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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx - Kossuth, Mazzini und Louis-Napoleon</TITLE>
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 8, 3. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 392-393</SMALL>
<H2>Karl Marx</H2>
<H1>Kossuth, Mazzini und Louis-Napoleon</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 3627 vom 1. Dezember 1852]</P>
</FONT><I><P ALIGN="CENTER">An den Redakteur der "New-York Tribune"</P>
</I><B><P><A NAME="S392">&lt;392&gt;</A></B> Sir,</P>
<P><A HREF="me08_364.htm">mein Brief vom 28. September dieses Jahres</A>, der Enth&uuml;llungen &uuml;ber die T&auml;tigkeit von Kossuth und Mazzini enthielt, hat, wie ich sehe, betr&auml;chtliche Proteste hervorgerufen und der demokratischen Presse Gelegenheit gegeben zu einer Unmenge von &uuml;berfl&uuml;ssigem Deklamieren, Schimpfen und Poltern.</P>
<P>Ich habe festgestellt, da&szlig; Kossuth sich an diesem Geschrei in keiner Weise beteiligt hat. H&auml;tte er selbst den Mut gehabt, meine Behauptungen zu dementieren, so h&auml;tte ich die Frage wieder aufgegriffen und h&auml;tte unwiderlegbare Beweise f&uuml;r die angef&uuml;hrten Tatsachen erbracht.</P>
<P>Mein Brief war jedoch nicht als Angriff auf Kossuth gedacht, sondern sollte vielmehr eine <I>Warnung </I>sein. In der Politik darf man sich, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, mit dem Teufel selbst verb&uuml;nden - nur mu&szlig; man die Gewi&szlig;heit haben, da&szlig; man den Teufel betr&uuml;gt, und nicht umgekehrt.</P>
<P>Was nun den Herrn betrifft, der sich die Aufgabe gestellt, mich <I>autoritativ </I>zu widerlegen, so erlaube er mir, ihn an ein altes Sprichwort zu erinnern: <I>Americus incommodus ab inimico non differt</I>. &lt;Ein l&auml;stiger Amerikaner ist soviel wie ein Feind. (Americus hier statt amicus, Freund)&gt;</P>
<P>Den Herren von der demokratischen Presse und insbesondere von der deutschen demokratischen Presse, die wie &uuml;blich am lautesten geschrien haben, denen sage ich, da&szlig; sie alle bigotte Krypto-Royalisten sind. Diese Herren k&ouml;nnen ohne K&ouml;nige, G&ouml;tter und P&auml;pste nicht auskommen. Kaum befreit vom G&auml;ngelband ihrer alten Herrscher, fabrizieren sie sich selber <A NAME="S393"><B>&lt;393&gt;</A></B> neue und regen sich auf &uuml;ber jene "Ungl&auml;ubigen und Rebellen", die sich unangenehm bemerkbar machen, indem sie l&auml;stige Wahrheiten ver&ouml;ffentlichen und kompromittierende Tatsachen enth&uuml;llen und sich so der Gottesl&auml;sterung und Majest&auml;tsbeleidigung an den neuerdings heilig gesprochenen demokratischen G&ouml;ttern und K&ouml;nigen schuldig machen.</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Ihr Privatkorrespondent</P>
</I><P>London, 16. November 1852</P>
<H2>Karl Marx/Friedrich Engels</H2>
<H1>Erkl&auml;rung zum Abschlu&szlig; des K&ouml;lner Prozesses</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["The Morning Advertiser" Nr. 19168 vom 29. November 1852]</P>
</FONT><I><P ALIGN="CENTER">An den Redakteur des "Morning Advertiser"</P>
</I><B><P><A NAME="S394">&lt;394&gt;</A></B> Sir,</P>
<P>die Unterzeichneten erf&uuml;llen eine Pflicht gegen&uuml;ber sich selbst und ihren in K&ouml;ln neuerdings verurteilten Freunden, wenn sie der englischen &Ouml;ffentlichkeit eine Reihe von Tatsachen unterbreiten, die mit dem j&uuml;ngst durchgef&uuml;hrten Monsterproze&szlig; in jener Stadt zusammenh&auml;ngen und die die Londoner Presse in ungen&uuml;gendem Ma&szlig;e bekanntgemacht hat.</P>
