der V&ouml;lker, Karlsbader Beschl&uuml;sse,<B> </B>Zensur, Polizeidespotismus, Adelsherrschaft, B&uuml;rokratenwillk&uuml;r, Kabinettsjustiz, Demagogenverfolgungen, Massenverurteilungen, Finanzverschleuderung und - keine Konstitution.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie 1820 dem Volk die Nichterh&ouml;hung der Steuern und der Staatsschulden garantiert wurde und wie der Hohenzoller sein Wort hielt: Erweiterung der Seehandlung zu einer geheimen Leihanstalt f&uuml;r den Staat.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie der Hohenzoller auf den Ruf des franz&ouml;sischen Volks in der Julirevolution antwortete: Truppenmassen an die Grenze, Niederhaltung des eigenen Volks, Erdr&uuml;ckung der Bewegung in den kleineren deutschen Staaten, schlie&szlig;liche Knechtung dieser Staaten unter die Knute der Heiligen Allianz.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie derselbe Hohenzoller im russisch-polnischen Kriege die Neutralit&auml;t verletzte, indem er den Russen erlaubte, &uuml;ber sein Gebiet zu passieren und dadurch den Polen in den R&uuml;cken zu kommen, indem er ihnen die preu&szlig;ischen Arsenale und Magazine zur Verf&uuml;gung stellte, indem er jedem geschlagenen russischen Korps eine sichere Zuflucht in Preu&szlig;en bot.</P>
<P>Man wei&szlig;, wie das ganze Bestreben des Hohenzollerschen Unterkn&auml;s, im Einklang mit den Zwecken der Heiligen Allianz, dahin ging, den Adel, die B&uuml;rokratie und das Milit&auml;r in ihrer Herrschaft zu befestigen, alle Freiheit der &Auml;u&szlig;erung, allen Einflu&szlig; des "beschr&auml;nkten Untertanenverstandes" auf die Regierung mit brutaler Gewalt zu erdr&uuml;cken, und zwar nicht nur in Preu&szlig;en, sondern auch im &uuml;brigen Deutschland.</P>
<P>Man wei&szlig;, da&szlig; selten eine Regierungsepoche verflossen ist, in der solche l&ouml;bliche Absichten mit brutaleren Gewaltma&szlig;regeln durchgesetzt wurden als in der Zeit Friedrich Wilhelm III., besonders von 1815-1840. Nie und nirgends ist so viel verhaftet und verurteilt worden, nie waren die Festungen so voll politischer Gefangenen wie unter diesem "gerechten" Herrscher. Und vollends, wenn man bedenkt, welche unschuldige T&ouml;lpel diese Demagogen waren.</P>
<P>Sollen wir auch noch auf den Hohenzoller zu sprechen kommen, der nach dem M&ouml;nch von Lehnin "der letzte seines Stammes sein wird"? Sollen wir sprechen von der Wiedergeburt der christlich-germanischen Herrlichkeit und von der Auferstehung der blassen Finanznot, vom Schwanenorden und vom Oberzensurgericht, vom Vereinigten Landtag und von der <A NAME="S480"><B>&lt;480&gt;</A></B> Generalsynode, vom "St&uuml;ck Papier" und von den vergeblichen Versuchen, Geld zu borgen, und all den &uuml;brigen Errungenschaften der glorreichen Epoche von 1840-1848? Sollen wir aus Hegel nachweisen, warum es gerade ein Komiker sein mu&szlig;, der die Reihe der Hohenzollern schlie&szlig;t?</P>
<P>Es wird nicht n&ouml;tig sein. Die aufgef&uuml;hrten Data reichen hin, um den hohenzollerisch-preu&szlig;ischen Namen vollst&auml;ndig zu charakterisieren. Es ist wahr, der Glanz dieses Namens war einen Augenblick geschw&auml;cht; aber seit das Siebengestirn Manteuffel u. Kons[orten] die Krone umgibt, ist die alte Herrlichkeit wieder eingezogen. Wieder ist Preu&szlig;en, wie ehedem, ein Vizek&ouml;nigreich unter russischer Hoheit; wieder ist der Hohenzoller ein Unterkn&auml;s des Selbstherrschers aller Reu&szlig;en und Oberkn&auml;s &uuml;ber alle die kleinen Bojaren von Sachsen, Bayern, Hessen-Homburg, Waldeck usw.; wieder ist der beschr&auml;nkte Untertanenverstand in sein altes Recht des Ordre-Parierens eingesetzt. "Mein herrliches Kriegsheer", solange der Prawoslawny-Zar selbst es nicht gebraucht, darf in Sachsen, Baden, Hessen und der Pfalz die seit 18 Jahren zu Warschau herrschende Ordnung herstellen, darf im eigenen Lande und in &Ouml;streich die geborstenen Kronen mit Untertanenblut leimen. Das fr&uuml;her in der Angst und Not des Herzens gegebene Wort schert uns ebensowenig als unsere in Gott ruhenden Ahnen; und sind wir erst zu Hause fertig, so ziehen wir mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen gen Frankreich und erobern das Land, wo der Champagner w&auml;chst, und zerst&ouml;ren das gro&szlig;e Babel, das die Mutter aller S&uuml;nde ist!</P>
<P>Das sind die Pl&auml;ne unsrer hohen Regierenden; das ist der sichere Hafen, auf den unser edler Hohenzoller hinsteuert. Daher die sich h&auml;ufenden Oktroyierungen und Gewaltstreiche, daher die wiederholten Fu&szlig;tritte f&uuml;r die feige Frankfurter Versammlung; daher die Belagerungszust&auml;nde, die Verhaftungen und Verfolgungen; daher das Einschreiten der preu&szlig;ischen Soldateska in Dresden und in S&uuml;ddeutschland.</P>
<P>Aber es gibt noch eine Macht, die von den Herren in Sanssouci freilich gering geachtet wird, die aber dennoch ein donnerndes Wort dazwischen sprechen wird. Das <B>Volk</B> - das Volk, das in Paris wie am Rhein, in Schlesien wie in &Ouml;sterreich wutknirschend auf den Moment der Erhebung wartet und das, wer wei&szlig; wie bald, allen Hohenzollern und allen Ober- und Unterkn&auml;sen geben wird, was ihnen geb&uuml;hrt.</P>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben von Karl Marx.</P>
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