940 lines
64 KiB
HTML
940 lines
64 KiB
HTML
<!doctype html public "-//w3c//dtd html 4.0 transitional//en">
|
|
<html>
|
|
<head>
|
|
<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=iso-8859-1">
|
|
<meta name="GENERATOR" content="Mozilla/4.61 [de] (OS/2; I) [Netscape]">
|
|
<title>Leo Trotzki: Gegen den Nationalkommunismus. Lehren des »Roten« Volksentscheids</title>
|
|
<link rel=stylesheet type="text/css" href="http://www.mlwerke.de/css/artikel.css">
|
|
</head>
|
|
<body bgcolor="#FFFFE0">
|
|
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
|
|
<TR>
|
|
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../../index.shtml.html"><SMALL>Gesamtübersicht "MLWerke"</SMALL></A></TD>
|
|
<TD ALIGN="center">|</TD>
|
|
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../default.htm"><SMALL>Leo Trotzki</SMALL></A></TD>
|
|
</TR>
|
|
</TABLE>
|
|
<HR size="1">
|
|
|
|
<h2>Leo Trotzki </h2>
|
|
|
|
<h1>
|
|
Gegen den Nationalkommunismus<br>
|
|
Lehren des »Roten« Volksentscheids </h1>
|
|
|
|
25. August 1931
|
|
|
|
<hr SIZE=1>
|
|
<p> <i>Redaktionelle Vorbemerkung:</i>
|
|
<BR> Am 9. August 1931 fand ein Volksentscheid zur Auflösung des preußischen
|
|
Landtags mit seiner SPD-Regierung statt. Der Volksentscheid wurde initiiert vom »Stahlhelm« ('Bund der Frontsoldaten', mit Nazis und DNVP Teil der »Harzburger Front« der »Nationalen Opposition«),
|
|
von der NSDAP, der DNVP, der DVP und schließlich auch
|
|
von der KPD unterstützt. Der Volksentscheid scheiterte mit nur 36,8%
|
|
Fürstimmen. Zur Begründung der Unterstützung seitens der KPD siehe die Rede von Ernst Thälmann vom 24.7.1931 in Berlin, abgedruckt in »Die Rote Fahne« vom 26.7.1931 und in Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze 1930-1933, Köln 1975, Band 1, S. 279-287.
|
|
|
|
<hr SIZE=1>
|
|
<p> Wenn diese Zeilen die Leser erreichen,
|
|
werden bestimmte Passagen vielleicht veraltet sein. Dank der Bemühungen
|
|
des Stalinschen Apparats, die von allen bürgerlichen Regierungen freundschaftlich
|
|
unterstützt werden, lebt der Autor unter Bedingungen, die es ihm nicht
|
|
ermöglichen, auf politische Ereignisse anders als mit einer Verspätung
|
|
von einigen Wochen zu reagieren. Es muß hinzugefügt werden,
|
|
daß er gezwungen ist, sich auf unvollständige Informationen
|
|
zu stützen. Der Leser muß das in Rechnung stellen. Aber auch
|
|
aus einer wenig günstigen Lage muß man versuchen, einigen Vorteil
|
|
zu ziehen. Der Möglichkeit beraubt, auf die Ereignisse in all ihrer
|
|
Konkretheit Tag für Tag zu reagieren, ist der Autor gezwungen, seine
|
|
Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Punkte und die Kernfragen zu konzentrieren.
|
|
Darin liegt die Rechtfertigung dieser Arbeit.
|
|
<h4>
|
|
Wie alles auf den Kopf gestellt wird </h4>
|
|
<p> Die Fehler der deutschen Kommunistischen
|
|
Partei in der Frage des Volksentscheids gehören zu jenen Fehlern,
|
|
die immer deutlicher als Fehler kenntlich werden und schließlich
|
|
in die Lehrbücher der revolutionären Strategie als Exempel dafür
|
|
eingehen, was man nicht tun darf.
|
|
<p> An dem Verhalten des Zentralkomitees
|
|
der deutschen Kommunistischen Partei ist alles fehlerhaft: Falsch ist die
|
|
Einschätzung der Situation, falsch wird das nächste Ziel gestellt,
|
|
falsch sind die Mittel, die gewählt werden, es zu erreichen. Außerdem
|
|
hat es die Parteiführung verstanden, alle »Prinzipien« auf den Kopf
|
|
zu stellen, die sie während der letzten Jahre verteidigt hat.
|
|
<p> Am 21. Juli wandte sich das Zentralkomitee
|
|
mit demokratischen und sozialen Forderungen an die preußische Regierung
|
|
und drohte für den Fall, daß sie nicht befriedigt würden,
|
|
die Unterstützung des Volksentscheids an. Indem sie diese Forderungen
|
|
vorschob, machte die stalinistische Bürokratie faktisch der Führungsspitze
|
|
der sozialdemokratischen Partei den Vorschlag, unter bestimmten Bedingungen
|
|
eine Einheitsfront gegen den Faschismus zu bilden. Nachdem die Sozialdemokratie
|
|
diese Bedingungen abgelehnt hatte, bildeten die Stalinisten eine Einheitsfront
|
|
mit den Faschisten gegen die Sozialdemokratie. Demnach wird die Politik
|
|
der Einheitsfront nicht nur von »unten«, sondern auch von »oben« verfolgt.
|
|
Mithin ist es Thälmann erlaubt, sich an Braun und Severing mit einem
|
|
»Offenen Brief« zu wenden, der die gemeinsame Verteidigung der Demokratie
|
|
und der Sozialgesetzgebung gegen Hitlers Banden vorschlägt. So zerstörten
|
|
diese Leute - ohne es zu merken - ihre ganze Metaphysik der Einheitsfront
|
|
»nur von unten« durch den untauglichsten und skandalösen
|
|
Versuch einer Einheitsfront »nur von oben«, überraschend
|
|
für die Massen und gegen den Willen der Massen.
|
|
<p> Ist die Sozialdemokratie nur eine
|
|
Abart des Faschismus, wie kann man den Sozialfaschisten dann ein offizielles
|
|
Angebot zur gemeinsamen Verteidigung der Demokratie machen? Als sie Kurs
|
|
auf den Volksentscheid nahm, hat die Parteibürokratie den Nationalsozialisten
|
|
keinerlei Bedingungen gestellt. Weshalb? Wenn Sozialdemokraten und Nationalsozialisten
|
|
nur verschiedene Schattierungen von Faschismus darstellen, warum kann man
|
|
dann den Sozialdemokraten Bedingungen stellen und den Faschisten nicht?
|
|
Vielleicht, weil zwischen den beiden »Abarten« gewisse qualitative
|
|
Unterschiede in bezug auf die soziale Basis und die Methoden des Massenbetrugs
|
|
bestehen? Aber dann soll man doch nicht die einen wie die anderen Faschisten
|
|
nennen! Begriffe dienen in der Politik zur Unterscheidung der Dinge, nicht
|
|
dazu, alles in einen Topf zu werfen.
|
|
<p> Kann man aber sagen, daß Thälmann
|
|
mit Hitler eine Einheitsfront gebildet hat? Die kommunistische Bürokratie
|
|
bezeichnete Thälmanns Volksentscheid als den »roten« im
|
|
Unterschied zu Hitlers schwarzem oder braunem Volksentscheid. Es steht
|
|
völlig außer Zweifel, daß es sich um zwei Parteien handelt,
|
|
die einander als Todfeinde gegenüberstehen, und alle Lügen der
|
|
Sozialdemokratie werden die Arbeiter das nicht vergessen machen. Aber es
|
|
ist eine Tatsache: in einer bestimmten Kampagne hat die stalinistische
|
|
Bürokratie die revolutionären Arbeiter in eine Einheitsfront
|
|
mit den Nationalsozialisten gegen die Sozialdemokratie hineingezogen. Hätte
|
|
wenigstens die Möglichkeit bestanden, auf den Stimmzetteln die Parteizugehörigkeit
|
|
der Abstimmenden zu vermerken, so hätte man den Volksentscheid wenigstens
|
|
damit rechtfertigen können (was in diesem Fall politisch völlig
|
|
unzureichend gewesen wäre), daß es so möglich sei, die
|
|
eigenen Kräfte abzuschätzen und sie gleichzeitig vom Faschismus
|
|
abzugrenzen. Doch die bürgerliche »Demokratie« hat in Weimar keine
|
|
Vorsorge dafür getroffen, das Recht der Teilnehmer am Volksentscheid,
|
|
ihre Parteizugehörigkeit zu vermerken, zu sichern. Alle Abstimmenden
|
|
verschmelzen ununterscheidbar zu einer Masse, die auf eine bestimmte Frage
|
|
die gleiche Antwort gibt. <I>Im Rahmen dieser Frage</i> ist die Einheitsfront
|
|
mit den Faschisten eine unbestreitbare Tatsache.
|
|
<p> So wurde von einem Tag auf den andern
|
|
alles auf den Kopf gestellt.
|
|
<h4>
|
|
»Einheitsfront« - aber mit wem? </h4>
|
|
<p> Welches politische Ziel verfolgte die
|
|
Führung der KP mit ihrer Schwenkung? Je mehr offizielle Dokumente
|
|
und Reden der Führer man liest, desto weniger begreift man es. Man
|
|
sagt uns, die preußische Regierung bahne dem Faschismus den Weg.
|
|
Das ist völlig richtig. Die Regierung Brüning, fügen die
|
|
Führer der KPD hinzu, faschisieren die Republik und haben dabei schon
|
|
ein gutes Stück Arbeit geleistet. Völlig richtig, sagen wir darauf.
|
|
Aber ohne Braun in Preußen kann sich Brüning im Reich nicht
|
|
halten, sagen uns die Stalinisten. Auch das ist richtig, erwidern wir.
