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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx - Die LOndoner Times ueber die Prinzen von Orleans in Amerika</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="../me_ak61.htm"><FONT SIZE=2>Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1861</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 324-328.</P>
<P>1. Korrektur<BR>
Erstellt am 20.09.1998</P>
</FONT><H2>Karl Marx </H2>
<H1>Die Londoner "Times" &uuml;ber die Prinzen von Orleans in Amerika </H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P ALIGN="CENTER"><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 6426 vom 7. November 1861] </P>
</FONT><B><P><A NAME="S324">&lt;324&gt;</A></B> London, 12. Oktober 1861 </P>
<P>Die Londoner "Times" ver&ouml;ffentlichte anl&auml;&szlig;lich des Besuches des K&ouml;nigs von Preu&szlig;en in Compi&egrave;gne einige scharfe Artikel, die jenseits des Kanals viel Ansto&szlig; erregten. "Le Pays, Journal de l'Empire" wiederum bezeichnete die Schreiber der "Times" als Leute, deren K&ouml;pfe vom Gin vergiftet und deren Federhalter in Dreck getaucht seien. Dieser gelegentliche Austausch von Schm&auml;hungen soll die &ouml;ffentliche Meinung nur &uuml;ber die engen Beziehungen des Printing House Square zu den Tuilerien hinwegt&auml;uschen. Es gibt au&szlig;erhalb der franz&ouml;sischen Grenzen keinen gr&ouml;&szlig;eren Sykophanten des Mannes des Dezember &lt;Napoleon III.&gt; als die Londoner "Times", und die Dienste dieser Zeitung sind um so unsch&auml;tzbarer, je mehr sie hin und wieder den Ton und die Haltung des Zensors Cato gegen&uuml;ber ihrem C&auml;sar annimmt. Die "Times" &uuml;berh&auml;ufte Preu&szlig;en seit Monaten mit Beleidigungen. Sie gab Preu&szlig;en zu verstehen, da&szlig; England froh w&auml;re, ein &Uuml;berwechseln der rheinischen Provinzen aus der barbarischen Macht der Hohenzollern zu dem aufgekl&auml;rten Despotismus eines Bonaparte zu sehen und benutzte dazu die erb&auml;rmliche Macdonald-Aff&auml;re. Die "Times" hatte damit nicht nur die preu&szlig;ische Dynastie, sondern auch das preu&szlig;ische Volk erbittert. Sie hatte die Idee eines englisch-preu&szlig;ischen B&uuml;ndnisses im Falle eines preu&szlig;ischen Konfliktes mit Frankreich vernichtet. Sie hatte alle Kraft aufgeboten, um Preu&szlig;en zu &uuml;berzeugen, da&szlig; es von England nichts zu hoffen habe und da&szlig; es f&uuml;r Preu&szlig;en zun&auml;chst das Beste sei, mit Frankreich zu einer Verst&auml;ndigung zu gelangen. Als sich <A NAME="S325"><B>&lt;325&gt;</A></B> der schwache und schwankende Monarch Preu&szlig;ens schlie&szlig;lich zu einem Besuch in Compi&egrave;gne entschlo&szlig;, konnte die "Times" stolz ausrufen: "quorum magna pars fui"; doch war jetzt auch die Zeit gekommen, die Tatsache aus dem Ged&auml;chtnis der Briten auszul&ouml;schen, da&szlig; die "Times" dem preu&szlig;ischen Monarchen diesen Weg gewiesen hatte. Daher der rollende Theaterdonner. Daher das Gegengeschrei des "Pays, Journal de l'Empire". </P>
<P>Die "Times" hat jetzt die Position der Todfeindschaft gegen den Bonapartismus und mit ihr die Kraft wiedergewonnen, dem Mann des Dezember Hilfe zu leisten. Eine Gelegenheit bot sich schnell. Louis Bonaparte ist nat&uuml;rlich immer sehr empfindlich, wenn es sich um den Ruhm rivalisierender Kronpr&auml;tendenten handelt. Er hatte sich in der Aff&auml;re um das Pamphlet des Herzogs d'Aumale gegen Plon-Plon l&auml;cherlich gemacht und durch sein Vorgehen mehr zur F&ouml;rderung der orleanistischen Sache getan, als alle orleanistischen Parteig&auml;nger zusammengenommen. In den letzten Tagen wurde das franz&ouml;sische Volk wieder veranla&szlig;t, eine Parallele zwischen Plon-Plon und den Prinzen von Orl&eacute;ans zu ziehen. Als Plon-Plon sich nach Amerika begab, zirkulierten in Faubourg St-Antoine Karikaturen, die ihn als einen dicken Mann darstellten, der sich auf der Suche nach einer Krone befand, jedoch