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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Friedrich Engels - Einleitung zu Sigismund Borkheims Brosch&uuml;re &quot;Zur Erinnerung f&uuml;r die deutschen Mordspatrioten. 1806-1807&quot;</TITLE>
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<META name="description" content="Einleitung zu Sigismund Borkheims Brosch&uuml;re &quot;Zur Erinnerung f&uuml;r die deutschen Mordspatrioten. 1806-1807&quot;">
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<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><FONT size="2" color="#006600">MLWerke</A></FONT></TD>
<TD ALIGN="center" width="200" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A href="../default.htm"><FONT size=2 color="#006600">Marx/Engels - Werke</A></TD>
<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="../me_ak87.htm"><FONT size=2 color="#006600">Artikel und Korrespondenzen 1887</A></TD>
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<TD valign="top"><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: </SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 21, 5. Auflage 1975, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 346-351.</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Korrektur:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>1</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Erstellt:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>20.03.1999</SMALL></TD>
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<H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Einleitung [zu Sigismund Borkheims Brosch&uuml;re "Zur Erinnerung f&uuml;r die deutschen Mordspatrioten. 1806-1807"]</H1>
<FONT SIZE=2><P>Nach: Sigismund Borkheim, "Zur Erinnerung f&uuml;r die deutschen Mordspatrioten. 1806-1807", Hottingen-Z&uuml;rich 1888.</P>
</FONT><P><HR size="1"></P>
<B><P><A NAME="S346">|346|</A></B> Der Verfasser der nachfolgenden Brosch&uuml;re, Sigismund Borkheim, war geboren am 29. M&auml;rz 1825 in Glogau. Nachdem er in Berlin 1844 das Gymnasium absolviert, studierte er nacheinander in Breslau, Greifswald und Berlin. Um seiner Milit&auml;rpflicht zu gen&uuml;gen, mu&szlig;te er, zu arm, die Kosten des einj&auml;hrigen Dienstes zu tragen, 1847 als dreij&auml;hriger Freiwilliger bei der Artillerie in Glogau eintreten. Nach der Revolution 1848 nahm er teil an demokratischen Versammlungen und geriet deshalb in kriegsgerichtliche Untersuchung, der er sich durch die Flucht nach Berlin entzog. Hier blieb er, zun&auml;chst unverfolgt, in der Bewegung t&auml;tig und nahm hervorragenden Anteil am Zeughaussturm. Der ihm infolgedessen drohenden Verhaftung entging er durch neue Flucht nach der Schweiz. Als hier Struve im September 1848 seinen Freischarenzug in den badischen Schwarzwald organisierte, schlo&szlig; Borkheim sich an, wurde gefangengenommen und blieb eingesperrt, bis die badische Revolution vom Mai 1849 die Gefangenen befreite.</P>
<P>Borkheim ging nach Karlsruhe, um der Revolution seine Dienste als Soldat zur Verf&uuml;gung zu stellen. Als Johann Philipp Becker zum Oberstkommandierenden der gesamten Volkswehr ernannt worden, &uuml;bertrug er Borkheim die Bildung einer Batterie, wozu die Regierung zun&auml;chst aber nur die unbespannten Gesch&uuml;tze stellte. Die Bespannungen waren noch nicht beschafft, als die Bewegung des 6. Juni ausbrach, wodurch die entschiedneren Elemente die schlaffe, teilweise aus direkten Verr&auml;tern bestehende provisorische Regierung zu