<P>Achtzehn Monate sind vergeudet worden, nur um die Beweismittel f&uuml;r diesen Proze&szlig; zu pr&auml;parieren. W&auml;hrend dieser ganzen Zeit sind unsere Freunde in Einzelhaft gehalten worden, jeder Besch&auml;ftigungsm&ouml;glichkeit, selbst der B&uuml;cher, beraubt; wurden sie krank, so verweigerte man ihnen eine ordnungsgem&auml;&szlig;e &auml;rztliche Behandlung, oder wenn sie sie erhielten, so hinderte sie die Verfassung, in der sie sich befanden, Nutzen daraus zu ziehen. Sogar nachdem ihnen die "Anklageakte" &uuml;bermittelt worden war, hat man ihnen - entgegen den Gesetzen - verboten, sich mit ihren Advokaten zu beraten. Und was waren die Vorw&auml;nde f&uuml;r diese in die L&auml;nge gezogene grausame Haft? Nach Ablauf der ersten neun Monate erkl&auml;rte der "Anklagesenat", da&szlig; kein objektiver Tatbestand f&uuml;r eine Anklage vorliege, und die Untersuchung daher von neuem beginnen m&uuml;sse. Man fing wieder von vorn an. Drei Monate sp&auml;ter, bei der Er&ouml;ffnung der Assisenverhandlungen, gab der Staatsanwalt vor, die Masse der Beweismaterialien sei derart angewachsen, da&szlig; er sie noch nicht habe verarbeiten k&ouml;nnen. Und nach weiteren drei Monaten wurde der Proze&szlig; wiederum sistiert, und zwar auf Grund der Krankheit eines der Hauptzeugen der Regierung.</P>
<P>Der wahre Grund dieser ganzen Verz&ouml;gerung war die Furcht der preu- <A NAME="S395"><B>&lt;395&gt;</A></B> &szlig;ischen Regierung, die magere Substanz der Tatsachen den pomp&ouml;s angek&uuml;ndigten "unerh&ouml;rten Enth&uuml;llungen" gegen&uuml;berzustellen. Schlie&szlig;lich gelang es der Regierung, ein Geschworenengericht zustande zu bringen, wie es die Rheinprovinz noch nie gesehen, zusammengesetzt aus sechs reaktion&auml;ren Adligen, vier Mitgliedern der haute finance &lt;Finanzaristokratie&gt; und zwei Mitgliedern der B&uuml;rokratie.</P>
<P>Worin bestand nun das Beweismaterial, das dieser Jury vorgelegt wurde? Es waren dies einzig und allein die absurden Proklamationen und Korrespondenzen einer Gruppe von unwissenden Phantasten, von Verschw&ouml;rern, die sich wichtig machen wollten, von Handlangern, die zugleich Komplizen eines gewissen Cherval waren, eines eingestandenen Polizeiagenten. Der gr&ouml;&szlig;ere Teil dieser Dokumente war fr&uuml;her im Besitz eines gewissen Oswald Dietz in London gewesen. W&auml;hrend der gro&szlig;en Industrieausstellung hatte die preu&szlig;ische Polizei, als Dietz nicht zu Hause war, seine Schubladen aufgebrochen und sich so die begehrten Dokumente mittels eines gew&ouml;hnlichen Diebstahls verschafft. Diese Papiere lieferten erstens einmal die Mittel, um das sogenannte franz&ouml;sisch-deutsche Komplott in Paris zu entdecken. Nun bewies aber der Proze&szlig; zu K&ouml;ln, da&szlig; jene Verschw&ouml;rer und ihr Pariser Agent Cherval just die politischen Gegner der Angeklagten und jener Londoner Freunde waren, die sich hiermit an Sie wenden. Der Staatsanwalt aber behauptete, da&szlig; ein rein pers&ouml;nlicher Streit die Letzteren daran gehindert h&auml;tte, am Komplott des Cherval und seiner Bundesgenossen teilzunehmen. Eine solche Argumentation sollte beweisen, da&szlig; die K&ouml;lner Angeklagten moralisch an dem Pariser Komplott mitschuldig gewesen. Und w&auml;hrend so die K&ouml;lner Angeklagten f&uuml;r die Taten ihrer ausgesprochenen Feinde verantwortlich gemacht wurden, brachte die Regierung die geschworenen Freunde Chervals und seiner Bundesgenossen bei, aber nicht, um sie wie die Angeklagten vor die Gerichtsschranken, sondern um sie in den Zeugenstand zu stellen und gegen jene aussagen zu lassen. Das jedoch machte einen gar zu schlechten Eindruck. Die &ouml;ffentliche Meinung zwang die Regierung, sich nach weniger zweideutigen Beweisen umzusehen. Unter der Leitung eines gewissen Stieber, des Hauptzeugen der Regierung in K&ouml;ln, der k&ouml;niglicher Polizeirat und Leiter