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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Franz Mehring: Karl Marx - Der Niedergang der Internationalen</TITLE>
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Kapitel</SMALL></A><!-- #EndEditable -->
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Kapitel</SMALL></A><!-- #EndEditable -->
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<TD align="center" width="19%" height="20" valign="middle"><A href="../default.htm"><SMALL>Franz
Mehring</SMALL></A>
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<HR size="1">
<P><SMALL>Seitenzahlen nach: Franz Mehring - Gesammelte Schriften, Band 3. Berlin/DDR,
1960, S. <!-- #BeginEditable "Seitenzahlen" -->443-508<!-- #EndEditable -->.<BR>
1. Korrektur<BR>Erstellt am 30.10.1999</SMALL></P><H2>Franz Mehring: Karl Marx - Geschichte seines Lebens</H2>
<H1><!-- #BeginEditable "Titel" -->Vierzehntes Kapitel: Der Niedergang der Internationalen<!-- #EndEditable --></H1>
<HR size="1">
<!-- #BeginEditable "Text" -->
<H3 align="CENTER">1. Bis Sedan<A name="Kap_1"></A></H3>
<P><B>|443|</B> &Uuml;ber die Stellung, die Marx und Engels zum Kriege eingenommen
haben, ist sehr viel geschrieben worden, obgleich im Grunde sehr wenig dar&uuml;ber
zu sagen ist. Sie sahen im Kriege ein Element, nicht wie Moltke, von Gottes Ordnung,
wohl aber von Teufels Ordnung, eine unzertrennliche Begleiterscheinung der Klassen-
und ganz besonders der kapitalistischen Gesellschaft.</P>
<P>Als historische K&ouml;pfe standen sie nat&uuml;rlich nicht auf dem v&ouml;llig
unhistorischen Standpunkt: Krieg ist Krieg, und jeder Krieg ist an derselben Schablone
zu messen. F&uuml;r sie hatte jeder Krieg seine bestimmten Voraussetzungen und
Folgerungen, von denen es abhing, wie sich die Arbeiterklasse zu ihm zu stellen
habe. So auch war die Auffassung Lassalles, mit dem sie im Jahre 1859 &uuml;ber
die tats&auml;chlichen Bedingungen des damaligen Krieges gestritten hatten, alle
drei aber unter dem entscheidenden Gesichtspunkte, wie dieser Krieg am gr&uuml;ndlichsten
f&uuml;r den proletarischen Emanzipationskampf auszunutzen w&auml;re.</P>
<P>Durch denselben Gesichtspunkt war ihre Stellung zum Kriege von 1866 bestimmt. Nachdem es der deutschen Revolution im Jahre 1848 mi&szlig;lungen war, eine nationale
Einheit zu schaffen, bem&uuml;hte sich die preu&szlig;ische Regierung, die deutsche
Einheitsbewegung, die durch die &ouml;konomische Entwicklung immer wieder erweckt
wurde, f&uuml;r sich auszubeuten und statt eines einigen Deutschlands ein, wie
der alte Kaiser Wilhelm sich ausdr&uuml;ckte, verl&auml;ngertes Preu&szlig;en
herzustellen. Marx und Engels, Lassalle und Schweitzer, Liebknecht und Bebel waren
v&ouml;llig einig darin, da&szlig; die deutsche Einheit, deren das deutsche Proletariat
als einer Vorstufe seines Emanzipationskampfes bedurfte, nur durch eine nationale
Revolution zu erlangen sei, und sie haben demgem&auml;&szlig; alle dynastisch-partikularistischen
Bestrebungen der gro&szlig;preu&szlig;ischen Politik aufs sch&auml;rfste bek&auml;mpft.
Allein nachdem die Entscheidung bei K&ouml;niggr&auml;tz gefallen war, haben sie,
fr&uuml;her oder sp&auml;ter, je nach dem Ma&szlig; ihrer Einsicht in die &raquo;tats&auml;chlichen
Voraussetzungen&laquo;, in diesen sauren Apfel <A name="S444"></A><B>|444|</B> gebissen:
sobald sich herausstellte, da&szlig; eine nationale Revolution durch die Feigheit
der Bourgeoisie und die Schw&auml;che des Proletariats ausgeschlossen sei, und
das mit &raquo;Blut und Eisen&laquo; zusammengekittete Gro&szlig;preu&szlig;en dem Klassenkampfe
des Proletariats g&uuml;nstigere Aussichten bot, als die - ohnehin nat&uuml;rlich
unm&ouml;gliche - Wiederherstellung des Deutschen Bundestags mit seiner kl&auml;glichen
Winkelwirtschaft ihm je h&auml;tte bieten k&ouml;nnen. Marx und Engels zogen diesen
Schlu&szlig; sofort, und ebenso Schweitzer als Nachfolger Lassalles; sie nahmen
den Norddeutschen Bund in all seiner verkr&uuml;ppelten und verk&uuml;mmerten
Gestalt als eine zwar keineswegs willkommene oder gar begeisternde, aber als eine
Tatsache hin, die dem Kampf der deutschen Arbeiterklasse festere Handhaben schuf,
als die schauerliche Wirtschaft des Bundestags ihm geschaffen hatte. Dagegen hielten
Liebknecht und Bebel noch an der gro&szlig;deutsch-revolution&auml;ren Auffassung
der Lage fest und arbeiteten in den Jahren nach 1866 unerm&uuml;dlich an der Zerst&ouml;rung
des Norddeutschen Bundes.</P>
<P>Nach der Entscheidung, die Marx und Engels im Jahre 1866 getroffen hatten,
war ihre Stellung zum Kriege von 1870 bis zu einem gewissen Grade gegeben. &Uuml;ber
seine unmittelbaren Anl&auml;sse haben sie sich niemals ausgesprochen, weder &uuml;ber
die von Bismarck gegen Bonaparte betriebene spanische Thronkandidatur des hohenzollernschen
Prinzen noch &uuml;ber das von Bonaparte gegen Bismarck betriebene franz&ouml;sisch-italienisch-&ouml;sterreichische
Kriegsb&uuml;ndnis, weder &uuml;ber die eine noch &uuml;ber das andere war nach
dem damals bekannten Stande der Dinge ein zutreffendes Urteil m&ouml;glich. Aber
insoweit als die bonapartistische Kriegspolitik sich gegen die nationale Einheit
Deutschlands richtete, erkannten Marx und Engels an, da&szlig; sich Deutschland
im Zustande der Verteidigung bef&auml;nde.</P>
<P>Ausf&uuml;hrlich begr&uuml;ndete Marx diese Auffassung in der von ihm verfa&szlig;ten
Adresse, die der Generalrat der Internationalen am 23. Juli erlie&szlig;. Er nannte
darin das &raquo;Kriegskomplott von 1870 eine verbesserte Auflage des Staatsstreichs
von 1851&laquo;, aber es l&auml;ute die Totenglocke des zweiten Kaiserreichs, das so
enden werde, wie es begonnen habe, mit einer Parodie. Jedoch man solle nicht vergessen,
da&szlig; es die Regierungen und die herrschenden Klassen gewesen seien, die Bonaparte
bef&auml;higt h&auml;tten, achtzehn Jahre lang die grausame Posse des wiederhergestellten
Kaiserreichs zu spielen. Wenn der Krieg auf deutscher Seite ein Verteidigungskrieg
sei, wer habe Deutschland in die Zwangslage gebracht, sich verteidigen zu m&uuml;ssen,
wer habe Louis Bonaparte erm&ouml;glicht, den Krieg gegen Deutschland zu f&uuml;hren?
Preu&szlig;en. Bismarck habe vor K&ouml;niggr&auml;tz <A name="S445"></A><B>|445|*</B>
mit diesem selben Bonaparte konspiriert und nach K&ouml;niggr&auml;tz nicht etwa
einem geknechteten Frankreich ein freies Deutschland entgegengestellt, sondern
allen eingeborenen Sch&ouml;nheiten seines alten Systems alle Kniffe des zweiten
Kaiserreichs aufgepfropft, so da&szlig; nun auf beiden Seiten des Rheins das bonapartistische
Regiment gebl&uuml;ht habe. Was anderes h&auml;tte daraus folgen k&ouml;nnen als
Krieg? &raquo;Erlaubt die deutsche Arbeiterklasse dem gegenw&auml;rtigen Krieg, seinen
streng defensiven Charakter aufzugeben und in einen Krieg gegen das franz&ouml;sische
Volk auszuarten, so wird Sieg oder Niederlage gleich unheilvoll sein. Alles Ungl&uuml;ck,
das auf Deutschland fiel nach den sogenannten Befreiungskriegen, wird wieder aufleben
mit verst&auml;rkter Heftigkeit.&laquo;<A name="ZT1"></A><A href="fm03_443.htm#Z1"><SPAN class="top">[1]</SPAN></A> Die Adresse verwies auf die Kundgebungen deutscher
und franz&ouml;sischer Arbeiter gegen den Krieg, die ein so trauriges Ergebnis
nicht bef&uuml;rchten lie&szlig;en. Sie hob dann noch hervor, da&szlig; im Hintergrunde
des selbstm&ouml;rderischen Kampfes die unheimliche Gestalt Ru&szlig;lands lauere.
Alle Sympathien, die die Deutschen mit Recht in einem Verteidigungskrieg gegen
einen bonapartistischen &Uuml;berfall beanspruchen k&ouml;nnten, w&uuml;rden sofort
verscherzt sein, wenn sie der preu&szlig;ischen Regierung erlaubten, die Hilfe
der Kosaken anzurufen oder anzunehmen.</P>
<P>Zwei Tage vor Erla&szlig; dieser Adresse, am 21. Juli, waren vom Norddeutschen
Reichstage 120 Millionen Taler Kriegskredite bewilligt worden. Die parlamentarischen
Vertreter der Lassalleaner hatten, gem&auml;&szlig; ihrer Politik seit dem Jahre
1866, daf&uuml;r gestimmt. Dagegen hatten sich Liebknecht und Bebel, die parlamentarischen
Vertreter der Eisenacher, der Stimme enthalten, weil sie durch ihre Genehmigung
der preu&szlig;ischen Regierung, die durch ihr Vorgehen im Jahre 1866 den gegenw&auml;rtigen
Krieg vorbereitet habe, ein Vertrauensvotum erteilen w&uuml;rden, w&auml;hrend
ihre Verweigerung als eine Billigung der frevelhaften und verbrecherischen Politik
Bonapartes erachtet werden k&ouml;nnte. Liebknecht und Bebel fa&szlig;ten den
Krieg wesentlich unter moralischem Gesichtspunkte auf, was durchaus der &Uuml;berzeugung
entsprach, die Liebknecht auch sp&auml;ter in seiner Schrift &uuml;ber die Emser
Depesche und Bebel in seinen &raquo;Denkw&uuml;rdigkeiten&laquo; bekundet hat.</P>
<P>Damit stie&szlig;en sie aber in ihrer eigenen Fraktion, und namentlich bei
deren Leitung, dem Braunschweiger Ausschu&szlig;, auf entschiedenen Widerspruch.
In der Tat war die Stimmenthaltung Liebknechts und Bebels keine praktische Politik,
sondern eine moralische Kundgebung, die, so berechtigt sie an sich sein mochte,
den politischen Anforderungen der Lage nicht entsprach. Was im privaten Leben
m&ouml;glich ist und je nachdem ausreicht, zwei Streitenden zu sagen: Ihr habt
beide unrecht, und <A name="S446"></A><B>|446|</B> ich mische mich nicht in euern
Zank, das gilt nicht im staatlichen Leben, wo die V&ouml;lker den Streit der K&ouml;nige
ausbaden m&uuml;ssen. Die praktischen Folgen einer unm&ouml;glichen Neutralit&auml;t
zeigten sich in der nichts weniger als klaren und konsequenten Haltung, die der
Leipziger &raquo;Volksstaat&laquo;, das Organ der Eisenacher, in den ersten Kriegswochen einnahm.
Dadurch versch&auml;rfte sich der Konflikt zwischen der Redaktion, will sagen
Liebknecht, und dem Braunschweiger Ausschu&szlig;, der sich seinerseits an Marx
um Beistand und Rat wandte.</P>
<P>Marx hatte bereits gleich nach Beginn des Krieges, am 20. Juli, also noch vor
der Stimmenthaltung Liebknechts und Bebels, an Engels geschrieben, nach einer
scharfen Kritik der &raquo;republikanischen Chauvinisten&laquo; in Frankreich: &raquo;Die Franzosen
brauchen Pr&uuml;gel. Siegen die Preu&szlig;en, so [ist] die Zentralisation der
state power [Mehring &uuml;bersetzt: Staatsgewalt] n&uuml;tzlich der Zentralisation
der deutschen Arbeiterklasse. Das deutsche &Uuml;bergewicht w&uuml;rde ferner
den Schwerpunkt der westeurop&auml;ischen Arbeiterbewegung von Frankreich nach
Deutschland verlegen, und man hat blo&szlig; die Bewegung von 1866 bis jetzt in
beiden L&auml;ndern zu vergleichen, um zu sehn, da&szlig; die deutsche Arbeiterklasse
theoretisch und organisatorisch der franz&ouml;sischen &uuml;berlegen ist. Ihr
&Uuml;bergewicht auf dem Welttheater &uuml;ber die franz&ouml;sische w&auml;re
zugleich das &Uuml;bergewicht unsrer Theorie &uuml;ber die Proudhons etc.&laquo; Als
Marx nun aber die Anfrage des Braunschweiger Ausschusses erhielt, wandte er sich,
wie immer in wichtigen Fragen, an Engels mit der Bitte um dessen Rat, und, &auml;hnlich
wie im Jahre 1866, entschied Engels im einzelnen die Taktik der beiden Freunde.</P>
<P>In seinem Antwortschreiben vom 15. August schrieb er: &raquo;Mir scheint der Kasus
so zu liegen: Deutschland ist durch Badinguet (von Mehring eingef&uuml;gt: Bonaparte)
in einen Krieg um seine nationale Existenz hineingeritten. Unterliegt es gegen
Badinguet, so ist der Bonapartismus auf Jahre befestigt und Deutschland auf Jahre,
vielleicht auf Generationen, kaputt. Von einer selbst&auml;ndigen deutschen Arbeiterbewegung
ist dann auch keine Rede mehr, der Kampf um Herstellung der nationalen Existenz
absorbiert dann alles, und bestenfalls geraten die deutschen Arbeiter ins Schlepptau
der franz&ouml;sischen. Siegt Deutschland, so ist der franz&ouml;sische Bonapartismus
jedenfalls kaputt, der ewige Krakeel wegen Herstellung der deutschen Einheit endlich
beseitigt, die deutschen Arbeiter k&ouml;nnen sich auf ganz anders nationalem
Ma&szlig;stab als bisher organisieren, und die franz&ouml;sischen. Was auch f&uuml;r
eine Regierung dort folgen mag, werden sicher ein freieres Feld haben als unter
dem Bonapartismus. Die ganze Masse des deutschen Volkes aller Klassen hat eingesehn,
da&szlig; <A name="S447"></A><B>|447|</B> es sich eben um die nationale Existenz
in erster Linie handelt, und ist darum sofort eingesprungen. Da&szlig; eine deutsche
politische Partei unter diesen Umst&auml;nden &agrave; la Wilhelm [von Mehring
eingef&uuml;gt: Liebknecht] die totale Obstruktion predigen und allerhand Nebenr&uuml;cksichten
&uuml;ber die Hauptr&uuml;cksicht setzen, scheint mir unm&ouml;glich.&laquo;</P>
<P>Den franz&ouml;sischen Chauvinismus, der sich bis tief in die republikanisch
gesinnten Kreise hinein geltend machte, verurteilte Engels ebenso scharf wie Marx.
&raquo;Badinguet h&auml;tte diesen Krieg nicht f&uuml;hren k&ouml;nnen ohne den Chauvinismus
der Masse der franz&ouml;sischen Bev&ouml;lkerung, der Bourgeois, Kleinb&uuml;rger,
Bauern und des von Bonaparte in den gro&szlig;en St&auml;dten geschaffenen imperialistischen,
Hau&szlig;mannschen, aus den Bauern hervorgegangnen Bauproletariats. Solange dieser
Chauvinismus nicht auf den Kopf gehauen, und das geh&ouml;rig, ist Friede zwischen
Deutschland und Frankreich unm&ouml;glich. Man konnte erwarten, da&szlig; eine
proletarische Revolution diese Arbeit &uuml;bernehmen w&uuml;rde; seitdem aber
der Krieg da, bleibt den Deutschen nichts &uuml;brig, als dies selbst und sofort
zu tun.&laquo;</P>
<P>Die &raquo;Nebenr&uuml;cksichten&laquo;, da&szlig; n&auml;mlich der Krieg von Bismarck
und Kompanie kommandiert und, falls sie ihn gl&uuml;cklich durchf&uuml;hrten,
ihnen zur augenblicklichen Glorie dienen w&uuml;rde, seien der Misere der deutschen
Bourgeoisie verdankt. Es sei sehr eklig, aber nicht zu &auml;ndern. &raquo;Darum aber
den Antibismarckismus zum alleinleitenden Prinzip erheben, w&auml;re absurd. Erstens
tut B[ismarck] jetzt, wie 1866, immer ein St&uuml;ck von unsrer Arbeit, in <I>seiner</I>
Weise und ohne es zu wollen, aber er tut's doch. Er schafft uns reineren Bord
als vorher. Und dann sind wir nicht mehr Anno 1815. Die S&uuml;ddeutschen treten
jetzt notwendig in den Reichstag ein und damit erw&auml;chst dem Preu&szlig;entum
ein Gegengewicht ... &Uuml;berhaupt, &agrave; la Liebknecht, die ganze Geschichte
seit 1866 r&uuml;ckg&auml;ngig machen zu wollen, weil sie ihm nicht gef&auml;llt,
ist Bl&ouml;dsinn. Aber wir kennen ja unsere Musters&uuml;ddeutschen.&laquo;</P>
<P>Im Laufe des Briefes kam Engels dann noch einmal auf Liebknechts Politik zur&uuml;ck.
&raquo;Am&uuml;sant ist bei Wilh[elm] die Behauptung, weil Bismarck ein ehemaliger Spie&szlig;geselle
des Badinguet, sei der wahre Standpunkt, sich neutral zu halten. Wenn das die
allgemeine Meinung in Deutschland, h&auml;tten wir bald wieder den Rheinbund,
und der edle Wilhelm sollte einmal sehn, was er in dem f&uuml;r eine Rolle spielte
und wo die Arbeiterbewegung bliebe. Ein Volk, das immer nur Hiebe bekommt und
Tritte, ist allerdings das wahre, um eine soziale Revolution zu machen, und noch
dazu in Wilhelms geliebten X-Kleinstaaten! ... Wilhelm hat offenbar auf Sieg des
Bonaparte gerechnet, blo&szlig; damit sein Bismarck dabei draufgehe. Du erinnerst
Dich, wie er ihm immer mit <A name="S448"></A><B>|448|</B> den Franzosen drohte.
Du bist nat&uuml;rlich auch <I>auf Wilhelms Seite</I>!&laquo; Der letzte Satz war ironisch
gemeint; Liebknecht hatte sich n&auml;mlich darauf berufen, da&szlig; Marx mit
seiner und Bebels Stimmenthaltung bei der Frage der Kriegskredite einverstanden
gewesen sei.</P>
<P>Marx gab zu, da&szlig; er die &raquo;Erkl&auml;rung&laquo; Liebknechts gebilligt habe.
Es sei ein &raquo;Moment&laquo; gewesen, wo die Prinzipienreiterei ein acte de courage gewesen
sei, woraus aber keineswegs folge, da&szlig; dieser Moment fortdauere, und noch
viel weniger, da&szlig; die Stellung des deutschen Proletariats in einem Kriege,
der national geworden sei, sich in Liebknechts Antipathie gegen die Preu&szlig;en
zusammenfasse. Marx sprach mit gutem Grunde von einer &raquo;Erkl&auml;rung&laquo; und nicht
von der Stimmenthaltung als solcher. W&auml;hrend die Lassalleaner die Kriegskredite
im Chor der b&uuml;rgerlichen Mehrheit bewilligt hatten, ohne ihre sozialistische
Stellung irgendwie zu kennzeichnen, hatten Liebknecht und Bebel ein &raquo;motiviertes
Votum&laquo; abgegeben. Sie begr&uuml;ndeten darin nicht nur ihre Stimmenthaltung, sondern
kn&uuml;pften an sie &raquo;als Sozialrepublikaner und Mitglieder der Internationalen,
die ohne Unterschied der Nationalit&auml;t alle Unterdr&uuml;cker bek&auml;mpfe,
alle Unterdr&uuml;ckten zu einem gemeinsamen Bruderbunde zu einigen suche&laquo;, einen
prinzipiellen Protest gegen diesen wie jeden dynastischen Krieg und sprachen die
Hoffnung aus, da&szlig; die V&ouml;lker Europas, durch die jetzigen unheilvollen
Ereignisse belehrt, alles aufbieten w&uuml;rden, um sich ihr Selbstbestimmungsrecht
zu erobern und die heutige S&auml;bel- und Klassenherrschaft als die Ursache aller
staatlichen und gesellschaftlichen &Uuml;bel zu beseitigen. Mit dieser &raquo;Erkl&auml;rung&laquo;,
die zum erstenmal das Banner der Internationalen in einem europ&auml;ischen Parlament,
und noch dazu in einer weltgeschichtlichen Frage, frank und frei entfaltete, konnte
Marx sicherlich sehr zufrieden sein.</P>
<P>Da&szlig; seine &raquo;Billigung&laquo; so gemeint war, ging schon aus der Wahl seiner
Worte hervor. Die Stimmenthaltung war gar keine &raquo;Prinzipienreiterei&laquo;, sondern
eher ein Kompromi&szlig;; Liebknecht hatte in der Tat die Kredite einfach verweigern
wollen, und sich erst durch Bebel bereden lassen, sich nur der Abstimmung zu enthalten.