gr&ouml;&szlig;erer Energie anspornen wollten. Mit Becker hatte auch Borkheim sich an der Demonstration beteiligt, die indes nur den unmittelbaren Erfolg hatte, da&szlig; Becker mit allen seinen Freischaren und Volkswehren von Karlsruhe entfernt und auf den Kriegsschauplatz am Neckar geschickt wurde. Borkheim konnte mit seiner Batterie nicht folgen, bis ihm Pferde f&uuml;r seine Kanonen gestellt. Als er diese endlich erhalten - denn <A NAME="S347"><B>|347|</A></B> Herr Brentano, der Leiter der Regierung, hatte jetzt alles Interesse daran, sich die revolution&auml;re Batterie vom Halse zu schaffen -, hatten die Preu&szlig;en inzwischen die Pfalz erobert, und der erste Akt der Batterie Borkheim bestand darin, an der Knielinger Br&uuml;cke Aufstellung zu nehmen, zur Deckung des &Uuml;bertritts der Pf&auml;lzer Armee auf badisches Gebiet.</P>
<P>Mit den Pf&auml;lzern und den noch im Bereich von Karlsruhe befindlichen badischen Truppen r&uuml;ckte die Batterie Borkheim nunmehr in n&ouml;rdlicher Richtung vor. Sie kam am 21 .Juni bei Blankenloch ins Gefecht und nahm ehrenvollen Anteil am Treffen bei Ubstadt (25. Juni). Bei der Neuorganisation der Armee zur Aufstellung an der Murg wurde Borkheim mit seinen Gesch&uuml;tzen der Division Oborski zugeteilt und zeichnete sich in den K&auml;mpfen um Kuppenheim aus.</P>
<P>Nach dem R&uuml;ckzug der Revolutionsarmee auf Schweizer Gebiet ging Borkheim nach Genf. Hier fand er seinen alten Vorgesetzten und Freund J. Ph. Becker sowie einige j&uuml;ngere Kriegskameraden, die sich in der Misere des Fl&uuml;chtlingslebens zu einer m&ouml;glichst heitern Gesellschaft zusammentaten. Ich verlebte im Herbst 1849 auf der Durchreise einige lustige Tage unter ihnen. Es ist dies dieselbe Gesellschaft, die unter dem Namen "Schwefelbande" durch die kolossalen L&uuml;gen des Herrn Karl Vogt eine h&ouml;chst unverdiente postume Ber&uuml;hmtheit erlangt hat.</P>
<P>Das Vergn&uuml;gen sollte indes nicht lange dauern. Im Sommer 1850 erreichte der Arm des gestrengen Bundesrates auch die harmlose "Schwefelbande", und die meisten der fidelen jungen Herren mu&szlig;ten die Schweiz verlassen, da sie zu den auszuweisenden Kategorien der Fl&uuml;chtlinge geh&ouml;rten. Borkheim ging nach Paris, sp&auml;ter nach Stra&szlig;burg. Aber auch hier war seines Bleibens nicht. Im Februar 1851 wurde er verhaftet und auf dem Schub nach Calais zur Einschiffung nach England gebracht. Drei Monate lang wurde er so von Ort zu Ort, meist in Ketten, durch 25 verschiedene Gef&auml;ngnisse geschleppt. Aber &uuml;berall, wohin er kam, waren die Republikaner im voraus benachrichtigt, gingen dem Schubgefangenen entgegen, sorgten f&uuml;r reichliche Verpflegung, traktierten und bestachen die Gendarmen und Beamten und verschafften Fahrgelegenheit, wo es ging. So kam er endlich nach England.</P>
<P>In London fand er freilich eine weit akutere Fl&uuml;chtlingsmisere vor als in Genf oder selbst in Frankreich, aber auch hier verlie&szlig; ihn seine Elastizit&auml;t nicht. Er suchte Besch&auml;ftigung, gleichviel welche, und fand sie zun&auml;chst in einem Liverpooler Auswanderungsgesch&auml;ft, das deutsche Kommis als Dolmetscher brauchte f&uuml;r die zahlreichen, dem gl&uuml;cklich wieder zur Ruhe gebrachten alten Vaterland Lebewohl sagenden deutschen Auswandrer. <A NAME="S348"><B>|348|</A></B> Nebenbei sah er sich aber nach andern Gesch&auml;ftsverbindungen um, und zwar mit solchem Erfolg, da&szlig; es ihm nach Ausbruch des Krimkriegs gelang, ein Dampfschiff mit allerlei Waren