|
|
Bis zu diesem Punkt sind wir ganz einer Meinung. Aber welche politischen
|
|
Konsequenzen ergeben sich daraus? Wir haben nicht die geringste Veranlassung,
|
|
die Regierung Braun zu stützen, auch nur einen Schatten von Verantwortung
|
|
für sie vor den Massen zu übernehmen, oder unseren politischen
|
|
Kampf gegen die Regierung Brüning und ihre preußische Agentur
|
|
um ein Jota abzuschwächen. Aber noch viel weniger Anlaß haben
|
|
wir, den Faschisten dabei zu helfen, sich an die Stelle von Brüning
|
|
und Braun zu setzen. Denn wenn wir zu Recht die Sozialdemokratie anklagen,
|
|
dem Faschismus den Weg bereitet zu haben, so kann unsere Aufgabe am allerwenigsten
|
|
darin bestehen, dem Faschismus diesen Weg abzukürzen.
|
|
<p> Der Brief des Zentralkomitees der
|
|
KPD an alle Zellen vom 27. Juli enthüllt besonders unbarmherzig die
|
|
Unzulänglichkeit der Leitung, da es sich um ein Produkt kollektiver
|
|
Untersuchung der Frage handelt. Abgesehen von der Verwirrung und den Widersprüchen
|
|
besteht die wesentliche Aussage des Briefes in der Behauptung, es gebe
|
|
letzten Endes keinerlei Unterschied zwischen Sozialdemokratie und Faschisten,
|
|
keinerlei Unterschied also zwischen dem Feind, der die Arbeiter unter Ausnutzung
|
|
ihrer Langmut betrügt und verrät, und jenem, der sie einfach
|
|
abschlachten will. Die Autoren des Offenen Briefes sehen die Unsinnigkeit
|
|
einer derartigen Identifizierung, machen plötzlich eine Wendung und
|
|
präsentieren den roten Volksentscheid als »entschiedene Anwendung
|
|
der Einheitsfrontpolitik von unten (!) in bezug auf die sozialdemokratischen,
|
|
christlichen und parteilosen Arbeiter«. Wieso die Beteiligung am
|
|
Volksentscheid, Seite an Seite mit den Faschisten gegen Sozialdemokratie
|
|
und Zentrum, eine Anwendung der Einheitsfrontpolitik gegenüber den
|
|
sozialdemokratischen und christlichen Arbeitern sein soll, - das wird keinem
|
|
Arbeiter in den Kopf gehen. Es handelt sich offenbar um jene sozialdemokratischen
|
|
Arbeiter, die sich von ihrer Partei getrennt haben und am Volksentscheid
|
|
teilnahmen. Wieviele sind das? Unter Einheitsfrontpolitik ist jedenfalls
|
|
eine gemeinsame Aktion nicht mit jenen Arbeitern, die der Sozialdemokratie
|
|
den Rücken gekehrt haben, zu verstehen, sondern mit denen, die in
|
|
ihren Reihen bleiben. Unglücklicherweise gibt es davon noch sehr viele.
|
|
<h4>
|
|
Die Frage des Kräfteverhältnisses </h4>
|
|
<p> Der einzige Satz in der Thälmann-Rede
|
|
vom 24. Juli, der wie eine ernsthafte Rechtfertigung der Schwenkung aussieht,
|
|
lautet:
|
|
<p> »Darum stellt der rote Volksentscheid
|
|
unter Ausnutzung der Möglichkeiten einer legalen parlamentarischen
|
|
Massenaktion einen Schritt vorwärts in der außerparlamentarischen
|
|
Massenmobilisierung dar«.
|
|
<p> Wenn diese Worte irgendeinen Sinn
|
|
haben, so heißt das: Wir nehmen die parlamentarische Abstimmung zum
|
|
Ausgangspunkt für unsere revolutionäre Offensive, um auf legalem
|
|
Wege die Regierung der Sozialdemokratie und der mit ihr verbündeten
|
|
Parteien der Mitte zu stürzen und später durch den revolutionären
|
|
Druck der Massen den Faschismus zu stürzen, der der Erbe der Sozialdemokratie
|
|
werden möchte. Mit anderen Worten: der preußische Volksentscheid
|
|
ist nur das Sprungbrett für einen revolutionären Sprung. Ja -
|
|
als Sprungbrett wäre der Volksentscheid vollauf gerechtfertigt. Ob
|
|
neben den Kommunisten auch Faschisten abstimmen oder nicht, würde
|
|
jede Bedeutung verlieren in dem Augenblick, wo das Proletariat durch seinen
|
|
Vorstoß die Faschisten niederwirft und die Macht in seine Hände
|
|
nimmt. Als Sprungbrett kann man jedes Brett benutzen, auch das des Volksentscheids.
|
|
<i>Man muß nur die Möglichkeit haben, den Sprung tatsächlich
|
|
zu machen, nicht in Worten, sondern in Wirklichkeit.</i> Das Problem ist also
|
|
das Kräfteverhältnis. Auf die Straße gehen mit der Losung
|
|
»Nieder mit der Brüning-Braun-Regierung!«, wenn - aufgrund des Kräfteverhältnisses
|
|
- diese Regierung nur durch eine Regierung Hitler-Hugenberg ersetzt werden
|
|
kann, ist reines Abenteurertum. Die gleiche Parole bekommt jedoch einen
|
|
völlig anderen Sinn, wenn sie zur Einleitung des unmittelbaren Kampfes
|
|
des Proletariats um die Macht wird. Im ersten Falle müßten die
|
|
Kommunisten den Massen als Helfershelfer der Reaktion erscheinen; im anderen
|
|
würde die Frage, wie die Faschisten gestimmt haben, bevor sie vom
|
|
Proletariat zerschmettert wurden, alle politische Bedeutung verlieren.
|
|
<p> Wir betrachten also die Frage der
|
|
gemeinsamen Abstimmung mit den Faschisten nicht unter dem Gesichtspunkt
|
|
irgendeines abstrakten Prinzips, sondern unter dem Aspekt des Kampfes der
|
|
wirklichen Klassen um die Macht und des Kräfteverhältnisses im
|
|
jetzigen Stadium dieses Kampfes.
|
|
<h4>
|
|
Ein Blick auf die russische Erfahrung </h4>
|
|
<p> Man kann sicher sein, daß im
|
|
Augenblick des proletarischen Aufstands der Unterschied zwischen der sozialdemokratischen
|
|
Bürokratie und den Faschisten minimal sein wird, wenn nicht gleich
|
|
Null. In den Oktobertagen haben die russischen Menschewisten und die Sozialrevolutionäre
|
|
Hand in Hand mit den Kadetten, den Kornilow-Anhängern und den Monarchisten
|
|
gegen das Proletariat gekämpft. Die Bolschewiki gingen im Oktober
|
|
aus dem Vorparlament auf die Straße, um die Massen zum bewaffneten
|
|
Aufstand aufzurufen. Wenn damals irgendeine Gruppe von Monarchisten gleichzeitig
|
|
mit den Bolschewiki das Vorparlament verlassen hätte, so hätte
|
|
das keinerlei politische Bedeutung gehabt, weil die Monarchisten zusammen
|
|
mit den Demokraten gestürzt wurden.
|
|
<p> Zum Oktoberaufstand ist die Partei
|
|
aber über eine Reihe von Stufen gekommen. Während der Aprildemonstration
|
|
1917 hatte ein Teil der Bolschewiki die Losung »Nieder mit der provisorischen
|
|
Regierung!« aufgestellt. Das Zentralkomitee wies die Ultralinken sofort
|
|
zurecht: Wir müssen die Notwendigkeit propagieren, die Provisorische
|
|
Regierung zu stürzen; aber wir können die Massen noch nicht unter
|
|
dieser Parole auf die Straße rufen, weil wir noch eine Minderheit
|
|
in der Arbeiterklasse sind. Würden wir unter diesen Bedingungen tatsächlich
|
|
die Provisorische Regierung stürzen, könnten wir sie nicht ablösen
|
|
und würden folglich der Konterrevolution helfen. Man muß die
|
|
Massen geduldig über den volksfeindlichen Charakter dieser Regierung
|
|
aufklären, ehe die Stunde für ihren Sturz kommt. Das war die
|
|
Position der Partei.
|
|
<p> In der folgenden Periode war die
|
|
Parole der Partei: »Nieder mit den Minister-Kapitalisten!«
|
|
Das war die Forderung an die Sozialdemokraten, die Koalition mit der Bourgeoisie
|
|
zu brechen. Im Juli leiteten wir die Demonstration der Arbeiter und Soldaten
|
|
unter der Losung »Alle Macht den Räten!«, und das hieß
|
|
in jenem Augenblick: Alle Macht den Menschewiki und Sozialrevolutionären!
|
|
Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre aber haben uns dann gemeinsam
|
|
mit den Weißgardisten niedergeschlagen.