Ferner legte die Stimmenthaltung ihre Urheber nicht nur f&uuml;r den &raquo;Moment&laquo;
fest, wie ja die Politik des &raquo;Volksstaats&laquo; in jeder Nummer bewies. Endlich stellte
sie auch keine &raquo;mutige Tat&laquo; in dem Sinne dar, da&szlig; sie als solche ihre Rechtfertigung
schon in sich selber trug. H&auml;tte Marx den acte de courage in solchem Sinne
gemeint, so h&auml;tte er dasselbe Lob in noch h&ouml;herem Grade dem braven Thiers
erteilen m&uuml;ssen, der in der franz&ouml;sischen Kammer lebhaft gegen den Krieg
sprach, obgleich die Mamelucken des Kaiserreichs mit wilden Schm&auml;hungen um
ihn tobten, oder den b&uuml;rgerlichen <A name="S449"></A><B>|449|</B> Demokraten
vom Schlage der Favre und Grevy, die sich nicht der Abstimmung &uuml;ber die Kriegskredite
enthielten, sondern sie einfach verweigerten, obgleich der patriotische L&auml;rm
in Paris mindestens so gef&auml;hrlich war wie in Berlin.</P>
<P>Die Schlu&szlig;folgerungen, die Engels aus seiner Auffassung der Lage f&uuml;r
die Politik der deutschen Arbeiter zog, fa&szlig;ten sich dahin zusammen: sich
der nationalen Bewegung anzuschlie&szlig;en, soweit und solange sie sich auf die
Verteidigung Deutschlands beschr&auml;nke (was die Offensive bis zum Frieden unter
Umst&auml;nden nicht ausschlie&szlig;e); den Unterschied zwischen den deutsch-nationalen
und dynastisch-preu&szlig;ischen Interessen dabei zu betonen; jeder Annexion von
Elsa&szlig; und Lothringen entgegenzuwirken; sobald in Paris eine republikanische,
nicht chauvinistische Regierung am Ruder sei, auf einen ehrenvollen Frieden mit
ihr hinzuwirken; die Einheit der Interessen der deutschen und franz&ouml;sischen
Arbeiter, die den Krieg nicht gebilligt h&auml;tten und die sich auch nicht bekriegten,
fortw&auml;hrend hervorzuheben.</P>
<P>Damit erkl&auml;rte sich Marx vollkommen einverstanden und beschied in gleichem
Sinne den Braunschweiger Ausschu&szlig;.</P>
<H3 align="CENTER">2. Nach Sedan<A name="Kap_2"></A></H3>
<P>Ehe jedoch der Ausschu&szlig; von den Winken, die ihm aus London zugekommen
waren, praktischen Gebrauch machen konnte, hatte die Lage der Dinge einen v&ouml;lligen
Umschwung erfahren. Die Schlacht bei Sedan war geschlagen, Bonaparte gefangen,
das Kaiserreich zusammengebrochen, und in Paris hatte sich eine b&uuml;rgerliche
Republik aufgetan. An ihrer Spitze standen die bisherigen Abgeordneten der franz&ouml;sischen
Hauptstadt, die sich selbst &raquo;als Regierung der nationalen Verteidigung&laquo; ausriefen.</P>
<P>Auf deutscher Seite war es jetzt am Ende mit dem Verteidigungskriege. In der
feierlichsten Weise hatte der K&ouml;nig von Preu&szlig;en als Oberhaupt des Norddeutschen
Bundes wiederholt erkl&auml;rt, da&szlig; er nicht das franz&ouml;sische Volk,
sondern nur die Regierung des franz&ouml;sischen Kaisers bekriege; auch erkl&auml;rten
sich die neuen Machthaber in Paris bereit, jede m&ouml;gliche Geldsumme als Kriegsentsch&auml;digung
zu zahlen. Allein Bismarck verlangte eine Abtretung von Land; er setzte den Krieg
fort, um Elsa&szlig;-Lothringen zu erobern, mochte dar&uuml;ber auch der Verteidigungskrieg
zum Kinderspott werden.</P>
<P><B><A name="S450">|450|</A></B> Wenn er darin den Spuren Bonapartes folgte,
so auch darin, da&szlig; er eine Art Plebiszit veranstaltete, das den K&ouml;nig
von Preu&szlig;en seiner feierlichen Verpflichtungen entbinden sollte. &raquo;Notabilit&auml;ten&laquo;
aller Art und Gattung erlie&szlig;en schon am Vorabend von Sedan &raquo;Massenkundgebungen&laquo;
an den K&ouml;nig, worin die Forderung &raquo;gesch&uuml;tzter Grenzen&laquo; erhoben wurde.
Die &raquo;einm&uuml;tigen W&uuml;nsche des deutschen Volkes&laquo; machten denn auch einen
solchen Eindruck auf den alten Herrn, da&szlig; er schon am 6. September nach
Hause schrieb: &raquo;Wollten sich die F&uuml;rsten dieser Stimmung entgegenstemmen,
so riskieren sie ihre Throne&laquo;, und am 14. September erkl&auml;rte es die halbamtliche
Provinzialkorrespondenz f&uuml;r &raquo;eine einf&auml;ltige Zumutung&laquo;, da&szlig; sich
das Oberhaupt des Norddeutschen Bundes durch seine eigenen, ausdr&uuml;cklich
und freiwillig abgegebenen Zusagen gebunden halten solle.</P>
<P>Um die &raquo;einm&uuml;tigen W&uuml;nsche des deutschen Volkes&laquo; in vollkommener
Reinheit darzustellen, wurde nun aber noch jeder Widerspruch gewaltsam unterdr&uuml;ckt.
Am 5. September hatte der Braunschweiger Ausschu&szlig; einen Aufruf erlassen,
worin er zu &ouml;ffentlichen Kundgebungen der Arbeiterklasse f&uuml;r einen ehrenvollen
Frieden mit der franz&ouml;sischen Republik und gegen die Annexion Elsa&szlig;-Lothringens
aufforderte; dem Aufrufe waren Teile des Briefes, worin Marx den Ausschu&szlig;
beraten hatte, w&ouml;rtlich einverleibt.<A name="ZT2"></A><A href="fm03_443.htm#Z2"><SPAN class="top">[2]</SPAN></A> Am 9. September aber wurden die Unterzeichner
des Aufrufs milit&auml;risch verhaftet und in Ketten nach der Festung L&ouml;tzen
geschleppt. Ebendorthin wurde Johann Jacoby als Staatsgefangener transportiert,
weil er in einer K&ouml;nigsberger Versammlung ebenfalls gegen jede gewaltsame
Annexion franz&ouml;sischen L&auml;ndergebiets gesprochen und sich die ketzerische
&Auml;u&szlig;erung erlaubt hatte: &raquo;Vor wenigen Tagen noch war es ein Verteidigungskrieg,
den wir f&uuml;hrten, ein heiliger Kampf f&uuml;r das liebe Vaterland; heute ist
es ein Eroberungskrieg, ein Kampf f&uuml;r die Oberherrschaft der germanischen
Rasse in Europa.&laquo; Eine Menge Beschlagnahmen und Verbote, Haussuchungen und Verhaftungen
vervollst&auml;ndigten das milit&auml;rische Schreckensregiment, das die &raquo;einm&uuml;tigen
W&uuml;nsche des deutschen Volkes&laquo; vor jedem Zweifel sch&uuml;tzen sollte.</P>
<P>An demselben Tage, an dem die Mitglieder des Braunschweiger Ausschusses verhaftet
wurden, ergriff der Generalrat der Internationalen in einer zweiten, von Marx
und teilweise von Engels verfa&szlig;ten Adresse das Wort, um die neue Lage der
Dinge zu beleuchten. Er durfte sich darauf berufen, wie schnell sich seine Vorhersage,
da&szlig; dieser Krieg die Totenglocke des zweiten Kaiserreichs l&auml;ute, erf&uuml;llt
habe, aber wie schnell auch seine Zweifel, ob der Krieg auf deutscher Seite ein
Verteidigungskrieg <A name="S451"></A><B>|451|*</B> bleiben werde, best&auml;tigt
worden seien. Die preu&szlig;ische Milit&auml;rkamarilla habe sich f&uuml;r die
Eroberung entschieden, und wie habe sie den preu&szlig;ischen K&ouml;nig von den
Verpflichtungen befreit, die er selbst f&uuml;r einen Verteidigungskrieg &uuml;bernommen
habe? &raquo;Die B&uuml;hnenregisseure mu&szlig;ten ihn darstellen, als gebe er widerwillig
einem unwiderstehlichen Gebot der deutschen Nation nach; der liberalen deutschen
Mittelklasse mit ihren Professoren, ihren Kapitalisten, ihren Stadtverordneten,
ihren Zeitungsm&auml;nnern gaben sie sofort das Stichwort. Diese Mittelklasse,
welche in ihren K&auml;mpfen f&uuml;r die b&uuml;rgerliche Freiheit von 1846 bis
1870 ein nie dagewesenes Schauspiel von Unschl&uuml;ssigkeit, Unf&auml;higkeit
und Feigheit gegeben hat, war nat&uuml;rlich h&ouml;chlichst entz&uuml;ckt, die
europ&auml;ische B&uuml;hne als br&uuml;llender L&ouml;we des deutschen Patriotismus
zu beschreiten. Sie nahm den falschen Schein staatsb&uuml;rgerlicher Unabh&auml;ngigkeit
an, um sich zu stellen, als zwinge sie der preu&szlig;ischen Regierung auf - was?
die geheimen Pl&auml;ne eben dieser Regierung. Sie tat Bu&szlig;e f&uuml;r ihren
jahrelangen und fast religi&ouml;sen Glauben an die Unfehlbarkeit Louis Bonapartes,
indem sie laut die Zerst&uuml;ckelung der franz&ouml;sischen Republik forderte.&laquo;<A name="ZT3"></A><A href="fm03_443.htm#Z3"><SPAN class="top">[3]</SPAN></A></P>
<P>Die Adresse untersuchte dann &raquo;die plausibeln Vorw&auml;nde&laquo;, die &raquo;diese kernhaften
Patrioten&laquo; f&uuml;r die Annexion Elsa&szlig;-Lothringens vorbr&auml;chten. Da&szlig;
die Elsa&szlig;-Lothringer sich nach der deutschen Umarmung sehnten, wagten sie
freilich nicht zu behaupten, aber der Boden dieser Provinzen habe vor langer Zeit
dem l&auml;ngst verstorbenen deutschen Reich angeh&ouml;rt! &raquo;Soll die alte Karte
von Europa einmal umgearbeitet werden nach dem historischen Recht, dann d&uuml;rfen
wir auf keinen Fall vergessen, da&szlig; der Kurf&uuml;rst von Brandenburg seinerzeit
f&uuml;r seine preu&szlig;ischen Besitzungen der Vasall der polnischen Republik
war.&laquo;<A name="ZT4"></A><A href="fm03_443.htm#Z4"><SPAN class="top">[4]</SPAN></A></P>
<P>Am meisten w&uuml;rden &raquo;viele schwachsinnige Leute&laquo; dadurch verwirrt, da&szlig;
&raquo;die schlauen Patrioten&laquo; Elsa&szlig;-Lothringen als &raquo;materielle Garantie&laquo; gegen
franz&ouml;sische &Uuml;berf&auml;lle verlangten. In einer milit&auml;r-wissenschaftlichen
Auseinandersetzung, die Engels zu ihr beigesteuert hat, wies die Adresse nach,
da&szlig; Deutschland dieser Verst&auml;rkung seiner Grenzen gegen Frankreich
gar nicht bed&uuml;rfe, wie die Erfahrungen gerade auch dieses Krieges gezeigt
h&auml;tten. &raquo;Wenn der jetzige Feldzug irgend etwas gezeigt hat, so die Leichtigkeit,
Frankreich von Deutschland aus anzugreifen.&laquo;<A name="ZT5"></A><A href="fm03_443.htm#Z5"><SPAN class="top">[5]</SPAN></A> Aber sei es nicht &uuml;berhaupt
eine Ungereimtheit, ein Anachronismus, wenn man milit&auml;rische R&uuml;cksichten
zu dem Prinzip erhebe, das die nationalen Grenzen bestimmen solle? &raquo;Wollten wir
dieser Regel folgen, so h&auml;tte &Ouml;sterreich noch einen Anspruch auf Venetien
und die Minciolinie, und Frankreich auf die Rheinlinie, zum Schutz von <A name="S452"></A><B>|452|</B>
Paris, welches sicherlich Angriffen von Nordosten mehr ausgesetzt ist als Berlin
von S&uuml;dwesten. Wenn die Grenzen durch milit&auml;rische Interessen bestimmt
werden sollen, werden die Anspr&uuml;che nie ein Ende nehmen, weil jede milit&auml;rische
Linie notwendig fehlerhaft ist und durch Annexion von weiterm Gebiet verbessert
werden kann; und &uuml;berdies kann sie nie endg&uuml;ltig und gerecht bestimmt
werden, weil sie immer dem Besiegten vom Sieger aufgezwungen wird und folglich
schon den Keim eines neuen Kriegs in sich f&uuml;hrt.&laquo;<A name="ZT6"></A><A href="fm03_443.htm#Z6"><SPAN class="top">[6]</SPAN></A></P>
<P>Die Adresse erinnerte an die &raquo;materiellen Garantien&laquo;, die Napoleon in dem Frieden
von Tilsit genommen habe. Und dennoch sei einige Jahre sp&auml;ter seine gigantische
Macht wie ein verfaultes Schilfrohr vor dem deutschen Volke zusammengebrochen.
&raquo;Was sind die &#155;materiellen Garantien&#139;, die Preu&szlig;en in seinen wildesten T
r&auml;umen Frankreich aufzwingen kann oder darf, im Vergleich zu denen, welche
Napoleon I. ihm selbst abzwang? Der Ausgang wird diesmal nicht weniger unheilvoll
sein.&laquo;<A name="ZT7"></A><A href="fm03_443.htm#Z7"><SPAN class="top">[7]</SPAN></A></P>
<P>Nun sagten die Wortf&uuml;hrer des volkst&uuml;mlichen Patriotismus, man d&uuml;rfe
die Deutschen nicht mit den Franzosen verwechseln; die Deutschen wollten nicht
Ruhm, sondern Sicherheit; sie seien ein wesentlich friedliebendes Volk. &raquo;Nat&uuml;rlich
war es nicht Deutschland, welches 1792 in Frankreich einfiel mit dem erhabnen
Zweck, die Revolution des 18. Jahrhunderts mit Bajonetten niederzumachen! War
es nicht Deutschland, welches seine H&auml;nde bei der Unterjochung Italiens,
der Unterdr&uuml;ckung Ungarns und der Zerst&uuml;cklung Polens besudelte? Sein
jetziges milit&auml;risches System, welches die ganze kr&auml;ftige m&auml;nnliche
Bev&ouml;lkerung in zwei Teile teilt - eine stehende Armee im Dienst und eine
andere stehende Armee im Urlaub -, beide gleichm&auml;&szlig;ig zu passivem Gehorsam
gegen die Regenten von Gottes Gnaden verpflichtet, so ein milit&auml;risches System
ist nat&uuml;rlich eine &#155;materielle Garantie&#139; des Weltfriedens und obendrein das
h&ouml;chste Ziel der Zivilisation! In Deutschland wie &uuml;berall, vergiften
die H&ouml;flinge der bestehenden Gewalt die &ouml;ffentliche Meinung durch Weihrauch
und l&uuml;genhaftes Selbstlob. - Sie scheinen indigniert beim Anblick der franz&ouml;sischen
Festungen Metz und Stra&szlig;burg - diese deutschen Patrioten -, aber sie sehen
kein Unrecht in dem ungeheuren System moskowitischer Befestigungen von Warschau,
Modlin und Iwangorod. W&auml;hrend sie vor den Schrecken bonapartistischer Einf&auml;lle
schaudern, schlie&szlig;en sie die Augen vor der Schande zarischer Schutzherrschaft.&laquo;<A name="ZT8"></A><A href="fm03_443.htm#Z8"><SPAN class="top">[8]</SPAN></A></P>
<P>Daran ankn&uuml;pfend f&uuml;hrte die Adresse aus, da&szlig; die Annexion Elsa&szlig;-Lothringens
die franz&ouml;sische Republik in die Arme des Zarismus treiben werde. Glaubten
die Deutscht&uuml;mler wirklich, da&szlig; dadurch Freiheit und <A name="S453"></A><B>|453|</B>
Frieden Deutschlands gesichert sei? &raquo;Wenn das Gl&uuml;ck der Waffen, der &Uuml;bermut
des Erfolgs und dynastische Intrigen Deutschland zu einem Raub an franz&ouml;sischem
Gebiet verleiten, bleiben ihm nur zwei Wege offen. Entweder mu&szlig; es, was
auch immer daraus folgt, der offenkundige Knecht russischer Vergr&ouml;&szlig;erung
werden, oder aber es mu&szlig; sich nach kurzer Rast f&uuml;r einen neuen &#155;defensiven&#139;
Krieg r&uuml;sten, nicht f&uuml;r einen jener neugebackenen &#155;lokalisierten&#139; Kriege,
sondern zu einem Rassenkrieg gegen die verb&uuml;ndeten Rassen der Slawen und
Romanen.&laquo;<A name="ZT9"></A><A href="fm03_443.htm#Z9"><SPAN class="top">[9]</SPAN></A></P>
<P>Die deutsche Arbeiterklasse habe den Krieg, den zu hindern nicht in ihrer Macht
stand, energisch unterst&uuml;tzt als einen Krieg f&uuml;r Deutschlands Unabh&auml;ngigkeit
und f&uuml;r die Befreiung Deutschlands und Europas von dem erdr&uuml;ckenden
Alp des zweiten Kaiserreichs. &raquo;Es waren die deutschen Industriearbeiter, welche
mit den l&auml;ndlichen Arbeitern zusammen die Sehnen und Muskeln heldenhafter
Heere lieferten, w&auml;hrend sie ihre halbverhungerten Familien zur&uuml;cklie&szlig;en.&laquo;<A name="ZT10"></A><A href="fm03_443.htm#Z10"><SPAN class="top">[10]</SPAN></A>
Dezimiert durch die Schlachten, w&uuml;rden sie noch einmal dezimiert werden durch
das Elend zu Hause. Sie verlangten nun ihrerseits Garantien, da&szlig; ihre ungeheuren
Opfer nicht umsonst gebracht w&auml;ren, da&szlig; sie die Freiheit erobert h&auml;tten,
da&szlig; die Siege, die sie &uuml;ber die bonapartistischen Armeen errungen hatten,
nicht in eine Niederlage des Volks verwandelt w&uuml;rden wie im Jahre 1815. Als
erste dieser Garantien verlangten sie einen &raquo;ehrenvollen Frieden f&uuml;r Frankreich&laquo;
und die &raquo;Anerkennung der franz&ouml;sischen Republik&laquo;. Die Adresse verwies auf
die Kundgebung des Braunschweiger Ausschusses. Ungl&uuml;cklicherweise sei auf
keinen unmittelbaren Erfolg zu rechnen. Aber die Geschichte werde zeigen, da&szlig;
die deutschen Arbeiter nicht von demselben biegsamen Stoff gemacht seien wie die
deutsche Mittelklasse. Sie w&uuml;rden ihre Pflicht tun.</P>
<P>Danach wandte sich die Adresse der franz&ouml;sischen Seite der neuen Lage
zu. Die Republik habe nicht den Thron umgeworfen, sondern nur seinen leeren Platz
eingenommen. Sie sei nicht als eine soziale Errungenschaft ausgerufen worden,
sondern als eine nationale Verteidigungsma&szlig;regel. Sie sei in den H&auml;nden
einer provisorischen Regierung, zusammengesetzt teils aus notorischen Orleanisten,
teils aus Bourgeoisrepublikanern, und unter diesen seien einige, denen die Juni-Insurrektion
von 1848 ihr unausl&ouml;schliches Brandmal hinterlassen habe. Die Teilung der
Arbeit unter den Mitgliedern der Regierung scheine wenig Gutes zu versprechen.
Die Orleanisten h&auml;tten sich der starken Stellungen bem&auml;chtigt - der
Armee und der Polizei -, w&auml;hrend den angeblichen Republikanern die Schwatzposten
zugeteilt seien. Einige ihrer ersten Handlungen bewiesen ziemlich deutlich, da&szlig;
sie vom Kaiserreich nicht nur einen <A name="S454"></A><B>|454|</B> Haufen Ruinen
geerbt h&auml;tten, sondern auch seine Furcht vor der Arbeiterklasse.</P>
<P>&raquo;So findet sich die franz&ouml;sische Arbeiterklasse in &auml;u&szlig;erst
schwierige Umst&auml;nde versetzt. Jeder Versuch, die neue Regierung zu st&uuml;rzen,
wo der Feind fast schon an die Tore von Paris pocht, w&auml;re eine verzweifelte
Torheit. Die franz&ouml;sischen Arbeiter m&uuml;ssen ihre Pflicht als B&uuml;rger
tun, aber sie d&uuml;rfen sich nicht beherrschen lassen durch die nationalen Erinnerungen
von 1792, wie die franz&ouml;sischen Bauern sich tr&uuml;gen lie&szlig;en durch
die nationalen Erinnerungen des ersten Kaiserreichs. Sie haben nicht die Vergangenheit
zu wiederholen, sondern die Zukunft aufzubauen. M&ouml;gen sie ruhig und entschlossen
die Mittel ausn&uuml;tzen, die ihnen die republikanische Freiheit gibt, um die
Organisation ihrer eignen Klasse gr&uuml;ndlich durchzuf&uuml;hren. Das wird ihnen
neue, herkulische Kr&auml;fte geben f&uuml;r die Wiedergeburt Frankreichs und
f&uuml;r unsre gemeinsame Aufgabe - die Befreiung des Proletariats. Von ihrer
Kraft und Weisheit h&auml;ngt ab das Schicksal der Republik.&laquo;<A name="ZT11"></A><A href="fm03_443.htm#Z11"><SPAN class="top">[11]</SPAN></A></P>
<P>Diese Adresse fand einen lebhaften Widerhall unter den franz&ouml;sischen Arbeitern.
Sie verzichteten auf den Kampf gegen die provisorische Regierung und taten ihre
Pflicht als B&uuml;rger, vor allem das Pariser Proletariat, das, als Nationalgarde
bewaffnet, an der tapferen Verteidigung der franz&ouml;sischen Hauptstadt den
hervorragendsten Anteil hatte, aber sich durch die nationalen Erinnerungen von
1792 nicht blenden lie&szlig;, sondern eifrig an seiner Organisation als Klasse
arbeitete. Nicht minder zeigten sich die deutschen Arbeiter auf der H&ouml;he.
Trotz aller Drohungen und Verfolgungen forderten die Lassalleaner wie die Eisenacher
den ehrenvollen Frieden mit der Republik; als der Norddeutsche Reichstag im Dezember
wieder zusammentrat, um neue Kriegskredite zu bewilligen, stimmten die parlamentarischen
Vertreter beider Fraktionen mit einem runden Nein. Vor allem f&uuml;hrten Liebknecht
und Bebel diesen Kampf mit so gl&uuml;hendem Eifer und mit so herausfordernder
K&uuml;hnheit, da&szlig; sich um deswillen - und nicht wie eine weitverbreitete
Legende will, wegen ihrer Stimmenthaltung im Juli - der Ruhm dieser Tage in erster
Reihe an ihre Namen kn&uuml;pfte. Sie wurden nach Schlu&szlig; des Reichstags
unter der Anklage des Hochverrats verhaftet.</P>
<P>Marx war in diesem Winter wieder mit &Uuml;berarbeit belastet. Im August hatten
ihn die &Auml;rzte ins Seebad geschickt, aber dort hatte ihn eine heftige Erk&auml;ltung
&raquo;krummgelegt&laquo;, und erst am letzten Tage dieses Monats war er nach London zur&uuml;ckgekehrt,
wenn auch noch keineswegs wiederhergestellt. Gleichwohl mu&szlig;te er fast die
ganze internationale Korrespondenz des Generalrats &uuml;bernehmen, da der gr&ouml;&szlig;te
Teil von <A name="S455"></A><B>|455|</B> dessen Korrespondenten f&uuml;rs Ausland
nach Paris gegangen war. Er k&auml;me nie vor 3 Uhr nachts ins Bett, klagte er
am 14. September dem Freunde Kugelmann. Eine Erleichterung f&uuml;r die Zukunft
wenigstens konnte er von Engels erwarten, der in eben diesen Tagen dauernd nach
London &uuml;bersiedelte.</P>
<P>Unzweifelhaft hoffte Marx nunmehr auf den siegreichen Widerstand der franz&ouml;sischen
Republik gegen den preu&szlig;ischen Eroberungskrieg. Die deutschen Zust&auml;nde,
die damals selbst dem ultramontan-welfischen Parteif&uuml;hrer Windthorst den
bei&szlig;enden Witz eingaben, wenn Bismarck durchaus annektieren wolle, so solle
er sich doch an Cayenne als den f&uuml;r seine Staatskunst geeignetsten Erwerb
halten, erf&uuml;llten Marx mit gro&szlig;er Bitterkeit; &raquo;es scheint, da&szlig;
man nicht nur den Bonaparte, seine Generale und seine Armee in Deutschland eingefangen,
sondern mit ihm auch den ganzen Imperialismus mit allen seinen Gebresten im Land
der Eichen und der Linden akklimatisiert hat&laquo;, schrieb er am 13. Dezember an Kugelmann.
