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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Friedrich Engels - Schutzzoll und Freihandel</TITLE>
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<TD ALIGN="center" width="200" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A href="../default.htm"><FONT size=2 color="#006600">Marx/Engels - Werke</A></TD>
<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="../me_ak88.htm"><FONT size=2 color="#006600">Artikel und Korrespondenzen 1888</A></TD>
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<TD valign="top"><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: </SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 21, 5. Auflage 1975, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 360-375.</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Korrektur:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>1</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Erstellt:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>20.03.1999</SMALL></TD>
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<H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Schutzzoll und Freihandel <A NAME="ZF1"><A HREF="me21_360.htm#F1"><SMALL><SMALL><SUP>(1)</SMALL></SUP></SMALL></A></A> </H1>
<H3>[Vorwort zur amerikanischen Ausgabe von Karl Marx' <A href="../me04/me04_444.htm">"Rede &uuml;ber die Frage des Freihandels"</A>]</H3>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben April bis Anfang Mai 1888. <BR>
Nach: "Die Neue Zeit", 6. Jahrgang, Heft 7, Juli 1888.</P>
</FONT><P><HR size="1"></P>
<B><P><A NAME="S360">|360|</A></B> Gegen Ende 1847 fand ein Freihandelskongre&szlig; in Br&uuml;ssel statt.</P>
<P>Es war dies ein strategisches Man&ouml;ver in der damals gef&uuml;hrten Freihandelskampagne der englischen Fabrikanten. Zu Hause siegreich, durch die Abschaffung der Korngesetze 1846, zogen sie nun nach dem Kontinent mit der Forderung, gegen freie Zulassung des kontinentalen Getreides nach England den englischen Industrieprodukten den freien Zutritt zu den kontinentalen M&auml;rkten zu gew&auml;hren. Auf diesem Kongre&szlig; hatte Marx sich in die Rednerliste eingeschrieben; aber wie zu erwarten, lie&szlig; sich die Sache so einrichten, da&szlig; der Kongre&szlig; geschlossen wurde, ehe er zum Wort kam. So war Marx gen&ouml;tigt, das, was er &uuml;ber Freihandel zu sagen hatte, in der Demokratischen Gesellschaft von Br&uuml;ssel vorzutragen, einem internationalen Verein, dessen Vizepr&auml;sident er war.</P>
<P>Da die Frage wegen Schutzzoll oder Freihandel in Amerika augenblicklich auf der Tagesordnung steht, hat man eine englische Ausgabe der Marxschen Rede f&uuml;r n&uuml;tzlich gehalten und mich aufgefordert, sie mit ein paar einleitenden Worten zu versehn.</P>
<P>"Das Protektionssystem war ein Kunstmittel, Fabrikanten zu fabrizieren, unabh&auml;ngige Arbeiter zu expropriieren, die nationalen Produktions- und Lebensmittel zu kapitalisieren, den &Uuml;bergang aus der altert&uuml;mlichen in die moderne Produktionsweise gewaltsam abzuk&uuml;rzen" (Marx, "Kapital", <A HREF="../me23/me23_741.htm#S784">I .Bd., 3. Aufl., S. 783</A>). Das war der Charakter des Schutzzolls bei sei- <A NAME="S361"><B>|361|</A></B> nem Ursprung im siebzehnten Jahrhundert und so blieb er bis tief in das neunzehnte. Das Schutzsystem war damals die normale Politik jedes zivilisierten Landes in Westeuropa. Die einzigen Ausnahmen bildeten die deutschen Kleinstaaten und die Schweizer Kantone, nicht aus Mi&szlig;fallen am System, sondern aus Verzweiflung an der M&ouml;glichkeit, es auf solche kleine Gebiete anzuwenden.</P>
<P>Gedeckt durch diesen Zollschutz entstand und entwickelte sich in England im letzten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts das System der modernen gro&szlig;en Industrie, der Produktion durch Maschinerie und Dampfkraft. Und als ob der gew&ouml;hnliche Zollschutz nicht hingereicht h&auml;tte, wurden die Kriege gegen die Franz&ouml;sische Revolution zu Hilfe genommen, um England das Monopol der neuen industriellen Methoden zu sichern. W&auml;hrend mehr als zwanzig Jahren schnitten englische Kriegsschiffe Englands industrielle Nebenbuhler ab von ihren respektiven Kolonialm&auml;rkten und &ouml;ffneten gleichzeitig diese M&auml;rkte gewaltsam dem englischen Handel. Die Losrei&szlig;ung der s&uuml;damerikanischen Kolonien von ihren europ&auml;ischen Mutterl&auml;ndern, die Eroberung aller bedeutenderen franz&ouml;sischen und holl&auml;ndischen Kolonien durch England, die allm&auml;hliche Unterjochung Indiens verwandelten alle diese L&auml;nder in Kunden f&uuml;r die englische Industrie. England erg&auml;nzte so den zu Hause ge&uuml;bten Zollschutz durch den dem Auslande, wo es nur irgend anging, aufgezwungenen Freihandel. Dank dieser gl&uuml;cklichen Mischung beider Systeme befand es sich am Schl&uuml;sse des Krieges 1815 im Besitz des tats&auml;chlichen Monopols des Welthandels, wenigstens f&uuml;r alle entscheidenden Industriezweige.</P>
<P>W&auml;hrend der folgenden Friedensjahre wurde dies Monopol weiter ausgebildet und befestigt. Der w&auml;hrend des Kriegs gewonnene Vorsprung vergr&ouml;&szlig;erte sich von Jahr zu Jahr; mehr und mehr schien England alle seine m&ouml;glichen Nebenbuhler weit hinter sich zu lassen. Und in der Tat wurde die Ausfuhr von Industrieprodukten in stets wachsenden Mengen eine Lebensfrage f&uuml;r England. Nur zwei Hindernisse schienen im Wege zu stehen: Die Einfuhrverbote und Schutzz&ouml;lle andrer L&auml;nder und die Einfuhrz&ouml;lle auf Rohstoffe und Nahrungsmittel in England.</P>
