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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Friedrich Engels - Der Vikar von Bray</TITLE>
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<META name="description" content="Der Vikar von Bray">
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<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><FONT size="2" color="#006600">MLWerke</A></FONT></TD>
<TD ALIGN="center" width="200" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A href="../default.htm"><FONT size=2 color="#006600">Marx/Engels - Werke</A></TD>
<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="../me_ak82.htm"><FONT size=2 color="#006600">Artikel und Korrespondenzen 1882</A></TD>
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<TD valign="top"><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: </SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 19, 4. Auflage 1973, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 309-311.</SMALL></TD>
</TR>
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<TD><SMALL>Korrektur:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>1</SMALL></TD>
</TR>
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<TD><SMALL>Erstellt:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>18.07.1999</SMALL></TD>
</TR>
</TABLE>
<H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Der Vikar von Bray</H1>
<I><H3>Aus dem Englischen von Friedrich Engels</H3>
</I><FONT SIZE=2><P>Geschrieben Anfang September 1882.</P>
</FONT><P><HR size="1" align="center"></P>
<FONT SIZE=2><P>["Der Sozialdemokrat" Nr. 37 vom 7. September 1882]</P>
</FONT><B><P>|309|</B> Zu K&ouml;nig Karls Zeit, da noch war<BR>
Loyalit&auml;t zu finden,<BR>
Dient' ich der Hochkirch ganz und gar,<BR>
Und so erwarb ich Pfr&uuml;nden.<BR>
Der K&ouml;nig ist von Gott gesetzt -<BR>
So lehrt' ich meine Schafe -<BR>
und wer ihm trotzt, ihn gar verletzt,<BR>
Den trifft die H&ouml;llenstrafe.<BR>
Denn dieses gilt, und hat Bestand,<BR>
Bis an mein End' soll's wahr sein:<BR>
Da&szlig; wer auch K&ouml;nig sei im Land,<BR>
In Bray will <I>ich</I> Vikar sein.</P>
<P>Jakob nahm auf dem Throne Platz, <BR>
Das Papsttum kam zu Ehren:<BR>
Da galt's, die Katholikenhatz<BR>
Ins Gegenteil zu kehren.<BR>
F&uuml;r mich auch, fand ich, pa&szlig;ten schon<BR>
Roms Kirch' und Priesterorden;<BR>
Kam nicht die Revolution, <BR>
W&auml;r' ich Jesuit geworden.<BR>
Denn dieses gilt und hat Bestand.<BR>
Bis ein mein End' soll's wahr sein:<BR>
Da&szlig; wer auch K&ouml;nig sei im Land,<BR>
In Bray will <I>ich</I> Vikar sein.</P>
<B><P><A NAME="S310">|310|</A></B> Als K&ouml;nig Wilhelm kam, der Held,<BR>
Und rettete die Freiheit,<BR>
Hab' ich mein Segel umgestellt<BR>
Nach dieses Windes Neuheit.<BR>
Der Knechtsgehorsam vor'ger Zeit,<BR>
Der war jetzt bald erledigt:<BR>
Der Tyrannei gebt Widerstreit! <BR>
So wurde nun gepredigt.<BR>
Denn dieses gilt und hat Bestand, <BR>
Bis an mein End' soll's wahr sein:<BR>
Da&szlig; wer auch K&ouml;nig sei im Land, <BR>
In Bray will <I>ich</I> Vikar sein.</P>
<P>Als Anna wurde K&ouml;nigin,<BR>
Der Landeskirche Glorie,<BR>
Das hatte einen andern Sinn,<BR>
Und da ward ich ein Tory.<BR>
F&uuml;r unsrer Kirch' Integrit&auml;t,<BR>
Da galt es jetzt zu eifern,<BR>
Und M&auml;&szlig;igung und Laxit&auml;t<BR>
Als s&uuml;ndhaft zu begeifern.<BR>
Denn dieses gilt und hat Bestand, <BR>
Bis an mein End' soll's wahr sein:<BR>
Da&szlig; wer auch K&ouml;nig sei im Land, <BR>
In Bray will <I>ich</I> Vikar sein.</P>
<P>Als K&ouml;nig Georg bracht ins Land <BR>
Gem&auml;&szlig;igte Politik, mein Herr, <BR>
Hab' nochmals ich den Rock gewandt, <BR>
Und so ward ich ein Whig, mein Herr. <BR>
Das war es, was mir Pfr&uuml;nden gab <BR>
Und Gunst bei dem Regenten;<BR>
Auch schwor ich fast allt&auml;glich ab, <BR>
So Papst wie Pr&auml;tendenten.<BR>
Denn dieses gilt und hat Bestand, <BR>
Bis an mein End' soll's wahr sein:<BR>
Da&szlig; wer auch K&ouml;nig sei im Land, <BR>
In Bray will <I>ich</I> Vikar sein.</P>
<B><P><A NAME="S311">|311|</A></B> Hannovers hoher Dynastie -<BR>
Mit Ausschlu&szlig; von Papisten -<BR>
Der schw&ouml;r' ich Treu, so lange sie<BR>
Sich an dem Thron kann fristen.<BR>
Denn meine Treu wankt nimmermehr -<BR>
Ver&auml;nd'rung ausgenommen -<BR>
Und Georg sei mein F&uuml;rst und Herr,<BR>
Bis andre Zeiten kommen.<BR>
Denn dieses gilt und hat Bestand, <BR>
Bis an mein End' soll's wahr sein:<BR>
Da&szlig; wer auch K&ouml;nig sei im Land, <BR>
In Bray will <I>ich</I> Vikar sein.</P>
<P>Das obige Lied ist wohl das einzige politische Volkslied, das sich in England seit mehr als hundertsechzig Jahren in Gunst erhalten hat. Es verdankt dies gro&szlig;enteils auch seiner pr&auml;chtigen Melodie, die noch heute allgemein gesungen wird. Im &uuml;brigen ist das Lied, auch gegen&uuml;ber unsern heutigen deutschen Verh&auml;ltnissen, keineswegs veraltet. Nur, da&szlig; wir, wie sich geb&uuml;hrt, inzwischen Fortschritte gemacht haben. Der brave Originalvikar brauchte doch blo&szlig; bei jedem Thronwechsel seinen Rock zu wenden. Aber wir Deutsche haben &uuml;ber unsern vielen politischen Vikaren von Bray einen richtigen Papst von Bray, der seine Unfehlbarkeit damit bew&auml;hrt, da&szlig; er nach immer k&uuml;rzer werdenden Zeitr&auml;umen die ganze politische Glaubenslehre selbst gr&uuml;ndlich umw&auml;lzt. Gestern Freihandel, heute Schutzzoll; gestern Gewerbefreiheit, heute Zwangsinnungen; gestern Kulturkampf, heute mit fliegenden Fahnen nach Kanossa - und warum nicht? Omnia in majorem Dei gloriam (Alles zur gr&ouml;&szlig;eren Ehre Gottes), was auf deutsch hei&szlig;t: Alles, um mehr Steuern und mehr Soldaten herauszuschlagen. Und die armen kleinen Vikare m&uuml;ssen mit, m&uuml;ssen immer von neuem, wie sie selbst es nennen, "&uuml;ber den Stock springen", und das noch oft genug ohne Entgelt. Mit welcher Verachtung w&uuml;rde unser alter strammer Vikar auf diese seine winzigen Nachtreter herabsehen - er, der noch ordentlich stolz ist auf den Mut, mit dem er seine Position durch alle St&uuml;rme behauptet!</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Fr. Engels</P></I>
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