der Berliner Kriminalpolizei war, wurde nun die ganze Polizeimaschine in Gang gesetzt. In der Sitzung vom 23. Oktober k&uuml;ndigte Stieber an, da&szlig; ihm ein au&szlig;erordentlicher Kurier von London h&ouml;chst wichtige Dokumente &uuml;berbracht habe, die unleugbar bewiesen, da&szlig; die Angeklagten gemeinsam mit den Unterzeichneten an einer angeblichen <A NAME="S396"><B>&lt;396&gt;</A></B> Verschw&ouml;rung beteiligt waren. "Unter anderen Dokumenten habe ihm der Kurier das Originalprotokollbuch der Sitzungen der Geheimgesellschaft &uuml;berbracht, deren Vorsitz Dr. Marx innehatte, mit dem die Angeklagten im Briefwechsel gestanden h&auml;tten." Stieber verwickelte sich jedoch in widerspr&uuml;chliche Angaben &uuml;ber das Datum, an dem ihn der Kurier erreicht haben sollte. Dr. Schneider, der Hauptverteidiger, beschuldigte ihn geradezu des Meineids, worauf Stieber keine andere Antwort zu geben wagte, als auszuweichen auf seine W&uuml;rde als Repr&auml;sentant der Krone, der von der allerh&ouml;chsten Autorit&auml;t im Staate mit einer &auml;u&szlig;erst wichtigen Mission betraut worden sei. Was das Protokollbuch betrifft, so erkl&auml;rte Stieber zweimal unter Eid, es sei das "echte Protokollbuch des Londoner Kommunistenbundes", aber sp&auml;ter, von der Verteidigung in die Enge getrieben, gab er zu, es k&ouml;nne ein einfaches Notizbuch sein, das einer seiner Spione an sich genommen habe. Schlie&szlig;lich stellte sich das Buch, nach Stiebers eigenem Zeugnis, als eine bewu&szlig;te F&auml;lschung heraus, und sein Zustandekommen wurde auf drei von Stiebers Londoner Agenten, Greif, Fleury und Hirsch, zur&uuml;ckgef&uuml;hrt. Der Letztgenannte hat seitdem selbst zugegeben, da&szlig; er das Buch unter Anleitung von Fleury und Greif zusammengestellt hat. Zu diesem Punkt waren die Beweise in K&ouml;ln so schl&uuml;ssig, da&szlig; selbst der Staatsanwalt Stiebers wichtiges Dokument ein "wahrhaft unseliges Buch", eine blo&szlig;e F&auml;lschung nannte. Dieselbe Pers&ouml;nlichkeit weigerte sich, Notiz zu nehmen von einem Brief, der zum Beweismaterial der Regierung geh&ouml;rte und in dem die Handschrift von Dr. Marx nachgeahmt worden war; auch dieses Dokument hatte sich als eine plumpe und offensichtliche F&auml;lschung herausgestellt. Genauso erwies sich jedes weitere Dokument, das beigebracht worden war, nicht etwa um die revolution&auml;ren Tendenzen, sondern um die tats&auml;chliche [Beteiligung] der Angeklagten an irgendeinem weithergeholten Komplott zu beweisen, als eine F&auml;lschung durch die Polizei. Die Furcht der Regierung vor einer Enth&uuml;llung war so gro&szlig;, da&szlig; sie nicht nur die Post veranla&szlig;te, alle an die Verteidigung adressierten Dokumente zur&uuml;ckzuhalten, sondern diese auch durch Stieber mit der Drohung einer strafrechtlichen Verfolgung wegen ihrer "kriminellen Verbindung" mit den Unterzeichneten einsch&uuml;chtern lie&szlig;.</P>
<P>Wenn nun ein Urteilsspruch zustande kam, obwohl auch nicht ein &uuml;berzeugender Beweis vorlag, so war ein solches Ergebnis sogar vor einer solchen Jury nur m&ouml;glich auf Grund der r&uuml;ckwirkenden Anwendung des neuen Strafgesetzbuches, mit dessen Hilfe selbst die "Times" und die Friedensgesellschaft jederzeit wegen Hochverrats unter furchtbarste Anklage gestellt werden k&ouml;nnten. Dar&uuml;ber hinaus hat der K&ouml;lner Proze&szlig;, schon durch <A NAME="S397"><B>&lt;397&gt;</A></B> seine Dauer und durch die au&szlig;erordentlichen Mittel, die seitens der Anklage angewandt wurden, solch enorme Dimensionen angenommen, da&szlig; ein Freispruch einer Verurteilung der Regierung selbst gleichgekommen w&auml;re; und in der Rheinprovinz war man allgemein davon &uuml;berzeugt, da&szlig; ein Freispruch die Aufhebung der gesamten Einrichtung der Geschworenengerichte zur unmittelbaren Folge gehabt h&auml;tte.</P>