|
|
<p> Zwei Monate später erhob sich
|
|
Kornilow gegen die Provisorische Regierung. Im Kampf gegen Kornilow bezogen
|
|
die Bolschewiki unverzüglich die vordersten Positionen. Lenin war
|
|
in diesem Augenblick in der Illegalität. Tausende von Bolschewisten
|
|
saßen in den Gefängnissen. Arbeiter, Soldaten und Matrosen forderten
|
|
die Befreiung ihrer Führer und der Bolschewiki überhaupt. Die
|
|
Provisorische Regierung lehnte das ab. Hätte nun nicht das bolschewistische
|
|
Zentralkomitee der Kerenski-Regierung ein Ultimatum stellen sollen: Sofortige
|
|
Freilassung der Bolschewiki und Zurücknahme der niederträchtigen
|
|
Beschuldigung, sie stünden im Dienst der Hohenzollern, und - im Falle
|
|
der Weigerung Kerenskis - die Weigerung der Bolschewiki, gegen Kornilow
|
|
zu kämpfen? So hätte sicherlich das Zentralkomitee Thälmann-Remmele-Neumann
|
|
gehandelt, nicht aber das bolschewistische Zentralkomitee. Lenin schrieb
|
|
damals:
|
|
<p> »Es wäre der größte
|
|
Irrtum zu glauben, das revolutionäre Proletariat könnte, sozusagen
|
|
um sich an den Sozialrevolutionären und Menschewiki für deren
|
|
Mithilfe bei der Niederschlagung der Bolschewiki, bei den Erschießungen
|
|
an der Front und bei der Entwaffnung der Arbeiter zu 'rächen', es
|
|
'ablehnen', sie gegen die Konterrevolution zu unterstützen. Die Frage
|
|
so stellen, würde erstens bedeuten, spießbürgerliche Moralbegriffe
|
|
auf das Proletariat übertragen (denn <i>wenn es der Sache nützt,</i> wird
|
|
das Proletariat stets nicht nur das schwankende Kleinbürgertum, sondern
|
|
auch die Großbourgeoisie unterstützen); zweitens wäre es,
|
|
und das ist das Wichtigste, ein spießbürgerlicher Versuch, den
|
|
politischen Kern der Sache durch 'Moralisieren' zu verschleiern.«
|
|
<p> Hätten wir im August Kornilow
|
|
keinen Widerstand geleistet und ihm dadurch den Sieg ermöglicht, so
|
|
hätte er zuallererst die Blüte der Arbeiterklasse ausgerottet
|
|
und uns damit gehindert, zwei Monate später den Sieg über die
|
|
Versöhnler zu erringen, und sie nicht nur verbal, sondern wirklich
|
|
für ihre historischen Verbrechen zu bestrafen.
|
|
<p> Thälmann und Co. arbeiten mit
|
|
»spießbürgerlichen Moralbegriffen« wenn sie zur Rechtfertigung
|
|
ihrer Schwenkung die zahllosen Schandtaten der sozialdemokratischen Führer
|
|
aufzählen!
|
|
<h4>
|
|
Mit gelöschten Lichtern </h4>
|
|
<p> Historische Analogien sind nur Analogien.
|
|
Von einer Identität der Umstände und der Aufgaben kann keine
|
|
Rede sein. Doch in der Sprache der Analogien können wir fragen: Stand
|
|
in Deutschland im Augenblick des Volksentscheids die Frage der Verteidigung
|
|
gegen Kornilow auf der Tagesordnung oder stand man tatsächlich am
|
|
Vorabend des Umsturzes des ganzen bürgerlichen Regimes durch das Proletariat?
|
|
Diese Frage wird nicht durch abstrakte Prinzipien oder polemische Formeln
|
|
entschieden, sondern durch das Kräfteverhältnis. Wie genau und
|
|
gewissenhaft haben die Bolschewiki in jeder Phase der Revolution das Kräfteverhältnis
|
|
studiert, kalkuliert und gemessen! Hat die Leitung der deutschen KP, als
|
|
sie in den Kampf ging, auch nur versucht, eine vorläufige Bilanz der
|
|
miteinander ringenden Kräfte zu ziehen? Weder in den Artikeln noch
|
|
in den Reden finden wir eine solche Bilanz. Wie ihr Lehrer Stalin treiben
|
|
seine Berliner Schüler eine Politik mit gelöschten Lichtern.
|
|
<p> Thälmann hat seine Erwägungen
|
|
über die entscheidende Frage des Kräfteverhältnisses auf
|
|
zwei oder drei allgemeine Phrasen beschränkt. »Wir leben nicht
|
|
mehr 1923«, sagte er in seinem Referat. »Die Kommunistische
|
|
Partei von heute ist eine Partei von vielen Millionen, die rasend wächst«.
|
|
Das ist alles! Thälmann hätte nicht klarer zeigen können,
|
|
in welchem Maße ihm das Verständnis für den Unterschied
|
|
der Situationen von 1923 und 1931 abgeht! Damals fiel die Sozialdemokratie
|
|
in Stücke. Die Arbeiter, die die Reihen der Sozialdemokratie noch
|
|
nicht hatten verlassen können, richteten ihre Augen hoffnungsvoll
|
|
auf die Kommunistische Partei. Damals war der Faschismus eher eine Vogelscheuche
|
|
im Küchengarten der Bourgeoisie als eine ernste politische Realität.
|
|
Der Einfluß der Kommunistischen Partei auf Gewerkschaften und Betriebsräte
|
|
war 1923 unvergleichlich stärker als heute. Die Betriebsräte
|
|
erfüllten damals faktisch die Funktionen von Sowjets. Die sozialdemokratische
|
|
Bürokratie verlor mit jedem Tag an Terrain in den Gewerkschaften.
|
|
<p> Die Tatsache, daß die Situation
|
|
von 1923 von der opportunistischen Führung der Komintern und der KPD
|
|
nicht genutzt worden ist, lebt bis heute im Bewußtsein der Klassen
|
|
und Parteien und in ihren gegenseitigen Beziehungen fort. Die Kommunistische
|
|
Partei, sagt Thälmann, ist heute eine Partei von Millionen. Wir freuen
|
|
uns darüber und sind stolz darauf. Aber wir vergessen nicht, daß
|
|
auch die Sozialdemokratie noch immer eine Partei ist, die Millionen von
|
|
Menschen beeinflußt. Wir vergessen nicht, daß infolge der Kette
|
|
erschreckender Fehler der Epigonen in den Jahren 1923 bis 1931 die heutige
|
|
Sozialdemokratie eine viel größere Widerstandskraft bekundet
|
|
als die von 1923. Wir vergessen nicht, daß der heutige Faschismus,
|
|
der seine Kraft aus dem Verrat der Sozialdemokratie und den Fehlern der
|
|
stalinistischen Bürokratie gesogen hat, ein gewaltiges Hindernis auf
|
|
dem Wege zur Machteroberung durch das Proletariat ist. Die Kommunistische
|
|
Partei beeinflußt Millionen von Menschen. Aber wegen der früheren
|
|
Strategie der »dritten Periode«, der Periode der konzentrierten bürokratischen
|
|
Dummheit, ist die Partei heute noch sehr schwach in den Gewerkschaften
|
|
und Betriebsräten. Den Kampf um die Macht kann man nicht führen,
|
|
wenn man sich einzig auf die Stimmen des Volksentscheids stützt. Man
|
|
muß Stützpunkte in Betrieben und Werkstätten, in den Gewerkschaften
|
|
und Betriebsräten haben. Thälmann vergißt das alles und
|
|
ersetzt die Situationsanalyse durch starke Worte.
|
|
<p> Nur einer, der vom Mond gefallen
|
|
wäre, könnte behaupten, die deutsche Kommunistische Partei sei
|
|
im Juli-August 1931 stark genug gewesen, um den offenen Kampf mit der bürgerlichen
|
|
Gesellschaft - in Gestalt ihrer beiden Flügel: Sozialdemokratie und
|
|
Faschismus - aufzunehmen. Die Parteibürokratie glaubt das selbst nicht.
|
|
Wenn sie zu diesem Argument greift, so nur, weil der Volksentscheid gescheitert
|
|
ist, und weil sie folglich kein weiteres Examen zu bestehen brauchte. In
|
|
dieser Verantwortungslosigkeit, in dieser Blindheit und sinnlosen Effekthascherei
|
|
findet die abenteuerliche Hälfte der Seele des stalinistischen Zentrismus
|
|
ihren Ausdruck!
|
|
<h4>
|
|
»Volksrevolution« statt proletarischer
|
|
Revolution </h4>
|
|
<p> Der auf den ersten Blick »unerwartete«
|
|
Zickzack vom 21. Juli kam keineswegs wie ein Blitz aus heiterem Himmel,
|
|
sondern war durch den gesamten politischen Kurs der letzten Periode vorbereitet.
|
|
Daß die KPD von dem aufrichtigen und glühenden Willen geleitet
|
|
wird, den Faschismus zu besiegen, die Massen seinem Einfluß zu entreißen,
|
|
ihn niederzuwerfen und zu vernichten - daran kann natürlich keinerlei
|
|
Zweifel bestehen. Das Unglück ist, daß die stalinistische Bürokratie
|
|
mehr und mehr dazu tendiert, den Faschismus mit dessen eigenen Waffen zu
|
|
bekämpfen: sie borgt Farben von seiner politischen Palette und strengt
|
|
sich an, ihn auf der Patriotismus-Auktion zu überschreien. Das sind
|
|
nicht Methoden und Prinzipien einer Klassenpolitik, sondern die Kniffe
|
|
der kleinbürgerlichen Konkurrenz.
|
|
<p> Es ist schwer, sich eine beschämendere
|
|
prinzipielle Kapitulation vorzustellen als diejenige, die die stalinistische
|
|
Bürokratie mit ihrer Ersetzung der Losung der proletarischen Revolution
|
|
durch die der Volksrevolution vollzogen hat. Keine Spitzfindigkeiten, kein
|
|
Spiel mit Zitaten, keine historische Fälschung kann darüber betrügen,
|
|
daß es sich um einen prinzipiellen Verrat am Marxismus zum Zwecke
|
|
besserer Nachahmung der faschistischen Scharlatanerie handelt. Ich bin
|
|
gezwungen, hier zu wiederholen, was ich darüber vor einigen Monaten
|
|
geschrieben habe:
|
|
<p> »Natürlich ist jede große
|
|
Revolution eine Volksrevolution oder nationale Revolution in dem Sinne,
|
|
daß sie alle lebensfähigen und schöpferischen Kräfte
|
|
der Nation um die revolutionäre Klasse schart, die Nation um einen
|
|
neuen Kern herum organisiert. Aber das ist keine Kampfparole, sondern eine
|
|
soziologische Beschreibung der Revolution, die ihrerseits genaue und konkrete
|
|
Begriffe erfordert. »Volksrevolution« als Slogan ist eine Leerformel, Scharlatanerie;
|
|
macht man den Faschisten auf diese Art Konkurrenz, so ist der Preis, daß
|
|
man die Köpfe der Arbeiter mit Verwirrung erfüllt.