gleichzeitig vorgab, ein h&ouml;chst harmloser Reisender mit einer besonderen Abneigung gegen Pulvergeruch zu sein. W&auml;hrend Plon-Plon keine anderen Lorbeeren nach Frankreich zur&uuml;ckbrachte, als die, welche er auf der Krim und in Italien geerntet hatte, &uuml;berquerten die Prinzen von Orleans den Atlantik, um sich in die Nationalarmee einzureihen. Daher die gro&szlig;e Aufregung im bonapartistischen Lager. Man konnte dem bonapartistischen &Auml;rger in der k&auml;uflichen Pariser Presse nicht gut Luft machen. Dabei w&auml;ren nur die Besorgnisse der Anh&auml;nger des Imperiums verraten, der Flugblattskandal erneuert und geh&auml;ssige Vergleiche angeregt worden zwischen den ins Exil gewanderten Prinzen, die unter der republikanischen Fahne gegen die Versklaver von Millionen arbeitender Menschen k&auml;mpfen, und einem anderen vertriebenen Prinzen, der als englischer Spezial-Konstabler eingeschworen wurde, um sich an dem Ruhm zu beteiligen, eine englische Arbeiterbewegung niederzuschlagen. </P>
<P>Wer konnte dem Mann des Dezember aus diesem Dilemma heraus helfen? Wer anders als die Londoner "Times"? Wenn die gleiche Londoner "Times", die am 6., 7., 8. und 9. Oktober 1861 die Wut des "Pays, Journal de l'Empire" durch ihre ziemlich zynischen Bemerkungen &uuml;ber den Besuch in Compi&egrave;gne hervorgerufen hatte, wenn diese gleiche Zeitung am 12. Oktober einen unbarmherzigen Angriff auf die Prinzen von Orleans wegen ihres Eintritts in die Reihen der Nationalarmee der Vereinigten <A NAME="S326"><B>&lt;326&gt;</A></B> bringen w&uuml;rde, h&auml;tte dann Louis Bonaparte nicht bewiesen, da&szlig; er gegen&uuml;ber den Prinzen von Orl&eacute;ans im Recht sei? W&uuml;rde der "Times" Artikel nicht ins Franz&ouml;sische &uuml;bersetzt, von den Pariser Zeitungen kommentiert, vom Prefet de Police &lt;Polizeipr&auml;fekt&gt; an die Zeitschriften aller Departements verschickt werden und in ganz Frankreich als das unparteiliche Urteil zirkulieren, welches die Londoner "Times", der pers&ouml;nliche Feind Louis Bonapartes, &uuml;ber das k&uuml;rzliche Verhalten der Prinzen von Orleans f&auml;llte? Folglich ist die heutige "Times" mit einem h&ouml;chst p&ouml;belhaften Angriff auf diese Prinzen erschienen. </P>
<P>Louis Bonaparte hat nat&uuml;rlich zuviel von einem Gesch&auml;ftsmann an sich, um die Blindheit der offiziellen Produzenten der &ouml;ffentlichen Meinung in bezug auf den amerikanischen Krieg zu teilen. Er wei&szlig;, da&szlig; die einfachen Menschen in England, in Frankreich, in Deutschland, in Europa die Sache der Vereinigten Staaten als ihre eigene Sache und als Sache der Freiheit ansehen, und da&szlig; sie, trotz aller bezahlten Sophisterei, den Boden der Vereinigten Staaten als den freien Boden der landlosen Millionen Europas betrachten, als das Land der Verhei&szlig;ung, das jetzt mit dem Schwert in der Hand vor dem schmutzigen Griff der Sklavenhalter verteidigt werden mu&szlig;. Louis-Napoleon wei&szlig; dar&uuml;ber hinaus, da&szlig; die Massen in Frankreich den Kampf f&uuml;r die Erhaltung der Union mit dem Kampf ihrer Vorv&auml;ter um die amerikanische Unabh&auml;ngigkeit verbinden und da&szlig; f&uuml;r sie jeder Franzose, der sein Schwert f&uuml;r die Nationalregierung zieht, nur das Verm&auml;chtnis Lafayettes zu erf&uuml;llen scheint. Deshalb wei&szlig; Bonaparte, da&szlig;, wenn irgend etwas beim franz&ouml;sischen Volk einen guten Eindruck f&uuml;r die Prinzen von Orl&eacute;ans hervorrufen k&ouml;nnte, es ihr Eintritt in die Reihen der Nationalarmee der Vereinigten Staaten sein m&uuml;&szlig;te. Er schaudert bei dem blo&szlig;en Gedanken, und infolgedessen teilt die Londoner "Times", sein tadels&uuml;chtiger Sykophant, den Prinzen von Orl&eacute;ans heute mit, da&szlig;, "wenn sie sich herablassen, auf diesem<I> unw&uuml;rdigen Kampffeld</I> zu dienen, ihre Popularit&auml;t im franz&ouml;sischen Volke nicht wachsen werde". Louis-Napoleon wei&szlig;, da&szlig; alle