<P ALIGN="RIGHT">Wir verbleiben, Sir, Ihre sehr ergebenen Diener,<BR>
<I>F. Engels<BR>
F. Freiligrath<BR>
K. Marx<BR>
W. Wolff</P>
</I><P>London, 20. Nov. 1852</P>
<H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Der Kommunisten-Proze&szlig; zu K&ouml;ln</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 3645 vom 22. Dezember 1852]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S398">&lt;398&gt;</A></B> London, Mittwoch, 1. Dezember 1852</P>
<P>Sie werden bereits durch die europ&auml;ischen Zeitungen zahlreiche Berichte &uuml;ber den Monsterproze&szlig; gegen die Kommunisten zu K&ouml;ln in Preu&szlig;en und &uuml;ber sein Ergebnis erhalten haben. Da jedoch keiner dieser Berichte eine auch nur einigerma&szlig;en wahrheitsgetreue Darstellung der Tatsachen enth&auml;lt und da diese Tatsachen ein grelles Licht werfen auf die politischen Methoden, durch die der europ&auml;ische Kontinent in Knechtschaft gehalten wird, halte ich es f&uuml;r notwendig, auf diesen Proze&szlig; zur&uuml;ckzukommen.</P>
<P>Die kommunistische oder proletarische Partei hatte gleich anderen Parteien durch die Aufhebung des Vereins- und Versammlungsrechts die M&ouml;glichkeit verloren, sich auf dem Kontinent eine <I>legale </I>Organisation zu schaffen. Ihre F&uuml;hrer befanden sich &uuml;berdies im Exil. Aber keine politische Partei kann bestehen ohne Organisation; und wenn die liberale Bourgeoisie und das demokratische Kleinb&uuml;rgertum in der L&auml;ge waren, durch ihre gesellschaftliche Stellung, ihre g&uuml;nstige wirtschaftliche L&auml;ge und den hergebrachten tagt&auml;glichen pers&ouml;nlichen Verkehr ihrer Mitglieder untereinander f&uuml;r eine solche Organisation mehr oder weniger Ersatz zu finden, so blieb dem Proletariat, dem eine solche gesellschaftliche Stellung und solche Geldmittel fehlten, nichts anderes &uuml;brig, als zur geheimen Verbindung seine Zuflucht zu nehmen. Daher entstanden sowohl in Frankreich wie in Deutschland jene zahlreichen Geheimgesellschaften, die seit dem Jahre 1849 eine nach der anderen von der Polizei aufgedeckt und wegen Geheimb&uuml;ndelei verfolgt wurden; aber wenn auch viele von ihnen wirklich konspirativen Charakter hatten und tats&auml;chlich zu dem Zweck gebildet waren, die bestehende Regierung zu st&uuml;rzen - und nur ein Feigling griffe unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu konspirativen Methoden, gerade so wie nur ein Narr <A NAME="S399"><B>&lt;399&gt;</A></B> sich unter anderen Voraussetzungen auf ihre Anwendung versteifte -, so gab es doch auch andere, f&uuml;r einen umfassenderen, h&ouml;heren Zweck geschaffene Gesellschaften, die wu&szlig;ten, da&szlig; der Sturz einer bestehenden Regierung nur eine Episode in dem gro&szlig;en bevorstehenden Kampf ist, und sich die Aufgabe stellten, sich zusammenzuschlie&szlig;en und die Partei, deren Kern sie bildeten, f&uuml;r den letzten, entscheidenden Kampf vorzubereiten, in dem eines Tages in Europa die Herrschaft nicht blo&szlig; von "Tyrannen", "Despoten" und "Usurpatoren", sondern einer weit gewaltigeren, weit furchtbareren Macht f&uuml;r immer zertr&uuml;mmert werden soll: die des Kapitals &uuml;ber die Arbeit.</P>