In diesem Briefe verzeichnete er mit offenbarer Befriedigung, da&szlig; die &ouml;ffentliche
Meinung in England, bei Beginn des Krieges ultrapreu&szlig;isch, in ihr Gegenteil
umgeschlagen sei. Abgesehen von der entschiedenen Sympathie der Volksmasse f&uuml;r
die Republik und anderen Umst&auml;nden &raquo;hat die Weise der Kriegf&uuml;hrung -
das System der Requisitionen, Niederbrennen der D&ouml;rfer, Erschie&szlig;en
der Franktireurs, B&uuml;rgennehmen und &auml;hnliche Rekapitulationen aus dem
Drei&szlig;igj&auml;hrigen Krieg - hier allgemeine Entr&uuml;stung hervorgerufen.
Of course [Mehring &uuml;bersetzt: Nat&uuml;rlich] -, die Engl&auml;nder haben
dergleichen getan in Indien, Jamaika etc., aber die Franzosen sind weder Hindus
noch Chinesen, noch Neger, und die Preu&szlig;en sind keine heavenborn Englishmen
[Mehring &uuml;bersetzt: vorn Himmel stammenden Engl&auml;nder]. Es ist eine echt
hohenzollernsche Idee, da&szlig; ein Volk ein Verbrechen begeht, wenn es sich
fortf&auml;hrt zu verteidigen, sobald sein stehendes Heer alle geworden ist.&laquo;
An dieser Idee habe schon der brave Friedrich Wilhelm der Dritte in dem preu&szlig;ischen
Volkskriege gegen den ersten Napoleon gelitten.</P>
<P>Die Drohung Bismarcks, Paris zu bombardieren, nannte Marx &raquo;einen blo&szlig;en
Trick. Auf die Stadt Paris selbst kann es nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung
durchaus keinen ernsthaften Effekt machen. Werden ein paar Vorwerke niedergeschossen,
Bresche gemacht, was n&uuml;tzt das in einem Falle, wo die Zahl der Belagerten
gr&ouml;&szlig;er ist als die der Belagerer? ... Die Aushungerung von Paris ist
das einzig reale Mittel.&laquo; Beil&auml;ufig ein Bild zum Malen! Dieser &raquo;vaterlandslose
Geselle&laquo;, der sich selbst in milit&auml;r-wissenschaftlichen Fragen jedes selbst&auml;ndige
<A name="S456"></A><B>|456|*</B> Urteil absprach, kennzeichnete das von Bismarck
geforderte Bombardement der franz&ouml;sischen Hauptstadt als einen &raquo;blo&szlig;en
Trick&laquo; aus denselben Gr&uuml;nden, aus denen es alle namhaften Generale des deutschen
Heeres, mit der einzigen Ausnahme Roons, in einem heftigen, hinter den Kulissen
des deutschen Hauptquartiers wochenlang tobenden Streit als &raquo;F&auml;hnrichsstreich&laquo;
verwarfen, w&auml;hrend der ganze Tro&szlig; von patriotischen Professoren und
Zeitungsschreibern sich von Bismarcks Offizi&ouml;sen in sittliche Entr&uuml;stung
&uuml;ber die preu&szlig;ische K&ouml;nigin und die preu&szlig;ische Kronprinzessin
jagen lie&szlig;, weil diese Frauen, sei es aus sentimentalen, sei es gar aus
landesverr&auml;terischen R&uuml;cksichten, ihre Pantoffelhelden von M&auml;nnern
angeblich hinderten, Paris zu bombardieren!</P>
<P>Als Bismarck sich nun obendrein in der hochtrabenden Redensart erging, da&szlig;
die franz&ouml;sische Regierung die freie Meinungs&auml;u&szlig;erung in der Presse
und durch Abgeordnete unm&ouml;glich mache, beleuchtete Marx in den &raquo;Daily News&laquo;
vom 16. Januar 1871 diesen &raquo;Berliner Witz&laquo; mit einer bei&szlig;enden Schilderung
der Polizeiwirtschaft, die sich gleichzeitig in Deutschland austobte. Er schlo&szlig;
diese Schilderung: &raquo;Frankreich - und seine Sache ist gl&uuml;cklicherweise weit
entfernt davon, verzweifelt zu sein - k&auml;mpft in diesem Moment nicht blo&szlig;
f&uuml;r seine eigene nationale Unabh&auml;ngigkeit, sondern f&uuml;r die Freiheit
Deutschlands und Europas.&laquo;<A name="ZT12"></A><A href="fm03_443.htm#Z12"><SPAN class="top">[12]</SPAN></A> In diesem Satze fa&szlig;t sich die Stellung zusammen,
die Marx und Engels nach Sedan zum Deutsch-Franz&ouml;sischen Kriege eingenommen
haben.</P>
<H3 align="CENTER">3. Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich<A name="Kap_3"></A></H3>
<P>Am 28. Januar kapitulierte Paris. In dem Vertrage, der dar&uuml;ber zwischen
Bismarck und Jules Favre abgeschlossen wurde, war ausdr&uuml;cklich bestimmt,
da&szlig; die Pariser Nationalgarde ihre Waffen behalten solle.</P>
<P>Die Wahlen zur Nationalversammlung ergaben eine monarchisch-reaktion&auml;re
Mehrheit, die den alten R&auml;nkeschmied Thiers zum Pr&auml;sidenten der Republik
w&auml;hlte. Seine erste Sorge, nach Annahme der Friedenspr&auml;liminarien -
Abtretung Elsa&szlig;-Lothringens und f&uuml;nf Milliarden Kriegsentsch&auml;digung
- durch die Nationalversammlung, war die Entwaffnung von Paris. Denn f&uuml;r
diesen eingefleischten Bourgeois und nicht minder f&uuml;r die Krautjunker der
Versammlung war Paris in Waffen nichts anderes als die Revolution.</P>
<P>Am 18. M&auml;rz versuchte Thiers zun&auml;chst die Gesch&uuml;tze der Pariser
Nationalgarde zu rauben, unter der dreisten L&uuml;ge, sie seien Staatseigentum,
<A name="S457"></A><B>|457|</B> w&auml;hrend sie auf Kosten der Nationalgarde
im Laufe der Belagerung hergestellt und als ihr Eigentum auch in dem Kapitulationsvertrage
vom 28. Januar anerkannt worden waren. Indessen die Nationalgarde widersetzte
sich und die zu dem Raubversuch befohlenen Truppen gingen zu ihr &uuml;ber. Damit
war der B&uuml;rgerkrieg entbrannt. Paris w&auml;hlte am 26. M&auml;rz seine Kommune,
deren Geschichte ebenso reich ist an heldenhaftem K&auml;mpfen und Dulden der
Pariser Arbeiter wie an feiger Grausamkeit und T&uuml;cke der Versailler Ordnungsparteien.</P>
<P>Es ist &uuml;berfl&uuml;ssig, erst hervorzuheben, mit welch brennender Teilnahme
Marx diese Entwicklung der Dinge verfolgte. Am 12. April schrieb er an Kugelmann:
&raquo;Welche Elastizit&auml;t, welche historische Initiative, welche Aufopferungsf&auml;higkeit
in diesen Parisern! Nach sechsmonatlicher Aushungerung und Verruinierung durch
innern Verrat noch mehr als durch den ausw&auml;rtigen Feind, erheben sie sich,
unter preu&szlig;ischen Bajonetten, als ob nie ein Krieg zwischen Frankreich und
Deutschland existiert habe und der Feind nicht noch vor den Toren von Paris stehe!
Die Geschichte hat kein &auml;hnliches Beispiel &auml;hnlicher Gr&ouml;&szlig;e!&laquo;
Wenn die Pariser unterl&auml;gen, so w&uuml;rde die Schuld an ihrer &raquo;Gutm&uuml;tigkeit&laquo;
liegen. Sie h&auml;tten sofort auf Versailles marschieren sollen, nachdem die
Truppen und der reaktion&auml;re Teil der Nationalgarde das Feld ger&auml;umt
hatten. Aber sie h&auml;tten aus Gewissensbedenken den B&uuml;rgerkrieg nicht
er&ouml;ffnen wollen, als ob die boshafte Mi&szlig;geburt Thiers ihn nicht schon
mit dem Entwaffnungsversuch von Paris begonnen h&auml;tte. Aber wenn auch unterliegend,
so sei die Erhebung der Pariser die glorreichste Tat unserer Partei seit der Juni-Insurrektion.
&raquo;Man vergleiche mit diesen Himmelsst&uuml;rmern von Paris die Himmelssklaven des
deutsch-preu&szlig;ischen heiligen r&ouml;mischen Reichs mit seinen posthumen
Maskeraden, duftend nach Kaserne, Kirche, Krautjunkertum und vor allem Philistertum.&laquo;</P>
<P>Wenn Marx von dem Pariser Aufstand als einer Tat &raquo;unserer Partei&laquo; sprach, so
durfte er es sowohl in dem allgemeinen Sinne tun, da&szlig; die Pariser Arbeiterklasse
das R&uuml;ckgrat der Bewegung war als auch in dem besonderen Sinne, da&szlig;
die Pariser Mitglieder der Internationalen zu den einsichtigsten und tapfersten
K&auml;mpfern der Kommune geh&ouml;rten, wenn sie in deren Rat auch nur eine Minderheit
bildeten. Die Internationale war schon derma&szlig;en als allgemeines Schreckgespenst
berufen, mu&szlig;te den herrschenden Klassen als S&uuml;ndenbock f&uuml;r alle,
ihnen mi&szlig;liebigen Ereignisse herhalten, da&szlig; auch der Pariser Aufstand
ihrer teuflischen Anstiftung geschuldet sein sollte. Seltsamerweise wollte aber
ein Organ der Pariser Polizeipresse den &raquo;Grand chef&laquo; der Internationalen <A name="S458"></A><B>|458|</B>
von einer Teilnahme daran entlasten; es ver&ouml;ffentlichte am 19. M&auml;rz
einen angeblichen Brief, worin Marx die Pariser Sektionen getadelt haben sollte,
weil sie sich zuviel mit politischen und nicht genug mit sozialen Fragen besch&auml;ftigten.
Marx beeilte sich, den Brief in der &raquo;Times&laquo; als eine &raquo;unversch&auml;mte F&auml;lschung&laquo;
zu kennzeichnen.</P>
<P>Niemand wu&szlig;te besser als Marx, da&szlig; die Internationale die Kommune
nicht gemacht hatte, aber er hat sie stets als Fleisch von ihrem Fleisch, und
Blut von ihrem Blute anerkannt. Nat&uuml;rlich nur in dem Rahmen, der durch das
Programm und die &raquo;Statuten der Internationalen&laquo; gezogen war, wonach jede Arbeiterbewegung,
die auf die Emanzipation des Proletariats abziele, zu ihr geh&ouml;re. Zu seinen
engeren Gesinnungsgenossen durfte Marx weder die blanquistische Mehrheit im Rate
der Kommune z&auml;hlen noch auch nur die Minderheit, die zwar zur Internationalen
geh&ouml;rte, aber wesentlich in den Gedankeng&auml;ngen Proudhons lebte und webte.
Mit ihr hat Marx w&auml;hrend der Kommune, soweit es unter den damaligen Umst&auml;nden
m&ouml;glich war, geistige F&uuml;hlung behalten, doch haben sich davon leider
nur sehr d&uuml;rftige Reste erhalten.</P>
<P>Auf einen verlorenen Brief von ihm antwortete Leo Franckel, Delegierter f&uuml;r
das Departement der &ouml;ffentlichen Arbeiten, am 25. April u.a.: &raquo;Es w&auml;re
mir sehr erw&uuml;nscht, wenn Sie mir irgendwie mit Ihrem Rate beistehen wollten,
da ich gegenw&auml;rtig sozusagen allein, aber auch allein verantwortlich bin
f&uuml;r alle Reformen, die ich im Departement der &ouml;ffentlichen Arbeiten
einf&uuml;hren will. Da&szlig; Sie Ihr m&ouml;glichstes tun werden, um allen V&ouml;lkern,
allen Arbeitern und namentlich den deutschen begreiflich zu machen, da&szlig;
die Kommune von Paris nichts mit der deutschen Zopfgemeinde zu tun hat, l&auml;&szlig;t
sich schon aus einigen Zeilen Ihres letzten Briefes schlie&szlig;en. Damit werden
Sie jedenfalls unserer Sache einen gro&szlig;en Dienst erwiesen haben.&laquo; Eine etwaige
Antwort, die Marx auf diesen Brief erteilt oder gar ein Rat, den er gegeben h&auml;tte,
hat sich nicht erhalten.</P>
<P>Dagegen ist ein Brief verloren, den Franckel und Varlin an Marx gerichtet haben,
und den dieser am 13. Mai also beantwortete: &raquo;Ich habe mit dem &Uuml;berbringer
gesprochen. W&uuml;rde es sich nicht empfehlen, die f&uuml;r die Kanaillen von
Versailles so kompromittierenden Papiere an einen sichern Ort zu bringen? Solche
Vorsichtsma&szlig;regeln k&ouml;nnen niemals schaden. - Man hat mir von Bordeaux
geschrieben, da&szlig; bei den letzten Gemeinderatswahlen vier Internationale
gew&auml;hlt worden sind. In den Provinzen beginnt es zu g&auml;ren. Leider ist
ihre Aktion lokal beschr&auml;nkt und friedlich. - In Ihrer Sache schrieb ich
einige hundert Briefe nach allen Ecken und Enden der Welt, wo wir Beziehungen
haben. Die Arbeiterklasse <A name="S459"></A><B>|459|*</B> war &uuml;brigens von
Anfang an f&uuml;r die Kommune. Selbst die englischen b&uuml;rgerlichen Bl&auml;tter
haben ihre anf&auml;nglich durchaus ablehnende Haltung aufgegeben. Es gl&uuml;ckte
mir, von Zeit zu Zeit einen g&uuml;nstigen Artikel bei ihnen einzuschmuggeln.
- Die Kommune verschwendet, wie mir scheint, zuviel Zeit mit Kleinigkeiten und
pers&ouml;nlichen Streitereien. Offenbar wirken noch andere Einfl&uuml;sse mit
als die der Arbeiter. All dies w&uuml;rde aber gar nichts ausmachen, wenn es Ihnen
gel&auml;nge, die verlorene Zeit wieder einzuholen.&laquo; Marx wies schlie&szlig;lich
darauf hin, da&szlig; m&ouml;glichst schnelles Handeln schon deshalb geboten sei,
weil drei Tage vorher der endg&uuml;ltige Friede zwischen Frankreich und Deutschland
in Frankfurt a.M. abgeschlossen worden sei und Bismarck nun dasselbe Interesse
wie Thiers an der Niederwerfung der Kommune habe, zumal da von diesem Zeitpunkt
an die Abtragung der Kriegsentsch&auml;digung von f&uuml;nf Milliarden beginnen
sollte.</P>
<P>Soweit Marx in diesem Briefe Ratschl&auml;ge erteilt, wird man eine gewisse
vorsichtige Zur&uuml;ckhaltung sp&uuml;ren, und ohne Zweifel wird alles, was er
an Mitglieder der Kommune geschrieben haben mag, auf denselben Ton gestimmt gewesen
sein. Nicht als ob er sich gescheut h&auml;tte, die unbedingte Verantwortung f&uuml;r
das Tun und Lassen der Kommune zu &uuml;bernehmen - denn das hat er nach ihrer
Niederlage sofort vor aller &Ouml;ffentlichkeit in umfassender Weise getan -,
sondern weil er vollkommen frei war von jedem Gel&uuml;ste, diktatorische Manieren
hervorzukehren und von au&szlig;en her vorzuschreiben, was an Ort und Stelle,
wo die Dinge am besten &uuml;bersehen werden konnten, zu tun und zu lassen sei.</P>
<P>Am 28. Mai waren die letzten Verteidiger der Kommune gefallen, und bereits
zwei Tage sp&auml;ter legte Marx dem Generalrat die Adresse &uuml;ber den &raquo;B&uuml;rgerkrieg
in Frankreich&laquo; vor, eine der gl&auml;nzendsten Urkunden, die je aus seiner Feder
geflossen sind, und alles in allem noch heute der Glanzpunkt der gewaltigen Literatur,
die seitdem &uuml;ber die Pariser Kommune erschienen ist. Marx bew&auml;hrte hier
wieder an einem schwierigen und verwickelten Problem seine erstaunliche F&auml;higkeit,
unter der t&auml;uschenden Oberfl&auml;che eines scheinbar unl&ouml;slichen Durcheinanders,
mitten durch das Gewirr sich hundertfach kreuzender Ger&uuml;chte, den geschichtlichen
Kern der Dinge sicher zu erkennen. Soweit es die Adresse mit Tatsachen zu tun
hat - und ihre beiden ersten wie ihr vierter und letzter Abschnitt schildern die
tats&auml;chliche Entwicklung -, hat sie &uuml;berall das Richtige erkannt und
ist seither in keinem Punkte widerlegt werden.</P>
<P>Freilich gibt die Adresse keine kritische Geschichte der Kommune, aber das
war auch nicht ihre Aufgabe. Sie sollte die Ehre und das Recht <A name="S460"></A><B>|460|</B>
der Kommune gegen die Schmach und das Unrecht ihrer Gegner in helles Licht stellen;
sie sollte eine Kampfschrift und keine geschichtliche Abhandlung sein. Was die
Kommune gefehlt und ges&uuml;ndigt hat, ist seitdem von sozialistischer Seite
oft genug Gegenstand einer herben und mitunter selbst zu herben Kritik gewesen.
Marx beschr&auml;nkte sich auf die Andeutung: &raquo;In jeder Revolution dr&auml;ngen
sich, neben ihren wirklichen Vertretern, Leute andern Gepr&auml;ges vor. Einige
sind die &Uuml;berlebenden fr&uuml;herer Revolutionen, mit denen sie verwachsen
sind; ohne Einsicht in die gegenw&auml;rtige Bewegung, aber noch im Besitz gro&szlig;en
Einflusses auf das Volk durch ihren bekannten Mut und Charakter oder auch durch
blo&szlig;e Tradition. Andre sind blo&szlig;e Schreier, die, jahrelang dieselben
st&auml;ndigen Deklamationen gegen die Regierung des Tages wiederholend, sich
in den Ruf von Revolution&auml;ren des reinsten Wassers eingeschlichen haben.
Auch nach dem 18. M&auml;rz kamen solche Leute zum Vorschein und spielten sogar
in einigen F&auml;llen eine hervorragende Rolle. Soweit ihre Macht ging, hemmten
sie die wirkliche Aktion der Arbeiterklasse, wie sie die volle Entwicklung jeder
fr&uuml;hern Revolution gehemmt haben.&laquo;<A name="ZT13"></A><A href="fm03_443.htm#Z13"><SPAN class="top">[13]</SPAN></A> Sie seien ein unvermeidliches &Uuml;bel,
mit der Zeit sch&uuml;ttele man sie ab, aber gerade diese Zeit sei der Kommune
nicht gelassen worden.</P>
<P>Ein besonderes Interesse beansprucht der dritte Abschnitt der Adresse, der
sich mit dem geschichtlichen Wesen der Pariser Kommune besch&auml;ftigte. In scharf
sinnigster Weise wurde dies Wesen unterschieden von dem Wesen fr&uuml;herer historischer
Gebilde, die ihr &auml;u&szlig;erlich &auml;hnlich sehen mochten - von der mittelalterlichen
Kommune an bis zur preu&szlig;ischen St&auml;dteordnung. &raquo;Es konnte nur einem
Bismarck einfallen, der, wenn nicht von seinen Blut- und Eisenintrigen in Anspruch
genommen, gern zu seinem alten, seinem geistigen Kaliber so sehr zusagenden Handwerk
als Mitarbeiter am &#155;Kladderadatsch&#139; zur&uuml;ckkehrt - nur einem solchen Kopf
konnte es einfallen, der Pariser Kommune eine Sehnsucht unterzuschieben nach jener
Karikatur der alten franz&ouml;sischen St&auml;dteverfassung von 1791, der preu&szlig;ischen
St&auml;dteordnung, die die st&auml;dtischen Verwaltungen zu blo&szlig;en untergeordneten
R&auml;dern in der preu&szlig;ischen Staatsmaschinerie erniedrigt.&laquo;<A name="ZT14"></A><A href="fm03_443.htm#Z14"><SPAN class="top">[14]</SPAN></A> In der Mannigfaltigkeit
der Deutungen, denen die Kommune unterlag, und der Mannigfaltigkeit der Interessen,
die sich in ihr ausgedr&uuml;ckt fanden, erkannte die Adresse die Tatsache, da&szlig;
sie eine durch und durch ausdehnungsf&auml;hige politische Form gewesen sei, w&auml;hrend
alle fr&uuml;heren Regierungsformen wesentlich unterdr&uuml;ckend gewesen seien.