<P>So kam es, da&szlig; die von der klassischen politischen &Ouml;konomie - von den franz&ouml;sischen Physiokraten und ihren englischen Nachfolgern Adam Smith und Ricardo - gepredigte Handelsfreiheit im Lande John Bulls popul&auml;r wurde. Zollschutz im Inland war nutzlos f&uuml;r Fabrikanten, die alle ihre ausl&auml;ndischen Nebenbuhler aus dem Felde schlugen, und deren Existenz geradezu abhing von der fortw&auml;hrenden Ausdehnung ihrer Ausfuhr. Zollschutz zu Hause war vorteilhaft nur noch f&uuml;r die Produzenten von Nahrungs- <A NAME="S362"><B>|362|</A></B> mitteln und andern Rohstoffen, f&uuml;r den Ackerbau; das hie&szlig; im damaligen England f&uuml;r die Empf&auml;nger von Grundrente, den grundbesitzenden Adel. Den Fabrikanten dagegen war dieser Zollschutz direkt sch&auml;dlich. Soweit er Rohstoffe besteuerte, erh&ouml;hte er den Preis des daraus gefertigten Industrieprodukts; soweit er Nahrungsmittel besteuerte, erh&ouml;hte er den Preis der Arbeit; in beiden F&auml;llen stellte er den britischen Fabrikanten in Nachteil gegen&uuml;ber dem ausl&auml;ndischen. Da nun die &uuml;brigen L&auml;nder nach England haupts&auml;chlich Ackerbauprodukte schickten und von England haupts&auml;chlich Industrieprodukte bezogen, so enthielt die Abschaffung der englischen Schutzz&ouml;lle auf Getreide und Rohprodukte indirekt schon die Aufforderung ans Ausland, nun auch seine Einfuhrz&ouml;lle auf englische Industrieprodukte abzuschaffen oder doch zu verringern.</P>
<P>Nach langem und heftigem Kampf siegten die englischen industriellen Kapitalisten; sie waren damals tats&auml;chlich schon die leitende Klasse der Nation, die Klasse, deren Interessen augenblicklich auch die nationalen Interessen waren. Der grundbesitzende Adel mu&szlig;te kapitulieren. Die Z&ouml;lle auf Korn und Rohstoffe wurden abgeschafft. Freihandel war nunmehr das Losungswort. Die n&auml;chste Aufgabe der englischen Fabrikanten und ihrer Wortf&uuml;hrer, der politischen &Ouml;konomen, war nun, den Glauben an das Freihandelsevangelium &uuml;berall zu verbreiten und so eine Welt zu schaffen, worin England das gro&szlig;e Industriezentrum w&auml;re, und die &uuml;brigen L&auml;nder nur sein abh&auml;ngiger Ackerbaubezirk. Das war die Zeit des Br&uuml;sseler Kongresses, die Zeit der fraglichen Rede von Marx. W&auml;hrend er anerkennt, da&szlig; Schutzzoll noch immer unter gewissen Umst&auml;nden, z.B. im damaligen Deutschland, den industriellen Kapitalisten vorteilhaft sein kann; w&auml;hrend er nachweist, da&szlig; der Freihandel keineswegs das angepriesene Allerweltsheilmittel ist f&uuml;r alle Leiden der Arbeiterklasse, und im Gegenteil diese Leiden selbst vergr&ouml;&szlig;ern kann, spricht er sich in letzter Instanz und im Prinzip zugunsten des Freihandels aus. F&uuml;r ihn ist Freihandel der Normalzustand der modernen kapitalistischen Produktion. Nur unter dem Freihandel k&ouml;nnen die ungeheuren Produktivkr&auml;fte des Dampfs, der Elektrizit&auml;t, der Maschinerie sich vollst&auml;ndig entwickeln; und je rascher diese Entwicklung, desto eher und desto vollst&auml;ndiger werden ihre unvermeidlichen Folgen hervortreten: die Spaltung der Gesellschaft in zwei Klassen, Kapitalisten hier, Lohnarbeiter dort; erblicher Reichtum auf dieser, erbliche Armut auf jener Seite; &Uuml;berschu&szlig; des Angebots &uuml;ber die Nachfrage, Unf&auml;higkeit der M&auml;rkte, die stets wachsende Masse der Industrieprodukte aufzusaugen; ein stets wiederholter Kreislauf von Prosperit&auml;t, &Uuml;berproduktion, Krisis, Panik, chronischer Stauung und allm&auml;hlicher Wiederbelebung des <A NAME="S363"><B>|363|</A></B> Gesch&auml;fts; diese letztere ein Anzeichen nicht dauernder Besserung, sondern bevorstehender erneuter &Uuml;berproduktion und Krisis; in einem Wort, die gesellschaftlichen Produktivkr&auml;fte zu so riesigen Dimensionen heranwachsend, da&szlig; ihnen die gesellschaftlichen Institutionen, unter denen sie in Betrieb gesetzt worden, zu unertr&auml;glichen Fesseln werden, nur <I>eine</I> m&ouml;gliche L&ouml;sung: eine gesellschaftliche Umgestaltung, die die gesellschaftlichen Produktivkr&auml;fte von den Fesseln einer veralteten gesellschaftlichen Ordnung und die wirklichen Produzenten, das hei&szlig;t die gro&szlig;e Volksmasse, von der Lohnsklaverei befreit. Und weil der Freihandel die nat&uuml;rliche und normale Atmosph&auml;re ist f&uuml;r diese historische Entwicklung, das &ouml;konomische Medium, worin die Bedingungen dieser unvermeidlichen L&ouml;sung am raschesten ins Leben treten - deswegen und nur deswegen erkl&auml;rte sich Marx f&uuml;r den Freihandel.</P>
<P>Indes schienen die n&auml;chsten Jahre nach dem Sieg des Freihandels in England die Erf&uuml;llung zu bringen selbst der &uuml;bertriebensten Erwartungen von der nun folgenden Prosperit&auml;t. Der britische Handel stieg auf eine fabelhafte H&ouml;he; das industrielle Monopol Englands auf dem Weltmarkt schien fester gegr&uuml;ndet als je; neue Hoch&ouml;fen, neue Fabriken erstanden an allen Enden; neue Industriezweige wuchsen &uuml;berall empor. Allerdings kam 1857 eine schwere Krisis, aber sie wurde &uuml;berstanden, und bald war der Vormarsch auf dem ganzen Gebiet des Handels und der Industrie wieder in vollem Gange, bis 1866 eine neue Panik ausbrach, die diesmal in der Tat eine neue Epoche der &ouml;konomischen Weltgeschichte anzuzeigen scheint.</P>
<P>Der unerh&ouml;rte Aufschwung der Industrie und des Handels in England von 1848 bis 1866 war unbedingt gro&szlig;enteils die Folge der Beseitigung der Schutzz&ouml;lle auf Rohprodukte und Nahrungsmittel. Aber keineswegs allein. Andere gleichzeitige Ereignisse trugen m&auml;chtig dazu bei. Die erw&auml;hnten Jahre umschlie&szlig;en die Entdeckung und Ausbeutung der kalifornischen und australischen Goldfelder und damit eine enorme Vermehrung der Austauschmittel auf dem Weltmarkt; sie bezeichnen eine allgemeine Umw&auml;lzung der Transportmittel f&uuml;r Menschen wie Waren; auf dem Ozean die Verdr&auml;ngung der Segelschiffe durch Dampfer, und auf dem Lande, so weit die zivilisierte Welt reicht, der Chausseen durch die Eisenbahnen, so da&szlig; der Schienenweg jetzt die haupts&auml;chliche, der makadamisierte Weg die untergeordnete Verbindungslinie wird. Kein Wunder, da&szlig; unter so g&uuml;nstigen Umst&auml;nden die mit Dampf getriebene englische Industrie ihre Herrschaft ausdehnte auf Kosten ausl&auml;ndischer, auf Handarbeit beruhender Hausindustrien. Was aber sollten die anderen L&auml;nder tun? Sollten sie still- <A NAME="S364"><B>|364|</A></B> sitzen und es sich dem&uuml;tig gefallen lassen, wenn sie so degradiert wurden zu blo&szlig;en ackerbauenden Anh&auml;ngseln von England, "der Werkstatt der Welt"?</P>