<P>Die Organisation der in vorderster Front stehenden kommunistischen Partei in Deutschland war solcher Art. In &Uuml;bereinstimmung mit den Grunds&auml;tzen ihres "Manifests" (ver&ouml;ffentlicht 1848) und mit den in der Artikelserie <A HREF="me08_003.htm">"Revolution und Konterrevolution in Deutschland"</A><I> </I>in der "New-York Daily Tribune" dargelegten Grunds&auml;tzen bildete diese Partei sich niemals ein, sie sei imstande, jene Revolution, die ihre Ideen verwirklichen soll, zu jedem beliebigen Zeitpunkt nach Willk&uuml;r hervorzurufen. Sie erforschte die Ursachen, die die revolution&auml;ren Bewegungen von 1848 hervorgerufen, und die Ursachen, die ihrem Mi&szlig;erfolg zugrunde lagen. Da sie alle politischen Kampfe auf soziale Klassengegens&auml;tze zur&uuml;ckf&uuml;hrt, befa&szlig;te sie sich mit der Untersuchung der Bedingungen, unter denen eine Gesellschaftsklasse berufen sein kann und mu&szlig;, die Gesamtinteressen einer Nation zu vertreten und sie damit politisch zu beherrschen. Die Geschichte hat die kommunistische Partei gelehrt, wie nach der Landaristokratie des Mittelalters die Geldmacht der ersten Kapitalisten emporstieg und die Staatsgewalt an sich ri&szlig;, wie der gesellschaftliche Einflu&szlig; und die politische Herrschaft dieses Teils der Kapitalisten, der Finanzaristokratie, seit der Einf&uuml;hrung der Dampfkraft durch die wachsende Macht der <I>industriellen </I>Kapitalisten verdr&auml;ngt wurde und wie im gegenw&auml;rtigen Augenblick zwei weitere Klassen ihre Anspr&uuml;che auf die politische Macht anmelden: die Klasse der Kleinb&uuml;rger und die Klasse der Industriearbeiter. Die praktische revolution&auml;re Erfahrung von 1848/49 best&auml;tigte die theoretischen &Uuml;berlegungen, die zu dem Schlusse f&uuml;hrten, da&szlig; erst die kleinb&uuml;rgerliche Demokratie an die Reihe kommen mu&szlig;, ehe die kommunistische Arbeiterklasse erwarten darf, sich f&uuml;r dauernd in den Besitz der Macht zu setzen und jenes System der Lohnsklaverei zu vernichten, das sie unter dem Joch der Bourgeoisie h&auml;lt. Somit konnte die Geheimorganisation der Kommunisten gar nicht das unmittelbare Ziel verfolgen, die <I>gegenw&auml;rtigen </I>Regierungen in Deutschland zu st&uuml;rzen. Sie wurde <A NAME="S400"><B>&lt;400&gt;</A></B> geschaffen, nicht um deren Sturz herbeizuf&uuml;hren, sondern den Sturz jener Regierung, die, aus einem Aufstand hervorgehend, fr&uuml;her oder sp&auml;ter an ihre Stelle treten wird. Ihre Mitglieder mochten - und w&uuml;rden auch sicher - zu gegebener Zeit einer gegen den Status quo gerichteten Bewegung pers&ouml;nlich aktiven Beistand leisten. Aber die <I>Vorbereitung </I>einer solchen Bewegung auf einem anderen Weg als dem der geheimen Verbreitung der kommunistischen Ideen unter den Massen konnte nicht Aufgabe des Bundes der Kommunisten sein. Diese grundlegende Aufgabe wurde von der Mehrzahl seiner Mitglieder so gut verstanden, da&szlig; einige ehrgeizige Streber &lt;Fraktion Willich-Schapper&gt;, als sie versuchten, den Bund in eine Verschw&ouml;rergesellschaft zu verwandeln, um eine Revolution ex tempore &lt;aus dem Stegreif&gt; zu machen, schleunigst hinausgeworfen wurden.</P>
<P>Nun konnte nach keinem Gesetz in der Welt eine solche Verbindung ein Komplott, ein Geheimbund zu hochverr&auml;terischen Zwecken benannt werden. Wenn sie ein Geheimbund war, so nicht gegen die derzeitige Regierung, sondern gegen ihre mutma&szlig;liche Nachfolgerin. Die preu&szlig;ische Regierung war sich dar&uuml;ber auch im klaren. Das war der Grund, weshalb man die elf Angeklagten achtzehn Monate lang in Einzelhaft hielt, eine Zeit, die von den Beh&ouml;rden zu den unerh&ouml;rtesten juristischen Kniffen ausgenutzt wurde. Man stelle sich vor: Nach achtmonatiger Untersuchungshaft wurden die Beschuldigten noch monatelang im Gef&auml;ngnis behalten, "weil ihnen keine strafbare Handlung nachgewiesen werden konnte"! Und als sie endlich vor das Geschworenengericht gestellt wurden, konnte ihnen nicht eine einzige Handlung offenkundig hochverr&auml;terischen Charakters nachgewiesen werden. Und doch wurden sie verurteilt, man wird gleich sehen, wie.</P>