&raquo;Ihr wahres Geheimnis war dies: sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklasse,
das Resultat des Kampfs der hervorbringenden gegen die aneignende Klasse, die
endlich entdeckte <A name="S461"></A><B>|461|</B> politische Form, unter der die
&ouml;konomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte.&laquo;<A name="ZT15"></A><A href="fm03_443.htm#Z15"><SPAN class="top">[15]</SPAN></A></P>
<P>Den Beweis hierf&uuml;r konnte die Adresse nicht durch ein ausdr&uuml;ckliches
Regierungsprogramm der Kommune f&uuml;hren, zu dem diese nicht gelangt war und,
vom ersten bis zum letzten Tage ihres Daseins in einem Kampfe um Leben und Tod
stehend, auch nicht gelangen konnte. Sie f&uuml;hrte ihn an der Hand der praktischen
Politik, die die Kommune getrieben hatte, und das innerste Wesen dieser Politik
sah sie in der Abw&uuml;rgung des Staates, der in seiner prostituiertesten Form,
dem zweiten Kaiserreich, nur noch einen &raquo;Schmarotzerauswuchs&laquo; am gesellschaftlichen
K&ouml;rper darstellte, dessen Kr&auml;fte aufsauge und dessen freie Entwicklung
hemme. Das erste Dekret der Kommune verf&uuml;gte die Unterdr&uuml;ckung des stehenden
Heeres und dessen Ersetzung durch das bewaffnete Volk. Die Kommune entkleidete
die Polizei, bisher das Werkzeug der Staatsregierung, aller politischen Funktionen
und verwandelte sie in ihr verantwortliches Werkzeug. Nachdem sie das stehende
Heer und die Polizei, die Werkzeuge der materiellen Macht der alten Regierung,
beseitigt hatte, brach sie ihr geistliches Unterdr&uuml;ckungswerkzeug, die Pfaffenmacht;
sie verf&uuml;gte die Aufl&ouml;sung und Enteignung s&auml;mtlicher Kirchen, soweit
sie besitzende K&ouml;rperschaften waren. Sie &ouml;ffnete dem Volke alle Unterrichtsanstalten
unentgeltlich und befreite sie gleichzeitig von aller Einmischung des Staates
wie der Kirche. Die staatliche B&uuml;rokratie aber rottete sie mit der Wurzel
aus, indem sie alle Beamten, auch die Richter, w&auml;hlen lie&szlig;, sie f&uuml;r
jederzeit absetzbar erkl&auml;rte und ihre Besoldungen auf ein H&ouml;chstma&szlig;
von 6.000 Franken beschr&auml;nkte.</P>
<P>So geistreich diese Ausf&uuml;hrungen im einzelnen waren, so standen sie doch
in einem gewissen Widerspruch mit den Ansichten, die Marx und Engels seit einem
Vierteljahrhundert vertreten und schon im &raquo;Kommunistischen Manifest&laquo; verk&uuml;ndet
hatten. Dieser ihrer Auffassung gem&auml;&szlig; geh&ouml;rte zu den schlie&szlig;lichen
Folgen der k&uuml;nftigen proletarischen Revolution allerdings die Aufl&ouml;sung
der mit dem Namen: Staat bezeichneten politischen Organisation, aber doch nur
die allm&auml;hliche Aufl&ouml;sung. Der Hauptzweck dieser Organisation war von
jeher, die &ouml;konomische Unterdr&uuml;ckung der arbeitenden Mehrzahl durch
die ausschlie&szlig;lich beg&uuml;terte Minderzahl durch bewaffnete Gewalt sicherzustellen.
Mit dem Verschwinden einer ausschlie&szlig;lich beg&uuml;terten Minderzahl verschwindet
auch die Notwendigkeit einer bewaffneten Unterdr&uuml;ckungs- oder Staatsgewalt.
Gleichzeitig aber betonten Marx und Engels, da&szlig;, um zu diesem und den anderen
weit wichtigeren Zielen der k&uuml;nftigen sozialen Revolution zu gelangen, die
Arbeiterklasse zuerst die organisierte politische Gewalt <A name="S462"></A><B>|462|*</B>
des Staates in Besitz nehmen, mit ihrer Hilfe den Widerstand der Kapitalistenklasse
niederstampfen und die Gesellschaft neu organisieren m&uuml;sse. Mit dieser Auffassung
des &raquo;Kommunistischen Manifestes&laquo; lie&szlig; sich aber das Lob nicht vereinigen,
das die Adresse des Generalrats der Pariser Kommune spendete, weil sie damit begonnen
habe, den Schmarotzer Staat mit Stumpf und Stiel auszurotten.</P>
<P>Nat&uuml;rlich waren sich Marx und Engels dar&uuml;ber vollkommen klar; in
dem Vorworte zu einer neuen Ausgabe des &raquo;Kommunistischen Manifestes&laquo;, die im Juni
1872 noch unter dem frischen Eindruck der Kommune erschien, berichtigten sie sich
unter ausdr&uuml;cklichem Hinweis auf die Adresse dahin, da&szlig; die Arbeiterklasse
die fertige Staatsmaschine nicht einfach in Besitz nehmen und sie f&uuml;r ihre
eigenen Zwecke in Bewegung setzen k&ouml;nne. Sp&auml;ter aber hat wenigstens
Engels, nach dem Tode von Marx, im Kampfe mit anarchistischen Richtungen diesen
Vorbehalt wieder fallenlassen und ganz die alten Anschauungen des &raquo;Manifestes&laquo;
wiederholt. Es war begreiflich genug, da&szlig; die Anh&auml;nger Bakunins in
ihrer Weise die Adresse des Generalrats verwerteten. Bakunin selbst spottete,
da&szlig; Marx, dessen Ideen durch die Kommune alle &uuml;ber den Haufen geworfen
worden seien, im Widerspruch mit aller Logik vor ihr den Hut ziehen, ihr Programm
und ihr Ziel zu den seinigen machen m&uuml;sse. In der Tat - wenn ein gar nicht
einmal vorbereiteter, sondern durch einen brutalen Angriff pl&ouml;tzlich erzwungener
Aufstand mit ein paar einfachen Dekreten die Unterdr&uuml;ckungsmaschinerie des
Staates beseitigen konnte, war dann nicht best&auml;tigt, was Bakunin zu wiederholen
nicht m&uuml;de wurde? Das lie&szlig; sich immerhin mit einigem guten oder schlechten
Willen aus der Adresse des Generalrats herauslesen, die allzusehr, was der M&ouml;glichkeit
nach im Wesen der Kommune lag, schon der Wirklichkeit nach als vorhanden schilderte.
Jedenfalls aber, wenn die Agitation Bakunins im Jahre 1871 einen lebhafteren Aufschwung
nahm, als jemals fr&uuml;her, so war das dem m&auml;chtigen Eindruck geschuldet,
den die Pariser Kommune auf die europ&auml;ische Arbeiterklasse machte.</P>
<P>Die Adresse schlo&szlig;: &raquo;Das Paris der Arbeiter, mit seiner Kommune, wird
ewig gefeiert werden als der ruhmvolle Vorbote einer neuen Gesellschaft. Seine
M&auml;rtyrer sind eingeschreint in dem gro&szlig;en Herzen der Arbeiterklasse.
Seine Vertilger hat die Geschichte schon jetzt an jenen Schandpfahl genagelt,
von dem sie zu erl&ouml;sen alle Gebete ihrer Pfaffen ohnm&auml;chtig sind.&laquo;<A name="ZT16"></A><A href="fm03_443.htm#Z16"><SPAN class="top">[16]</SPAN></A> Die
Adresse erregte sofort nach ihrem Erscheinen das gewaltigste Aufsehen. &raquo;Sie macht
einen L&auml;rm vom Teufel, und ich habe die Ehre, in diesem Augenblick der bestverleumdete
und meistbedrohte Mann von London zu sein&laquo;, schrieb Marx an Kugelmann. &raquo;Das <A name="S463"></A><B>|463|</B>
tut einem wahrhaft wohl nach der langweiligen zwanzigj&auml;hrigen Sumpfidylle.
Das Regierungsblatt - &#155;The Observer&#139; - droht mir mit gerichtlicher Verfolgung.
M&ouml;gen sie es wagen! Ich pfeife auf diese Kanaillen.&laquo; Marx hatte sich sofort
nach dem ersten Anheben des Spektakels als Verfasser der Adresse genannt.</P>
<P>In sp&auml;teren Jahren ist Marx auch von sozialdemokratischen, immerhin vereinzelten
Stimmen getadelt worden, da&szlig; er die Internationale gef&auml;hrdet habe,
indem er sie mit der Verantwortung f&uuml;r die Kommune belastet habe, die sie
gar nicht zu tragen hatte. Er h&auml;tte sie ja gegen ungerechte Angriffe verteidigen
k&ouml;nnen, aber sich vor ihren eigenen Fehlern und Mi&szlig;griffen bekreuzigen
m&uuml;ssen. Das w&auml;re so die Taktik liberaler &raquo;Staatsm&auml;nner&laquo; gewesen,
die Marx nicht befolgen konnte, eben weil er Marx war. Er hat nie daran gedacht,
die Zukunft seiner Sache zu opfern, in der tr&uuml;gerischen Hoffnung, dadurch
die Gefahren zu mindern, die ihr in der Gegenwart drohten.</P>
<H3 align="CENTER">4. Die Internationale und die Kommune<A name="Kap_4"></A></H3>
<P>Indem die Internationale das Erbe der Kommune, ohne Sichtung des Nachlasses,
unbesehen &uuml;bernahm, trat sie einer Welt von Feinden gegen&uuml;ber.</P>
<P>Am wenigsten kam es dabei noch auf die verleumderischen Angriffe an, womit
die b&uuml;rgerliche Presse aller L&auml;nder sie &uuml;bersch&uuml;ttete. Im
Gegenteile gewann sie dadurch in gewissem Sinne und bis zu einem gewissen Grade
ein Mittel der Propaganda, indem der Generalrat durch &ouml;ffentliche Erkl&auml;rungen
diese Angriffe zur&uuml;ckwies und damit wenigstens in der gro&szlig;en englischen
Presse einiges Geh&ouml;r fand.</P>
<P>Eine schwerere Last hatte der Generalrat an der Sorge f&uuml;r die zahlreichen
Fl&uuml;chtlinge der Kommune zu tragen, die sich zum Teil in Belgien und der Schweiz,
vornehmlich aber in London eingefunden hatten. Bei dem immer schlechten Zustande
seiner Finanzen konnte er nur mit der gr&ouml;&szlig;ten M&uuml;he und Not die
n&ouml;tigen Mittel herbeischaffen und mu&szlig;te lange Monate seiner Kraft und
Zeit hierauf verwenden, unter Vernachl&auml;ssigung seiner regelm&auml;&szlig;igen
Aufgaben, die um so dringendere Erledigung erheischten, als fast alle Regierungen
gegen die Internationale mobilmachten.</P>
<P>Aber auch dieser Krieg der Regierungen war noch nicht die schwerste Sorge.
Er wurde zun&auml;chst in den einzelnen Staaten des Festlandes mit <A name="S464"></A><B>|464|</B>
gr&ouml;&szlig;erem oder geringerem Nachdruck gef&uuml;hrt, aber die Versuche,
alle Regierungen zu einer gemeinsamen Hetzjagd gegen das klassenbewu&szlig;te
Proletariat zu einigen, scheiterten vorl&auml;ufig. Den ersten Vorsto&szlig; dieser
Art unternahm die franz&ouml;sische Regierung schon am 6. Juni 1871, in einem
Rundschreiben Jules Favres, doch war dies Aktenst&uuml;ck so dumm und verlogen,
da&szlig; es bei den &uuml;brigen Regierungen keinen Anklang fand, selbst bei
Bismarck nicht, der, sonst f&uuml;r jede reaktion&auml;re und nun gar arbeiterfeindliche
Anregung sehr empf&auml;nglich, auch durch die Parteinahme der deutschen Sozialdemokratie
f&uuml;r die Kommune, und zwar sowohl der Lassalleaner wie der Eisenacher, aus
seinem Gr&ouml;&szlig;enbewu&szlig;tsein aufgeschreckt worden war.</P>
<P>Einige Zeit sp&auml;ter unternahm die spanische Regierung einen zweiten Versuch,
die europ&auml;ischen Regierungen gegen die Internationale zusammenzuschwei&szlig;en,
wiederum durch ein Rundschreiben ihres Ministers f&uuml;r ausw&auml;rtige Angelegenheiten.
Es reiche nicht hin, hei&szlig;t es darin, da&szlig; eine Regierung vereinzelt
die strengsten Ma&szlig;regeln gegen die Internationale ergreife und deren Sektionen
in ihrem Bereich unterdr&uuml;cke: alle Regierungen m&uuml;&szlig;ten zur Beseitigung
des &Uuml;bels ihre Bem&uuml;hungen vereinigen. Dieser Lockruf h&auml;tte schon
eher ein Echo gefunden, wenn ihn die englische Regierung nicht sofort erstickt
h&auml;tte. Lord Granville erwiderte, die Internationale h&auml;tte &raquo;hier zu Lande&laquo;
ihre Operationen haupts&auml;chlich auf Ratschl&auml;ge in Sachen von Arbeitseinstellungen
beschr&auml;nkt und verf&uuml;ge zu deren Unterst&uuml;tzung nur &uuml;ber geringe
Geldsummen, w&auml;hrend die revolution&auml;ren Pl&auml;ne, die einen Teil ihres
Programms bildeten, mehr die Ansicht der ausw&auml;rtigen Mitglieder als die Ansicht
der britischen Arbeiter widerspiegelten, deren Aufmerksamkeit haupts&auml;chlich
auf Lohnfragen gerichtet sei. Aber auch die Ausl&auml;nder st&auml;nden, wie die
britischen Untertanen, unter dem Schutze der Gesetze; w&uuml;rden sie gegen diese
versto&szlig;en, indem sie sich an Kriegsoperationen gegen irgendeinen Staat beteiligten,
mit dem Gro&szlig;britannien in Freundschaft lebe, so w&uuml;rden sie bestraft
werden, jedoch l&auml;ge kein Grund vor, au&szlig;erordentliche Vorkehrungen gegen
die Ausl&auml;nder auf englischen Boden zu treffen. Diese vern&uuml;nftige Abwehr
einer unvern&uuml;nftigen Zumutung veranla&szlig;te Bismarcks offizi&ouml;ses
Leibblatt freilich zu der knurrigen Bemerkung, die Vorkehrungen zur Abwehr der
Internationalen m&uuml;&szlig;ten im wesentlichen wirkungslos bleiben, solange
der britische Boden eine Freistatt bilde, von wo aus die &uuml;brigen europ&auml;ischen
Staaten unter dem Schutze des englischen Gesetzes ungestraft beunruhigt werden
d&uuml;rften.</P>
<P>Wenn somit ein gemeinsamer Kreuzzug der Regierungen gegen die <A name="S465"></A><B>|465|</B>
Internationale sich nicht auf die Beine bringen lie&szlig;, so vermochte sie selbst
doch auch nicht, eine geschlossene Phalanx herzustellen gegen die Verfolgungen,
denen ihre Sektionen in den einzelnen Staaten des Festlandes ausgesetzt waren.
Diese Sorge dr&uuml;ckte am allerschwersten auf sie und nicht zum wenigsten deshalb,
weil sie gerade auch in den L&auml;ndern, in deren Arbeiterklassen sie ihre sichersten
St&uuml;tzen gesehen hatte, den Boden unter den F&uuml;&szlig;en wanken f&uuml;hlte:
in England, Frankreich und Deutschland, wo die gro&szlig;industrielle Entwicklung
mehr oder minder weit vorgeschritten war und die Arbeiter ein mehr oder minder
beschr&auml;nktes Wahlrecht f&uuml;r die gesetzgebenden K&ouml;rperschaften besa&szlig;en.
&Auml;u&szlig;erlich bekundete sich die Wichtigkeit dieser L&auml;nder f&uuml;r
die Internationale schon dadurch, da&szlig; in ihrem Generalrat 20 Engl&auml;nder,
15 Franzosen, 7 Deutsche, dagegen nur je 2 Schweizer und Ungarn, und je 1 Pole,
Belgier, Ire, D&auml;ne und Italiener sa&szlig;en.</P>
<P>In Deutschland hatte Lassalle die Arbeiteragitation von vornherein auf nationalem
Boden angelegt, was ihm von Marx zum bitteren Vorwurf angerechnet worden war,
aber was, wie sich alsbald herausstellen sollte, der deutschen Arbeiterpartei
&uuml;ber eine Krise hinweghalf, die die sozialistische Entwicklung in allen &uuml;brigen
L&auml;ndern des Festlandes durchzumachen hatte. Einstweilen jedoch hatte der
Krieg ein augenblickliches Stocken der deutschen Arbeiterbewegung hervorgerufen;
ihre beiden Fraktionen hatten genug mit sich selber zu tun, so da&szlig; sie sich
nicht viel um die Internationale k&uuml;mmern konnten. Zudem hatten sich zwar
beide gegen die Annexion Elsa&szlig;-Lothringens und f&uuml;r die Pariser Kommune
erkl&auml;rt, aber die Eisenacher, die vom Generalrat allein als Zweig der Internationalen
anerkannt wurden, waren dabei so in den Vordergrund getreten, da&szlig; sie mit
Anklagen wegen Hochverrats und &auml;hnlichen sch&ouml;nen Dingen noch vor den
Lassalleanern bedr&auml;ngt wurden. War es doch Bebel gewesen, der durch die feurige
Reichstagsrede, worin er die deutschen Sozialdemokraten mit den franz&ouml;sischen
Kommunards solidarisch erkl&auml;rte, nach Bismarcks eigenem Gest&auml;ndnis zuerst
dessen Argwohn erweckt hatte, der sich nun in wachsenden Gewaltschl&auml;gen gegen
die deutsche Arbeiterbewegung entlud. Viel entscheidender jedoch war f&uuml;r
die Stellung der Eisenacher zu der Internationalen, da&szlig; sie sich ihr mehr
und mehr entfremdeten, seitdem sie sich als selbst&auml;ndige Partei innerhalb
nationaler Grenzen aufgetan hatten.</P>
<P>In Frankreich hatten sich die Thiers und Favre von der Krautjunkerversammlung
ein hartes Ausnahmegesetz gegen die Internationale bewilligen lassen, das die
durch den furchtbaren Aderla&szlig; der Versailler Metzeleien ohnehin bis auf
den Tod ersch&ouml;pfte Arbeiterklasse v&ouml;llig <A name="S466"></A><B>|466|</B>
l&auml;hmte. Gingen diese Ordnungshelden in ihrer wilden Rachsucht sogar so weit,
von der Schweiz und selbst von England die Auslieferung von Kommunefl&uuml;chtlingen
als angeblich gemeinen Verbrechern zu verlangen, und h&auml;tten sie in der Schweiz
damit beinahe Gl&uuml;ck gehabt! So waren f&uuml;r den Generalrat alle Beziehungen
zu Frankreich selbst abgerissen. Um das franz&ouml;sische Element in seinem Scho&szlig;e
vertreten zu sehen, nahm er eine Anzahl Kommunefl&uuml;chtlinge auf, teils solche,
die schon fr&uuml;her der Internationalen angeh&ouml;rt, teils solche, die sich
durch ihre revolution&auml;re Energie bekanntgemacht hatten, wodurch der Pariser
Kommune gehuldigt werden sollte. Das war soweit sehr gut, f&uuml;hrte aber zu
keiner St&auml;rkung, sondern nur zu einer Schw&auml;chung des Generalrats. Denn
auch die Fl&uuml;chtlinge der Kommune verfielen dem unvermeidlichen Schicksal
aller Emigranten, n&auml;mlich sich durch inneren Hader aufzureiben. Marx hatte
jetzt mit den franz&ouml;sischen Emigranten eine &auml;hnliche Misere durchzumachen
wie zwanzig Jahre fr&uuml;her mit den deutschen. Er war sicherlich der letzte,
je irgendeine Anerkennung f&uuml;r das zu beanspruchen, was zu tun er f&uuml;r
seine Pflicht hielt, aber die ewigen Kl&uuml;ngeleien der franz&ouml;sischen Fl&uuml;chtlinge
entrissen ihm im November 1871 doch einmal den Sto&szlig;seufzer: &raquo;Dies der Dank
daf&uuml;r, da&szlig; ich fast f&uuml;nf Monate in Arbeiten f&uuml;r die Fl&uuml;chtlinge
verloren und durch die &#155;Adress on the Civilwar&#139; [Mehring &uuml;bersetzt: Adresse]
als ihr Ehrenretter gewirkt habe.&laquo;</P>
<P>Endlich verlor die Internationale die St&uuml;tze, die sie bisher an den englischen
Arbeitern gehabt hatte. &Auml;u&szlig;erlich trat der Bruch dadurch zuerst hervor,
da&szlig; zwei angesehene F&uuml;hrer des Trade-Unionismus, Lucraft und Odger,
die dem Generalrat seit Anbeginn zugeh&ouml;rt hatten, Odger sogar als Vorsitzender,
solange dieses Amt bestand, ihren Austritt erkl&auml;rten, wegen der Adresse &uuml;ber
den B&uuml;rgerkrieg. Daraus ist die Legende entstanden, da&szlig; die Trade Unions
sich von der Internationalen getrennt h&auml;tten, aus sittlichem Abscheu &uuml;ber
deren Parteinahme f&uuml;r die Kommune. Das St&uuml;ckchen Wahrheit, das darin
ist, enthielt jedoch keineswegs den entscheidenden Gesichtspunkt. Die Sache hatte
einen viel tieferen Zusammenhang.</P>
<P>Das B&uuml;ndnis zwischen der Internationalen und den Trade Unions war von
Anfang an eine Vernunftehe. Man brauchte sich gegenseitig, aber keiner von beiden
Teilen dachte daran, sich mit dem anderen auf Gedeih und Verderb zu verschmelzen.
Mit meisterhafter Geschicklichkeit hatte Marx verstanden, in der &raquo;Inauguraladresse&raquo;
und den &raquo;Statuten der Internationalen&laquo; ein gemeinsames Programm zu schaffen, aber
wenn die Trade Unions dies Programm auch unterschreiben konnten, so entnahmen
sie praktisch doch nur das daraus, was ihnen in ihren Kram pa&szlig;te. <A name="S467"></A><B>|467|</B>
Dies Verh&auml;ltnis schilderte Lord Granville in seiner Antwortdepesche an die
spanische Regierung ganz richtig. Zweck der Trade Unions war Verbesserung der
Arbeitsbedingungen auf dem Boden der kapitalistischen Gesellschaft, und um diesen
Zweck zu erreichen oder zu sichern, verschm&auml;hten sie auch nicht den politischen
Kampf, aber in der Wahl ihrer Kampfgenossen und ihrer Kampfmittel waren sie vollkommen
frei von allen grunds&auml;tzlichen Bedenken, soweit es nicht eben auf ihren eigentlichen
Zweck ankam.</P>
<P>Marx mu&szlig;te bald erkennen, da&szlig; diese spr&ouml;de Eigenart der Trade
Unions, die sich tief in der Geschichte und dem Wesen des englischen Proletariats
verwurzelt hatte, nicht so leicht zu brechen sei. Die Trade Unions brauchten die
Internationale, um die Wahlreform durchzusetzen, aber als die Wahlreform durchgesetzt
war, begannen sie mit den Liberalen zu lieb&auml;ugeln, ohne deren Hilfe sie nicht
darauf rechnen konnten, Parlamentssitze zu erobern. Schon im Jahre 1868 schalt
Marx &uuml;ber diese &raquo;Intriganten&laquo;, unter denen er auch schon Odger nannte, der
wiederholt f&uuml;r das Parlament kandidierte. Ein andermal rechtfertigte Marx
die Tatsache, da&szlig; einige Anh&auml;nger des Sektenh&auml;uptlings Bronterre
O'Brien im Generalrat sa&szlig;en, mit den bezeichnenden Worten: &raquo;Diese O'Brienniten,
trotz ihrer Narrheiten, bilden im Council ein oft n&ouml;tiges Gegengewicht gegen
die Trade-Unionisten. Sie sind revolution&auml;rer, &uuml;ber die Landfrage entschiedener,
weniger national und b&uuml;rgerlicher Bestechung in einer oder der anderen Form
nicht zug&auml;nglich. Sonst h&auml;tte man sie l&auml;ngst an die Luft gesetzt.&laquo;
Und dem wiederholt auftauchenden Vorschlag, einen eigenen F&ouml;deralrat f&uuml;r
England zu bilden, widersetzte sich Marx, wie er u.a. in dem Rundschreiben des
Generalrats vom 1. Januar 1870 ausf&uuml;hrte, vornehmlich aus dem Grunde, weil
den Engl&auml;ndern der Geist der Verallgemeinerung und die revolution&auml;re
Leidenschaft fehle, so da&szlig; solch F&ouml;deralrat ein Spielball radikaler
Parlamentsmitglieder werden w&uuml;rde.</P>
<P>Nach dem Abfall der englischen Arbeiterf&uuml;hrer hat Marx in derbster Weise
den Vorwurf gegen sie erhoben, da&szlig; sie sich dem liberalen Ministerium verkauft
h&auml;tten. Das mag auf einzelne zutreffen, auf andere trifft es aber selbst
dann nicht zu, wenn man die Bestechung in &raquo;anderer Form&laquo; als barer Zahlung versteht.