|
|
<p> Die Entwicklung der Losungen der
|
|
Komintern ist gerade in dieser Frage eindrucksvoll. Seit dem III. Weltkongreß
|
|
wurde die Losung »Klasse gegen Klasse« zum populären Ausdruck der
|
|
<i>proletarischen Einheitsfrontpolitik.</i> Das war völlig richtig: alle
|
|
Arbeiter sollten sich gegen die Bourgeoisie zusammenschließen. Daraus
|
|
wurde später ein Bündnis mit den reformistischen Bürokraten
|
|
gegen die Arbeiter (die Erfahrung des englischen Generalstreiks). Dann
|
|
mußte die Losung für das entgegengesetzte Extrem herhalten:
|
|
Keine Abkommen mit den Reformisten, »Klasse gegen Klasse«. Gerade die Losung,
|
|
die dazu dienen sollte, die sozialdemokratischen Arbeiter enger an die
|
|
kommunistischen heranzuziehen, erhielt in der »dritten Periode« die Bedeutung:
|
|
Kampf gegen die sozialdemokratischen Arbeiter wie gegen eine andere Klasse.
|
|
Nun die neue Wendung: Volksrevolution anstelle der proletarischen Revolution.
|
|
Der Faschist Strasser sagt: 95 Prozent der Bevölkerung haben Interesse
|
|
an der Revolution, folglich ist das keine Klassen-, sondern eine Volksrevolution.
|
|
Thälmann stimmt in den Chor ein. Die Arbeiter-Kommunisten müßten
|
|
dem faschistischen Arbeiter sagen: Natürlich werden 95, wenn nicht
|
|
98 Prozent der Bevölkerung vom Finanzkapital ausgebeutet. Aber diese
|
|
Ausbeutung ist hierarchisch organisiert: es gibt Ausbeuter, Nebenausbeuter,
|
|
Hilfsausbeuter usw. Nur dank dieser Hierarchie herrschen die Oberausbeuter
|
|
über die Mehrheit der Bevölkerung. Damit sich die Nation tatsächlich
|
|
um einen neuen Klassenkern reorganisieren kann, muß sie ideologisch
|
|
reorganisiert werden, und das ist nur möglich, wenn sich das Proletariat
|
|
selbst nicht im »Volk« oder in der »Nation« auflöst, sondern im Gegenteil
|
|
ein Programm seiner proletarischen Revolution entwickelt und das Kleinbürgertum
|
|
zwingt, zwischen zwei Regimen zu wählen. Die Losung der Volksrevolution
|
|
lullt das Kleinbürgertum ebenso wie die breiten Massen der Arbeiter
|
|
ein, versöhnt sie mit der bürgerlich-hierarchischen Struktur
|
|
des »Volkes« und verzögert ihre Befreiung. Unter den gegenwärtigen
|
|
Verhältnissen in Deutschland verwischt die Losung einer Volksrevolution»
|
|
die ideologische Demarkation zwischen Marxismus und Faschismus und versöhnt
|
|
Teile der Arbeiterschaft und des Kleinbürgertums mit der faschistischen
|
|
Ideologie, da sie ihnen gestattet zu glauben, daß sie keine Wahl
|
|
treffen müssen, wenn es doch in beiden Lagern um eine Volksrevolution
|
|
geht.«
|
|
<h4>
|
|
»Volksrevolution« als Mittel »nationaler
|
|
Befreiung« </h4>
|
|
<p> Ideen haben ihre Logik. Die »Volksrevolution«
|
|
wird als ein Hilfsmittel zur »nationalen Befreiung« propagiert. Diese Art
|
|
Fragestellung hat chauvinistischen Tendenzen den Weg in die Partei geöffnet.
|
|
Es ist natürlich nicht schlimm, daß sich verzweifelte Patrioten
|
|
aus dem Lager des kleinbürgerlichen Chauvinismus der Partei des Proletariats
|
|
nähern: verschiedenartigste Elemente kommen auf verschiedenen Wegen
|
|
und Pfaden zum Kommunismus. In den Reihen der weißgardistischen und
|
|
Schwarzhundert-Offiziere, die sich allem Anschein nach in den letzten Monaten
|
|
dem Kommunismus zugewandt haben, gibt es zweifellos - neben Karrieristen
|
|
und gescheiterten Abenteurern - auch aufrechte und ehrliche Elemente. Die
|
|
Partei kann selbstverständlich auch solche individuellen Metamorphosen
|
|
als Hilfsmittel zur Zersetzung des faschistischen Lagers ausnutzen. Das
|
|
Verbrechen aber, ja, das wirkliche Verbrechen der stalinistischen Bürokratie
|
|
besteht darin, daß sie sich mit diesen Elementen solidarisiert, deren
|
|
Stimme mit der der Partei identifiziert, sich weigert, ihre nationalistischen
|
|
und militaristischen Tendenzen zu entlarven, und statt dessen die durch
|
|
und durch kleinbürgerliche, reaktionär-utopische und chauvinistische
|
|
Broschüre Scheringers für ein neues Evangelium des revolutionären
|
|
Proletariats ausgibt. Dieser schäbigen Konkurrenz mit dem Faschismus
|
|
entstammt die auf den ersten Blick unerwartete Entscheidung vom 21. Juli:
|
|
Ihr habt eine Volksrevolution, wir haben auch eine; bei Euch ist die nationale
|
|
Befreiung ein höchst r Wert, bei uns ebenso; Ihr proklamiert den Krieg
|
|
gegen den westlichen Kapitalismus, wir versprechen dasselbe; bei Euch gibt
|
|
es einen Volksentscheid, auch wir machen einen, einen noch besseren, einen
|
|
durch und durch »roten« Volksentscheid.
|
|
<p> Es ist Tatsache, daß der ehemals
|
|
revolutionäre Arbeiter Thälmann heute alle möglichen Anstrengungen
|
|
macht, um nicht hinter dem Grafen Stenbock-Fermor zurückzubleiben.
|
|
Der Bericht über die Versammlung der Parteiarbeiter, in der Thälmann
|
|
die Schwenkung zum Volksentscheid proklamiert hat, wurde in 'Die Rote Fahne'
|
|
unter der prätentiösen Überschrift »Unter dem Banner
|
|
des Marxismus« veröffentlicht. Aber Thälmanns Schlußfolgerungen
|
|
gipfeln in dem Gedanken, daß »Deutschland heute ein Spielball
|
|
in den Händen der Entente ist«. Es geht also vor allem um die
|
|
»nationale Befreiung«.
|
|
<p> Aber in gewissem Sinne sind auch
|
|
Frankreich, Italien und sogar England »Spielbälle« in
|
|
den Händen der Vereinigten Staaten. Europas Abhängigkeit von
|
|
Amerika, die anläßlich des Hoover-Vorschlags abermals deutlich
|
|
geworden ist (und morgen noch schroffer und brutaler zutage treten wird),
|
|
ist für die Entwicklung der europäischen Revolution von weitaus
|
|
größerer Bedeutung als die Abhängigkeit Deutschlands von
|
|
der Entente. Darum ist (nebenbei gesagt) die Losung der Vereinigten Sowjetstaaten
|
|
von Europa - und nicht nur die isolierte Parole »Nieder mit dem Versailler
|
|
Vertrag« - die proletarische Antwort auf die Konvulsionen des europäischen
|
|
Kontinents.
|
|
<p> Aber diese Fragen sind dennoch nur
|
|
Fragen zweiter Ordnung. Unsere Politik wird nicht davon bestimmt, daß
|
|
Deutschland ein »Spielball« in Händen der Entente ist, sondern in
|
|
erster Linie dadurch, daß das gespaltene, geschwächte und erniedrigte
|
|
deutsche Proletariat ein Spielball in den Händen der deutschen Bourgeoisie
|
|
ist. »Der Hauptfeind steht im eigenen Land!«, lehrte früher
|
|
Karl Liebknecht. Habt Ihr das vergessen, Freunde? Oder taugt diese Lehre
|
|
vielleicht nicht mehr? Für Thälmann ist sie offensichtlich veraltet.
|
|
Liebknecht ist durch Scheringer ersetzt worden. Darum ist die Überschrift
|
|
»Unter dem Banner des Marxismus« eine bittere Ironie.
|
|
<h4>
|
|
Der bürokratische Zentrismus -
|
|
eine Schule der Kapitulation </h4>
|
|
<p> Vor einigen Jahren warnte die Linke
|
|
Opposition, die »echt-russische« Theorie vom Sozialismus in
|
|
einem Lande werde unweigerlich sozialpatriotische Tendenzen in den übrigen
|
|
Sektionen der Kommunistischen Internationale heraufbeschwören. Damals
|
|
schien das eine Phantasie zu sein, eine böswillige Erfindung, eine
|
|
»Verleumdung«. Aber Ideen haben nicht nur ihre Logik, sondern
|
|
auch explosive Gewalt. Die deutsche Kommunistische Partei ist vor unseren
|
|
Augen sehr rasch in die Sphäre des Sozialpatriotismus abgeglitten,
|
|
d.h. in Tendenzen und Parolen, denen die Komintern bei ihrer Gründung
|
|
Todfeindschaft geschworen hatte. Ist das erstaunlich? Nein, gesetzmäßig.