<P>Einer der Emiss&auml;re des Bundes &lt;Nothjung&gt; wurde im Mai 1851 verhaftet, und auf Grund von Schriftst&uuml;cken, die bei ihm gefunden wurden, folgten weitere Verhaftungen. Ein preu&szlig;ischer Polizeibeamter, ein gewisser <I>Stieber</I>, wurde sofort nach London beordert, um dort die Verzweigungen der angeblichen Verschw&ouml;rung aufzusp&uuml;ren. Es gelang ihm, einige Papiere in die Hand zu bekommen, die sich auf die an der erw&auml;hnten Abspaltung vom Bunde beteiligten Personen bezogen, welche nach ihrem Ausschlu&szlig; in Paris und London einen wirklichen Geheimbund gebildet hatten. Diese Papiere verschaffte er sich durch ein doppeltes Verbrechen. Ein Mann namens Reuter wurde gedungen, um das Schreibpult des Sekret&auml;rs der Gesellschaft &lt;Dietz&gt; aufzubrechen und die darin verwahrten Papiere zu stehlen. Aber das war noch gar nichts. Dieser Diebstahl f&uuml;hrte zur Aufdeckung und Aburteilung des sogenannten franz&ouml;sisch-deutschen Komplotts in Paris, lieferte aber keinen Anhalts- <A NAME="S401"><B>&lt;401&gt;</A></B> punkt in bezug auf den gro&szlig;en Bund der Kommunisten. Das Pariser Komplott stand, nebenbei bemerkt, unter der Leitung einiger ehrgeiziger Dummk&ouml;pfe und politischer chevaliers d'industrie &lt;Gl&uuml;cksritter&gt; in London und eines wegen Urkundenf&auml;lschung vorbestraften Subjekts &lt;Cherval&gt;, das sich damals als Polizeispitzel in Paris bet&auml;tigte; die von ihnen eingefangenen Gimpel entsch&auml;digten sich durch rabiates Gerede und blutr&uuml;nstigen Schwulst f&uuml;r die v&ouml;llige Bedeutungslosigkeit ihres politischen Daseins.</P>
<P>Die preu&szlig;ische Polizei mu&szlig;te also nach neuen Entdeckungen Umschau halten. Sie richtete ein regelrechtes B&uuml;ro der Geheimpolizei bei der preu&szlig;ischen Gesandtschaft in London ein. Ein Polizeiagent namens Greif betrieb sein anr&uuml;chiges Gewerbe unter dem Titel eines Gesandtschaftsattach&eacute;s - ein Vorgehen, das gen&uuml;gen wurde, um alle preu&szlig;ischen Gesandtschaften au&szlig;erhalb des V&ouml;lkerrechts zu stellen, und bis zu dem sich bisher nicht einmal die &Ouml;sterreicher zu versteigen wagten. Unter ihm arbeitete ein gewisser Fleury, ein Kaufmann aus der Londoner City, ein Mann von einigem Verm&ouml;gen und mit ganz respektablen Verbindungen, eine jener erb&auml;rmlichen Kreaturen, die aus angeborenem Hang zur Niedertracht die gemeinsten Handlungen begehen. Ein anderer Agent war ein kaufm&auml;nnischer Angestellter namens Hirsch, der jedoch schon bei seiner Ankunft als Spitzel angek&uuml;ndigt war. Er hatte sich in die Gesellschaft einiger deutscher kommunistischer Emigranten in London Eingang verschafft, die ihn, um Beweise f&uuml;r seinen wahren Charakter zu erhalten, kurze Zeit bei sich duldeten. Der Beweis f&uuml;r seine Verbindung mit der Polizei war bald erbracht, und von diesem Zeitpunkt an lie&szlig; sich Herr Hirsch nicht mehr blicken. Aber wenn er dadurch auch auf jede Gelegenheit verzichtete, die Informationen zu erlangen, f&uuml;r deren Beschaffung er bezahlt wurde, so blieb er doch nicht unt&auml;tig. In seinem Schlupfwinkel in Kensington, wo er niemals einem der in Frage stehenden Kommunisten begegnete, fabrizierte er jede Woche angebliche Berichte &uuml;ber angebliche Sitzungen einer angeblichen Zentralbeh&ouml;rde eben jenes Bundes von Verschw&ouml;rern, den zu fassen der preu&szlig;ischen Polizei nicht gelingen wollte. Der Inhalt dieser Berichte war im h&ouml;chsten Ma&szlig;e absurd; kein einziger Vorname stimmte, kein einziger Name war richtig geschrieben, keine einzige Person lie&szlig; Hirsch so sprechen, wie sie wirklich gesprochen h&auml;tte. Sein Herr und Meister Fleury half ihm bei diesen F&auml;lschungen, und