<P>Die anderen L&auml;nder taten eben nichts der Art. <I>Frankreich</I> hatte seit fast zweihundert Jahren seine Industrie gedeckt hinter einer vollst&auml;ndigen chinesischen Mauer von Schutzz&ouml;llen und Einfuhrverboten und hatte in allen Luxus- und Geschmacksartikeln eine &Uuml;berlegenheit erlangt, die England zu bestreiten nicht einmal versuchte. Die <I>Schweiz</I>, unter vollst&auml;ndigem Freihandel, besa&szlig; eine verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig bedeutende Industrie, der die englische Konkurrenz nichts anhaben konnte. <I>Deutschland</I>, mit einem weit liberaleren Tarif als der irgendeines anderen gro&szlig;en kontinentalen Landes, entwickelte seine Industrie verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig rascher als selbst England. <I>Amerika</I> endlich wurde durch den B&uuml;rgerkrieg von 1861 pl&ouml;tzlich auf seine eigenen Hilfsmittel angewiesen, hatte eine pl&ouml;tzliche Nachfrage nach Industrieprodukten aller Art zu befriedigen und konnte dies nur durch Schaffung einer eigenen inl&auml;ndischen Industrie. Die Kriegsnachfrage h&ouml;rte auf mit dem Krieg; aber die neue Industrie war da und hatte der englischen Konkurrenz die Spitze zu bieten. Und der Krieg hatte in Amerika die Einsicht zur Reife gebracht, da&szlig; ein Volk von f&uuml;nfunddrei&szlig;ig Millionen, mit der F&auml;higkeit, seine Zahl in l&auml;ngstens vierzig Jahren zu verdoppeln, mit fast unbeschr&auml;nkten Hilfsquellen aller Art, umgeben von Nachbarn, die auf Jahre hinaus wesentlich ackerbautreibend sein m&uuml;ssen, da&szlig; solch' ein Volk "die offenbare Bestimmung" habe, f&uuml;r seine Hauptverbrauchsartikel von fremden Industrien unabh&auml;ngig zu werden, und zwar im Frieden sowohl wie im Krieg. Und daraufhin f&uuml;hrte Amerika den Schutzzoll ein.</P>
<P>Vor ungef&auml;hr f&uuml;nfzehn Jahren reiste ich im Eisenbahnwagen mit einem intelligenten Glasgower Gesch&auml;ftsmann, der ein besonderes Interesse an Eisen nahm. Die Rede kam auf Amerika. Er gab mir die altbekannten Freihandelsredensarten zum besten: Sei es nicht unbegreiflich, da&szlig; geriebene Gesch&auml;ftsleute wie die Amerikaner ihren einheimischen H&uuml;ttenbesitzern und Fabrikanten Tribut zahlen, wo sie doch denselben oder gar einen besseren Artikel f&uuml;r den halben Preis von hier aus beziehen k&ouml;nnen? Und dann folgten Beispiele, wie wahnsinnig hoch die Amerikaner sich selbst besteuerten, um ein paar geldgierige Besitzer von Eisenh&uuml;tten zu bereichern. "Nun", sagte ich, "die Sache scheint auch eine andere Seite zu haben. Sie wissen, da&szlig; in Kohlen, Wasserkraft, Eisen- und andern Erzen, wohlfeilen Nahrungsmitteln, einheimischer Baumwolle und andern Rohstoffen Amerika Hilfsquellen und Vorteile besitzt, worin ihm kein europ&auml;isches Land das Wasser reicht; und da&szlig; diese Hilfsquellen nur dann vollst&auml;ndig <A NAME="S365"><B>|365|</A></B> entwickelt werden k&ouml;nnen, wenn Amerika ein Industrieland wird. Sie werden ferner zugeben, da&szlig; heutzutage ein gro&szlig;es Volk wie die Amerikaner nicht ewig blo&szlig; ackerbauend bleiben kann; da&szlig; das eine Verurteilung zu ewiger Barbarei und Unterordnung w&auml;re; heutzutage kann kein gro&szlig;es Volk bestehn ohne eigene Industrie. Nun gut. Wenn Amerika ein Industrieland werden mu&szlig;, und wenn es alle Aussicht hat, hierin seine Nebenbuhler nicht nur zu erreichen, sondern selbst zu schlagen, dann stehn ihm zwei Wege offen: Entweder bei freiem Handel wahrend meinetwegen f&uuml;nfzig Jahren einen &auml;u&szlig;erst kostspieligen Konkurrenzkampf zu f&uuml;hren gegen die englische Industrie, die ihr um hundert Jahre voraus ist; oder aber durch Schutzz&ouml;lle die englische Konkurrenz auf meinetwegen f&uuml;nfundzwanzig Jahre auszuschlie&szlig;en mit der fast absoluten Gewi&szlig;heit, da&szlig; am Ende der f&uuml;nfundzwanzig Jahre die amerikanische Industrie auf dem offenen Weltmarkt ihren Platz behaupten wird. Welcher der beiden Wege ist der wohlfeilste und der k&uuml;rzeste? Darum handelt es sich. Wenn Sie von Glasgow nach London reisen, so k&ouml;nnen Sie den gesetzlich vorgeschriebenen Bummelzug (parliamentary train) nehmen; Sie zahlen einen Penny die Meile und fahren zw&ouml;lf Meilen in der Stunde; aber das f&auml;llt Ihnen nicht ein, dazu ist Ihnen Ihre Zeit zu lieb. Sie reisen Expre&szlig;zug, zahlen zwei Pence die Meile und machen vierzig Meilen die Stunde. Nun gut, die Amerikaner ziehen vor, ein Expre&szlig;billett zu nehmen, um so viel rascher vorw&auml;rts zu kommen." Mein schottischer Freih&auml;ndler hatte kein Wort der Erwiderung.</P>
<P>Da das Protektionssystem ein Kunstmittel ist, Fabrikanten zu fabrizieren, kann es n&uuml;tzlich erscheinen nicht nur einer halbentwickelten Kapitalistenklasse, die noch mit dem Feudalismus ringt. Es kann der aufkommenden Kapitalistenklasse auch vorw&auml;rtshelfen in einem Lande, das, wie Amerika, den Feudalismus nie gekannt hat, das aber auf der Entwicklungsstufe steht, wo der &Uuml;bergang vom Ackerbau zur Industrie eine Notwendigkeit wird. Amerika, in diese Lage gebracht, entschied sich f&uuml;r den Schutzzoll. Seit jener Entscheidung sind die f&uuml;nfundzwanzig Jahre, von denen ich meinem Reisegef&auml;hrten sprach, so ziemlich verflossen und wenn ich mich nicht t&auml;uschte, so mu&szlig; der Schutzzoll jetzt in Amerika seine Arbeit so ziemlich getan haben und mu&szlig; deshalb entbehrlich sein.</P>
<P>Das ist auch schon seit einiger Zeit meine Ansicht. Vor zwei Jahren sagte ich einem amerikanischen Schutzz&ouml;llner: "Wenn Amerika Freihandel einf&uuml;hrt, so bin ich &uuml;berzeugt, da&szlig; es in zehn Jahren England auf dem Weltmarkt schlagen wird."</P>