|
|
<p> Die Methode der geistigen Anpassung
|
|
an den Gegner und Klassenfeind - die zu Theorie und Psychologie des Bolschewismus
|
|
in prinzipiellem Gegensatz steht - ergibt sich organisch aus dem Wesen
|
|
des Zentrismus, aus seiner Prinzipienlosigkeit, Inkonsistenz und seiner
|
|
leeren Ideologie. So hat die Stalinsche Bürokratie einige Jahre hindurch
|
|
eine thermidorianische Politik verfolgt, um den Thermidorianern den Wind
|
|
aus den Segeln zu nehmen. Aus Furcht vor der Linken Opposition begann die
|
|
Stalinbürokratie dann, stückweise die Plattform der Linken zu
|
|
imitieren. Um die englischen Arbeiter der Macht des Tradeunionismus zu
|
|
entreißen, ersetzten die Stalinisten die marxistische Politik durch
|
|
die des Tradeunionismus. Um den chinesischen Arbeitern und Bauern zu helfen,
|
|
einen unabhängigen Weg zu finden, trieben die Stalinisten sie in die
|
|
bürgerliche Kuomintang hinein. Man könnte diese Aufzählung
|
|
ohne Ende fortsetzen. In großen wie in kleinen Fragen sehen wir stets
|
|
die gleiche Mimikry, die beständige Nachahmung der Ideen des Gegners,
|
|
den Versuch, den Feind nicht mit eigenen Waffen zu schlagen - die man leider
|
|
nicht besitzt -, sondern mit aus dem Arsenal des Feindes gestohlenen.
|
|
<p> Das gegenwärtige Parteiregime
|
|
arbeitet im gleichen Sinne. Wir haben mehr als einmal gesagt und geschrieben,
|
|
daß die Autokratie des Apparats unvermeidlich die führende Schicht
|
|
der Komintern demoralisiert, indem sie die fortgeschrittenen Arbeiter erniedrigt
|
|
und unselbständig macht, revolutionäre Charaktere zermürbt
|
|
und verdirbt und die proletarische Avantgarde dem Feind gegenüber
|
|
schwächt. Wer vor jedem Ukas von oben servil den Kopf beugt, ist als
|
|
revolutionärer Kämpfer unbrauchbar.
|
|
<p> Die zentristischen Bürokraten
|
|
waren Sinowjewisten unter Sinowjew, Bucharinisten unter Bucharin, Stalinisten
|
|
und Molotowanhänger, als deren Zeit gekommen war. Sie haben ihr Haupt
|
|
sogar vor Manuilski, Kuusinen und Losowski gebeugt. Sie haben in jeder
|
|
Phase die Parolen, den Tonfall und die Grimassen des »Chefs«
|
|
des Tages nachgemacht, sagten sich auf Kommando von dem los, dem sie gestern
|
|
Treue geschworen hatten, und pfiffen - zwei Finger im Munde - den in Ungnade
|
|
gefallenen Chef aus, den sie gestern noch in den Himmel gehoben hatten.
|
|
In diesem verhängnisvollen Regime wird die revolutionäre Männlichkeit
|
|
kastriert, das theoretische Bewußtsein leer, das Rückgrat biegsam.
|
|
Nur Bürokraten, die die Schule Sinowjew Stalins durchlaufen haben,
|
|
konnten mit solcher Leichtigkeit die Volksrevolution anstelle der proletarischen
|
|
setzen und, nachdem sie die Bolschewiki-Leninisten für Renegaten erklärt
|
|
hatten, Chauvinisten vom Typus Scheringer auf ihre Schultern heben.
|
|
<h4>
|
|
»Revolutionärer Krieg« und Pazifismus </h4>
|
|
<p> Scheringer, Stenbock-Fermor und ihresgleichen
|
|
betrachten die Sache der Kommunistischen Partei großzügig als
|
|
unmittelbare Fortsetzung des Hohenzollern-Krieges. Die Opfer der niederträchtigsten
|
|
imperialistischen Schlächterei sind für sie Helden, die für
|
|
die Freiheit des deutschen Volkes fielen. Sie sind gern bereit, den neuen
|
|
Krieg um Elsaß-Lothringen und Ostpreußen als einen »revolutionären«
|
|
zu bezeichnen. Sie sind - einstweilen in Worten - gewillt, die »Volksrevolution«
|
|
zu akzeptieren, sofern sie als Mittel zur Mobilisierung der Arbeiter für
|
|
ihren »revolutionären« Krieg dienen kann. Ihr ganzes Programm ist
|
|
der Revanchegedanke; sollte es ihnen morgen möglich scheinen, dies
|
|
Ziel mit andern Mitteln zu erreichen, werden sie nicht zögern, den
|
|
revolutionären Proletariern in den Rücken zu schießen.
|
|
All das muß klargestellt, nicht verschwiegen werden. Man muß
|
|
die Wachsamkeit der Arbeiter wecken, nicht einschläfern. Aber was
|
|
tut die Partei?
|
|
<p> In der kommunistischen 'Fanfare'
|
|
vom 1. August wird, mitten in der Agitation für den roten Volksentscheid,
|
|
neben einem Porträt Scheringers eine seiner neuen apostolischen Botschaften
|
|
abgedruckt. Darin heißt es wörtlich: »Die Sache der Toten
|
|
des Weltkrieges, die ihr Leben für ein freies Deutschland gelassen
|
|
haben, verrät jeder, der heute gegen die Volksrevolution auftritt,
|
|
gegen den revolutionären Befreiungskrieg«. Man traut seinen
|
|
Augen nicht, liest man das auf den Seiten einer Presse, die sich kommunistisch
|
|
nennt. Und all das wird mit den Namen Liebknecht und Lenin gedeckt. Was
|
|
für eine lange Peitsche würde Lenin nehmen, um mit einem solchen
|
|
Kommunismus polemisch abzurechnen! Und er würde sich mit polemischen
|
|
Artikeln nicht begnügen. Er würde einen außerordentlichen
|
|
internationalen Kongreß fordern, um die Reihen der proletarischen
|
|
Avantgarde unbarmherzig vom Krebs des Chauvinismus zu befreien.
|
|
<p> »Wir sind keine Pazifisten«,
|
|
antworten stolz die Thälmann, Remmele usw. »Wir sind prinzipiell
|
|
für den revolutionären Krieg.« Sie sind bereit, uns zum
|
|
Beweis einige Zitate aus Marx und Lenin anzuführen, die die unwissenden
|
|
»roten Professoren« in Moskau für ihre Zwecke ausgesucht
|
|
haben. Man könnte wirklich glauben, Marx und Lenin wären Verkünder
|
|
des nationalen und nicht des proletarischen Krieges gewesen! Als hätte
|
|
der Begriff des revolutionären Krieges bei Marx und Lenin etwas gemein
|
|
mit der nationalistischen Ideologie faschistischer Offiziere und zentristischer
|
|
Unteroffiziere. Mit der billigen Phrase vom revolutionären Krieg zieht
|
|
die stalinistische Bürokratie ein Dutzend Abenteurer an, stößt
|
|
aber Hunderttausende und Millionen von sozialdemokratischen, christlichen
|
|
und parteilosen Arbeitern ab.
|
|
<p> »Ihr empfehlt also, daß
|
|
wir uns dem sozialdemokratischen Pazifismus anpassen«, wird irgendein
|
|
besonders tiefsinniger Theoretiker des neuesten Kurses einwenden. Nein,
|
|
wir sind nicht einmal geneigt, uns den Stimmungen der Arbeiterklasse <i>anzupassen,</i>
|
|
aber sie <i>in Rechnung stellen</i> - das ist unentbehrlich. Nur wenn man die
|
|
Stimmungen der breiten Massen des Proletariats richtig einschätzt,
|
|
kann man sie zur Revolution führen. Aber die Bürokratie, die
|
|
sich der Phraseologie des kleinbürgerlichen Nationalismus anpaßt,
|
|
ignoriert die wirkliche Stimmung der Arbeiter, die den Krieg nicht wollen,
|
|
ihn nicht wollen können und von der kriegerischen Prahlerei der neuen
|
|
Firma Thälmann-Scheringer-Graf Sternbock-Fermor-Heinz Neumann und
|
|
Co. abgestoßen werden.
|
|
<p> Für den Fall der proletarischen
|
|
Machteroberung muß der Marxismus natürlich mit der Möglichkeit
|
|
eines revolutionären Krieges rechnen. Aber aus dieser historischen
|
|
Möglichkeit, die durch den Gang der Ereignisse nach der Machteroberung
|
|
aufgezwungen werden kann, eine politische Kampflosung vor der Machteroberung
|
|
zu machen, ist etwas anderes. Der revolutionäre Krieg als eine unter
|
|
bestimmten Bedingungen erzwungene Folge des proletarischen Sieges ist eine
|
|
Sache. Die »Volks«-Revolution als Mittel zum revolutionären
|
|
Kriege ist ganz etwas anderes, sogar etwas völlig Entgegengesetztes.
|
|
<p> Trotz ihrer prinzipiellen Anerkennung
|
|
des revolutionären Krieges hat bekanntlich die Sowjetregierung den
|
|
harten Friedensvertrag von Brest-Litowsk unterschrieben. Warum? Weil die
|
|
Bauern und Arbeiter, abgesehen von einer kleinen revolutionären Schicht,
|
|
keinen Krieg wollten. Die gleichen Bauern und Arbeiter haben dann die Sowjetrevolution
|
|
gegen unzählige Feinde heroisch verteidigt. Aber als wir versuchten,
|
|
den uns von Pilsudski aufgezwungenen Verteidigungskrieg in einen Angriffskrieg
|
|
umzuwandeln, erlitten wir eine Niederlage, und dieser aus einer falschen
|
|
Einschätzung der Kräfte geborene Fehler hat die Entwicklung der
|
|
Weltrevolution sehr schwer getroffen.