Applegarth war als Trade-Unionist mindestens ebenso angesehen wie Odger und Lucraft,
und galt beiden H&auml;usern des Parlaments sogar als offizieller Vertreter des
Trade-Unionismus. Schon nach dem Baseler Kongre&szlig; war er von seinen parlamentarischen
G&ouml;nnern interpelliert worden, wie er sich zu den Beschl&uuml;ssen dieses
Kongresses &uuml;ber das Gemeineigentum stelle, hatte sich aber durch <A name="S468"></A><B>|468|</B>
die kaum verh&uuml;llte Drohung nicht einsch&uuml;chtern lassen. Und als er 1870
in die K&ouml;nigliche Kommission zur Beratung der Gesetze gegen venerische Krankheiten
gew&auml;hlt wurde und damit als erster Arbeiter den Anspruch erhielt, von dem
Souver&auml;n als Unser Getreuer und Vielgeliebter angesprochen zu werden, unterzeichnete
er gleichwohl die Adresse &uuml;ber den &raquo;B&uuml;rgerkrieg in Frankreich&laquo; und blieb
&uuml;berhaupt dem Generalrat bis zu dessen Ende treu.</P>
<P>Gerade aber an dem Beispiel dieses pers&ouml;nlich unantastbaren Mannes, der
auch sp&auml;ter die Berufung ins Handelsamt abgelehnt hat, zeigte sich, worin
der Umfall der englischen Arbeiterf&uuml;hrer bestand. Das n&auml;chste Ziel der
Trade Unions war Rechtsschutz f&uuml;r ihre Verb&auml;nde und ihre Kassen. Dies
Ziel schienen sie erreicht zu haben, als im Fr&uuml;hjahr 1871 die Regierung einen
Gesetzentwurf einbrachte, wonach jede Trade Union ein Recht auf gesetzliche Registrierung
und Rechtsschutz f&uuml;r ihre Kassen haben sollte, sobald ihre Statuten nicht
gegen die Strafgesetze verstie&szlig;en. Aber indem die Regierung mit der einen
Hand gab, nahm sie mit der anderen Hand.</P>
<P>In einem zweiten Teil des Gesetzes wurde die Koalitionsfreiheit aufgehoben,
indem alle Kautschukbestimmungen, die je gegen Streiks ersonnen worden waren,
das Verbot von &raquo;Gewaltanwendungen&laquo;, &raquo;Drohungen&laquo;, &raquo;Einsch&uuml;chterung&laquo;, &raquo;Bel&auml;stigungen&laquo;,
&raquo;Behinderungen&laquo; usw. von neuem best&auml;tigt und selbst versch&auml;rft wurden.
Es war ein richtiges Ausnahmegesetz: Handlungen, die von Trade Unions begangen
wurden oder ihre Zwecke f&ouml;rdern sollten, wurden unter Strafe gestellt, w&auml;hrend
dieselben Handlungen, wenn sie von anderen Verbindungen begangen wurden, straflos
blieben. In ihrer immerhin h&ouml;flichen Weise sagen die Historiker des englischen
Trade-Unionismus: &raquo;Es schien von geringem Nutzen, die Existenz von Gewerkvereinen
f&uuml;r gesetzlich zu erkl&auml;ren, wenn das Strafgesetz so gedehnt wurde, da&szlig;
es sich auch auf die allt&auml;glichen friedlichen Mittel erstreckte, durch die
diese Vereine ihre Zwecke zu erreichen pflegten.&laquo; Zum ersten Male wurden die Gewerkvereine
gesetzlich anerkannte und gesch&uuml;tzte K&ouml;rperschaften, aber die gegen
die gewerkschaftliche Aktion gerichteten Gesetzesbestimmungen wurden ausdr&uuml;cklich
best&auml;tigt und selbst noch versch&auml;rft.</P>
<P>Nat&uuml;rlich wiesen die Trade Unions und ihre F&uuml;hrer dies Danaergeschenk
zur&uuml;ck. Jedoch erreichten sie mit ihrem Widerstande nicht mehr, als da&szlig;
die Regierung ihre Vorlage in zwei Teile zerlegte: ein Gesetz, das die Gewerkvereine
legalisierte, und eine Strafgesetznovelle, die jede gewerkschaftliche Aktion mit
schwerer Ahndung bedrohte. Das war nat&uuml;rlich kein wirklicher Erfolg, sondern
eine Falle, in die die Gewerkschaftsf&uuml;hrer <A name="S469"></A><B>|469|*</B>
gelockt werden sollten und in die sie auch wirklich hineintappten. Ihre Kassen
standen ihnen h&ouml;her als ihre gewerkschaftlichen Prinzipien; sie alle, und
Applegarth war dabei sogar voran, lie&szlig;en ihre Vereine auf Grund des neuen
Gesetzes einregistrieren, und im September 1871 l&ouml;ste sich die Konferenz
der amalgamierten Gewerkschaften, die Vertretung des &raquo;Neuen Unionismus&laquo;, der ehedem
die Verbindung zwischen der Internationalen und den Trade Unions vermittelt hatte,
in aller Form auf, weil &raquo;die Aufgaben erf&uuml;llt seien, zu deren L&ouml;sung
sie ins Leben gerufen&laquo; worden sei.</P>
<P>Die F&uuml;hrer der Trade Unions mochten ihr Gewissen damit beschwichtigen,
da&szlig; sie in ihrer allm&auml;hlichen Verb&uuml;rgerlichung sich daran gew&ouml;hnt
hatten, in den Streiks nur noch rohe Formen der gewerkschaftlichen Bewegung zu
sehen. Schon 1867 hatte einer von ihnen vor einer K&ouml;niglichen Kommission
erkl&auml;rt, die Streiks bedeuteten f&uuml;r Arbeiter wie Unternehmer eine absolute
Verschwendung an Geld. Sie bremsten deshalb auch mit allen Kr&auml;ften, als im
Jahre 1871 eine gewaltige Bewegung f&uuml;r den Neunstundentag durch das englische
Proletariat ging, dessen Massen die &raquo;staatsm&auml;nnische&laquo; Entwicklung ihrer F&uuml;hrer
nicht mitgemacht hatten und durch die neue Strafgesetznovelle aufs &auml;u&szlig;erste
gereizt wurden. Die Bewegung begann am 1. April mit einem Streik der Maschinenbauer
in Sunderland, verbreitete sich schnell in den Maschinenbaudistrikten und gipfelte
in dem Streik von Newcastle, der nach f&uuml;nf Monaten mit einem vollst&auml;ndigen
Siege der Arbeiter endete. Der gro&szlig;e Verein der Maschinenbauer verhielt
sich aber zu dieser Massenbewegung durchaus ablehnend; erst nach vierzehn Wochen
erhielten die streikenden Arbeiter, die Mitglieder des Vereins waren, eine Streikunterst&uuml;tzung
von f&uuml;nf Schillingen w&ouml;chentlich au&szlig;er der gew&ouml;hnlichen Arbeitslosenunterst&uuml;tzung.
Die Bewegung, die sich schnell auf eine ganze Zahl anderer Berufe erstreckte,
wurde fast ausschlie&szlig;lich von der Neunstundenliga getragen, die sich f&uuml;r
diesen Kampf gebildet hatte und in John Burnett einen sehr f&auml;higen Leiter
gewann.</P>
<P>Um so lebhafteres Entgegenkommen fand die Neunstundenliga bei dem Generalrat
der Internationalen, der seine Mitglieder Cohn und Eccarius nach D&auml;nemark
und Belgien sandte, um die Anwerbung ausl&auml;ndischer Arbeiter durch die Agenten
der Fabrikanten zu hintertreiben. Das gelang ihnen auch in weitem Umfange. Bei
den Verhandlungen mit Burnett konnte Marx die bittere Bemerkung nicht unterdr&uuml;cken,
es sei ein eigenes Mi&szlig;geschick, da&szlig; die organisierten K&ouml;rperschaften
der Arbeiter sich abseits der Internationalen hielten, bis sie in Verlegenheit
gerieten; k&auml;men sie rechtzeitig, so k&ouml;nnten alle Vorbeugungsma&szlig;regeln
<A name="S470"><B>|470|</B></A> rechtzeitig getroffen werden. Indessen gewann
es ganz den Anschein, als ob die Internationale einen &uuml;berreichen Ersatz
f&uuml;r das, was sie an den F&uuml;hrern verloren hatte, an den Massen gewinnen
w&uuml;rde; immer neue Sektionen bildeten sich, und die bestehenden Sektionen
gewannen eine wachsende Zahl neuer Mitglieder. Doch wurde dabei auch immer dringlicher
die Forderung gestellt, England m&uuml;sse seinen eigenen F&ouml;deralrat haben.</P>
<P>Marx machte nun endlich dies Zugest&auml;ndnis, dem er sich lange widersetzt
hatte; da nach dem Fall der Kommune eine neue Revolution nicht mehr in absehbarer
N&auml;he lag, scheint er nicht mehr so gro&szlig;en Wert darauf gelegt zu haben,
da&szlig; der Generalrat unmittelbar die Hand auf dem st&auml;rksten Hebel der
Revolution habe. Aber seine alten Bedenken erwiesen sich doch als gerechtfertigt;
mit der Einrichtung des F&ouml;deralrats sollte sich offenbaren, da&szlig; die
Spuren der Internationalen in England fr&uuml;her verschwanden als in irgendeinem
anderen Lande.</P>
<H3 align="CENTER">5. Die bakunistische Opposition<A name="Kap_5"></A></H3>
<P>Hatte die Internationale schon in Deutschland, Frankreich und England nach
dem Fall der Pariser Kommune mit gro&szlig;en Schwierigkeiten zu k&auml;mpfen,
so vollends in anderen L&auml;ndern, wo sie erst schwachen Fu&szlig; gefa&szlig;t
hatte. Der kleine Krisenherd, der sich schon vor Ausbruch des Deutsch-Franz&ouml;sischen
Krieges in der romanischen Schweiz gebildet hatte, dehnte sich &uuml;ber Italien,
Spanien, Belgien und andere L&auml;nder aus; es gewann den Anschein, als ob es
die Tendenzen Bakunins &uuml;ber die Tendenzen des Generalrats davontragen sollten.</P>
<P>Nicht als ob diese Entwicklung der agitatorischen T&auml;tigkeit Bakunins oder,
wie der Generalrat annahm, seinen Intrigen geschuldet w&auml;re. Zwar unterbrach
Bakunin seine &Uuml;bersetzungsarbeit am &raquo;Kapital&laquo; schon in den ersten Tagen des
Jahres 1871, um sich neuer politischer T&auml;tigkeit zu widmen, aber diese T&auml;tigkeit
hatte nichts mit der Internationalen zu tun und verlief so, da&szlig; sie das
politische Ansehen Bakunins schwer ersch&uuml;tterte. Es handelte sich um die
berufene Aff&auml;re Netschajew, &uuml;ber die nicht so leicht hinwegzukommen
ist, wie die begeisterten Verehrer Bakunins versuchen, indem sie ihm nur &raquo;zu gro&szlig;e
Intimit&auml;t durch zu gro&szlig;e G&uuml;te&laquo; vorwerfen.</P>
<P>Netschajew war ein junger Mann von einigen zwanzig Jahren, als Leibeigener
aufgewachsen, aber durch das Wohlwollen liberaler Personen <A name="S471"></A><B>|471|*</B>
auf dem Seminar f&uuml;r den Lehrerberuf vorbereitet. Er geriet in die damalige
russische Studentenbewegung, in der ihm weder seine d&uuml;rftige Bildung noch
sein m&auml;&szlig;iger Verstand, aber wohl seine wilde Energie und sein unb&auml;ndiger
Ha&szlig; gegen die zarische Unterdr&uuml;ckung eine gewisse Stellung verschafften.
Seine hervorragendste Eigenschaft war jedoch die Freiheit von allen moralischen
Bedenken, wenn es seine Sache zu f&ouml;rdern galt. Pers&ouml;nlich begehrte er
nichts und entbehrte alles, wenn es n&ouml;tig war, aber er scheute vor keiner
noch so verwerflichen Handlung zur&uuml;ck, wenn er sich einbildete, dadurch revolution&auml;r
zu wirken.</P>
<P>Er war schon im Fr&uuml;hling 1869 in Genf erschienen, im doppelten Glanze
eines aus der Peter-Pauls-Festung entkommenen Staatsverbrechers und des Abgesandten
eines allm&auml;chtigen Komitees, das angeblich im geheimen die Revolution ganz
Ru&szlig;lands vorbereite. Beides war erfunden; weder gab es ein solches Komitee,
noch hatte Netschajew in der Peter-Pauls-Festung gesessen. Nach der Verhaftung
einiger seiner engeren Genossen war er ins Ausland gegangen, nach seiner eigenen
Angabe, um die alten Emigranten zu beeinflussen, mit ihren Namen und ihren Schriften
die russische Jugend zu begeistern. Diesen Zweck erreichte er bei Bakunin in einem
schier unbegreiflichen Ma&szlig;e. Dem imponierte der &raquo;junge Wilde&laquo;, der &raquo;kleine
Tiger&laquo;, wie er Netschajew zu nennen pflegte, als der Vertreter eines neuen Geschlechts,
das mit revolution&auml;rer Tatkraft das alte Ru&szlig;land &uuml;ber den Haufen
werfen w&uuml;rde. Bakunin glaubte so unbedingt an das &raquo;Komitee&laquo;, da&szlig; er
sich dessen Befehlen, die ihm durch Netschajew &uuml;bermittelt w&uuml;rden, ohne
jede Einrede zu unterwerfen verpflichtete, und war sofort bereit, gemeinsam mit
Netschajew eine Reihe sch&auml;rfster revolution&auml;rer Schriften zu ver&ouml;ffentlichen
und &uuml;ber die russische Grenze zu werfen.</P>
<P>F&uuml;r diese Literatur ist Bakunin zweifellos mitverantwortlich, und es ist
von keinem entscheidenden Interesse, zu untersuchen, ob einige ihrer &auml;rgsten
Leistungen von ihm oder von Netschajew herr&uuml;hren. Zudem ist seine Autorschaft
weder bestritten an dem Aufrufe, der die russischen Offiziere aufforderte, dem
&raquo;Komitee&laquo; denselben unbedingten Gehorsam zu leisten, zu dem Bakunin selbst sich
verpflichtet hatte, noch an der Flugschrift, die das russische R&auml;uberwesen
idealisierte, noch an dem revolution&auml;ren Katechismus, worin sich Bakunins
Vorliebe f&uuml;r grausige Vorstellungen und schreckliche Worte bis zum &Uuml;berma&szlig;
austobte, Nicht erwiesen ist jedoch, da&szlig; Bakunin je irgendeinen Anteil an
Netschajews demagogischer Praxis gehabt hat, deren Opfer er selbst werden sollte,
und deren allzu sp&auml;te Erkenntnis ihn dem &raquo;kleinen Tiger&laquo; die Wege weisen
lie&szlig;. Wenn Bakunin und Netschajew vom Generalrat der Internationalen <A name="S472"></A><B>|472|*</B>
beschuldigt worden sind, da&szlig; sie unschuldige Personen in Ru&szlig;land ins
Verderben gest&uuml;rzt h&auml;tten, indem sie ihnen Briefe, Druckschriften oder
Telegramme in einer Form zusandten, die notwendig die Aufmerksamkeit der russischen
Polizei erregen mu&szlig;te, so h&auml;tte ein Mann wie Bakunin vor solchen Vorw&uuml;rfen
billigerweise gesch&uuml;tzt sein sollen. Den wirklichen Sachverhalt gab Netschajew
bei seiner Entlarvung selbst zu; er bekannte sich mit eiserner Stirn zu seiner
nichtsw&uuml;rdigen Methode, alle, die nicht vollst&auml;ndig solidarisch mit
ihm seien, zu kompromittieren, um sie zu vernichten oder ganz in die Bewegung
hineinzurei&szlig;en. Nach derselben Methode lie&szlig; er von Personen, die ihm
vertrauten, in Augenblicken der Aufregung kompromittierende Erkl&auml;rungen unterzeichnen
oder stahl ihnen vertrauliche Briefe, in deren Besitz er einen erpresserischen
Druck auf sie aus&uuml;ben konnte.</P>
<P>Zur Kenntnis dieser Methode war Bakunin noch nicht gekommen, als Netschajew
im Herbst 1869 nach Ru&szlig;land zur&uuml;ckkehrte. Er nahm eine schriftliche
Beglaubigung Bakunins mit, worin dieser ihn als &raquo;bevollm&auml;chtigten Vertreter&laquo;,
nat&uuml;rlich nicht der Internationalen, und selbst nicht einmal der Allianz
der sozialistischen Demokratie, sondern einer Europ&auml;ischen revolution&auml;ren
Allianz anerkannte, die Bakunins erfindungsreicher Geist gewisserma&szlig;en als
Ableger der Allianz f&uuml;r russische Angelegenheiten gegr&uuml;ndet hatte. Sie
bestand vermutlich erst auf dem Papier, aber der Name Bakunins war wirksam genug,
um der Agitation Netschajews unter der studierenden Jugend einen gewissen Nachdruck
zu geben. In der Hauptsache arbeitete er aber auch jetzt mit dem Schwindel des
&raquo;Komitees&laquo;, und als einer seiner neu gewonnenen Anh&auml;nger, der Student Iwanow,
an der Existenz dieser geheimen Obrigkeit zu zweifeln begann, schaffte er den
unbequemen Zweifler durch Meuchelmord aus dem Wege. Die Auffindung der Leiche
f&uuml;hrte zu zahlreichen Verhaftungen, doch entkam Netschajew &uuml;ber die
Grenze.</P>
<P>In den ersten Tagen des Januar 1870 erschien er wieder in Genf, und nun begann
das alte Spiel. Bakunin trat mit Feuereifer daf&uuml;r ein, da&szlig; die T&ouml;tung
Iwanows ein politisches, aber kein gemeines Verbrechen sei, wegen dessen die Schweiz
die von der russischen Regierung beanspruchte Auslieferung Netschajews nicht bewilligen
d&uuml;rfe. Einstweilen hielt sich Netschajew so gut versteckt, da&szlig; die
Polizei seiner nicht habhaft werden konnte. Er selbst aber spielte seinem Besch&uuml;tzer
einen b&ouml;sen Streich. Er veranla&szlig;te Bakunin, die &Uuml;bersetzung des
&raquo;Kapitals&laquo; aufzugeben, um seine ganze Kraft der revolution&auml;ren Propaganda
zu widmen, und versprach, in Sachen des bereits gezahlten Vorschusses sich mit
dem Verleger zu einigen. Bakunin, der damals selbst in den k&uuml;mmerlichsten
Umst&auml;nden <A name="S473"></A><B>|473|*</B> lebte, konnte dies Versprechen
nur dahin auffassen, da&szlig; Netschajew oder sein geheimnisvolles &raquo;Komitee&laquo;
dem Verleger die 300 Rubel Vorschu&szlig; zur&uuml;ckerstatten werde. Netschajew
aber sandte einen &raquo;offiziellen Beschlu&szlig;&laquo; des &raquo;Komitees&laquo;, auf einem Bogen,
der mit dessen Briefkopfe versehen und dazu mit einem Beil, einem Dolch und einem
Revolver verziert war, nicht an den Verleger selbst, sondern an Lubawin, der den
Verleger vermittelt hatte. Diesem wurde darin verboten, die R&uuml;ckerstattung
des Vorschusses von Bakunin zu verlangen, falls er nicht des Todes gew&auml;rtig
sein wolle. Erst durch einen beleidigenden Brief Lubawins erfuhr Bakunin davon.
Er beeilte sich, durch einen neuen Empfangsschein seine Schuld anzuerkennen, und
ebenso seine Verpflichtung, sie zur&uuml;ckzuzahlen, sobald es in seinen Kr&auml;ften
st&auml;nde, brach aber mit Netschajew, von dem er inzwischen auch andere Dinge
erfahren hatte, wie den Plan, die Simplonpost zu &uuml;berfallen und zu berauben.</P>
<P>F&uuml;r Bakunin hatte die unbegreifliche und f&uuml;r einen politischen Kopf
unverzeihliche Leichtgl&auml;ubigkeit, die er in dieser abenteuerlichsten Episode
seines Lebens bewiesen hatte, sehr unangenehme Folgen. Marx erfuhr schon im Juli
1870 davon, und zwar diesmal durch eine sehr lautere Quelle: n&auml;mlich den
braven Lopatin, der im Mai, bei einem Aufenthalt in Genf, sich vergebens bem&uuml;ht
hatte, Bakunin zu &uuml;berzeugen, da&szlig; kein &raquo;Komitee&laquo; in Ru&szlig;land existiere,
da&szlig; Netschajew nie in der Peter-Pauls-Festung gesessen habe, da&szlig; die
Erw&uuml;rgung Iwanows ein ganz zweckloser Mord gewesen sei, und wenn einer, so
mu&szlig;te Lopatin von diesen Dingen unterrichtet sein. Marx mu&szlig;te dadurch
in der ung&uuml;nstigen Meinung, die er sich nunmehr &uuml;ber Bakunin gebildet
hatte, wesentlich best&auml;rkt werden. Die russische Regierung aber nutzte die
g&uuml;nstige Gelegenheit aus, als sie durch die zahlreichen Verhaftungen nach
Iwanows Ermordung hinter das Treiben Netschajews gekommen war. Um die russischen
Revolution&auml;re vor aller Welt zu blamieren, lie&szlig; sie zum ersten Male
eine politische Gerichtsverhandlung &ouml;ffentlich und vor Geschworenen f&uuml;hren;
im Juli 1871 begannen die Verhandlungen des sogenannten Prozesses Netschajew in
Petersburg, die gegen mehr als achtzig Angeklagte, zumal Studenten, gef&uuml;hrt
wurden und den meisten von ihnen schwere Verurteilungen zu Gef&auml;ngnis oder
auch zu Zwangsarbeit in den sibirischen Bergwerken eintrugen.</P>
<P>Netschajew selbst war damals noch auf freien F&uuml;&szlig;en, er hielt sich
abwechselnd in der Schweiz, in London und in Paris auf, wo er die Zeit der Belagerung
und der Kommune verlebte; erst im Herbst 1872 wurde er in Z&uuml;rich durch einen
Spitzel verraten. Da&szlig; Bakunin jetzt noch mit seinen Freunden bei Schabelitz
in Z&uuml;rich ein Flugblatt erscheinen <A name="S474"></A><B>|474|</B> lie&szlig;,
um die Auslieferung des Verhafteten wegen gemeinen Mordes zu hindern, gereicht
ihm nicht zur Unehre. Ebensowenig da&szlig; er, als die Auslieferung dennoch erfolgte,
an Ogarew schrieb, der sich ebenfalls von Netschajew hatte bet&ouml;ren lassen
und ihm sogar den Batmetjewschen Fonds, &uuml;ber den er nach Herzens Tode verf&uuml;gen
durfte, ganz oder teilweise ausgeliefert hatte: &raquo;Eine gewisse innere Stimme sagt
mir, da&szlig; Netschajew, der unrettbar verloren ist und dies ohne Zweifel wei&szlig;,
diesmal aus der Tiefe seines Wesens, das verworren, versumpft, aber nicht niedrig
ist, seine ganze urspr&uuml;ngliche Energie und Standhaftigkeit wieder hervorrufen
wird. Er wird als Held zugrunde gehen und diesmal niemand und nichts verraten.&laquo;
Dieser Erwartung hat Netschajew in zehn furchtbaren Kerkerjahren bis an seinen
Tod entsprochen; er hat seine fr&uuml;heren S&uuml;nden nach M&ouml;glichkeit
gutzumachen gesucht und eine st&auml;hlerne Energie bew&auml;hrt, die selbst seine
Wachmannschaften seinem Willen f&uuml;gsam machte.</P>
<P>Zur selben Zeit, wo der Bruch zwischen Bakunin und Netschajew erfolgte, brach
der Deutsch-Franz&ouml;sische Krieg aus. Er gab den Gedanken Bakunins sofort eine
andere Richtung; der alte Revolution&auml;r rechnete jetzt darauf, da&szlig; der
Einmarsch der deutschen Heere das Signal zur sozialen Revolution in Frankreich
geben werde. Gegen&uuml;ber einer aristokratischen, monarchischen, milit&auml;rischen
Invasion d&uuml;rften die franz&ouml;sischen Arbeiter nicht unt&auml;tig bleiben,
wenn sie nicht nur ihre eigene Sache, sondern auch die Sache des Sozialismus nicht
verraten wollten; der Sieg Deutschlands sei der Sieg der europ&auml;ischen Reaktion.