<P>Der Schutzzoll ist im besten Falle eine Schraube ohne Ende und man wei&szlig; nie, wann man mit ihm fertig ist. Wenn wir einen Gesch&auml;ftszweig <A NAME="S366"><B>|366|</A></B> sch&uuml;tzen, so sch&auml;digen wir direkt oder indirekt alle anderen und m&uuml;ssen sie demzufolge ebenfalls sch&uuml;tzen. Dadurch sch&auml;digen wir aber wieder die zuerst gesch&uuml;tzte Industrie und geben ihr Anspruch auf Entsch&auml;digung; aber diese Entsch&auml;digung wirkt wiederum auf alle anderen Gesch&auml;ftszweige zur&uuml;ck und berechtigt sie zu neuen Anspr&uuml;chen - und so fort ins Unendliche. In dieser Beziehung bietet uns Amerika ein schlagendes Exempel, wie man eine wichtige Industrie durch Zollschutz t&ouml;ten kann. 1856 betrug die Gesamteinfuhr und Ausfuhr der Vereinigten Staaten zur See 641.604.850 Dollar; von diesem Betrage wurden 75,2 Prozent in amerikanischen und nur 24,8 Prozent in ausl&auml;ndischen Schiffen verladen. Damals schon fingen englische ozeanische Dampfer an, amerikanische Segelschiffe zu verdr&auml;ngen; trotzdem f&uuml;hrten 1860 von einem Gesamtseehandel von 762.288.550 Dollar amerikanische Schiffe noch immer 66,5 Proz. Der B&uuml;rgerkrieg kam und in seinem Gefolge Zollschutz f&uuml;r den amerikanischen Schiffsbau; und dieser Zollschutz war so erfolgreich, da&szlig; er die amerikanische Flagge fast ganz von der hohen See vertrieben hat. 1887 war der gesamte Seehandel der Vereinigten Staaten auf 1.408.502.979 Dollar gestiegen; aber nur noch 13,8 Prozent waren mit amerikanischen Schiffen und 86,2 Prozent mit fremden Schiffen verladen. Der in amerikanischen Schiffen verladene Warenwert betrug 1856 482.268.274 Dollar; 1860 507.247.757 Dollar; 1887 nur noch 194.356.746 Dollar.<A NAME="ZF2"><A HREF="me21_360.htm#F2"><SMALL><SUP>(2)</SUP></SMALL></A></A> Vor vierzig Jahren drohte die amerikanische Flagge der englischen auf dem Ozean den Rang abzulaufen; jetzt ist sie fast verschollen. Der Zollschutz f&uuml;r den Schiffsbau hat Schiffahrt und Schiffsbau ruiniert.</P>
<P>Ein anderer Punkt. Verbesserte Produktionsmethoden folgen heutzutage so rasch aufeinander und ver&auml;ndern die Natur ganzer Industriezweige so pl&ouml;tzlich und so vollst&auml;ndig, da&szlig;, was gestern noch ein billig ausgleichender Schutztarif war, heute in das Gegenteil umschl&auml;gt. Hief&uuml;r bietet uns derselbe Bericht des Schatzsekret&auml;rs auf S. XIX ebenfalls ein Beispiel:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Verbesserungen der Wollk&auml;mm-Maschinerie haben in den letzten Jahren in den sogenannten Kammgarntuchen solche Ver&auml;nderungen hervorgerufen, da&szlig; diese Tuche das gew&ouml;hnliche wollene Streichgarntuch in der M&auml;nnerkleidung verdr&auml;ngt haben. Diese &Auml;nderung ... hat unsere inl&auml;ndischen Kammgarnwebereien sehr ung&uuml;nstig getroffen, da der Zoll auf alle Sorten Rohwolle derselbe ist, w&auml;hrend der Zoll auf Streichgarntuche bis zum Wert von 80 Cents per Pfund, 35 Cents per Pfund und 35 Prozent auf den Wert betr&auml;gt; dagegen betr&auml;gt der Zoll auf Kammgarntuch, bis zum Wert von <A NAME="S367"><B>|367|</A></B> 80 Cents per Pfund, nur von 10 bis 24 Cents per Pfund und 35 Cents auf den Wert. In einigen F&auml;llen ist der Zoll auf zum Kammgarntuch verwandte Wolle h&ouml;her als der auf die fertige Ware."</P>
</FONT><P>Was also gestern Schutz der heimischen Industrie war, hat sich heute in eine Pr&auml;mie f&uuml;r den fremden Importeur verwandelt, und wohl mag der Schatzsekret&auml;r |Charles Fairchild| sagen:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Es ist Grund, zu erwarten, da&szlig; die Kammgarnweberei im Inland bald aufh&ouml;ren mu&szlig;, wenn keine &Auml;nderung im Tarif eintritt."</P>
</FONT><P>Aber um den Tarif zu &auml;ndern, mu&szlig; man sich herumschlagen mit den Streichgarnwebern, die von der jetzigen Lage profitieren, mu&szlig; man eine regelm&auml;&szlig;ige Kampagne er&ouml;ffnen, um die Majorit&auml;t beider Kongre&szlig;h&auml;user, um schlie&szlig;lich die &ouml;ffentliche Meinung des Landes herumzubringen, und die Frage ist: Zahlt sich das?</P>
<P>Das schlimmste beim Zollschutz aber ist, da&szlig; man ihn so leicht nicht wieder los wird. So schwierig die Herstellung eines nach allen Seiten billigen Schutztarifs ist, die R&uuml;ckkehr zum Freihandel ist noch unendlich schwieriger. Die Umst&auml;nde werden nie wiederkehren, die England erlaubten, den &Uuml;bergang in ein paar Jahren zu vollziehn. Und selbst da datiert der Kampf von 1823 (Huskisson), hatte die ersten Erfolge 1842 (Peels Tarif) und dauerte noch einige Jahre fort nach Abschaffung der Korngesetze. So wurde der Seidenindustrie (der einzigen, die noch fremde Konkurrenz zu f&uuml;rchten hatte) zuerst verl&auml;ngerter Zollschutz f&uuml;r eine Reihe von Jahren gew&auml;hrt und dann in einer andern, geradezu infamen Form bewilligt: die andern Textilindustrien wurden unter das Fabrikgesetz gestellt, das die Arbeitsstunden f&uuml;r Frauen, jugendliche Arbeiter und Kinder beschr&auml;nkte; die Seidenindustrie wurde durch betr&auml;chtliche Ausnahmen beg&uuml;nstigt, durfte j&uuml;ngere Kinder anstellen und durfte Kinder und jugendliche Arbeiter l&auml;ngere Zeit arbeiten lassen als die andern Industrien. Das Monopol, das die heuchlerischen Freih&auml;ndler zugunsten der ausw&auml;rtigen Konkurrenten abschafften, wurde wieder hergestellt auf Kosten der Gesundheit und des Lebens englischer Arbeiterkinder.</P>