Kriege, die seit seinem coup d'&eacute;tat zwischen feindlichen Nationen in Europa gef&uuml;hrt wurden, keine echten Kriege waren, sie waren grundlos und leichtfertig und wurden unter falschen Vorspiegelungen gef&uuml;hrt. Der russische Krieg und der italienische Krieg, ganz zu schweigen von den r&auml;uberischen Expeditionen nach China, Cochin-China etc., konnten niemals die Sympathien des franz&ouml;sischen Volkes erringen, welches sich instinktiv bewu&szlig;t war, da&szlig; diese Kriege nur mit der Absicht gef&uuml;hrt wurden, <A NAME="S327"><B>&lt;327&gt;</A></B> die durch den coup d'&eacute;tat geschmiedeten Ketten zu verst&auml;rken. </P>
<P>Der erste gro&szlig;e Krieg der gegenw&auml;rtigen Geschichte ist der Krieg in Amerika. Die V&ouml;lker Europas wissen, da&szlig; die s&uuml;dlichen Sklavenhalter diesen Krieg mit der Erkl&auml;rung begannen, der Fortbestand der Sklavenhalterherrschaft sei nicht l&auml;nger mit dem Fortbestand der Union zu vereinbaren. Demzufolge wissen die V&ouml;lker Europas, da&szlig; ein Kampf f&uuml;r den Fortbestand der Union ein Kampf gegen die Sklavenhalterherrschaft ist und da&szlig; in diesem Kampf die bisher h&ouml;chste Form der Selbstregierung des Volkes der niedrigsten und schamlosesten Form der Menschenversklavung, die je in den Annalen der Geschichte verzeichnet wurde, eine Schlacht liefert. </P>
<P>Louis Bonaparte ist es nat&uuml;rlich au&szlig;erordentlich unangenehm, da&szlig; die Prinzen von Orl&eacute;ans sich gerade an einem solchen Krieg beteiligen, der sich durch sein gewaltiges Ausma&szlig; und die Gr&ouml;&szlig;e seines Ziels von den anderen grundlosen, leichtfertigen und geringf&uuml;gigen Kriegen, die Europa seit 1849 durchgemacht hat, so sehr abhebt. Deshalb mu&szlig; die Londoner "Times" notwendigerweise erkl&auml;ren: </P>
<FONT SIZE=2><P>"Den Unterschied zwischen einem Kriege unter feindlichen Nationen und diesem h&ouml;chst grundlosen und leichtfertigen B&uuml;rgerkrieg, der je in der Geschichte bekannt wurde, zu &uuml;bersehen, bedeutet eine Art Angriff auf die &ouml;ffentliche Moral." </P>
</FONT><P>Die "Times" mu&szlig; ihren Angriff auf die Prinzen von Orl&eacute;ans, die sich herablassen, "auf diesem unw&uuml;rdigen Kampffeld zu dienen", nat&uuml;rlich zu Ende f&uuml;hren. Mit einer tiefen Verbeugung vor dem Sieger von Sewastopol und Solferino sagt die Londoner "Times": </P>
<FONT SIZE=2><P>"Es ist unklug, einen Vergleich zwischen solchen Aktionen wie Springfield und Manassas und den Heldentaten von Sewastopol und Solferino herauszufordern." </P>
</FONT><P>Die n&auml;chste Post wird bezeugen, welchen vorbedachten Gebrauch die Organe des Imperiums von dem Artikel der "Times" machen werden. Ein Freund in der Not ist sprichw&ouml;rtlich tausend Freunde im Wohlstand wert, und der heimliche Verb&uuml;ndete der Londoner "Times" ist gerade jetzt in einer sehr schlechten Lage. Baumwollmangel zusammen mit Kornmangel, eine Handelskrise zusammen mit einer landwirtschaftlichen Notlage und beides verbunden mit einem Absinken der Zolleinnahmen und Geldschwierigkeiten, zwangen die Bank von Frankreich, ihre Diskontorate auf 6 Prozent heraufzuschrauben, mit den Rothschilds und Baring in Verhandlungen zu treten, um auf dem Londoner Markt eine Anleihe von 2 Millionen Pfund Sterling aufzunehmen, die Wertpapiere der franz&ouml;sischen Regierung im Ausland zu verpf&auml;nden, <A NAME="S328"><B>&lt;328&gt;</A></B> und bei alledem wies die Bank nur eine Reserve von 12 Millionen gegen &uuml;ber mehr als 40 Millionen Schulden auf. Eine solche wirtschaftliche Lage gibt gerade rivalisierenden Pr&auml;tendenten die Gelegenheit, mit doppeltem Einsatz zu spielen. Es gab in Faubourg St. Antoine bereits Brotkrawalle, und deshalb ist dies der ung&uuml;nstigste Zeitpunkt, die Prinzen von Orl&eacute;ans an Popularit&auml;t gewinnen zu lassen. Daher der w&uuml;tende Vorsto&szlig; der Londoner "Times". </P>
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