Wenn Bakunin mit Recht bestritt, da&szlig; eine Revolution im Innern den Widerstand
des Volkes nach au&szlig;en l&auml;hmen w&uuml;rde und sich hierf&uuml;r gerade
auf die franz&ouml;sische Geschichte berufen konnte, so bewegten sich seine Vorschl&auml;ge,
die bonapartistisch und reaktion&auml;r gesinnte Bauernklasse zum gemeinsamen
revolution&auml;ren Vorgehen mit den st&auml;dtischen Arbeitern aufzust&uuml;rmen,
doch durchaus nur im Luftreich des Traums. Man solle den Bauern nicht mit irgendwelchen
Dekreten oder kommunistischen Vorschl&auml;gen oder Organisationsformen kommen;
das w&uuml;rde nur ihren Aufstand gegen die St&auml;dte bewirken. Man solle vielmehr
aus ihrer Seele die Revolution hervorlocken, und was dergleichen phantastische
Redensarten mehr waren.</P>
<P>Nach dem Fall des Kaiserreichs erlie&szlig; Guillaume einen Aufruf in der &raquo;Solidarit&eacute;&laquo;,
mit bewaffneten Freischaren der franz&ouml;sischen Republik zu Hilfe zu eilen.
Es war ein richtiger Narrenstreich, zumal im Munde eines Mannes, der wahrhaft
fanatisch die Enthaltung der Internationalen von aller Politik predigte; auch
hatte er keine andere Wirkung, als ausgelacht <A name="S475"></A><B>|475|*</B>
zu werden. Nicht jedoch darf man den Versuch Bakunins, am 26. September eine revolution&auml;re
Kommune in Lyon auszurufen, unter demselben Gesichtspunkt betrachten. Bakunin
war von revolution&auml;ren Elementen dorthin berufen worden. Man hatte sich des
Stadthauses bem&auml;chtigt, die &raquo;Verwaltungs- und Regierungsmaschinerie des Staates&laquo;
abgeschafft und daf&uuml;r die &raquo;Revolution&auml;re F&ouml;deration der Gemeinde&laquo;
ausgerufen, als der Verrat des Generals Cluseret und die Feigheit einiger anderer
Personen einen leichten Sieg der Nationalgarde &uuml;ber die Bewegung erm&ouml;glichte.
Vergebens hatte Bakunin zu energischen Ma&szlig;regeln gedr&auml;ngt und in erster
Reihe gefordert, die Vertreter der Regierung zu verhaften. Er selbst wurde gefangengenommen,
aber durch eine Abteilung freier Sch&uuml;tzen wieder befreit. Er hielt sich noch
einige Wochen in Marseille auf, in der Hoffnung, da&szlig; die Bewegung wieder
erwachen werde, und als sich seine Hoffnung nicht erf&uuml;llte, kehrte er Ende
Oktober nach Locarno zur&uuml;ck.</P>
<P>Der Spott &uuml;ber diesen mi&szlig;lungenen Versuch h&auml;tte billigerweise
der Reaktion &uuml;berlassen werden sollen. Ein Gegner Bakunins, dem alle Abneigung
gegen den Anarchismus noch nicht die Unbefangenheit des Urteils geraubt hat, schreibt
zutreffend: &raquo;Leider lie&szlig;en sich auch in der sozialdemokratischen Presse
sp&ouml;ttische Stimmen h&ouml;ren, was Bakunin durch seinen Versuch wahrlich
nicht verdient hat. Selbstverst&auml;ndlich k&ouml;nnen und m&uuml;ssen diejenigen,
die die anarchistischen Ansichten Bakunins und seiner Anh&auml;nger nicht teilen,
sich kritisch zu seinen grundlosen Hoffnungen verhalten. Doch abgesehen davon
war sein damaliges Auftreten ein mutiger Versuch, die eingeschlafene Energie des
franz&ouml;sischen Proletariats zu wecken, und sie gleichzeitig gegen den &auml;u&szlig;ern
Feind und die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu richten. Ungef&auml;hr dasselbe
versuchte sp&auml;ter die Kommune, die Marx bekanntlich warm begr&uuml;&szlig;te.&laquo;
Das ist jedenfalls sachlicher und vern&uuml;nftiger gesprochen, als wenn der Leipziger
&raquo;Volksstaat&laquo; die von Bakunin in Lyon erlassene Proklamation nach bekannter Melodie
ansang, sie h&auml;tte im Berliner Pre&szlig;b&uuml;ro nicht passender f&uuml;r
Bismarck gemacht werden k&ouml;nnen.</P>
<P>Sein Scheitern in Lyon entmutigte Bakunin aufs tiefste. Er sah die Revolution,
die er schon mit H&auml;nden greifen zu k&ouml;nnen geglaubt hatte, in weite Ferne
entschwinden, zumal als auch der Aufstand der Kommune niedergeworfen wurde, der
f&uuml;r den Augenblick neue Hoffnungen in ihm erweckt hatte. Sein Ha&szlig; gegen
die revolution&auml;re Propaganda, wie sie Marx trieb, wuchs in demselben Ma&szlig;e
an, als er ihr die Hauptschuld an der seines Erachtens schl&auml;frigen Haltung
des Proletariats gab. Dazu war seine materielle Lage &uuml;beraus kl&auml;glich;
seine Br&uuml;der halfen ihm <A name="S476"></A><B>|476|</B> nicht, und es gab
Tage, wo er nicht mehr als f&uuml;nf Centimes in der Tasche hatte und nicht die
gewohnte Tasse Tee trinken konnte. Seine Frau f&uuml;rchtete, da&szlig; er seine
Energie verlieren und sich moralisch zerst&ouml;ren w&uuml;rde. Er selbst aber
entschlo&szlig; sich, in einem Werke, das er st&uuml;ckweise in freien Augenblicken
niederschrieb, seine Ansichten &uuml;ber den Werdegang der Menschheit, der Philosophie,
die Religion, den Staat und die Anarchie zu entwickeln. Es sollte sein Verm&auml;chtnis
sein.</P>
<P>Indessen ist es nicht vollendet worden; diesem unruhigen Geiste war kein langes
Feiern beschieden. Utin hatte seine Hetzereien in Genf fortgesetzt und im August
1870 erreicht, da&szlig; Bakunin und einige seiner Freunde aus der Genfer Zentralsektion
ausgeschlossen wurden, weil sie der Sektion der Allianz angeh&ouml;rten. Dann
hatte Utin den Schwindel in die Welt gesetzt, da&szlig; die Sektion der Allianz
niemals vom Generalrat in die Internationale aufgenommen worden sei; die Dokumente,
die sie dar&uuml;ber von Eccarius und Jung erhalten zu haben behaupte, seien gef&auml;lscht.
Nun war inzwischen Robin nach London &uuml;bergesiedelt und in den Generalrat
aufgenommen worden, den er in der &raquo;&Eacute;galit&eacute;&laquo; heftig bek&auml;mpft
hatte. Damit gab der Generalrat einen Beweis seiner Unbefangenheit, denn Robin
hatte nicht aufgeh&ouml;rt, ein geschworener Anh&auml;nger der Allianz zu sein.
Er hatte schon am 14. M&auml;rz 1871 beantragt, eine private Konferenz der Internationalen
zur Entscheidung des Genfer Streits einzuberufen. Diesen Antrag hatte der Generalrat
zwar am Vorabend der Kommune ablehnen zu sollen geglaubt, aber am 25. Juli beschlo&szlig;
er, die Genfer Sache einer Konferenz zu unterbreiten, die f&uuml;r den September
einberufen werden sollte. In derselben Sitzung best&auml;tigte er auf Verlangen
Robins die Schreiben als echt, in denen Eccarius und Jung der Genfer Sektion der
Allianz ihre Aufnahme in die Internationale mitgeteilt hatten.</P>
<P>Kaum war dieser Brief in Genf eingetroffen, als die Sektion der Allianz sich
am 6. August freiwillig aufl&ouml;ste und diesen Beschlu&szlig; sofort dem Generalrat
mitteilte. Die Sache sollte sehr gro&szlig;artig aussehen; nachdem die Sektion
durch den Generalrat ihre Genugtuung gegen die L&uuml;gen Utins erhalten hatte,
opferte sie sich selbst im Interesse des Friedens und der Vers&ouml;hnung. Tats&auml;chlich
entschieden aber andere Beweggr&uuml;nde, die Guillaume sp&auml;ter offen zugegeben
hat. Die Sektion war zu v&ouml;lliger Bedeutungslosigkeit herabgesunken und erschien
namentlich den Kommunefl&uuml;chtlingen in Genf als der tote Rest pers&ouml;nlicher
Z&auml;nkereien. In eben diesen Fl&uuml;chtlingen sah Guillaume geeignete Elemente,
um auf breiterer Basis den Kampf gegen den Genfer F&ouml;deralrat zu f&uuml;hren.
Deshalb wurde die Sektion der Allianz aufgel&ouml;st, und in der Tat vereinigten
sich ihre Tr&uuml;mmer wenige Wochen sp&auml;ter mit Kommunards <A name="S477"></A><B>|477|</B>
zu einer neuen &raquo;Sektion der revolution&auml;ren sozialistischen Propaganda und
Aktion&laquo;, die sich zwar mit den allgemeinen Prinzipien der Internationalen einverstanden
erkl&auml;rte, aber sich die volle Freiheit vorbehielt, die ihr die Statuten und
die Kongresse der Internationalen gew&auml;hrten.</P>
<P>Mit alledem hatte Bakunin zun&auml;chst gar nichts zu tun. Es kennzeichnet
seine angebliche Allmacht als Oberhaupt der Allianz, da&szlig; die Genfer Sektion
nicht einmal f&uuml;r n&ouml;tig hielt, bei ihm in Locarno anzufragen, ehe sie
sich aufl&ouml;ste. Nicht jedoch aus verletzter Empfindlichkeit, sondern weil
er die Aufl&ouml;sung der Sektion unter den gegebenen Umst&auml;nden f&uuml;r
einen feigen und hinterh&auml;ltigen Streich hielt, protestierte Bakunin in einem
scharfen Schreiben gegen sie; &raquo;begehen wir keine Feigheit, unter dem Vorwande,
die Einheit in der Internationalen zu retten&laquo;. Zugleich aber machte er sich daran,
in einer umfangreichen Darstellung der Genfer Wirren die Prinzipien klarzustellen,
um die es sich nach seiner Meinung bei dem Streite handelte als Leitfaden f&uuml;r
seine Anh&auml;nger auf der Londoner Konferenz.</P>
<P>Von dieser Arbeit haben sich betr&auml;chtliche Bruchst&uuml;cke erhalten,
die sich sehr zu ihrem Vorteil von den russischen Flugschriften unterscheiden,
die Bakunin ein Jahr vorher mit Netschajew fabriziert hatte. Sie sind bis auf
gelegentliche kr&auml;ftige Ausdr&uuml;cke ruhig und sachlich geschrieben, und
wie man immer zu Bakunins besonderer Auffassung stehen mag, so f&uuml;hren sie
jedenfalls den &uuml;berzeugenden Nachweis, da&szlig; der Ursprung der Genfer
Wirren in tieferem Boden wurzelte, als in dem Flugsande pers&ouml;nlicher Krakeelereien,
und da&szlig;, soweit solche mitspielten, der wesentliche Teil der Schuld auf
Utin und Konsorten fiel.</P>
<P>Den tiefen Gegensatz, der ihn von Marx und dessen &raquo;Staatskommunismus&laquo; trennte,
verleugnete Bakunin keinen Augenblick, und er sprang nicht sanft mit dem Gegner
um. Aber immerhin stellte er ihn nicht als ein nichtsw&uuml;rdiges Subjekt hin,
das nichts als seine eigenen, verwerflichen Zwecke im Auge h&auml;tte. Indem er
nachwies, da&szlig; die Internationale im Scho&szlig;e der Massen selbst entstanden
und dann durch gescheite und der Volkssache ergebene M&auml;nner entbunden worden
sei, f&uuml;gte er hinzu: &raquo;Wir ergreifen diese Gelegenheit, den ber&uuml;hmten
F&uuml;hrern der deutschen Kommunistenpartei zu huldigen, den B&uuml;rgern Marx
und Engels vor allem, und ebenso dem B&uuml;rger Ph. Becker, unserem fr&uuml;heren
Freunde und jetzigen unvers&ouml;hnlichen Gegner, die, soweit es einzelnen gegeben
ist, etwas zu schaffen, die wahren Sch&ouml;pfer der Internationalen gewesen sind.
Wir huldigen ihnen um so lieber, als wir gezwungen sein werden, sie bald zu bek&auml;mpfen.
Unsere Achtung f&uuml;r sie ist rein und tief, aber sie <A name="S478"></A><B>|478|</B>
geht nicht bis zur G&ouml;tzenanbetung und wird uns niemals dazu hinrei&szlig;en,
ihnen gegen&uuml;ber die Rolle von Sklaven zu &uuml;bernehmen. Und obgleich wir
volle Gerechtigkeit den ungeheuren Diensten widerfahren lassen, die sie der Internationalen
geleistet haben und selbst jetzt noch leisten, so werden wir doch bis aufs Messer
bek&auml;mpfen ihre falschen autorit&auml;ren Theorien, ihre diktatorischen Anma&szlig;ungen
und jene Manier unterirdischer Intrigen, eitler Umtriebe, elender Pers&ouml;nlichkeiten,
unreiner Beleidigungen und infamer Verleumdungen, die auch sonst die politischen
K&auml;mpfe fast aller Deutschen kennzeichnen und die sie ungl&uuml;cklicherweise
in die Internationale verschleppt haben.&laquo; Das war gewi&szlig; hinl&auml;nglich
grob, aber nie hat sich Bakunin dazu hinrei&szlig;en lassen, die unsterblichen
Verdienste zu bestreiten, die sich Marx als Gr&uuml;nder und Leiter der Internationalen
erworben hat.</P>
<P>Indessen auch diese Arbeit hat Bakunin nicht vollendet. Er war noch dabei,
sie niederzuschreiben, als Mazzini in einer Wochenschrift, die er in Lugano herausgab,
harte Angriffe gegen die Kommune und die Internationale ver&ouml;ffentlichte.
Sofort antwortete Bakunin in der &raquo;Antwort eines Internationalen an Mazzini&laquo;, der
er andere Flugschriften in gleichem Sinne folgen lie&szlig;, als Mazzini und dessen
Anhang die Polemik aufnahm. Nach allen Fehlschl&auml;gen der letzten Zeit hatte
Bakunin nunmehr einen vollen Erfolg: die Internationale, die bisher in Italien
nur k&uuml;mmerlich gediehen war, breitete sich in dem Lande schnell aus. Das
verdankte Bakunin aber nicht seinen &raquo;Intrigen&laquo;, sondern den beredten Worten, womit
er die revolution&auml;re Spannung zu l&ouml;sen verstand, in die namentlich die
italienische Jugend durch die Pariser Kommune versetzt worden war.</P>
<P>In Italien hatte sich die gro&szlig;e Industrie erst wenig entwickelt; im keimenden
Proletariat erwachte nur langsam ein Klassenbewu&szlig;tsein, und ihm fehlten
alle gesetzlichen Waffen zu Schutz und Trutz. Dagegen hatten die K&auml;mpfe eines
halben Jahrhunderts um die nationale Einheit in den b&uuml;rgerlichen Klassen
eine revolution&auml;re &Uuml;berlieferung gen&auml;hrt und wach erhalten; in
unz&auml;hligen Aufst&auml;nden und Verschw&ouml;rungen war um dies Ziel gerungen
worden, bis es endlich in einer Form erreicht wurde, die f&uuml;r alle revolution&auml;ren
Kreise eine gro&szlig;e Entt&auml;uschung sein mu&szlig;te: unter dem Schutze
erst franz&ouml;sischer und dann deutscher Waffen hatte der reaktion&auml;rste
Staat der Halbinsel eine italienische Monarchie geschaffen. Aus dieser verdrossenen
Stimmung wurde die revolution&auml;re Jugend durch die heldenhaften K&auml;mpfe
der Pariser Kommune emporgerissen. Mochte sich Mazzini am Rande des Grabes unwirsch
von dem neuen Lichte abwenden, das seinen alten Sozialistenha&szlig; <A name="S479"></A><B>|479|*</B>
reizte, so huldigte Garibaldi, der in weit h&ouml;herem Grade der nationale Held
war, um so, aufrichtiger der &raquo;Sonne der Zukunft&laquo;, der Internationalen.</P>
<P>Bakunin wu&szlig;te recht gut, aus welchen Schichten der Nation sein Anhang
str&ouml;mte. &raquo;Was Italien bisher gefehlt hat&laquo;, schrieb er im April 1872, &raquo;das
waren nicht die Instinkte, sondern gerade die Organisation und die Idee. Beide
bilden sich jetzt derart, da&szlig; Italien n&auml;chst Spanien, mit Spanien in
dieser Stunde vielleicht das revolution&auml;rste Land ist. In Italien existiert,
was den andern L&auml;ndern fehlt: eine gl&uuml;hende, energische Jugend, ohne
jede Stellung, ohne Karriere, ohne Ausweg, die trotz ihrer Bourgeois-Herkunft
nicht moralisch und intellektuell ersch&ouml;pft ist wie die Bourgeois-Jugend
anderer L&auml;nder. Heute st&uuml;rzt sie sich kopf&uuml;ber in den revolution&auml;ren
Sozialismus mit unserm ganzen Programm, dem Programm der Allianz.&laquo; Diese Zeilen
Bakunins waren an einen spanischen Gesinnungsgenossen gerichtet, den sie anfeuern
sollten, doch war es keine ermunternde Vorspiegelung, sondern eine unanfechtbare
Tatsache, wenn Bakunin seine Erfolge in Spanien, wo er nicht einmal pers&ouml;nlich,
sondern nur durch einige Freunde wirken konnte, ebenso hoch, wenn nicht noch h&ouml;her
sch&auml;tzte als seine Erfolge in Italien.</P>
<P>Auch in Spanien war die industrielle Entwicklung noch sehr im Hintertreffen,
und wo es schon ein modernes Proletariat gab, war es an H&auml;nden und F&uuml;&szlig;en
gefesselt, aller und jeder Rechte bar, so da&szlig; ihm in seiner Not nur der
bewaffnete Aufstand als letzte Hilfe blieb; Barcelona, die gr&ouml;&szlig;te spanische
Fabrikstadt, z&auml;hlte in seiner Geschichte mehr Barrikadenk&auml;mpfe als irgendeine
andere Stadt der Welt. Dazu kamen die langj&auml;hrigen B&uuml;rgerkriege, die
das Land zerrissen hatten, und die gewaltige Entt&auml;uschung aller revolution&auml;ren
Elemente, die die bourbonische Dynastie im Herbst 1868 nur verjagt hatten, um
nunmehr unter der - immerhin sehr wackeligen - Herrschaft eines fremden K&ouml;nigs
zu stehen. Auch in Spanien fielen die Feuerfunken, die der Brand des revolution&auml;ren
Paris verstreute, in hochgeh&auml;uften Z&uuml;ndstoff.</P>
<P>Anders als in Italien und Spanien lagen die Dinge in Belgien insofern, als
es hier schon eine proletarische Massenbewegung gab. Aber sie beschr&auml;nkte
sich fast ganz auf den wallonischen Teil des Landes; ihr R&uuml;ckgrat bildeten
die &auml;u&szlig;erst revolution&auml;r gesinnten Bergarbeiter der Borinage,
denen der Gedanke, auf gesetzlichem Wege eine Hebung ihrer Klassenlage zu erreichen,
durch die Blutb&auml;der, in denen ihre Streiks jahraus jahrein ertr&auml;nkt
worden waren, schon im Keim erstickt wurde. Ihre F&uuml;hrer aber waren Proudhonisten
und neigten deshalb schon den Ansichten Bakunins zu.</P>
<P><A name="S480"></A><B>|480|</B> Verfolgt man die bakunistische Opposition,
wie sie sich nach dem Falle der Pariser Kommune innerhalb der Internationalen
entwickelte, so findet man, da&szlig; sie von Bakunin eben nur den Namen trug,
weil sie in seinen Anschauungen die L&ouml;sung der sozialen Gegens&auml;tze und
Spannungen, denen sie tats&auml;chlich entsprang, zu finden glaubte.</P>
<H3 align="CENTER">6. Die zweite Konferenz in London<A name="Kap_6"></A></H3>
<P>Die Konferenz, die der Generalrat der Internationalen f&uuml;r den Monat September
nach London zu berufen beschlossen hatte, war bestimmt, den f&auml;lligen Jahreskongre&szlig;
zu ersetzen.</P>
<P>In Basel war 1869 beschlossen worden, den n&auml;chsten Kongre&szlig; in Paris
abzuhalten. Aber die Hetzjagd, die der w&uuml;rdige Ollivier zur Feier des Plebiszits
gegen die franz&ouml;sischen Sektionen veranstaltete, veranla&szlig;te den Generalrat,
im Juli 1870, kraft seiner Befugnis, den Ort des Kongresses zu verlegen, ihn nach
Mainz einzuberufen. Zugleich schlug der Generalrat den nationalen F&ouml;derationen
vor, seinen Sitz aus London in ein anderes Land zu verlegen, was jedoch einstimmig
abgelehnt wurde. Dann vereitelte der Ausbruch des Krieges auch den Mainzer Kongre&szlig;,
und der Generalrat wurde von den F&ouml;deralr&auml;ten beauftragt, je nach den
Ereignissen die Zeit des n&auml;chsten Kongresses zu bestimmen</P>
<P>Die Ereignisse entwickelten sich jedoch nicht so, da&szlig; es ratsam erschien,
schon f&uuml;r den Herbst 1871 den Kongre&szlig; einzuberufen. Es war zu erwarten,
da&szlig; der Druck, unter dem die Mitglieder der Internationalen in den einzelnen
L&auml;ndern lebten, ihnen die Beschickung des Kongresses nur in winzigem Ma&szlig;e
erlauben w&uuml;rde und da&szlig; die wenigen Mitglieder, die gleichwohl erscheinen
m&ouml;chten, damit erst recht der Rache ihrer einheimischen Regierungen denunziert
werden w&uuml;rden. Die Zahl ihre Opfer zu vermehren, hatte die Internationale
aber um so geringeren Anla&szlig;, als jetzt schon die Sorge f&uuml;r ihre M&auml;rtyrer
die &auml;u&szlig;ersten Anspr&uuml;che an ihre Kr&auml;fte und Mittel stellte.</P>
<P>So entschied sich der Generalrat daf&uuml;r, statt eines &ouml;ffentlichen
Kongresses zun&auml;chst eine geschlossene Konferenz nach London zu berufen wie
schon im Jahre 1865, und ihr sp&auml;rlicher Besuch best&auml;tigte seine Bef&uuml;rchtungen.