<P>Es wird aber nie wieder vorkommen, da&szlig; ein Land den &Uuml;bergang vom Zollschutz zum Freihandel zu einer Zeit machen kann, wo alle oder fast alle Zweige seiner Industrie imstande sind, der fremden Konkurrenz im offenen Markt Trotz zu bieten. Die Notwendigkeit dieses &Uuml;bergangs wird sich geltend machen, lange bevor ein solcher Zustand nur zu erhoffen ist. <A NAME="S368"><B>|368|</A></B> Sie wird sich geltend machen in verschiedenen Gesch&auml;ftszweigen zu verschiedenen Zeiten; aus den widerstreitenden Interessen dieser Gesch&auml;ftszweige werden die erbaulichsten Z&auml;nkereien und parlamentarischen Intrigen erwachsen. Der Maschinenbauer, der Ingenieur und der Schiffsbauer findet vielleicht, da&szlig; der Zollschutz auf Roheisen seine Ware verteuert und ihm dadurch, und nur dadurch, die Ausfuhr verschlie&szlig;t; der Baumwollweber w&auml;re vielleicht imstande, den englischen Kaliko im chinesischen und indischen Markt zu schlagen, erh&ouml;hte ihm nicht der Zollschutz f&uuml;r den Spinner den Preis seines Garns usw. Im Augenblick, wo ein nationaler Industriezweig den inneren Markt vollst&auml;ndig erobert hat, in dem Augenblick wird ihm die Ausfuhr unentbehrlich. Unter dem kapitalistischen System mu&szlig; eine Industrie entweder sich ausdehnen oder zusammenschrumpfen. Sie kann nicht station&auml;r bleiben; Hemmung der Ausdehnung ist beginnender Ruin; der Fortschritt der mechanischen und chemischen Erfindungen setzt fortw&auml;hrend menschliche Arbeit au&szlig;er Besch&auml;ftigung, w&auml;hrend er das Kapital gleichzeitig noch rascher vermehrt und konzentriert; er schafft so in jeder stagnanten Industrie einen &Uuml;berschu&szlig; von Arbeitern sowohl wie von Kapital, einen &Uuml;berschu&szlig;, der nirgends einen Abschlu&szlig; findet, weil derselbe Proze&szlig; in allen anderen Industriezweigen gleichfalls vorgeht. So wird der &Uuml;bergang vom inl&auml;ndischen zum Ausfuhrhandel eine Lebensfrage f&uuml;r alle diese Industriezweige; aber da treten ihnen die wohlerworbenen Rechte, die eingewurzelten Interessen anderer entgegen, die einstweilen beim Zollschutz noch mehr Sicherheit oder mehr Profit finden als beim Freihandel. So erfolgt ein langer, hartn&auml;ckiger Kampf zwischen Freih&auml;ndlern und Schutzz&ouml;llnern, ein Kampf, worin auf beiden Seiten die F&uuml;hrerschaft bald aus den H&auml;nden der unmittelbar Interessierten &uuml;bergeht in die der Politiker von Profession, der Drahtzieher der &uuml;berlieferten politischen Parteien, deren Interesse ist, nicht, da&szlig; die Frage erledigt wird, sondern da&szlig; sie m&ouml;glichst lange offen bleibt; nach einem endlosen Verlust von Zeit, Kraft und Geld erfolgt dann gew&ouml;hnlich eine Reihe von Kompromissen zugunsten bald dieser, bald jener Seite, die im ganzen langsam dem Freihandel zutreibt - es sei denn, da&szlig; der Zollschutz es inzwischen fertigbringt, sich der Nation absolut unertr&auml;glich zu machen, und das ist in Amerika m&ouml;glich genug.</P>
<P>Von allen Arten Zollschutz ist diejenige die schlimmste, die uns in <I>Deutschland</I> vorgef&uuml;hrt wird. Auch Deutschland sp&uuml;rte bald nach 1815 die Notwendigkeit einer rascheren industriellen Entwicklung. Die erste Bedingung hierf&uuml;r war die Herstellung des inl&auml;ndischen Marktes durch Beseitigung der zahllosen Zollinien und aparten Fiskalgesetze der Kleinstaaten, kurz, die Bildung eines deutschen Zollvereins. Dieser war herstellbar <A NAME="S369"><B>|369|</A></B> nur auf Grundlage eines liberalen Tarifs, zugeschnitten mehr auf Steuerzwecke als auf Industrieschutz. Unter keiner anderen Bedingung h&auml;tte man die Kleinstaaten zum Eintritt gebracht. So war der neue Zollvereinstarif, wenn auch in geringem Ma&szlig; einige Industrien sch&uuml;tzend, f&uuml;r die Zeit seiner Einf&uuml;hrung ein wahres Muster von Freihandel; er blieb dies, obwohl seit 1830 die Mehrzahl der deutschen Fabrikanten den Ruf nach Zollschutz erhoben. Und doch, unter diesem &auml;u&szlig;erst liberalen Tarif und trotz der unbarmherzigen Erdr&uuml;ckung deutscher, auf Handarbeit beruhender Hausindustrien durch die Konkurrenz der gro&szlig;en englischen Industrie, vollzog sich der &Uuml;bergang von der Handarbeit zur Maschinerie auch in Deutschland allm&auml;hlich und ist jetzt fast durchgef&uuml;hrt. Der &Uuml;bergang Deutschlands vom Ackerbau zur Industrie vollzog sich im selben Ma&szlig;e und wurde seit 1866 noch durch politische Ereignisse gef&ouml;rdert: die Errichtung einer starken Zentralregierung und eines Reichsparlaments, einheitliche Gewerbegesetzgebung sicherstellend; einheitliche M&uuml;nze, Ma&szlig; und Gewicht, und endlich die franz&ouml;sische Milliardenflut. - So kam es, da&szlig; gegen 1874 der deutsche Gesamthandel auf dem Weltmarkt nur noch hinter dem englischen zur&uuml;ckstand <A NAME="ZF3"><A HREF="me21_360.htm#F3"><SMALL><SUP>(3)</SUP></SMALL></A></A>, und Deutschland mehr Dampfkraft in Industrie und Transport im Betrieb hatte als irgendein anderes europ&auml;isches Kontinentalland. So war der Beweis geliefert, da&szlig; auch jetzt noch, trotz des enormen Vorsprungs der englischen Industrie, ein gro&szlig;es Land sich zu erfolgreicher Konkurrenz mit England im offenen Markt emporarbeiten kann.</P>
<P>Da auf einmal wurde die Front ver&auml;ndert: Gerade in dem Augenblick, wo mehr als je der Freihandel eine Notwendigkeit f&uuml;r Deutschland schien, gerade da f&uuml;hrte es Schutzz&ouml;lle ein. Das war zweifellos absurd, aber es l&auml;&szlig;t sich erkl&auml;ren.</P>
<P>Solange Deutschland Korn ausf&uuml;hrte, waren s&auml;mtliche Grundbesitzer und s&auml;mtliche Reeder begeisterte Freih&auml;ndler. Aber 1874, statt Korn auszuf&uuml;hren, brauchte Deutschland starke Zufuhren vom Ausland. Ungef&auml;hr gleichzeitig begann Amerika Europa mit Zufuhren wohlfeilen Korns zu &uuml;berschwemmen; &uuml;berall, wohin sie flossen, verringerten sie das Geldeinkommen, das der Boden lieferte, und damit die Bodenrente; von da an erhob der gesamte Grundbesitz in ganz Europa den Ruf nach Zollschutz. Gleichzeitig litt die deutsche Industrie an den Nachwirkungen der heillosen &Uuml;berproduktion und &Uuml;berspekulation, die unter dem franz&ouml;sischen <A NAME="S370"><B>|370|</A></B> Milliardenregen emporgeschossen war; w&auml;hrend England, dessen Industrie seit der Krisis von 1866 eine chronische Stauung noch immer nicht &uuml;berwunden hatte, alle zug&auml;nglichen Markte &uuml;berschwemmte mit Waren, unverk&auml;uflich zu Hause und eben deswegen drau&szlig;en zu Schleuderpreisen weggeschenkt. Obwohl also die deutsche Industrie wesentlich auf die Ausfuhr angewiesen war, sahen die Fabrikanten doch jetzt im Zollschutz ein Mittel, sich den inneren Markt ausschlie&szlig;lich zu sichern. Die Regierung aber war nur zu froh, diesen Umstand benutzen zu k&ouml;nnen zum Vorteil des grundbesitzenden Adels, indem sie beiden, Grundbesitzern und Industriellen, Schutzz&ouml;lle gab. 1878 wurde ein hoher Schutztarif eingef&uuml;hrt, sowohl f&uuml;r Ackerbau- wie f&uuml;r Industrieprodukte.</P>