es steht bisher noch nicht fest, ob der "Attach&eacute;" Greif bei diesem sch&auml;ndlichen Vorgehen seine H&auml;nde in Unschuld waschen kann. So unglaublich es auch klingt, die preu&szlig;ische Regierung nahm diese albernen Machwerke f&uuml;r bare M&uuml;nze, und man kann sich vorstellen, <A NAME="S402"><B>&lt;402&gt;</A></B> welche Verwirrung derartige Schriftst&uuml;cke in dem Beweismaterial anrichteten, das dem Geschworenengericht vorgelegt werden sollte. Als es zur Verhandlung kam, trat Herr Stieber, der bereits erw&auml;hnte Polizeibeamte, als Zeuge auf, nahm den ganzen Unsinn auf seinen Eid und blieb mit nicht geringer Selbstgef&auml;lligkeit dabei, einer seiner Geheimagenten stehe in allerengster Verbindung mit jenen Leuten in London, die als die Drahtzieher dieser f&uuml;rchterlichen Verschw&ouml;rung anzusehen seien. Dieser Geheimagent war in der Tat ganz geheim, denn er hatte sich acht Monate lang in Kensington verborgen gehalten, aus lauter Angst, er k&ouml;nne wirklich eine der Personen zu Gesicht bekommen, &uuml;ber deren geheimste Gedanken, Worte und Taten er angeblich Woche f&uuml;r Woche Bericht erstattete.</P>
<P>Die Herren Hirsch und Fleury hatten indes noch eine andere Erfindung auf Lager. Sie verarbeiteten die s&auml;mtlichen von ihnen fabrizierten Berichte zu einem "Originalprotokollbuch" der Sitzungen der geheimen Zentralbeh&ouml;rde, deren Existenz von der preu&szlig;ischen Polizei behauptet wurde; und da Herr Stieber fand, da&szlig; dieses Buch erstaunlich &uuml;bereinstimme mit den Berichten, die er bereits aus der gleichen Quelle erhalten hatte, legte er es sogleich dem Geschworenengericht vor und erkl&auml;rte unter Eid, nach gr&uuml;ndlicher Pr&uuml;fung sei er zu der festen &Uuml;berzeugung gelangt, da&szlig; das Buch echt sei. Daraufhin wurde der gr&ouml;&szlig;te Teil des von Hirsch berichteten Bl&ouml;dsinns ver&ouml;ffentlicht. Man kann sich die &Uuml;berraschung der angeblichen Mitglieder jener geheimen Beh&ouml;rde vorstellen, als sie Dinge &uuml;ber sich behauptet fanden, von denen sie bislang keine Ahnung hatten. M&auml;nner, die Wilhelm hie&szlig;en, waren hier mit dem Vornamen Ludwig oder Karl bezeichnet; andere sollten zu einer Zeit, als sie sich am anderen Ende Englands aufhielten, in London Reden gehalten haben; wieder andere hatten nach den Berichten Briefe verlesen, die sie nie erhalten hatten; man lie&szlig; sie regelm&auml;&szlig;ig am Donnerstag zusammenkommen, w&auml;hrend sie die Gepflogenheit hatten, ihren allw&ouml;chentlichen Gesellschaftsabend am Mittwoch abzuhalten; ein Arbeiter, der kaum schreiben konnte, figurierte als einer der Protokollf&uuml;hrer und zeichnete als solcher; und alle lie&szlig; man in einer Sprache reden, die in preu&szlig;ischen Polizeistuben zu Hause sein mag, aber bestimmt nicht bei einer Zusammenkunft von Leuten, deren Mehrheit aus Schriftstellern bestand, die in ihrer Heimat einen geachteten Namen haben. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte man eine Quittung &uuml;ber einen Geldbetrag gef&auml;lscht, den die F&auml;lscher dem angeblichen Sekret&auml;r der erfundenen Zentralbeh&ouml;rde f&uuml;r das Protokollbuch bezahlt haben wollten; aber dieser angebliche Sekret&auml;r verdankte sein Dasein nur einem Streich, den sich ein malizi&ouml;ser Kommunist mit dem ungl&uuml;ckseligen Hirsch geleistet.</P>