|
|
<p> Die Rote Armee besteht schon seit
|
|
14 Jahren. »Wir sind keine Pazifisten.« Aber warum proklamiert
|
|
die Sowjetregierung bei jeder Gelegenheit ihre <i>Friedens</i>-Politik? Warum
|
|
macht sie <i>Abrüstungs</i>-Vorschläge und schließt <i>Nichtangriffs</i>-Pakte
|
|
ab? Warum bedient sie sich nicht der Roten Armee als eines Instruments
|
|
der Weltrevolution? Es scheint, daß es nicht genügt, im Prinzip
|
|
für den revolutionären Krieg zu sein. Man muß außerdem
|
|
einen Kopf auf den Schultern haben. Man muß den Umständen, dem
|
|
Kräfteverhältnis und der Stimmung der Massen Rechnung tragen.
|
|
<p> Gilt das schon für eine Arbeiterregierung,
|
|
die über einen mächtigen Zwangsapparat verfügt, so muß
|
|
eine revolutionäre Partei noch sehr viel aufmerksamer die Stimmungen
|
|
der Arbeiter und der werktätigen Massen in Rechnung stellen, weil
|
|
sie nur durch Überzeugung wirken kann. Die Revolution ist für
|
|
uns kein Mittel für einen Krieg gegen den Westen, sondern im Gegenteil
|
|
ein Mittel, um Kriege zu vermeiden, um sie für immer unmöglich
|
|
zu machen. Wir bekämpfen die Sozialdemokratie nicht, indem wir den
|
|
Friedenswillen, der jedem Arbeiter eigen ist, lächerlich machen, sondern
|
|
indem wir ihren falschen Pazifismus entlarven; denn die kapitalistische
|
|
Gesellschaft, die die Sozialdemokratie Tag für Tag zu retten sucht,
|
|
ist ohne Krieg undenkbar. Die »nationale Befreiung« Deutschlands
|
|
liegt für uns nicht im Krieg mit dem Westen, sondern in der proletarischen
|
|
Revolution, die Zentral- und Westeuropa erfaßt und sie mit Osteuropa
|
|
in Form der Vereinigten Sowjetstaaten verbindet. Nur wenn man die Frage
|
|
so stellt, kann man die Arbeiterklasse einigen und sie zum Attraktionspunkt
|
|
der verzweifelten kleinbürgerlichen Massen machen. Soll das Proletariat
|
|
der heutigen Gesellschaft seinen Willen aufzwingen, darf seine Partei sich
|
|
nicht schämen, eine proletarische Partei zu sein und seine Sprache
|
|
zu sprechen: nicht die der nationalen Rache, sondern die der proletarischen
|
|
Revolution.
|
|
<h4>
|
|
Wie mußten Marxisten urteilen? </h4>
|
|
<p> Der »Rote Volksentscheid« ist nicht
|
|
vom Himmel gefallen; er ist Produkt der weit fortgeschrittenen ideologischen
|
|
Degeneration der Partei. Aber er bleibt trotzdem das beschämendste
|
|
Abenteuer, das man je gesehen hat. Der Volksentscheid wurde keineswegs
|
|
zum Ausgangspunkt für den revolutionären Kampf um die Macht.
|
|
Er blieb ganz und gar im Rahmen eines parlamentarischen Hilfsmanövers.
|
|
Durch den Volksentscheid hat sich die Partei eine selbstausgeklügelte,
|
|
kombinierte Niederlage zugefügt. Sie hat die Sozialdemokratie und
|
|
damit die Brüning-Regierung gestärkt, die Niederlage der Faschisten
|
|
verdeckt, die sozialdemokratischen Arbeiter und einen beträchtlichen
|
|
Teil ihrer eigenen Wähler abgestoßen, und war am Tage nach dem
|
|
Volksentscheid bedeutend schwächer als vorher. Einen besseren Dienst
|
|
konnte man dem deutschen und dem Weltkapitalismus nicht erweisen.
|
|
<p> Die kapitalistische Gesellschaft
|
|
befand sich, vor allem in Deutschland, in den letzten anderthalb Jahrzehnten
|
|
einige Male am Vorabend ihres Zusammenbruchs, hat sich aber jedesmal wieder
|
|
vor der Katastrophe gerettet. Die ökonomischen und sozialen Vorbedingungen
|
|
allein genügen nicht zur Revolution. Nötig sind außerdem
|
|
politische Bedingungen, d.h. ein Kräfteverhältnis, das, wenn
|
|
es auch den Sieg nicht von vornherein garantiert - solche Situationen gibt
|
|
es in der Geschichte nicht -, ihn doch möglich und wahrscheinlich
|
|
macht. Strategischer Kalkül, Kühnheit und Entschlossenheit machen
|
|
dann diese Möglichkeit zur Wirklichkeit. Aber keine Strategie kann
|
|
Unmögliches möglich machen.
|
|
<p> Statt der allgemeinen Phrasen über
|
|
die Vertiefung der Krise und die »Veränderung der Situation«
|
|
hätte das Zentralkomitee genau aufzeigen müssen, wie das augenblickliche
|
|
Kräfteverhältnis im deutschen Proletariat, in den Gewerkschaften
|
|
und Betriebsräten ist, welche Verbindung die Partei zu den Landarbeitern
|
|
hat usw. Diese Daten erlauben eine genaue Überprüfung und lassen
|
|
nichts im Dunkeln. Wenn Thälmann den Mut gehabt hätte, alle Elemente
|
|
der politischen Lage aufzuzählen und abzuwägen, so hätte
|
|
er den Schluß ziehen müssen, daß die Partei, trotz der
|
|
ungeheuren Krise des kapitalistischen Systems und trotz des bedeutenden
|
|
Wachstums des Kommunismus in der letzten Zeit, noch immer zu schwach ist,
|
|
um eine revolutionäre Lösung anzustreben. Das wollen vielmehr
|
|
die Faschisten. Alle bürgerlichen Parteien sind - wie die Sozialdemokratie
|
|
- bereit, dabei zu helfen, denn sie alle fürchten die Kommunisten
|
|
mehr als die Faschisten. Mit Hilfe des preußischen Plebiszits wollten
|
|
die Nationalsozialisten den Zusammenbruch des zutiefst labilen staatlichen
|
|
Gleichgewichts herbeiführen, um die zögernden Schichten der Bourgeoisie
|
|
zu zwingen, sie - die Faschisten - beim Blutgericht über die Arbeiterschaft
|
|
zu unterstützen. Den Faschisten dabei zu helfen, wäre für
|
|
uns eine ungeheuerliche Dummheit. Darum sind wir gegen den faschistischen
|
|
Volksentscheid. So hätte Thälmann seinen Bericht schließen
|
|
müssen, wenn ihm ein Rest von marxistischem Bewußtsein geblieben
|
|
wäre.
|
|
<p> Danach hätte man eine Diskussion
|
|
eröffnen müssen, so breit und offen wie möglich, denn die
|
|
Herren Führer, selbst so unfehlbare wie Heinz Neumann und Remmele,
|
|
müssen bei allen Wendungen aufmerksam auf die Stimme der Massen hören.
|
|
Man muß nicht nur die offiziellen Parolen hören, die der Kommunist
|
|
mitunter von sich gibt, sondern auch die tieferen Gedanken erraten, die
|
|
sich hinter diesen Parolen verbergen. Man muß die Arbeiter nicht
|
|
kommandieren, sondern von ihnen zu lernen verstehen.
|
|
<p> Hätte man eine Diskussion geführt,
|
|
so hätte einer der Teilnehmer vermutlich etwa folgendes gesagt: Thälmann
|
|
hat recht, wenn er zeigt, daß wir trotz der unzweifelhaften Änderung
|
|
der Situation angesichts des bestehenden Kräfteverhältnisses
|
|
die revolutionäre Entwicklung nicht beschleunigen dürfen. Aber
|
|
gerade darum drängen, wie man sieht, unsere entschiedensten und extremsten
|
|
Gegner zu einer revolutionären Entscheidung. Werden wir unter diesen
|
|
Umständen Zeit haben, eine Änderung des Kräfteverhältnisses
|
|
herbeizuführen, d.h. die Hauptmasse des Proletariats dem Einfluß
|
|
der Sozialdemokratie zu entreißen und auf diesem Wege die verzweifelnden
|
|
kleinbürgerlichen Massen dazu zu bringen, das Gesicht dem Proletariat
|
|
und dem Faschismus den Rücken zuzuwenden?
|
|
<p> Gut, wenn das gelingt. Aber was
|
|
geschieht, wenn die Faschisten gegen unseren Willen in kurzer Frist auf
|
|
eine Entscheidung drängen? Wird dann die proletarische Revolution
|
|
eine neue schwere Niederlage erleiden?
|
|
<p> Darauf würde Thälmann,
|
|
wäre er ein Marxist, ungefähr Folgendes antworten: Offensichtlich
|
|
hängt die Wahl des Zeitpunkts für den entscheidenden Kampf nicht
|
|
von uns allein ab, sondern auch von unseren Gegnern. Wir sind einer Meinung,
|
|
daß es die Aufgabe unserer aktuellen Strategie ist, unserm Gegner
|
|
die Beschleunigung der Entwicklung zu erschweren und nicht zu erleichtern.
|
|
Wenn unsere Gegner uns den Kampf aufzwingen, werden wir kämpfen, denn
|
|
es gibt keine schwerere, verhängnisvollere, demütigendere und
|
|
demoralisierendere Niederlage als die kampflose Aufgabe bedeutender historischer
|
|
Positionen. Sollten die Faschisten unter den Augen der Volksmassen die
|
|
Initiative zur Entscheidung ergreifen, so würden sie unter den jetzigen
|
|
Umständen große Schichten der Arbeiter zu uns stoßen.