nach Balaklawa zu befrachten und die Ladung dort teils an die Armeeverwaltung, teils an die englischen Offiziere zu unerh&ouml;rten Preisen abzusetzen. Als er zur&uuml;ckkam, war er im Besitz eines Reingewinns von 15.000 Pfd.St. (300.000 Mark). Aber dieser Erfolg stachelte ihn nur zu weiteren Spekulationen an. Er lie&szlig; sich auf eine neue Submissionslieferung mit der englischen Regierung ein. Da indes schon Friedensverhandlungen im Gang waren, setzte die Regierung die Bedingung in den Vertrag, da&szlig; sie die Abnahme der Waren verweigern k&ouml;nne, falls bei Ankunft die Friedenspr&auml;liminarien abgeschlossen. Borkheim ging darauf ein. Als er mit seinem Dampfschiff im Bosporus ankam, war der Friede da. Der Kapit&auml;n des nur f&uuml;r die Hinreise gemieteten Schiffs, der nunmehr lohnende R&uuml;ckfracht in Menge erhalten konnte, verlangte sofortige Ausladung, und da Borkheim nirgendwo im vollgepfropften Hafen Unterkunft f&uuml;r die ihm zur Verf&uuml;gung gelassene Ladung finden konnte, lud der Kapit&auml;n alles an der ersten besten Stelle des Strandes aus. Da sa&szlig; nun Borkheim mit seinen nutzlosen Kisten, Ballen und F&auml;ssern, und mu&szlig;te hilflos zusehen, wie das damals aus allen Enden der T&uuml;rkei und ganz Europas am Bosporus zusammengelaufene Gesindel seine Waren pl&uuml;nderte. Als er nach England zur&uuml;ckkam, war er wieder der alte arme Teufel - die f&uuml;nfzehntausend Pfund waren alle dahin. Nicht aber seine unverw&uuml;stliche Elastizit&auml;t. Er hatte sein Geld verspekuliert, aber Gesch&auml;ftskenntnisse gewonnen und Bekanntschaften in der Gesch&auml;ftswelt. Er entdeckte nun auch, da&szlig; er eine &auml;u&szlig;erst feine Weinzunge hatte und wurde erfolgreicher Vertreter verschiedener Exporth&auml;user von Bordeaux.</P>
<P>Daneben aber blieb er soviel er konnte in der politischen Bewegung. Liebknecht kannte er von Karlsruhe und Genf her. Mit Marx kam er durch den <A HREF="../me14/me14_389.htm#S390">Vogtskandal</A> in Verbindung, und dadurch fand ich mich auch wieder mit ihm zusammen. Ohne sich an ein bestimmtes Programm zu binden, hielt Borkheim es stets mit der Partei der extremsten Revolution. Seine vorwiegende politische Besch&auml;ftigung war die Bek&auml;mpfung des gro&szlig;en R&uuml;ckhalts der europ&auml;ischen Reaktion, des russischen Absolutismus. Um die russischen Intrigen zur Unterjochung der Balkanl&auml;nder und zur indirekten Beherrschung von Westeuropa besser verfolgen zu k&ouml;nnen, lernte er Russisch und studierte jahrelang die russische Tagespresse und Emigrationsliteratur. Unter anderm &uuml;bersetzte er die Brosch&uuml;re Serno-Solowjewitschs: "Unsere Russischen Angelegenheiten", worin die durch Herzen aufgebrachte (und sp&auml;ter durch Bakunin fortgef&uuml;hrte) Heuchelei gegei&szlig;elt <A NAME="S349"><B>|349|</A></B> wurde, derzufolge die russischen Fl&uuml;chtlinge in Westeuropa &uuml;ber Ru&szlig;land nicht die ihnen bekannte Wahrheit, sondern eine konventionelle, in ihren nationalen und panslawistischen Kram passende Legende verbreiteten. Ebenso schrieb er viele Aufs&auml;tze &uuml;ber Ru&szlig;land in die Berliner "Zukunft", den "Volksstaat" usw.</P>