Die Konferenz, die vom 17. bis 23. September tagte, war nur mit 23 Delegierten
beschickt, darunter 6 Belgiern, 2 Schweizern, 1 Spanier und 13 Mitgliedern des
Generalrats, von denen 6 jedoch nur beratende Stimme hatten.</P>
<P><B><A name="S481">|481|</A></B> Von den umfang- und zahlreichen Beschl&uuml;ssen
der Konferenz hatten einige, die sich auf eine allgemeine Statistik der Arbeiterklasse,
die internationalen Beziehungen der Gewerkschaften und die Ackerbauer bezogen,
unter den obwaltenden Umst&auml;nden nur eine akademische Bedeutung. Worauf es
vor allem ankam, war die R&uuml;stung der Internationalen gegen den tobenden Ansturm
der &auml;u&szlig;eren Feinde und ihre innere Festigung gegen zersetzende Elemente
im eigenen Scho&szlig;e, Aufgaben, die im wesentlichen zusammenfielen.</P>
<P>Der wichtigste Beschlu&szlig; der Konferenz bezog sich auf die politische Wirksamkeit
der Internationalen. Er berief sich zun&auml;chst auf die &raquo;Inauguraladresse&laquo;,
die &raquo;Statuten&laquo;, den Beschlu&szlig; des Lausanner Kongresses und andere offizielle
Kundgebungen des Bundes, in denen die politische Emanzipation der Arbeiterklasse
f&uuml;r untrennbar von ihrer sozialen Emanzipation erkl&auml;rt worden war. Dann
f&uuml;hrte er aus, da&szlig; die Internationale einer z&uuml;gellosen Reaktion
gegen&uuml;berstehe, die jedes Emanzipationsstreben der Arbeiterklasse schamlos
unterdr&uuml;cke und durch rohe Gewalt den Klassenunterschied und die auf ihm
gegr&uuml;ndete Herrschaft der besitzenden Klassen zu verewigen suche; da&szlig;
die Arbeiterklasse gegen diese Gesamtgewalt der besitzenden Klassen nur als Klasse
handeln k&ouml;nne, indem sie sich selbst als besondere politische Partei konstituiere,
im Gegensatz zu allen alten Parteibildungen der besitzenden Klassen; da&szlig;
diese Konstituierung der Arbeiterpartei als politische Partei unerl&auml;&szlig;lich
sei f&uuml;r den Triumph der sozialen Revolution und ihres Endziels: Abschaffung
der Klassen; da&szlig; endlich die Vereinigung der Einzelkr&auml;fte, die die
Arbeiterklasse bis zu einem gewissen Punkte bereits durch ihre &ouml;konomischen
Kr&auml;fte hergestellt habe, auch als Hebel f&uuml;r ihren Kampf gegen die politische
Gewalt ihrer Ausbeuter benutzt werden m&uuml;sse. Aus allen diesen Gr&uuml;nden
erinnerte die Konferenz alle Mitglieder der Internationalen daran, da&szlig; in
dem streitenden Stand der Arbeiterklasse ihre &ouml;konomische Bewegung und ihre
politische Bet&auml;tigung untrennbar verbunden seien. In organisatorischer Beziehung
ersuchte die Konferenz den Generalrat, sich in der Zahl der Mitglieder zu beschr&auml;nken,
durch die er sich erg&auml;nze, und dabei nicht zu ausschlie&szlig;lich dieselbe
Nationalit&auml;t zu ber&uuml;cksichtigen. Der Name eines Generalrats solle ihm
allein zustehen; die F&ouml;deralr&auml;te der einzelnen L&auml;nder sollten nach
diesen, die &ouml;rtlichen Sektionen nach ihren Ortsnamen bezeichnet werden; alle
Sektennamen, wie Positivisten, Mutualisten, Kollektivisten, Kommunisten usw. schlo&szlig;
die Konferenz aus. Jedes Mitglied der Internationalen solle wie bisher, j&auml;hrlich
einen Penny f&uuml;r den Generalrat zahlen.</P>
<P><B><A name="S482">|482|</A></B> F&uuml;r Frankreich empfahl die Konferenz eine
lebhafte Werkst&auml;ttenagitation und Verbreitung von Druckschriften, f&uuml;r
England die Bildung eines eigenen F&ouml;deralrats, den der Generalrat best&auml;tigen
werde, sobald er von den Zweigen in den Provinzen und den Trade Unions anerkannt
worden sei. Ferner erkl&auml;rte die Konferenz, da&szlig; die deutschen Arbeiter
w&auml;hrend des Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieges ihre Pflicht erf&uuml;llt
h&auml;tten. Dagegen lehnte sie jede Verantwortung f&uuml;r die sogenannte Verschw&ouml;rung
des Netschajew ab und beauftragte Utin, einen gedr&auml;ngten Bericht &uuml;ber
den Proze&szlig; Netschajew, nach den russischen Quellen, in der Genfer &raquo;&Eacute;galit&eacute;&laquo;
zu ver&ouml;ffentlichen, ihn jedoch vor der Ver&ouml;ffentlichung dem Generalrat
zu unterbreiten.</P>
<P>Die Frage der Allianz erkl&auml;rte die Konferenz f&uuml;r erledigt, nachdem
sich ihre Genfer Sektion freiwillig aufgel&ouml;st habe und die Annahme von Sektennamen
usw., durch die eine besondere, von den gemeinsamen Zwecken der Internationalen
verschiedene Mission beansprucht werde, verboten worden sei. Was die Jurasektionen
anbetraf, so billigte die Konferenz den Beschlu&szlig; des Generalrats vom 29.
Juni 1870, der den Genfer F&ouml;deralrat der romanischen Schweiz als allein berechtigt
anerkannt hatte, aber sie rief gleichzeitig den Geist der Einigkeit und Solidarit&auml;t
an, der gegen&uuml;ber den Verfolgungen, denen die Internationale gegenw&auml;rtig
ausgesetzt sei, mehr als je die Arbeiter durchdringen m&uuml;sse. Sie riet deshalb
den braven Arbeitern der Jurasektionen, sich dem Genfer F&ouml;deralrat wieder
anzuschlie&szlig;en. Sollte sich dies aber nicht erm&ouml;glichen lassen, so entschied
die Konferenz, da&szlig; die ausgetretenen Sektionen sich Jurassische F&ouml;deration
nennen sollten. Dann aber erkl&auml;rte die Konferenz, da&szlig; der Generalrat
gehalten sein werde, alle angeblichen Organe der Internationalen zu verleugnen,
die wie der &raquo;Progr&egrave;s&laquo; und die &raquo;Solidarit&eacute;&laquo; im Jura vor dem Bourgeoispublikum
innere Fragen der Internationalen er&ouml;rterten.</P>
<P>Schlie&szlig;lich &uuml;berlie&szlig; die Konferenz der Entscheidung des Generalrats,
Ort und Zeit des n&auml;chsten Kongresses oder der ihn etwa ersetzenden Konferenz
zu bestimmen.</P>
<P>Im ganzen und gro&szlig;en l&auml;&szlig;t sich den Beschl&uuml;ssen der Konferenz
ein Geist sachlicher M&auml;&szlig;igkeit nicht bestreiten; der Ausweg, den sie
den Jurasektionen vorschlug, n&auml;mlich sich Jurassische F&ouml;deration zu
nennen, war von diesen selbst schon erwogen worden. Nur die Beschl&uuml;sse wegen
Netschajews enthielten eine pers&ouml;nliche Spitze, die sich durch sachliche
Gesichtspunkte nicht begr&uuml;nden lie&szlig;. Wenn die Enth&uuml;llungen des
Prozesses Netschajews von der b&uuml;rgerlichen Presse gegen die Internationale
ausgebeutet wurden, so handelte es sich um eine Verleumdung, wie sie <A name="S483"></A><B>|483|</B>
ihr damals t&auml;glich zu Dutzenden an den Kopf flogen, ohne da&szlig; sie sich
sonst zum Gegenbeweis verpflichtet gef&uuml;hlt h&auml;tte; in &auml;hnlichen
F&auml;llen gen&uuml;gte es ihr, den Unrat mit einem ver&auml;chtlichen Fu&szlig;tritt
in die Gosse zu schleudern. Wollte sie aber einmal eine Ausnahme von der Regel
machen, so durfte sie nicht einen geh&auml;ssigen Intriganten zu ihrem Berichterstatter
bestellen, von dem gegen&uuml;ber Bakunin etwa dasselbe Ma&szlig; von Wahrheitsliebe
zu erwarten war wie von der b&uuml;rgerlichen Presse.</P>
<P>Utin leitete die ihm aufgetragene Arbeit denn auch mit einer, seiner w&uuml;rdigen
Mordgeschichte ein. In Z&uuml;rich, wo er seine Arbeit auszuf&uuml;hren beabsichtigte
und wo er keine anderen Feinde zu haben behauptete als einige allianzistische
Slawen unter dem Befehle Bakunins, &uuml;berfielen ihn angeblich acht slawisch
redende Individuen eines sch&ouml;nen Tages an einem einsamen Orte in der N&auml;he
eines Kanals, verwundeten ihn, warfen ihn zu Boden und w&uuml;rden ihn vollends
get&ouml;tet und seine Leiche in den Kanal versenkt haben, wenn nicht vier deutsche
Studenten des Weges gekommen w&auml;ren und dies kostbare Leben f&uuml;r die k&uuml;nftigen
Dienste des Zaren gerettet h&auml;tten.</P>
<P>Sieht man von dieser Ausnahme ab, so boten die Beschl&uuml;sse der Konferenz
zweifellos einen Boden der Verst&auml;ndigung, zumal in einer Zeit, wo es f&uuml;r
die gesamte Arbeiterbewegung hie&szlig;: Feinde ringsum! Indessen schon am 20.
Oktober meldete sich die Sektion der revolution&auml;ren sozialistischen Propaganda
und Aktion, die sich in Genf aus den Tr&uuml;mmern der Allianz und einigen Kommunefl&uuml;chtlingen
gebildet hatte, mit dem Gesuch um Aufnahme in die Internationale an den Generalrat.
Sie wurde abschl&auml;gig beschieden, nachdem der Generalrat ein Gutachten des
Genfer F&ouml;deralrats eingeholt hatte, und nun begann in der &raquo;R&eacute;volution
Sociale&laquo;, die an die Stelle der entschlafenen &raquo;Solidarit&eacute;&laquo; getreten war,
ein heftiges Kreuzfeuer gegen das &raquo;deutsche Komitee, geleitet von einem Bismarckschen
Gehirn&laquo;, was nach Ansicht dieses trefflichen Blattes der Generalrat der Internationalen
sein sollte. Die famose Parole fand &uuml;brigens schnellen Anklang, so da&szlig;
Marx einem amerikanischen Freunde schreiben konnte: &raquo;Die bezieht sich auf das
<I>unverzeihliche</I> Faktum, da&szlig; <I>ich</I> von Haus aus ein Deutscher
bin und in der Tat einen entscheidenden intellektuellen Einflu&szlig; auf den
Generalrat aus&uuml;be. (Notabene: das <I>deutsche</I> Element ist im Council
<I>numerisch</I> zwei Drittel schw&auml;cher als das <I>englische</I> und ditto
schw&auml;cher als das <I>franz&ouml;sische</I>. Die S&uuml;nde besteht also darin,
da&szlig; die englischen und franz&ouml;sischen Elemente <I>theoretisch</I> vom
deutschen Element beherrscht (!) sind und diese Herrschaft, i.e. die deutsche
Wissenschaft, sehr n&uuml;tzlich und selbst unentbehrlich finden.)&laquo;</P>
<P><B><A name="S484">|484|</A></B> Einen Hauptsto&szlig; unternahmen dann die
Jurasektionen auf einem Kongre&szlig;, den sie am 12. November in Sonvillier abhielten.
Es waren ihrer allerdings nur 9 von 22 durch 16 Delegierte vertreten, und auch
unter dieser Minderheit litten die meisten an galoppierender Schwindsucht. Um
so weiter aber rissen sie den Mund auf. Sie f&uuml;hlten sich tief gekr&auml;nkt,
da&szlig; ihnen die Londoner Konferenz einen Namen aufdr&auml;ngte, den sie selbst
schon anzunehmen erwogen hatten, beschlossen jedoch, sich nichtsdestoweniger zu
f&uuml;gen und sich fortan Jurassische F&ouml;deration zu nennen. Sie r&auml;chten
sich daf&uuml;r, indem sie die Romanische F&ouml;deration f&uuml;r aufgel&ouml;st
erkl&auml;rten, was nat&uuml;rlich nur ein Schlag ins Wasser war. Die Hauptleistung
des Kongresses aber war die Abfassung und Absendung eines Rundschreibens an s&auml;mtliche
F&ouml;derationen der Internationalen, worin gegen die Gesetzm&auml;&szlig;igkeit
der Londoner Konferenz protestiert und von ihr an einen allgemeinen Kongre&szlig;
appelliert wurde, der binnen k&uuml;rzester Frist berufen werden sollte.</P>
<P>Dies von Guillaume entworfene Schriftst&uuml;ck ging davon aus, da&szlig; sich
die Internationale auf einer absch&uuml;ssigen, verh&auml;ngnisvollen Bahn bef&auml;nde.
Urspr&uuml;nglich habe sie ein &raquo;ungeheurer Protest gegen jede Autorit&auml;t&laquo;
sein sollen; in den &raquo;Statuten&laquo; sei jeder Sektion oder jeder Gruppe von Sektionen
die Selbst&auml;ndigkeit verb&uuml;rgt, der Generalrat als ausf&uuml;hrende Gruppe
mit ganz beschr&auml;nkten Befugnissen ausgestattet worden. Allm&auml;hlich jedoch
habe man sich daran gew&ouml;hnt, ihm ein blindes Vertrauen zu schenken, das in
Basel zur freiwilligen Abdankung des Kongresses gef&uuml;hrt habe, indem man dem
Generalrat das Recht erteilt habe, bis zur Entscheidung des n&auml;chsten Kongresses
Sektionen anzunehmen, abzulehnen oder aufzul&ouml;sen. Dieser Beschlu&szlig; des
Baseler Kongresses war allerdings nach lebhafter Bef&uuml;rwortung durch Bakunin
und unter Zustimmung Guillaumes gefa&szlig;t worden.</P>
<P>Danach betrachte sich der Generalrat, der seit f&uuml;nf Jahren aus denselben
Menschen bestehe und an demselben Orte tage, als &raquo;legitimes Haupt&laquo; der Internationalen.
Da sie in ihren eigenen Augen zu einer Art Regierung geworden seien, so erachteten
sie nat&uuml;rlich ihre absonderlichen Gedanken als die offizielle Theorie, die
in der Internationalen allein berechtigt sei. Die abweichenden Ansichten, die
in anderen Gruppen auftauchten, erschienen ihnen kurzweg als Ketzereien. So habe
sich allm&auml;hlich eine Orthodoxie gebildet, deren Sitz in London und deren
Vertreter die Mitglieder des Generalrats seien. Man brauche nicht ihre Absichten
anzuklagen, denn sie handelten nach den Ansichten ihrer besonderen Schule, aber
bek&auml;mpfen m&uuml;sse man sie aufs entschiedenste, denn ihre Allmacht wirke
notwendig korrumpierend; es sei v&ouml;llig unm&ouml;glich <A name="S485"></A><B>|485|*</B>,
da&szlig; ein Mensch, der solche Macht &uuml;ber seinesgleichen habe, ein moralischer
Mensch bleiben k&ouml;nne.</P>
<P>Die Londoner Konferenz habe das Werk des Baseler Kongresses fortgesetzt und
Beschl&uuml;sse gefa&szlig;t, die aus der Internationalen, einem freien B&uuml;ndnis
selbst&auml;ndiger Sektionen, eine autorit&auml;re und hierarchische Organisation
in der Hand des Generalrats machen sollten. Und um das Geb&auml;ude zu kr&ouml;nen,
habe sie beschlossen, da&szlig; der Generalrat sogar den Ort und den Zeitpunkt
des n&auml;chsten Kongresses oder der Konferenz, die ihn ersetzen solle, bestimmen
solle; damit sei es in die Willk&uuml;r des Generalrats gestellt, die allgemeinen
Kongresse, die gro&szlig;en &ouml;ffentlichen Gerichtstage der Internationalen,
durch geheime Konferenzen zu ersetzen. Deshalb sei es n&ouml;tig, den Generalrat
auf seine urspr&uuml;ngliche Bestimmung zu beschr&auml;nken, n&auml;mlich eines
einfachen B&uuml;ros f&uuml;r Korrespondenz und Statistik, und jene Einheit, die
man durch die Diktatur und die Zentralisation erreichen m&ouml;chte, durch die
freie Verbindung selbst&auml;ndiger Gruppen zu verwirklichen. Darin m&uuml;sse
die Internationale bereits ein Vorbild der zuk&uuml;nftigen Gesellschaft sein.</P>
<P>Trotz aller Schwarzmalerei, oder auch wegen ihrer, erreichte dies Rundschreiben
der Jurassier seinen eigentlichen Zweck nicht; mit seiner Forderung eines so schnell
wie m&ouml;glich einzuberufenden Kongresses fand es selbst in Belgien, Italien
und Spanien keinen Anklang. In Spanien argw&ouml;hnte man hinter den scharfen
Angriffen auf den Generalrat Eifers&uuml;chteleien zwischen Bakunin und Marx,
in Italien wollte man sich so wenig vom Jura wie von London aus kommandieren lassen,
und nur in Belgien entschied man sich f&uuml;r eine Statuten&auml;nderung in dem
Sinne, da&szlig; die Internationale ausdr&uuml;cklich f&uuml;r eine Vereinigung
v&ouml;llig unabh&auml;ngiger F&ouml;derationen und der Generalrat als &raquo;Zentrum
f&uuml;r Korrespondenz und Auskunftserteilung&laquo; erkl&auml;rt werde.</P>
<P>Um so gr&ouml;&szlig;eren Beifall fand das Rundschreiben von Sonvillier in
der europ&auml;ischen Bourgeoispresse, die sich dar&uuml;ber herst&uuml;rzte wie
&uuml;ber einen seltenen Leckerbissen. Alle L&uuml;gen, die sie &uuml;ber die
unheimliche Gewalt des Generalrats, namentlich seit dem Falle der Pariser Kommune,
verbreitet hatte, wurden jetzt aus dem Scho&szlig;e der Internationalen selbst
best&auml;tigt. Das &raquo;Bulletin Jurassien&laquo;. das inzwischen an die Stelle der schnell
verschiedenen &raquo;R&eacute;volution Soziale&laquo; getreten war, hatte wenigstens die Genugtuung,
begeisterte Zustimmungsartikel b&uuml;rgerlicher Zeitungen abzudrucken.</P>
<P>Dies l&auml;rmende Echo des Rundschreibens von Sonvillier veranla&szlig;te
den Generalrat, darauf zu antworten, ebenfalls in einem Rundschreiben, unter dem
Titel: Die angeblichen Spaltungen in der Internationalen.</P>
<H3 align="CENTER">7. Der Spaltpilz der Internationalen<A name="Kap_7"></A></H3>
<P><B><A name="S486">|486|</A></B> Soweit sich dies Rundschreiben mit den Vorw&uuml;rfen
befa&szlig;te, die dem Generalrat in Sonvillier und sonst wegen &Uuml;berschreitung
oder gar F&auml;lschung der &raquo;Statuten&laquo;, wegen fanatischer Unduldsamkeit und dergleichen
mehr gemacht worden waren, f&uuml;hrte es eine durchaus siegreiche Polemik, von
der man nur bedauern kann, da&szlig; sie an gro&szlig;enteils ganz nichtige Dinge
verschwendet werden mu&szlig;te.</P>
<P>In der Tat kostet es heute eine gewisse &Uuml;berwindung, sich mit diesem Kleinkram
&uuml;berhaupt noch zu befassen. So hatten die Pariser Mitglieder bei Gr&uuml;ndung
der Internationalen aus Scheu vor der bonapartistischen Polizei aus dem Satze
der Statuten, wonach sich der &ouml;konomischen Emanzipation der Arbeiterklasse
jede politische Bewegung als Mittel unterzuordnen habe, die Worte &raquo;als Mittel&laquo;
in dem franz&ouml;sischen Texte fortgelassen. Die Sache lag ganz einfach und klar,
aber gleichwohl wurde nun bis zum &Uuml;berdru&szlig; die L&uuml;ge breitgetreten,
der Generalrat habe die Worte als &raquo;Mittel&laquo; nachtr&auml;glich hineingef&auml;lscht.