|
|
In diesem Falle hätten wir umso größere Siegeschancen,
|
|
je eindeutiger wir heute den Arbeitermillionen zeigen, daß wir keineswegs
|
|
ohne und gegen sie den Umsturz vollziehen wollen. Darum müssen wir
|
|
den sozialdemokratischen, christlichen und parteilosen Arbeitern offen
|
|
sagen: die Faschisten - eine kleine Minderheit - wollen die gegenwärtige
|
|
Regierung stürzen, um die Macht zu übernehmen; wir Kommunisten
|
|
halten die gegenwärtige Regierung für einen Gegner des Proletariats;
|
|
aber diese Regierung stützt sich auf Euer Vertrauen und Eure Stimmen;
|
|
wir wollen diese Regierung im Bunde mit Euch stürzen, nicht aber durch
|
|
eine Allianz mit den Faschisten gegen Euch. Wenn die Faschisten einen Aufstand
|
|
versuchen, werden wir Kommunisten bis zum letzten Blutstropfen gegen sie
|
|
kämpfen, - nicht um die Regierung Braun-Brüning zu verteidigen,
|
|
sondern um die Erdrosselung und Vernichtung der proletarischen Elite, der
|
|
Arbeiterorganisationen, der Arbeiterpresse - nicht nur unserer kommunistischen,
|
|
sondern auch Eurer sozialdemokratischen - zu verhindern. Wir sind bereit,
|
|
gemeinsam mit Euch jedes Arbeiterhaus, jede Druckerei einer Arbeiterzeitung
|
|
gegen faschistische Angriffe zu verteidigen. Und wir fordern, daß
|
|
Ihr Euch verpflichtet, uns zu Hilfe zu kommen, wenn unsere Organisationen
|
|
bedroht sind. Wir schlagen Euch die Einheitsfront der Arbeiterklasse gegen
|
|
die Faschisten vor. Je entschlossener und standhafter wir diese Politik
|
|
durchführen, desto schwerer wird es den Faschisten, uns zu überrumpeln,
|
|
um so weniger Chancen haben sie, uns im offenen Kampf zu schlagen. - So
|
|
würde unser fiktiver Thälmann antworten.
|
|
<p> Aber an diesem Punkt ergreift ein
|
|
zutiefst von den großen Ideen Heinz Neumanns durchdrungener Redner
|
|
das Wort. - Bei einer solchen Politik, sagt er, kommt nichts heraus. Die
|
|
sozialdemokratischen Führer werden den Arbeitern sagen: Glaubt den
|
|
Kommunisten nicht, es geht ihnen gar nicht um die Rettung der Arbeiterorganisationen,
|
|
sondern nur um die Macht, sie halten uns für Sozialfaschisten und
|
|
machen zwischen uns und den Nationalisten keinen Unterschied. Die von Thälmann
|
|
vorgeschlagene Politik macht uns in den Augen der sozialdemokratischen
|
|
Arbeiter nur lächerlich.
|
|
<p> Darauf müßte Thälmann
|
|
antworten: Die Sozialdemokraten als Faschisten zu behandeln, ist offensichtlich
|
|
eine Dummheit, die uns selber in jedem entscheidenden Augenblick verwirrt
|
|
und uns hindert, den Weg zu den sozialdemokratischen Arbeitern zu finden.
|
|
Auf diesen Unsinn zu verzichten, ist das Beste, was wir tun können.
|
|
Auf die Anschuldigung, daß wir unter dem Vorwand der Verteidigung
|
|
der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen die Macht erobern wollen, sagen
|
|
wir den sozialdemokratischen Arbeitern: ja, wir wollen die Macht erobern,
|
|
aber dazu brauchen wir die Mehrheit der Arbeiterklasse. Der Versuch, gestützt
|
|
auf eine Minderheit die Macht zu ergreifen, wäre schimpfliches Abenteurertum,
|
|
mit dem wir nichts gemein haben. Wir können die Mehrheit der Arbeiter
|
|
nicht zwingen, mit uns zu gehen, wir können sie nur überzeugen.
|
|
Wenn die Faschisten die Arbeiterklasse zertrümmern, kann von einer
|
|
Machteroberung durch die Kommunisten keine Rede mehr sein. Die Arbeiterklasse
|
|
und ihre Organisationen gegen die Faschisten verteidigen, heißt für
|
|
uns: die Möglichkeit sichern, die Arbeiterklasse zu überzeugen
|
|
und sie für uns zu gewinnen. Darum können wir nur dann zur Macht
|
|
kommen, wenn wir alle Elemente der Arbeiterdemokratie im kapitalistischen
|
|
Staat - notfalls mit Waffengewalt - verteidigen.
|
|
<p> Thälmann könnte dem noch
|
|
hinzufügen: Um das feste, unerschütterliche Vertrauen der Mehrheit
|
|
der Arbeiter zu gewinnen, müssen wir uns vor allem hüten, ihr
|
|
Sand in die Augen zu streuen, unsere Stärke zu übertreiben, die
|
|
Augen vor den Tatsachen zu schließen oder - schlimmer noch - sie
|
|
zu entstellen. Man muß aussprechen, was ist. Unsere Feinde können
|
|
wir nicht täuschen, sie haben tausend Mittel, die Wahrheit festzustellen.
|
|
Wenn wir die Arbeiter betrügen, betrügen wir uns selbst. Machen
|
|
wir uns stärker als wir sind, schwächen wir uns. Darin, Freunde,
|
|
liegt kein »Mangel an Glaube«, kein »Pessimismus«.
|
|
Wie können wir Pessimisten sein, wo vor uns ungeheure Möglichkeiten
|
|
liegen? Wir haben eine unermeßliche Zukunft. Das Schicksal Deutschlands,
|
|
das Schicksal Europas, das Schicksal der ganzen Welt hängt von uns
|
|
ab. Und wer auf die revolutionäre Zukunft setzt, braucht keine Illusion.
|
|
Der marxistische Realismus ist Voraussetzung des revolutionären Optimismus.
|
|
<p> So hätte Thälmann geantwortet,
|
|
wäre er ein Marxist. Aber unglücklicherweise ist er keiner.
|
|
<h4>
|
|
Warum schwieg die Partei? </h4>
|
|
<p> Aber wie konnte die Partei schweigen?
|
|
Die Thälmann-Rede, die in der Frage des Volksentscheids eine Schwenkung
|
|
um 180 Grad bedeutete, wurde diskussionslos hingenommen. So war es von
|
|
oben empfohlen worden, und eine Empfehlung ist ein Befehl. Alle Berichte
|
|
der 'Roten Fahne' bezeugen, daß in allen Parteiversammlungen »einstimmig«
|
|
dem Volksentscheid zugestimmt wurde. Diese Einstimmigkeit wird als Beweis
|
|
für die besondere Stärke der Partei ausgegeben. Wann und wo hat
|
|
es in der Geschichte der revolutionären Bewegung je einen solchen
|
|
sprachlosen »Monolithismus« gegeben? Die Thälmann und
|
|
Remmele schwören auf den Bolschewismus. Aber die gesamte Geschichte
|
|
des Bolschewismus ist eine Geschichte heftiger innerer Kämpfe, in
|
|
denen die Partei sich ihre Anschauungen bildete und ihre Methoden schmiedete.
|
|
Die Geschichte des Jahres 1917, des bedeutendsten Jahres der Parteigeschichte,
|
|
ist erfüllt von heftigen inneren Kämpfen, ebenso die Periode
|
|
der ersten fünf Jahre nach der Machteroberung, und all das ohne Spaltung,
|
|
ohne einen einzigen bedeutenden Ausschluß aus politischen Gründen.
|
|
Und dabei standen an der Spitze der bolschewistischen Partei Führer
|
|
von anderem Format, von anderer Härte und anderer Autorität als
|
|
Thälmann, Remmele und Neumann. Wie kommt es aber heute zu diesem schrecklichen
|
|
»Monolithismus«, zu dieser unheilvollen Einstimmigkeit, die
|
|
jede Wendung der unglückseligen Führer in ein unumstößliches
|
|
Gesetz für eine riesige Partei verwande t?
|
|
<p> »Keine Diskussion!«
|
|
Denn, wie 'Die Rote Fahne' erklärt, »man braucht in dieser Situation
|
|
nicht Reden, sondern Taten«. Empörende Heuchelei! Die Partei
|
|
muß »Taten« vollbringen und darauf verzichten, sie vorher
|
|
zu diskutieren. Und um welche »Tat« handelt es sich in diesem
|
|
Fall? Es geht darum, ein Kreuz in ein Kästchen eines amtlichen Formulars
|
|
zu machen, wobei nicht einmal die Möglichkeit besteht, bei der Stimmzählung
|
|
die proletarischen Kreuzchen von den Hakenkreuzen zu trennen. Akzeptiere
|
|
ohne Zögern, ohne Nachdenken, ohne Einwände, sogar ohne Unruhe
|
|
im Blick den neuen Sprung der gottgewollten Führung oder - Du bist
|
|
ein Renegat und Konterrevolutionär. Das ist das Ultimatum, das die
|
|
internationale stalinistische Bürokratie wie einen Revolver an die
|
|
Schläfe jedes fortgeschrittenen Arbeiters hält.
|
|
<p> Äußerlich mag es scheinen,
|
|
daß die Masse sich mit diesem Regime abfindet und alles herrlich
|
|
läuft. Aber nein! Die Masse ist kein Ton, den man formt, wie man will.
|
|
Sie reagiert auf ihre Art, langsam, aber umso gründlicher, auf die
|
|
Fehler und Dummheiten der Führung. Sie opponierte auf ihre Art der
|
|
»dritten Periode«, indem sie die unzähligen roten Tage boykottierte.
|
|
Sie verläßt die französischen Einheitsgewerkschaften, wenn
|
|
sie sich nicht auf normalem Wege den Experimenten Losowski-Monmousseaus
|
|
widersetzen kann. Da sie die »Idee« des »Roten Volksentscheids«
|
|
nicht akzeptierten, haben sich Hunderttausende und Millionen von Arbeitern
|
|
nicht daran beteiligt. Das ist der Lohn für die Verbrechen der zentristischen
|
|
Bürokratie, die den Klassenfeind würdelos imitiert, die eigene
|
|
Partei aber fest an der Gurgel hält.