<P>Im Sommer 1876, auf einer Reise in Deutschland, traf ihn in Badenweiler ein Schlagflu&szlig;, der ihn f&uuml;r den ganzen Rest seines Lebens auf der ganzen linken K&ouml;rperh&auml;lfte lahmte. Er mu&szlig;te sein Gesch&auml;ft aufgeben. Einige Jahre darauf starb seine Frau. Da er brustleidend war, mu&szlig;te er nach Hastings &uuml;bersiedeln, in die milde Seeluft der englischen S&uuml;dk&uuml;ste. Weder L&auml;hmung noch Krankheit, noch knappe, keineswegs immer gesicherte Existenzmittel konnten seine unverw&uuml;stliche geistige Spannkraft brechen. Seine Briefe waren immer von fast &uuml;berm&uuml;tiger Heiterkeit, und wenn man ihn besuchte, mu&szlig;te man ihm lachen helfen. Seine Lieblingslekt&uuml;re war der Z&uuml;rcher "Sozialdemokrat". Von einer Lungenentz&uuml;ndung ergriffen, starb er am 16. Dezember 1885.</P>
<P ALIGN="CENTER"><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD></P>
<P>Die "Mordspatrioten" erschienen gleich nach dem franz&ouml;sischen Krieg im "Volksstaat" und bald darauf im Separatabdruck. Sie bewiesen sich als ein h&ouml;chst wirksames Gegengift gegen den &uuml;berpatriotischen Siegesrausch, worin das offizielle und b&uuml;rgerliche Deutschland schwelgte und noch schwelgt. In der Tat gab es kein besseres Ern&uuml;chterungsmittel als die R&uuml;ckerinnerung an die Zeit, wo das jetzt in den Himmel erhobene Preu&szlig;en vor dem Angriff derselben Franzosen, die man jetzt als Besiegte verachtet, schimpflich und schm&auml;hlich zusammenbrach. Und dies Mittel mu&szlig;te um so kr&auml;ftiger wirken, wenn die Erz&auml;hlung der fatalen Tatsachen einem Buche entnommen werden konnte, worin ein preu&szlig;ischer General |Eduard von H&ouml;pfner|, obendrein Direktor der allgemeinen Kriegsschule, die Zeit der Schmach nach offiziellen preu&szlig;ischen Aktenst&uuml;cken - und man mu&szlig; es anerkennen, unparteiisch und ungeschminkt - geschildert hatte. Eine gro&szlig;e Armee, wie jede andre gro&szlig;e gesellschaftliche Organisation, ist nie besser, als wenn sie nach einer gro&szlig;en Niederlage in sich geht und Bu&szlig;e tut f&uuml;r ihre vergangenen S&uuml;nden. So ging es den Preu&szlig;en nach Jena, so nochmals nach 1850, wo sie zwar keine gro&szlig;e Niederlage erlitten, wo aber doch ihr g&auml;nzlicher milit&auml;rischer Verfall ihnen selbst und der Welt in einer Reihe kleinerer Feldz&uuml;ge - in D&auml;nemark und in S&uuml;ddeutschland - und bei der ersten gro&szlig;en Mobilmachung von <A NAME="S350"><B>|350|</A></B> 1850 handgreiflich klar gemacht, und wo sie selbst einer wirklichen Niederlage nur entgangen waren durch die politische Schmach von Warschau und Olm&uuml;tz. Sie waren gezwungen, ihre eigene Vergangenheit einer schonungslosen Kritik zu unterwerfen, um das Bessermachen zu lernen. Ihre milit&auml;rische Literatur, die in Clausewitz einen Stern erster Gr&ouml;&szlig;e hervorgebracht, seitdem aber unendlich tief gesunken war, hob sich wieder unter dieser Unumg&auml;nglichkeit der Selbstpr&uuml;fung. Und eine der Fr&uuml;chte dieser Selbstpr&uuml;fung war das H&ouml;pfnersche Buch, aus dem Borkheim das Material zu seiner Brosch&uuml;re nahm.</P>
<P>Auch jetzt noch wird es n&ouml;tig sein, immer wieder an jene Zeit der &Uuml;berhebung und der Niederlagen, der k&ouml;niglichen Unf&auml;higkeit, der diplomatischen, in ihrer eigenen Doppelz&uuml;ngigkeit gefangenen preu&szlig;ischen Dummschlauheit, der sich in feigstem Verrat bew&auml;hrenden Gro&szlig;m&auml;uligkeit des Offiziersadels, des allgemeinen Zusammenbruchs eines dem Volk entfremdeten, auf Lug und Trug begr&uuml;ndeten Staatswesens zu erinnern. Der deutsche Spie&szlig;b&uuml;rger (wozu auch Adel und F&uuml;rsten geh&ouml;ren) ist wom&ouml;glich noch aufgeblasener und chauvinistischer als damals; die diplomatische Aktion ist bedeutend frecher geworden, aber sie hat noch die