<P>Die Folge war, da&szlig; seitdem die Ausfuhr deutscher Industrieprodukte geradezu aus der Tasche des heimischen Konsumenten bezahlt wird. Wo nur immer m&ouml;glich, bildeten die Fabrikanten Kartelle zur Regulierung des Ausfuhrhandels und der Produktion selbst. Die deutsche Eisenproduktion ist in den H&auml;nden einiger wenigen gro&szlig;en Firmen, meist Aktiengesellschaften, die zusammen ungef&auml;hr viermal soviel Eisen produzieren wie das Land im Durchschnitt braucht. Zur Vermeidung nutzloser gegenseitiger Konkurrenz haben diese Firmen ein Kartell gebildet, das alle ausl&auml;ndischen Submissionen unter sie verteilt und in jedem Fall die Firma bestimmt, die die wirkliche Offerte zu machen hat. Dies Kartell hatte vor einigen Jahren sogar ein Abkommen mit den englischen H&uuml;ttenbesitzern geschlossen, das indes in die Br&uuml;che gegangen ist. Ebenso haben die westf&auml;lischen Kohlengruben, die gegen drei&szlig;ig Millionen Tonnen j&auml;hrlich produzieren, ein Kartell gebildet zur Regulierung der Preise der Submissionsofferten und der Produktion selbst. &Uuml;berhaupt, jeder deutsche Fabrikant sagt euch, da&szlig; der einzige Zweck der Schutzz&ouml;lle ist, ihm zu erlauben, da&szlig; er sich im inneren Markt erholt von den Schleuderpreisen, die er im Ausland zu nehmen hat. Das ist aber noch nicht alles. Um den Preis dieses absurden Systems des Industrieschutzes haben die industriellen Kapitalisten einem noch widersinnigeren Monopol zugestimmt, das der Grundbesitz erhalten hat. Nicht nur sind alle Ackerbauprodukte hohen und noch fortw&auml;hrend erh&ouml;hten Eingangsz&ouml;llen unterworfen, sondern gewisse l&auml;ndliche Industrien, die die Herren Junker auf ihren G&uuml;tern betreiben, werden aus dem &ouml;ffentlichen Beutel direkt unterst&uuml;tzt. Die R&uuml;benzuckerindustrie ist nicht nur gesch&uuml;tzt, sondern erh&auml;lt au&szlig;erdem enorme Summen in Gestalt von Exportpr&auml;mien. Jemand, der das wissen sollte, ist der Meinung, da&szlig;, wenn der ausgef&uuml;hrte Zucker s&auml;mtlich in die See gesch&uuml;ttet w&uuml;rde, der Fabrikant immer noch an der Exportpr&auml;mie ein gutes Gesch&auml;ft machen mu&szlig;. Desgleichen erhalten <A NAME="S371"><B>|371|</A></B> die Kartoffelschnapsbrenner infolge der neuesten Gesetzgebung aus der Tasche des Publikums ein Geschenk von mindestens sechsunddrei&szlig;ig Millionen Mark j&auml;hrlich. Und da fast jeder gro&szlig;e Grundbesitzer im Nordosten Deutschlands entweder R&uuml;benzuckersieder oder Kartoffelschnapsbrenner oder beides ist, kein Wunder, da&szlig; die Welt mit ihren Produkten f&ouml;rmlich &uuml;berschwemmt wird.</P>
<P>Diese Politik, verderblich unter allen Umst&auml;nden, ist dies doppelt in einem Land, dessen Industrie ihren Absatz auf neutralen M&auml;rkten haupts&auml;chlich durch die Wohlfeilheit der Arbeit aufrechth&auml;lt. Der Arbeitslohn wird in Deutschland selbst in den besten Zeiten dem Hungerpunkt ungeb&uuml;hrlich nahe gehalten durch den trotz aller Auswanderung raschen Zuwachs der Volkszahl. Aber er mu&szlig; steigen infolge der Verteuerung aller Lebensmittel, die der Schutzzoll erzwingt. Der deutsche Fabrikant wird dann nicht mehr imstande sein, wie jetzt nur zu oft, sich f&uuml;r die Schleuderpreise seiner Waren durch einen Abzug vom normalen Lohn seiner Arbeiter zu entsch&auml;digen: er verliert die Konkurrenzf&auml;higkeit. In Deutschland schlachtet der Schutzzoll die Henne, die die goldnen Eier legt.</P>
<P>Auch <I>Frankreich</I> leidet an den Folgen des Zollschutzes. Hier ist das System durch zweihundertj&auml;hrige unbestrittene Herrschaft fast ein St&uuml;ck vom Leben der Nation geworden. Trotzdem wird es mehr und mehr ein Hindernis. Die gro&szlig;e Industrie bedingt fortw&auml;hrenden Wechsel in den Methoden der Produktion, aber der Schutzzoll verlegt den Weg. Der R&uuml;cken von Seidensamt wird heutzutage aus feinem Baumwollgarn gemacht; der franz&ouml;sische Fabrikant mu&szlig; auf dieses entweder den Zollschutz bezahlen oder sich endlosen b&uuml;rokratischen Amtsschikanen unterziehen, die die ihm dadurch erm&ouml;glichte admission temporaire |zeitweise Zulassung| mehr als reichlich aufwiegen, und so kann Krefeld erfolgreich konkurrieren, weil dort der Zollschutz auf feines Baumwollgarn immer noch geringer ist. Die franz&ouml;sische Ausfuhr, wie schon gesagt, besteht haupts&auml;chlich aus Luxusartikeln, worin der bis jetzt &uuml;berlegene franz&ouml;sische Geschmack entscheidet; aber die Hauptkonsumenten solcher Artikel sind heutzutage &uuml;berall unsere modernen kapitalistischen Empork&ouml;mmlinge, die weder Bildung noch Geschmack haben, die mit billigen und plumpen deutschen oder englischen Nachahmungen ebensogut bedient sind und die oft genug dergleichen Zeug zu wahnsinnigen Preisen f&uuml;r den echten franz&ouml;sischen Artikel einkaufen. Der Markt f&uuml;r die Spezialartikel, die au&szlig;erhalb Frankreichs nicht gemacht werden k&ouml;nnen, verengert sich mehr und mehr; die franz&ouml;sische Industrie- <A NAME="S372"><B>|372|</A></B> ausfuhr h&auml;lt sich nur knapp aufrecht und mu&szlig; bald abnehmen; welche neuen Artikel kann Frankreich ausf&uuml;hren zum Ersatz derjenigen, deren Ausfuhr abstirbt? Wenn hier etwas helfen kann, ist es ein verwegener Schritt in der Richtung zum Freihandel hin, der den franz&ouml;sischen Fabrikanten aus seiner gewohnten Treibhausatmosph&auml;re in die freie Luft der offenen Konkurrenz stellt. In der Tat w&auml;re der franz&ouml;sische Gesamthandel schon jetzt zusammengeschrumpft, h&auml;tte ihm nicht der schwache und unsichere Schritt zum Freihandel hin, der Cobdenvertrag von 1860, vorangeholfen; dessen Wirkungen sind jetzt so ziemlich ersch&ouml;pft, und eine st&auml;rkere Dosis von diesem Tonikum ist angezeigt.</P>