|
|
<h4>
|
|
Was sagt Stalin? </h4>
|
|
<p> Hat Stalin wirklich den neuen Zickzack
|
|
im voraus sanktioniert? Niemand weiß es, wie auch niemand Stalins
|
|
Meinung über die spanische Revolution kennt. Stalin schweigt. Wenn
|
|
bescheidenere Führer wie Lenin Einfluß auf die Politik einer
|
|
Bruderpartei nehmen wollten, hielten sie Reden oder schrieben Artikel.
|
|
Sie hatten eben etwas zu sagen. Stalin hat nichts zu sagen. Er möchte
|
|
den geschichtlichen Prozeß wie einzelne Menschen überlisten.
|
|
Er denkt nicht daran, wie man dem deutschen oder dem spanischen Proletariat
|
|
helfen könnte, einen Schritt vorwärts zu machen, sondern nur
|
|
daran, wie er sich einen politischen Rückzug sichern kann.
|
|
<p> Stalins Haltung zu den deutschen
|
|
Ergebnissen von 1923 ist ein unübertreffliches Beispiel seiner Zweideutigkeit
|
|
in den Grundfragen der Weltrevolution. Erinnern wir daran, was er im August
|
|
1923 an Sinowjew und Bucharin schrieb:
|
|
<p> »Sollen die Kommunisten (im
|
|
gegebenen Stadium) die Machtergreifung ohne die SPD anstreben, sind sie
|
|
dafür schon reif - das ist meiner Ansicht nach die Frage. Als wir
|
|
die Macht übernahmen, hatten wir in Rußland folgende Reserven:
|
|
a) Frieden, b) Land für die Bauern, c) Unterstützung seitens
|
|
einer gewaltigen Mehrheit der Arbeiterklasse, d) die Sympathie der Bauernschaft.
|
|
Das alles haben die deutschen Kommunisten gegenwärtig nicht. Gewiß
|
|
haben sie in der Nachbarschaft ein Sowjetland, was wir nicht hatten, aber
|
|
was können wir ihnen in diesem Augenblick geben? Wenn jetzt in Deutschland
|
|
die Macht sozusagen fällt, und die Kommunisten sie auffangen, werden
|
|
sie mit Krach durchfallen. Das »im besten Falle«. Im schlimmsten wird man
|
|
sie kurz und klein schlagen und zurückwerfen ... Meiner Ansicht nach
|
|
muß man die Deutschen zurückhalten, keinesfalls aber ermuntern.«
|
|
<p> Stalin stand demnach rechts von
|
|
Brandler, der im August-September 1923 der gegenteiligen Ansicht war, die
|
|
Machteroberung sei in Deutschland ohne weiteres möglich, aber die
|
|
Schwierigkeiten würden am Tag nach der Machtergreifung anfangen. Heute
|
|
ist die offizielle Meinung der Komintern, daß die Brandlerianer im
|
|
Herbst 1923 eine außerordentlich günstige revolutionäre
|
|
Situation verpaßt haben. Der oberste Ankläger der Brandlerianer
|
|
ist ... Stalin. Hat er sich aber mit der Komintern wegen seiner eigenen
|
|
Position von 1923 auseinandergesetzt? Nein. Dafür besteht auch nicht
|
|
die geringste Notwendigkeit: es genügt, den Sektionen der Komintern
|
|
zu verbieten, diese Frage aufzuwerfen.
|
|
<p> Stalin wird zweifellos versuchen,
|
|
auch die Frage des Volksentscheids in gleicher Weise zu behandeln. Thälmann<a NAME = "ZA" href="310825a.htm#A"><SUP>(A)</SUP></a>
|
|
könnte ihn, selbst wenn er es wagte, nicht überführen. Stalin
|
|
hat durch seine Agenten das deutsche Zentralkomitee angespornt und sich
|
|
selbst schlau im Hintergrund gehalten. Im Falle eines Erfolges der neuen
|
|
Politik hätten alle Manuilskis und Remmeles erklärt, die Initiative
|
|
sei von Stalin ausgegangen. Und im Falle eines Mißerfolgs hat Stalin
|
|
jede Möglichkeit, einen Schuldigen zu finden. Das ist die Quintessenz
|
|
seiner Strategie. Auf dem Gebiet ist er stark.
|
|
<h4>
|
|
Was sagt die »Prawda«? </h4>
|
|
<p> Aber was sagt die »Prawda«, das Hauptorgan
|
|
der Hauptpartei der Kommunistischen Internationale? Die Prawda hat der
|
|
Situation in Deutschland keinen einzigen ernsthaften Artikel, keine einzige
|
|
Analyse gewidmet. Aus Thälmanns großer programmatischer Rede
|
|
druckte sie schamhaft nur ein halbes Dutzend hohler Phrasen ab. Was könnte
|
|
die heutige, der Bürokratie hörige 'Prawda', eine 'Prawda' ohne
|
|
Kopf und Rückgrat, in Widersprüche verwickelt, auch sagen?
|
|
<p> Worüber kann die 'Prawda' <i>reden,</i>
|
|
wenn Stalin <i>schweigt</i>?
|
|
<p> Am 24. Juli erklärte die 'Prawda'
|
|
die Berliner Wendung folgendermaßen: »Die Nichtbeteiligung
|
|
am Volksentscheid hätte bedeutet, daß die Kommunisten für
|
|
den heutigen, reaktionären Landtag sind«. Die ganze Sache läuft
|
|
hier auf ein simples Mißtrauensvotum heraus. Aber warum haben dann
|
|
die Kommunisten nicht die Initiative zum Volksentscheid ergriffen; warum
|
|
haben sie monatelang dagegen gekämpft und warum sind sie am 21. Juli
|
|
plötzlich davor auf die Knie gefallen? Das 'Prawda'-Argument ist ein
|
|
verspätetes Argument des parlamentarischen Kretinismus, nichts weiter.
|
|
<p> Am 11. August, nach dem Volksentscheid,
|
|
änderte die 'Prawda' die Argumentation: »Der Sinn der Beteiligung
|
|
am Volksentscheid bestand für die Partei in der <i>außerparlamentarischen
|
|
Mobilisierung der Massen.</i>« Aber gerade für diesen Zweck, für
|
|
die außerparlamentarische Mobilisierung der Massen, war ja der 1.
|
|
August bestimmt. Wir wollen uns heute nicht mit der Kritik der roten Kalendertage
|
|
aufhalten. Jedenfalls hatte am 1. August die Kommunistische Partei die
|
|
Massen unter eigenen Parolen und unter eigener Leitung mobilisiert. Warum
|
|
war acht Tage später eine neue Mobilisierung nötig, und zwar
|
|
eine, bei der die Mobilisierten einander nicht sehen konnten, keiner sie
|
|
zählen konnte, und wo weder sie selbst, noch ihre Freunde, noch ihre
|
|
Feinde in der Lage waren, sie von ihren Todfeinden zu unterscheiden?
|
|
<p> Am nächsten Tag, in der Nummer
|
|
vom 12. August, erklärte die 'Prawda' nicht mehr und nicht weniger
|
|
als: »Die Resultate der Abstimmung bedeuten ... den schwersten Schlag,
|
|
den die Arbeiterklasse der Sozialdemokratie bisher zugefügt hat.«
|
|
Wir wollen hier nicht die Zahlen der Volksentscheid-Statistik anführen.
|
|
Sie sind jedermann bekannt (außer den Lesern der 'Prawda') und schlagen
|
|
der albernen und beschämenden Prahlerei der 'Prawda' ins Gesicht.
|
|
Diese Leute halten es für ganz in der Ordnung, den Arbeitern etwas
|
|
vorzulügen und ihnen Sand in die Augen zu streuen.
|
|
<p> Der offizielle Leninismus ist von
|
|
der Bürokratie der Epigonen zerstampft und zertreten worden. Aber
|
|
der nicht-offizielle Leninismus lebt. Die losgelassenen Bürokraten
|
|
sollen nicht glauben, daß ihnen alles straflos durchgehen wird. Die
|
|
wissenschaftlich begründeten Ideen der proletarischen Revolution sind
|
|
stärker als der Apparat, stärker als jede Geldkasse, stärker
|
|
als die grausamste Unterdrückung. Was Apparat, Finanzmittel und Repressalien
|
|
angeht, waren unsere Klassenfeinde unvergleichlich stärker als die
|
|
heutige stalinistische Bürokratie. Trotzdem haben wir sie auf dem
|
|
russischen Territorium besiegt. Wir haben gezeigt, daß man sie besiegen
|
|
kann. Das revolutionäre Proletariat wird sie überall besiegen.
|
|
Dazu braucht es eine richtige Politik. Im Kampf gegen den stalinistischen
|
|
Apparat wird sich die proletarische Avantgarde ihr Recht erkämpfen,
|
|
die Politik von Marx und Lenin zu verfolgen.
|
|
<p>
|
|
<hr>
|
|
Anmerkung von Leo Trotzki
|
|
<p><a HREF="310825a.htm#ZA" NAME="A"><SUP>(A)</SUP></a>Die Frage, ob
|
|
Thälmann tatsächlich gegen die letzte Wendung war und sich nur
|
|
Remmele und Neumann, die Unterstützung in Moskau gefunden hatten,
|
|
unterwerfen mußte, ist für uns hier als eine rein persönliche
|
|
und episodische Frage ohne Interesse - es handelt sich um das System. Thälmann
|
|
hat nicht gewagt, an die Partei zu appellieren, und trägt folglich
|
|
die volle Verantwortung.
|
|
</P>
|
|
<HR size="1">
|
|
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
|
|
<TR>
|
|
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A href="../../index.shtml.html"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
|
|
<TD ALIGN="center">|</TD>
|
|
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle> <A href="../default.htm"><SMALL>Lew Trotzki</SMALL></A></TD>
|
|
</TR>
|
|
</TABLE>
|
|
</body>
|
|
</html>
|