alte Doppelz&uuml;ngigkeit; der Offiziersadel hat sich auf nat&uuml;rlichem wie k&uuml;nstlichem Weg hinreichend vermehrt, um so ziemlich wieder die alte Herrschaft in der Armee auszu&uuml;ben, und der Staat entfremdet sich mehr und mehr den Interessen der gro&szlig;en Volksmassen, um sich in ein Konsortium von Agrariern, B&ouml;rsenleuten und Gro&szlig;industriellen zu verwandeln, zur Ausbeutung des Volks. Allerdings, sollte es wieder zum Kriege kommen, so wird die preu&szlig;isch-deutsche Armee, schon weil sie allen andern Organisationsvorbild war, bedeutende Vorteile haben vor ihren Gegnern wie vor ihren Verb&uuml;ndeten. Aber nie wieder solche, wie in den letzten zwei Kriegen. Die Einheit des Oberbefehls z.B., wie sie damals, dank besonderen Gl&uuml;cksumst&auml;nden, bestand, und der entsprechende unbedingte Gehorsam der Unterfeldherrn werden schwerlich so wieder zu haben sein. Die gesch&auml;ftliche Gevatterschaft, die jetzt zwischen dem agrarischen und milit&auml;rischen Adel - bis in die kaiserliche Adjutantur hinein - und den B&ouml;rsenjobbern herrscht, kann der Verpflegung der Armee im Felde leicht verh&auml;ngnisvoll werden. Deutschland wird Verb&uuml;ndete haben, aber Deutschland wird seine Verb&uuml;ndeten und diese werden Deutschland bei erster Gelegenheit im Stich lassen. Und endlich ist kein andrer Krieg f&uuml;r Preu&szlig;en-Deutschland mehr m&ouml;glich als ein Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg von einer bisher nie geahnten Ausdehnung und Heftigkeit. Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abw&uuml;rgen und dabei ganz Europa so kahlfressen, <A NAME="S351"><B>|351|</A></B> wie noch nie ein Heuschreckenschwarm. Die Verw&uuml;stungen des Drei&szlig;igj&auml;hrigen Kriegs zusammengedr&auml;ngt in drei bis vier Jahre und &uuml;ber den ganzen Kontinent verbreitet; Hungersnot, Seuchen, allgemeine, durch akute Not hervorgerufene Verwilderung der Heere wie der Volksmassen; rettungslose Verwirrung unsres k&uuml;nstlichen Getriebs in Handel, Industrie und Kredit, endend im allgemeinen Bankerott; Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit, derart, da&szlig; die Kronen zu Dutzenden &uuml;ber das Stra&szlig;enpflaster rollen und niemand sich findet, der sie aufhebt; absolute Unm&ouml;glichkeit, vorherzusehn, wie das alles enden und wer als Sieger aus dem Kampf hervorgehen wird; nur ein Resultat absolut sicher: die allgemeine Ersch&ouml;pfung und die Herstellung der Bedingungen des schlie&szlig;lichen Siegs der Arbeiterklasse. - Das ist die Aussicht, wenn das auf die Spitze getriebene System der gegenseitigen &Uuml;berbietung in Kriegsr&uuml;stungen endlich seine unvermeidlichen Fr&uuml;chte tr&auml;gt. Das ist es, meine Herren F&uuml;rsten und Staatsm&auml;nner, wohin Sie in Ihrer Weisheit das alte Europa gebracht haben. Und wenn Ihnen nichts andres mehr &uuml;brigbleibt, als den letzten gro&szlig;en Kriegstanz zu beginnen -, uns kann es recht sein. Der Krieg mag uns vielleicht momentan in den Hintergrund dr&auml;ngen, mag uns manche schon eroberte Position entrei&szlig;en. Aber wenn Sie die M&auml;chte entfesselt haben, die Sie dann nicht wieder werden b&auml;ndigen k&ouml;nnen, so mag es gehn wie es will: am Schlu&szlig; der Trag&ouml;die sind Sie ruiniert und ist der Sieg des Proletariats entweder schon errungen oder doch unvermeidlich.</P>
<P>London, 15. Dezember 1887</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Friedrich Engels</P></I>
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