<B><P><A NAME="S403">&lt;403&gt;</A></B> Die plumpe F&auml;lschung war zu skandal&ouml;s, um nicht das Gegenteil der damit beabsichtigten Wirkung zu erzielen. Obgleich den Londoner Freunden der Angeklagten jede M&ouml;glichkeit genommen war, die Geschworenen mit dem wirklichen Sachverhalt bekanntzumachen, obwohl die Briefe, die sie an die Verteidigung schickten, von der Post unterschlagen wurden, obwohl die Urkunden und eidesstattlichen Versicherungen, die sie diesen M&auml;nnern des Gesetzes dennoch in die H&auml;nde zu spielen wu&szlig;ten, nicht als Beweismittel zugelassen wurden, war doch die allgemeine Entr&uuml;stung derart, da&szlig; selbst die Staatsanwaltschaft, ja sogar Herr Stieber - der mit seinem Eid f&uuml;r die Echtheit des Protokollbuchs geb&uuml;rgt hatte - gezwungen waren, es als F&auml;lschung anzuerkennen.</P>
<P>Diese F&auml;lschung war jedoch nicht die einzige ihrer Art, deren die Polizei sich schuldig gemacht. Noch zwei oder drei &auml;hnliche F&auml;lle kamen im Verlauf des Prozesses ans Licht. Die durch Reuter gestohlenen Schriftst&uuml;cke waren von der Polizei durch sinnentstellende Einschiebungen verf&auml;lscht worden. Ein Zettel voll tollen Unsinns war in einer Handschrift geschrieben, die der von Dr. Marx nachgeahmt war, und eine Zeitlang wurde behauptet, er stamme wirklich von ihm, bis sich die Staatsanwaltschaft schlie&szlig;lich gezwungen sah, die F&auml;lschung zuzugeben. Aber f&uuml;r jede polizeiliche Infamie, die entlarvt wurde, wurden f&uuml;nf oder sechs neue aufgetischt, die nicht sofort klargestellt werden konnten, denn die Verteidigung wurde damit &uuml;berrumpelt, die Beweismittel mu&szlig;ten aus London beschafft werden, und jede Korrespondenz der Anw&auml;lte mit den kommunistischen Emigranten in London wurde in &ouml;ffentlicher Gerichtssitzung als strafbare Teilnahme an dem angeblichen Komplott behandelt!</P>
<P>Da&szlig; die hier von Greif und Fleury gegebene Charakteristik zutrifft, wurde von Herrn Stieber in seiner Zeugenaussage selbst best&auml;tigt; was Hirsch anbelangt, so hat er vor einem Polizeirichter in London eingestanden, er habe das "Protokollbuch" im Auftrag und unter Beihilfe Fleurys gef&auml;lscht und sei dann aus England gefl&uuml;chtet, um sich strafrechtlicher Verfolgung zu entziehen.</P>
<P>Die Regierung kann sich derart vernichtende Enth&uuml;llungen, wie sie w&auml;hrend des Prozesses zutage traten, nicht oft leisten. Wohl hatte sie eine Jury, wie sie in den Annalen der Rheinprovinz unerh&ouml;rt war - sechs Adlige, Reaktion&auml;re vom reinsten Wasser, vier Angeh&ouml;rige der Finanzaristokratie und zwei Staatsbeamte. Das waren nicht die M&auml;nner, die verworrene Masse des Beweismaterials gewissenhaft zu pr&uuml;fen, das im Lauf von sechs Wochen vor ihnen aufget&uuml;rmt worden war, w&auml;hrend derer ihnen unaufh&ouml;rlich in die Ohren geschrieen wurde, die Angeklagten seien die H&auml;upter einer furchtbaren <A NAME="S404"><B>&lt;404&gt;</A> </B>kommunistischen Verschw&ouml;rung, die angezettelt worden sei, um den Umsturz der heiligsten G&uuml;ter: Eigentum, Familie, Religion, Ordnung, Regierung und Gesetz, herbeizuf&uuml;hren! Und doch, h&auml;tte die Regierung nicht zu gleicher Zeit den privilegierten Klassen zu verstehen gegeben, da&szlig; ein Freispruch in diesem Proze&szlig; das Signal f&uuml;r die Abschaffung der Geschworenengerichte bilden und als direkte politische Demonstration aufgefa&szlig;t w&uuml;rde, als Beweis daf&uuml;r, da&szlig; die b&uuml;rgerlich-liberale Opposition bereit sei, sogar mit den extremsten Revolution&auml;ren gemeinsame Sache zu machen, dann w&auml;re das Urteil ein Freispruch gewesen. So aber gelang es der Regierung, dank der r&uuml;ckwirkenden Kraft des neuen preu&szlig;ischen Strafgesetzbuchs, die Verurteilung von sieben Angeklagten durchzusetzen, w&auml;hrend nur vier freigesprochen wurden; gegen die Verurteilten wurde auf Festungshaft von drei bis sechs Jahren erkannt, was Sie zweifellos schon der seinerzeitigen Meldung entnommen haben.</P></BODY>
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