<P>Es ist kaum der M&uuml;he wert, von <I>Ru&szlig;land</I> zu sprechen. Dort dient der Schutztarif, dessen Z&ouml;lle in Gold statt im entwerteten Papiergeld des Landes entrichtet werden m&uuml;ssen, vor allen Dingen dazu, der verpauperten Regierung die klingende M&uuml;nze zu liefern, deren sie im Verkehr mit ausw&auml;rtigen Gl&auml;ubigern leider nicht entraten kann. An dem Tage, wo dieser Tarif seine Schutzbestimmung erf&uuml;llt und fremde Waren ausnahmslos ausschlie&szlig;t, an dem Tage ist die russische Regierung bankerott. Trotzdem l&auml;&szlig;t diese selbe Regierung vor den Augen ihrer gl&auml;ubigen Untertanen die brillante Hoffnung t&auml;nzeln, als sollte dieser Tarif Ru&szlig;land in ein &ouml;konomisch vollst&auml;ndig unabh&auml;ngiges Land verwandeln, das vom Ausland nichts, aber auch gar nichts mehr braucht, weder Nahrungsmittel noch Rohstoffe noch Werke der Industrie oder Kunst. Die Leute, die an dieses gespenstige, von der ganzen &uuml;brigen Welt abgeschlossene Ru&szlig;land glauben, stehen auf der Stufe jenes preu&szlig;ischen Gardelieutenants, der im Laden einen Globus verlangte, keinen Erd- oder Himmelsglobus, sondern einen Globus von Preu&szlig;en.</P>
<P>Doch zur&uuml;ck zu Amerika. Es sind schon Anzeichen genug da, da&szlig; der Zollschutz f&uuml;r die Vereinigten Staaten geleistet hat, was er leisten konnte, und da&szlig; es Zeit ist, man gibt ihm den Abschied. Eines dieser Anzeichen ist die Bildung von Kartellen zur Unterst&uuml;tzung der gesch&uuml;tzten Industrien in der Ausbeutung ihres Monopols. Nun sind Kartelle (Rings, Trusts) echt amerikanische Einrichtungen, und wo sie nat&uuml;rliche Vorteile ausbeuten, mu&szlig; man sie sich einstweilen gefallen lassen. Die Verwandlung der pennsylvanischen Stein&ouml;lproduktion in ein Monopol der Standard Oil Company ist ein Verfahren, das mit den Regeln der kapitalistischen Produktion durchaus im Einklang steht. Wenn aber die Zuckersieder den ihnen durch die Nation bewilligten Schutz gegen ausw&auml;rtige Konkurrenz verwandeln wollen in ein Monopol gegen den inl&auml;ndischen Konsumenten, das hei&szlig;t, gegen dieselbe Nation, die den Schutz bewilligt hat, so ist das ein <A NAME="S373"><B>|373|</A></B> anderes Ding. Trotzdem haben die gro&szlig;en Zuckersieder ein Kartell gebildet, das nichts andres erstrebt. Und das Zuckerkartell ist nicht das einzige seiner Art. Die Bildung von solchen Kartellen in gesch&uuml;tzten Industrien ist das sicherste Zeichen, da&szlig; der Zollschutz sich ausgelebt hat und seinen Charakter ver&auml;ndert; da&szlig; er den Fabrikanten nicht mehr gegen den fremden Importeur, sondern gegen den heimischen Konsumenten sch&uuml;tzt, da&szlig; wenigstens in diesem speziellen Industriezweig er Fabrikanten genug, wo nicht zu viele fabriziert hat; da&szlig; das durch den Zollschutz diesen Fabrikanten in den Scho&szlig; geworfene Geld einfach weggeworfenes Geld ist - ganz wie in Deutschland.</P>
<P>In Amerika ganz wie anderswo wird der Zollschutz verteidigt mit der Behauptung, da&szlig; der Freihandel nur England zugute kommt. Der beste Beweis des Gegenteils ist, da&szlig; in England nicht nur die P&auml;chter und Grundbesitzer, sondern selbst die Fabrikanten Schutzz&ouml;llner werden. Im Sitz der freih&auml;ndlerischen Manchesterschule, in Manchester selbst, diskutierte am 1. November 1886 die Handelskammer den Antrag,</P>
<FONT SIZE=2><P>"da&szlig;, nachdem wir vierzig Jahre umsonst gewartet haben, andere Nationen zur Nachahmung des von England gegebenen freih&auml;ndlerischen Beispiels zu bewegen, die Kammer die Zeit f&uuml;r gekommen glaubt, diese Lage aufs neue in Erw&auml;gung zu ziehen."</P>
</FONT><P>Der Antrag wurde allerdings verworfen, aber mit 22 Stimmen gegen 21. Und das geschah in dem Zentrum der Baumwollenindustrie, der einzigen englischen Industrie, deren &Uuml;berlegenheit im offnen Markt noch unbestritten scheint. Aber freilich, auch in diesem speziellen Industriezweig ist der Erfindungsgeist aus England nach Amerika ausgewandert. Die neuesten Verbesserungen in der Baumwollmaschinerie (Spinnen und Weben) sind fast alle von Amerika gekommen und Manchester hatte sie nur einzuf&uuml;hren. In industriellen Erfindungen aller Art steht Amerika entschieden an der Spitze, w&auml;hrend Deutschland den Engl&auml;ndern den zweiten Platz streitig macht. Das Bewu&szlig;tsein gewinnt Boden in England, da&szlig; das englische Industriemonopol unwiederbringlich dahin ist, da&szlig; England vergleichsweise immer mehr Terrain verliert, w&auml;hrend seine Nebenbuhler vorankommen, und da&szlig; es allm&auml;hlich einer Lage zutreibt, wo es ein Industrieland unter vielen wird sein m&uuml;ssen, statt, wie einst getr&auml;umt, die "Werkstatt der Welt". Und um dies hereinbrechende Geschick zur&uuml;ckzud&auml;mmen, wird jetzt der Zollschutz, schlecht verh&uuml;llt unter dem Schleier des "Fair Trade" und der Kampfz&ouml;lle, angerufen von den S&ouml;hnen derselben M&auml;nner, die vor vierzig Jahren kein Heil sahen au&szlig;er im absoluten Freihandel. Und wenn die englischen Fabrikanten jetzt selbst finden, da&szlig; der Freihandel sie ruiniert, und <A NAME="S374"><B>|374|</A></B> die Regierung angehn, sie gegen fremde Konkurrenz zu sch&uuml;tzen, dann ist unbedingt der Augenblick gekommen, das fernerhin nutzlose Schutzsystem &uuml;ber Bord zu werfen und das sinkende Industriemonopol Englands zu bek&auml;mpfen mit seiner eigenen Waffe, dem Freihandel.</P>
<P>Indes, wie schon gesagt, man f&uuml;hrt den Zollschutz leicht ein, man wird ihn aber sobald nicht wieder los. Indem die Gesetzgebung den Zollschutz annahm, hat sie gewaltige Interessen geschaffen und sich f&uuml;r diese verantwortlich gemacht. Nicht jedes einzelne dieser Interessen, nicht jeder Industriezweig ist gleichm&auml;&szlig;ig darauf eingerichtet, in einem gegebenen Moment sich der freien Konkurrenz ausgesetzt zu sehen. W&auml;hrend einige keine Schutzbemutterung mehr n&ouml;tig haben, schleppen andere sich m&uuml;hsam nach. Dieser Unterschied der Lage wird im Parlament den &uuml;blichen Parteikl&uuml;ngel in Bewegung setzen und ist an sich selbst Sicherheit genug, da&szlig;, wenn der Freihandel einmal beschlossene Sache ist, mit den gesch&uuml;tzten Industrien fein s&auml;uberlich verfahren wird, wie nach 1846 mit der Seidenindustrie in England. Wie die Sache liegt, ist das unvermeidlich und die Freih&auml;ndler werden sich das gefallen lassen m&uuml;ssen, solange der &Uuml;bergang nur im Prinzip feststeht.</P>
<P>Die Frage &uuml;ber Freihandel und Zollschutz bewegt sich g&auml;nzlich innerhalb der Grenzen des heutigen Systems der kapitalistischen Produktion und hat deshalb kein direktes Interesse f&uuml;r Sozialisten, die die Beseitigung dieses Systems verlangen. Sie interessiert sie aber indirekt so weit, als sie dem jetzigen Produktionssystem eine m&ouml;glichst freie Entfaltung und m&ouml;glichst rasche Ausdehnung w&uuml;nschen m&uuml;ssen; denn damit wird es auch seine notwendigen &ouml;konomischen Folgen entfalten: Elend der gro&szlig;en Volksmasse infolge einer &Uuml;berproduktion, die entweder periodische Krisen oder chronische Stagnation des Verkehrs erzeugt; Spaltung der Gesellschaft in eine kleine Klasse gro&szlig;er Kapitalisten und eine gro&szlig;e Klasse tats&auml;chlich erblicher Lohnsklaven, Proletarier, deren Zahl best&auml;ndig w&auml;chst, w&auml;hrend sie ebenso best&auml;ndig durch neue arbeitsparende Maschinerie &uuml;berz&auml;hlig gemacht wird; kurz, Verrennung der Gesellschaft in eine Sackgasse, aus der kein Entkommen m&ouml;glich ist, au&szlig;er durch eine vollst&auml;ndige Umgestaltung der der Gesellschaft zugrunde liegenden &ouml;konomischen Struktur. Von diesem Standpunkt aus erkl&auml;rte sich Marx vor vierzig Jahren im Prinzip f&uuml;r den Freihandel als f&uuml;r den geraderen Weg, also denjenigen, der die kapitalistische Gesellschaft am raschesten in diese Sackgasse f&uuml;hren wird. Wenn aber Marx aus diesem Grunde f&uuml;r den Freihandel ist, ist das eben nicht ein Grund f&uuml;r jeden Verteidiger der gegenw&auml;rtigen Ordnung, gegen den Freihandel zu sein? Wenn der Freihandel revolution&auml;r sein soll, m&uuml;ssen nicht <A NAME="S375"><B>|375|</A></B> alle guten B&uuml;rger f&uuml;r den Zollschutz stimmen, der dann notwendigerweise konservativ ist?</P>
<P>Wenn heutzutage ein Land den Freihandel annimmt, so wird es das sicher nicht den Sozialisten zu Gefallen tun, sondern weil der Freihandel eine Notwendigkeit f&uuml;r die industriellen Kapitalisten geworden ist. Verwirft es aber den Freihandel und h&auml;lt fest am Zollschutz, um die Sozialisten um ihre erwartete soziale Katastrophe zu prellen, so ist niemand mehr geprellt als es selbst. Der Schutzzoll ist ein Mittel, Fabrikanten k&uuml;nstlich zu fabrizieren und deswegen ebenfalls ein Mittel, k&uuml;nstlich Lohnarbeiter zu fabrizieren. Z&uuml;chtet ihr die einen, so z&uuml;chtet ihr die anderen mit. Der Lohnarbeiter folgt &uuml;berall in den Fu&szlig;stapfen des Fabrikanten; er ist wie die schwarze Sorge des Horaz, die hinter dem Reiter sitzt und die er nicht absch&uuml;tteln kann. Dem Schicksal, mit anderen Worten, den notwendigen Folgen eurer eigenen Handlungen k&ouml;nnt ihr nun einmal nicht entgehen. Ein Produktionssystem, gegr&uuml;ndet auf der Ausbeutung der Lohnarbeit, ein System, worin der Reichtum w&auml;chst im Verh&auml;ltnis zur Zahl der angewandten und ausgebeuteten Arbeiter, solch ein System kann nicht bestehen, ohne die Klasse der Lohnarbeiter zu vermehren und damit einen Klassengegensatz zu steigern, an dem eines Tages das ganze System zugrunde gehen mu&szlig;. Es ist nun einmal nicht zu &auml;ndern: Ihr k&ouml;nnt nicht anders, als das kapitalistische System fortentwickeln, Akkumulation und Zentralisation des Kapitals beschleunigen und gleichzeitig damit die Produktion einer Arbeiterklasse, die au&szlig;erhalb der offiziellen Gesellschaft steht. Ob ihr den schutzz&ouml;llnerischen oder den freih&auml;ndlerischen Weg einschlagt, wird am Resultat nichts &auml;ndern und kaum etwas an der L&auml;nge der Frist, die euch bleibt, bis das Resultat eintritt. Denn lange vorher schon wird der Zollschutz eine unertr&auml;gliche Fessel geworden sein f&uuml;r jedes Land, das mit Aussicht auf Erfolg eine unabh&auml;ngige Stellung auf dem Weltmarkt erstrebt.</P>
<P><HR size="1"></P>
<P>Fu&szlig;noten von Friedrich Engels</P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="F1">(1)</A></SUP></SMALL> Vorrede (&uuml;bersetzt vom Verfasser) zu der in New York erscheinenden englischen Ausgabe von Marx' Rede &uuml;ber die Frage des Freihandels (deutsch von E. Bernstein und K. Kautsky, Anhang II zu Marx' "Elend der Philosophie", Stuttgart, Dietz, S. 188ff.). - Da diese Vorrede in erster Linie f&uuml;r ein amerikanisches Publikum berechnet ist, konnte die deutsche Schutzzollpolitik nur nebenher ber&uuml;hrt werden. Der Verfasser wird indes wohl bald Gelegenheit finden, die Frage auch speziell mit Beziehung auf Deutschland zu behandeln. <A HREF="me21_360.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="F2">(2)</A></SUP></SMALL> Annual Report of the Secretary of the Treasury etc. For the year 1887. XXVIII, XXIX. <A HREF="me21_360.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<SMALL><SUP><P><A NAME="F3">(3)</A></SUP></SMALL> Gesamthandel (Einfuhr und Ausruhr addiert) 1874 in Millionen Mark: Gro&szlig;britannien 13.380; Deutschland 9.300; Frankreich 6.600; Vereinigte Staaten 4.980. (Kolb, "Statistik", 7. Aufl. Leipzig 1875, S.790.) <A HREF="me21_360.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<HR size="1"><P>
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<TR>
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<TR>
<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><FONT size="2" color="#006600">MLWerke</A></FONT></TD>
<TD ALIGN="center" width="200" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A href="../default.htm"><FONT size=2 color="#006600">Marx/Engels - Werke</A></TD>
<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="../me_ak88.htm"><FONT size=2 color="#006600">Artikel und Korrespondenzen 1888</A></TD>
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