Oder wenn die Londoner Konferenz anerkannt hatte, da&szlig; die deutschen Arbeiter
w&auml;hrend des Krieges ihre Pflicht getan h&auml;tten, so wurde daran eine Denunziation
wegen des &raquo;Pangermanismus&laquo; gekn&uuml;pft, der im Generalrat herrschen sollte.</P>
<P>Sein Rundschreiben r&auml;umte mit diesen Nichtigkeiten gr&uuml;ndlich auf,
und wenn man erwog, da&szlig; sie vorgebracht wurden, um die Zentralisation des
in seinen Grundfesten wankenden Bundes zu unterminieren, die ihn allein noch gegen&uuml;ber
den reaktion&auml;ren Angriffen aufrechterhalten konnte, so begriff man die Bitterkeit
seiner Schlu&szlig;s&auml;tze, worin dir Allianz beschuldigt wurde, der internationalen
Polizei in die H&auml;nde zu arbeiten. &raquo;Sie verk&uuml;ndet die Anarchie in den
proletarischen Reihen als das unfehlbarste Mittel, um die m&auml;chtige Konzentration
der politischen und sozialen Kr&auml;fte zu zerbrechen, die sich in den H&auml;nden
der Ausbeuter befinden. Unter diesem Vorwande fordert sie von der Internationalen,
in dem Augenblick, wo die alte Welt diese zu vernichten sucht, ihre Organisation
durch die Anarchie zu ersetzen.&laquo;<A name="ZT17"></A><A href="fm03_443.htm#Z17"><SPAN class="top">[17]</SPAN></A> Je h&auml;rter die Internationale von au&szlig;en
her bedr&auml;ngt wurde, um so frivoler erschienen die Angriffe von innen, gerade
auch je haltloser sie waren.</P>
<P>Das grelle Licht, das auf diese Seite der Sache fiel, verdunkelte jedoch den
Blick des Rundschreibens nach einer anderen Richtung hin. Wie schon sein Titel
andeutete, wollte es nur von &raquo;angeblichen&laquo; Spaltungen innerhalb der Internationalen
wissen; es f&uuml;hrte den ganzen Konflikt, wie es Marx schon in der Konfidentiellen
Mitteilung getan hatte, auf die <A name="S487"></A><B>|487|</B> Umtriebe &raquo;einiger
Intriganten&laquo; zur&uuml;ck, besonders Bakunins, es betonte nochmals die alten Anklagen
gegen diesen wegen der &raquo;Gleichmachung der Klassen&laquo;, wegen des Baseler Kongresses
usw., beschuldigte ihn, gemeinschaftlich mit Netschajew unschuldige Leute an die
russische Polizei verraten zu haben und widmete einen besonderen Abschnitt der
Tatsache, da&szlig; zwei Anh&auml;nger Bakunins sich als bonapartistische Spitzel
entpuppt hatten, was f&uuml;r Bakunin sicherlich sehr unangenehm, aber doch ebensowenig
kompromittierend war wie f&uuml;r den Generalrat selbst die Tatsache, da&szlig;
er wenige Monate sp&auml;ter mit zweien seiner Anh&auml;nger das gleiche Pech
hatte. Und wenn das Rundschreiben den &raquo;jungen Guillaume&laquo; beschuldigte, die &raquo;Fabrikarbeiter&laquo;
von Genf als hassenswerte &raquo;Bourgeois&laquo; verschrien zu haben, so nahm es doch nicht
die geringste Notiz davon, da&szlig; in Genf unter der fabrique eine Schicht gut
gelohnter Luxusarbeiter verstanden wurde, die mehr oder weniger anfechtbare Wahlkompromisse
mit b&uuml;rgerlichen Parteien geschlossen hatte.</P>
<P>Die weitaus schw&auml;chste Seite des Rundschreibens war jedoch seine Verteidigung
gegen den Vorwurf der &raquo;Orthodoxie&laquo;, der gegen den Generalrat erhoben worden war.
Es berief sich darauf, da&szlig; die Londoner Konferenz ja gerade allen Sektionen
die Annahme von Sektennamen verboten habe. Das war gewi&szlig; insofern gerechtfertigt,
als die Internationale ein recht buntes Konglomerat von Gewerkschaftsverb&auml;nden,
Genossenschaften, Bildungs- und Propagandavereinen bildete. Aber die Auslegung,
die das Rundschreiben des Generalrats diesem Beschlusse des Generalrats gab, war
im h&ouml;chsten Grade anfechtbar.</P>
<P>Es sagte dar&uuml;ber w&ouml;rtlich: &raquo;Der erste Abschnitt in dem Kampfe des
Proletariats gegen die Bourgeoisie wird durch die Sektenbewegung gekennzeichnet.
Sie hat ihr Recht in der Zeit, wo das Proletariat noch nicht entwickelt genug
ist, um als Klasse zu handeln. Vereinzelte Denker unternehmen die Kritik der sozialen
Widerspr&uuml;che und wollen sie beseitigen durch phantastische L&ouml;sungen,
die die Masse der Arbeiter nur anzunehmen, zu verbreiten und ins Werk zu setzen
hat. Es liegt in der Natur der Sekten, die sich um solche Bahnbrecher bilden,
da&szlig; sie sich abschlie&szlig;en und sich jeder wirklichen T&auml;tigkeit,
der Politik, den Streiks, den Gewerkschaften, mit einem Worte, jeder Massenbewegung
entfremden. Die Masse des Proletariats bleibt ihrer Propaganda gegen&uuml;ber
gleichg&uuml;ltig oder selbst feindlich. Die Arbeiter von Paris und Lyon wollten
ebensowenig von den Saint-Simonisten, den Fourieristen, den Ikariern wissen wie
die englischen Chartisten und Trade-Unionisten von den Oweniten. In ihrem Ursprung
Hebel der Bewegung, werden sie ihr Hindernis, sobald sie von ihr &uuml;berholt
werden. Dann werden sie <A name="S488"></A><B>|488|</B> reaktion&auml;r. Zeugen
dessen sind die Sekten in Frankreich und England und letzthin die Lassalleaner
in Deutschland, die, nachdem sie jahrelang die Organisation des Proletariats gehemmt
haben, schlie&szlig;lich einfache Werkzeuge der Polizei geworden sind.&laquo;<A name="ZT18"></A><A href="fm03_443.htm#Z18"><SPAN class="top">[18]</SPAN></A> An einer
anderen Stelle des Rundschreibens werden die Lassalleaner dann noch &raquo;Bism&auml;rckische
Sozialisten&laquo; genannt, die au&szlig;erhalb ihres Polizeiorgans, des &raquo;Neuen Sozialdemokraten&laquo;
die wei&szlig;en Blusen des preu&szlig;isch-deutschen Kaiserreichs spielten.</P>
<P>Es ist nirgends ausdr&uuml;cklich bezeugt, da&szlig; Marx das Schriftst&uuml;ck
verfa&szlig;t hat; nach Inhalt und Stil k&ouml;nnte Engels einen mehr oder minder
gro&szlig;en Anteil daran gehabt haben. Aber die Ausf&uuml;hrung &uuml;ber die
Sekten r&uuml;hrt jedenfalls von Marx her; in ganz gleicher Weise findet sich
derselbe Gedanke in seinem gleichzeitigen Briefwechsel mit Parteifreunden, und
zum ersten Male hatte er ihn schon in seiner Streitschrift gegen Proudhon entwickelt.
An und f&uuml;r sich ist darin die geschichtliche Bedeutung des sozialistischen
Sektenwesens auch treffend gekennzeichnet, aber Marx irrte darin, da&szlig; er
die Bakunisten und nun gar die Lassalleaner mit den Fourieristen und Oweniten
in denselben Topf warf.</P>
<P>Man mag &uuml;ber den Anarchismus so wegwerfend denken wie man will, und ihn
einfach, wo immer er auftritt, f&uuml;r eine Erkrankung der Arbeiterbewegung halten,
so kann man doch nicht - und am wenigsten heute, nach den Erfahrungen eines halben
Jahrhunderts - sich vorstellen, da&szlig; ihr der Krankheitsstoff von au&szlig;en
her eingeimpft worden ist, sondern vielmehr nur, da&szlig; die Anlage zu dieser
Krankheit ihr an- und eingeboren ist, um sich unter g&uuml;nstigen oder vielmehr
ung&uuml;nstigen Umst&auml;nden zu entfalten. Aber selbst schon im Jahre 1872
war ein Irrtum dar&uuml;ber schwer verst&auml;ndlich. Bakunin am wenigsten war
der Mann einer fertigen Schablone oder eines fertigen Systems, das die Arbeiter
einfach anzunehmen und ins Werk zu setzen h&auml;tten; Marx selbst wurde ja nicht
m&uuml;de, zu wiederholen, da&szlig; Bakunin theoretisch eine Null und nur als
Intrigant in seinem Element, da&szlig; sein Programm ein von rechts und links
oberfl&auml;chlich zusammengeraffter Mischmasch sei!</P>
<P>Das entscheidende Kennzeichen der Sektenstifter ist ihr feindlicher Gegensatz
zu jeder proletarischen Massenbewegung: feindlich insofern, als sie von einer
solchen Bewegung nichts wissen wollen wie auch insofern, als eine Massenbewegung
von ihnen nichts wissen will. Selbst wenn es wahr w&auml;re, da&szlig; Bakunin
sich der Internationalen nur f&uuml;r seine Zwecke habe bem&auml;chtigen wollen,
so w&uuml;rde er damit doch immer nur bewiesen haben, da&szlig; er als Revolution&auml;r
nur mit Massen rechnete. Er hat es, so erbittert sich der Kampf zwischen ihm und
Marx gestaltete, <A name="S489"></A><B>|489|</B> diesem doch fast bis zuletzt
als ein unsterbliches Verdienst angerechnet, in der Internationalen den Rahmen
einer proletarischen Massenbewegung geschaffen zu haben. Was ihn von Marx unterschied,
war die Verschiedenheit ihrer Ansichten &uuml;ber die Taktik, die diese Massenbewegung
verfolgen m&uuml;sse, um an ihr Ziel zu gelangen; aber so verkehrt Bakunins Ansichten
dar&uuml;ber sein mochten, so hatten sie doch mit Sektenspielerei nichts zu tun.</P>
<P>Und nun gar die Lassalleaner! Sie standen im Jahre 1872 sicherlich noch nicht
auf der H&ouml;he des sozialistischen Prinzips, aber sie waren jeder anderen gleichzeitigen
Arbeiterpartei in Europa an theoretischer Einsicht und organisatorischer Kraft
&uuml;berlegen, auch der Eisenacher Fraktion, deren geistige Hauptnahrung immer
noch die Agitationsschriften Lassalles bildeten. Lassalle hatte seine Agitation
auf den breiten Boden des proletarischen Klassenkampfs gestellt, wodurch allem
Sektenwesen Tor und T&uuml;r gesperrt worden waren; sein Nachfolger Schweitzer
war so durchdrungen von der Untrennbarkeit des politischen und des sozialen Kampfes,
da&szlig; ihm von Liebknecht der Vorwurf des &raquo;Parlamentelns&laquo; gemacht wurde, und
wenn Schweitzer in der Gewerkschaftsfrage zu seinem Unheil die Warnungen Marxens
mi&szlig;achtet hatte, so war er seit Jahr und Tag aus der Bewegung geschieden,
und die Lassalleaner begannen, namentlich durch die siegreichen Bauarbeiterstreiks
in Berlin, auch diesen Fehler aus ihrer Rechnung zu beseitigen. Sie hatten die
kurze St&ouml;rung ihrer Agitation durch den Krieg &uuml;berwunden, und in immer
dichteren Haufen str&ouml;mten ihnen die Massen zu.</P>
<P>Man brauchte die Ausf&auml;lle gegen die Lassalleaner insoweit nicht besonders
hervorzuheben, als Marx nun einmal gegen Lassalle und alles Lassallesche eine
un&uuml;berwindliche Abneigung hegte, aber in dem Zusammenhange, worin sie das
Rundschreiben des Generalrats vorbrachte, gewannen sie doch eine eigent&uuml;mliche
Bedeutung. Sie warfen ein helles Licht auf den eigentlichen Spaltpilz der Internationalen,
auf den unl&ouml;slichen Widerspruch, in den der gro&szlig;e Bund durch den Fall
der Pariser Kommune geraten war. Seitdem hatte die ganze reaktion&auml;re Welt
gegen die Internationale mobilgemacht, und gegen diesen Ansturm konnte sie sich
nur wehren, indem sie ihre Kr&auml;fte straff zusammenfa&szlig;te. Aber der Fall
der Kommune hatte auch die Notwendigkeit des politischen Kampf es erwiesen, und
dieser Kampf war nicht m&ouml;glich ohne eine weitgehende Lockerung der internationalen
Bande, denn er lie&szlig; sich nur innerhalb nationaler Grenzen f&uuml;hren.</P>
<P>Wie die Forderung der politischen Enthaltung, so sehr sie immer &uuml;bertrieben
werden mochte, doch im letzten Grunde aus einem berechtigten <A name="S490"></A><B>|490|*</B>
Mi&szlig;trauen gegen die Fallstricke des b&uuml;rgerlichen Parlamentarismus entstanden
war - einem Mi&szlig;trauen, dem Liebknecht noch in seiner bekannten Rede von
1869 den sch&auml;rfsten Ausdruck gegeben hatte -, so entsprang auch der Mi&szlig;mut
&uuml;ber die Diktatur des Generalrats, der sich nach dem Falle der Pariser Kommune
ziemlich in allen L&auml;ndern &auml;u&szlig;erte, bei aller &Uuml;bertreibung
dem mehr oder minder klaren Bewu&szlig;tsein, da&szlig; eine nationale Arbeiterpartei
zun&auml;chst an ihre Existenzbedingungen innerhalb der Nation gebunden sei, von
der sie einen Teil bilde, da&szlig; sie sich &uuml;ber diese Existenzbedingungen
ebensowenig hinwegsetzen k&ouml;nne, wie der Mensch &uuml;ber seinen Schatten
zu springen verm&ouml;ge, da&szlig; sie mit andern Worten nicht vom Auslande her
geleitet werden k&ouml;nne. Und obwohl Marx schon in den &raquo;Statuten der Internationalen&laquo;
die Untrennbarkeit des politischen und des sozialen Kampfes festgestellt hatte,
so kn&uuml;pfte er praktisch doch &uuml;berall an die sozialen Forderungen an,
die den Arbeiterklassen aller L&auml;nder mit kapitalistischer Produktionsweise
gemeinsam waren, und ber&uuml;hrte politische Fragen nur insofern, als sie sich,
wie etwa die gesetzliche Verk&uuml;rzung des Arbeitstags, aus solchen sozialen
Forderungen ergaben. Politische Fragen im eigentlichen und unmittelbaren Sinne
des Wortes, Fragen, wie sie sich namentlich auf die Staatsverfassung bezogen und
in den verschiedenen L&auml;ndern ganz verschieden lagen, hielt Marx zur&uuml;ck,
bis das Proletariat durch die Internationale zu gr&ouml;&szlig;erer Klarheit erzogen
worden sei; tadelte er doch schwer an Lassalle, da&szlig; dieser seine Agitation
auf ein einzelnes Land zugeschnitten habe!</P>
<P>Man hat die Vermutung ausgesprochen, da&szlig; Marx diese Zur&uuml;ckhaltung
noch lange beobachtet haben w&uuml;rde, wenn ihm nicht die politische Frage durch
den Fall der Pariser Kommune und die Agitation Bakunins aufgedr&auml;ngt worden
w&auml;re. Das ist sehr wohl m&ouml;glich und selbst wahrscheinlich, aber getreu
seiner ganzen Art nahm er den Kampf auf, wie er ihm aufgedr&auml;ngt wurde. Nur
verkannte er dabei, da&szlig; die Aufgabe, die er zu l&ouml;sen hatte, sich mit
der damaligen Verfassung der Internationalen nicht l&ouml;sen lie&szlig;, da&szlig;
diese nach innen in demselben Ma&szlig;e zerfiel, wie sie sich straffer gegen
ihre &auml;u&szlig;eren Feinde zusammenfa&szlig;te. Wenn der leitende Kopf des
Generalrats die in seinem eigenen Sinne entwickeltste Arbeiterpartei, noch dazu
in seinem Heimatlande, als eine feile Polizeitruppe versah, so war damit ein schlagender
Beweis daf&uuml;r geliefert, da&szlig; die historische Stunde der Internationalen
geschlagen hatte.</P>
<P>Aber es war nicht der einzige Beweis. &Uuml;berall, wo sich nationale Arbeiterparteien
zu bilden begannen, zerfiel die Internationale. Mit wie <A name="S491"></A><B>|491|</B>
heftigen Vorw&uuml;rfen war einst Schweitzer wegen seiner angeblichen Lauheit
gegen&uuml;ber der Internationalen von Liebknecht &uuml;bersch&uuml;ttet worden!
Jetzt, wo Liebknecht selbst an der Spitze der Eisenacher Fraktion stand, hatte
er von Engels genau dieselben Vorw&uuml;rfe einzustecken und antwortete darauf,
nach Schweitzers Vorbild sich auf die deutschen Vereinsgesetze berufend: &raquo;Es f&auml;llt
mir nicht ein, wegen dieser Frage jetzt die Existenz unserer eigenen Organisation
aufs Spiel zu setzen.&laquo; H&auml;tte sich der ungl&uuml;ckliche Schweitzer je so
dreister und gottesf&uuml;rchtiger Rede unterfangen - er hat es nie getan -, so
w&auml;re es noch ganz anders &uuml;ber den &raquo;Schneiderk&ouml;nig&laquo; hergegangen,
der durchaus seine &raquo;eigene Partei&laquo; haben wolle. Die Gr&uuml;ndung der Eisenacher
Fraktion hatte der &raquo;Sektionsgruppe deutscher Sprache&laquo; in Genf den ersten Sto&szlig;
gegeben; den letzten Sto&szlig; gab dieser &auml;ltesten und st&auml;rksten Organisation,
die die Internationale auf dem Festlande besa&szlig;, die Gr&uuml;ndung einer
schweizerischen Arbeiterpartei, die sich im Jahre 1871 vollzog. Schon am Ende
dieses Jahres mu&szlig;te Becker den &raquo;Vorboten&laquo; eingehen lassen.</P>
<P>Diesen Zusammenhang haben Marx und Engels im Jahre 1872 noch nicht erkannt.
Doch verdunkelten sie nur ihr eigenes Recht, wenn sie behaupteten, die Internationale
sei an den Umtrieben eines einzelnen Demagogen untergegangen, w&auml;hrend sie
in allen Ehren vom geschichtlichen Schauplatz abtreten konnte, nach Erf&uuml;llung
einer gro&szlig;en Aufgabe, die &uuml;ber sie selbst hinausgewachsen war. Man
mu&szlig; es in der Tat mit den heutigen Anarchisten halten, wenn sie sagen, es
sei nichts unmarxistischer als die Vorstellung, da&szlig; ein ungew&ouml;hnlich
boshaftes Individuum, ein &raquo;h&ouml;chst gef&auml;hrlicher Intrigant&laquo;, eine proletarische
Organisation wie die Internationale, habe zerr&uuml;tten k&ouml;nnen, und nicht
mit jenen gl&auml;ubigen Seelen, denen jeder Zweifel daran, da&szlig; Marx und
Engels immer genau das P&uuml;nktchen aufs i gesetzt haben, die Haut schaudern
macht. Die beiden M&auml;nner selbst freilich w&uuml;rden, wenn sie heute sprechen
k&ouml;nnten, nur &auml;tzenden Hohn &uuml;brig haben f&uuml;r den Anspruch, da&szlig;
die r&uuml;cksichtslose Kritik, die immer ihre sch&auml;rfste Waffe gewesen ist,
vor ihnen selbst abdanken solle.</P>
<P>Ihre wahre Gr&ouml;&szlig;e besteht nicht darin, niemals geirrt zu haben, sondern
vielmehr darin, sich niemals im Irrtum versteift zu haben, sobald sie ihn erkannten.
Schon im Jahre 1874 gab Engels zu, die Internationale habe sich &uuml;berlebt.
&raquo;Um eine neue Internationale in der Weise der alten, eine Allianz aller proletarischen
Parteien aller L&auml;nder hervorzubringen, dazu geh&ouml;rte ein allgemeines
Niederschlagen der Arbeiterbewegung, wie es 1849 bis 1864 vorgeherrscht. Dazu
ist jetzt die proletarische Welt zu gro&szlig;, zu weitl&auml;ufig geworden.&laquo;
Er tr&ouml;stete sich, <A name="S492"></A><B>|492|</B> da&szlig; die Internationale zehn Jahre europ&auml;ischer Geschichte nach einer Seite hin - nach der Seite hin, worin die Zukunft liege - beherrscht habe und stolz auf ihre Arbeit zur&uuml;ckschauen k&ouml;nne.
Und im Jahre 1878 bek&auml;mpfte Marx in einer englischen Zeitschrift die Behauptung, da&szlig; die Internationale ein Mi&szlig;erfolg gewesen und nunmehr tot sei, mit den Worten: &raquo;In Wirklichkeit bilden die sozialdemokratischen Arbeiterparteien in Deutschland, der Schweiz, D&auml;nemark, Portugal, Italien, Belgien, Holland und Nordamerika, mehr oder weniger innerhalb nationaler Grenzen organisiert, ebenso viele internationale Gruppen, nicht mehr vereinzelte Sektionen, d&uuml;nn verstreut &uuml;ber verschiedene L&auml;nder und zusammengehalten durch einen Generalrat an der Peripherie, vielmehr die arbeitenden Massen selbst in stetigem, aktivem, direktem Verkehr, zusammengekettet durch den Austausch von Ideen, gegenseitige Hilfsleistungen und gemeinsame Ziele ... So ist die Internationale, anstatt abzusterben, nur aus einer ersten Periode in eine h&ouml;here getreten, wo ihre urspr&uuml;nglichen Tendenzen zum Teil verwirklicht worden sind. Im Laufe dieser fortschreitenden Entwicklung wird sie noch manche Ver&auml;nderungen durchzumachen haben, bis das letzte Kapitel ihrer Geschichte geschrieben werden kann.&laquo; <A name="ZT19"></A><A href="fm03_443.htm#Z19"><SPAN class="top">[19]</SPAN></A></P>
<P>In diesen Zeilen bew&auml;hrte Marx wieder seinen echten prophetischen Blick. Zur Zeit, wo die nationalen Arbeiterparteien doch nur erst aufkeimten, mehr als ein Jahrzehnt, ehe die neue Internationale sich bildete, sah er ihr historisches Wesen voraus, aber auch ihrer zweiten Form verhie&szlig; er keine Ewigkeitsdauer, sicher nur des einen, da&szlig; immer neues Leben aus den Ruinen bl&uuml;hen w&uuml;rde, bis sich die Zeiten erf&uuml;llet h&auml;tten.
</P>
<H3 align="center">8. Der Haager Kongre&szlig;<A name="Kap_8"></A>
</H3>
<P>In dem Rundschreiben des Generalrats vom 5. M&auml;rz war die Einberufung des Jahreskongresses auf den Anfang des September angek&uuml;ndigt worden. In der Zwischenzeit entschlossen sich Marx und Engels, die Verlegung des Generalrats von London nach New York zu beantragen.
&Uuml;ber die Notwendigkeit und N&uuml;tzlichkeit dieses Vorschlags ist viel gestritten worden, und damit auch &uuml;ber seine Beweggr&uuml;nde. Man hat ihn als eine Art Begr&auml;bnis erster Klasse f&uuml;r die Internationale aufgefa&szlig;t; Marx habe dadurch verschleiern wollen, da&szlig; sie nicht mehr zu retten sei. Dem widerspricht aber die Tatsache, da&szlig; Marx und Engels
<A name="S493"></A><B>|493|</B>
auch, nachdem der Generalrat nach New York verlegt worden war, ihn mit allen Kr&auml;ften
unterst&uuml;tzt und am Leben zu erhalten gesucht haben. Dann ist gesagt worden,
Marx habe die T&auml;tigkeit f&uuml;r die Internationale satt gehabt, um sich
wieder ungest&ouml;rt seiner wissenschaftlichen Arbeit zu Widmen, und hierf&uuml;r
hat Engels in gewissem Sinne gezeugt; in einem Brief an Liebknecht vom 27. Mai
1872 erw&auml;hnte er einen belgischen Antrag, den Generalrat ganz abzuschaffen,
und f&uuml;gte hinzu: &raquo;W&auml;re mir pers&ouml;nlich ganz recht, ich und M[arx]
gehn doch nicht wieder hinein, wie die Sache jetzt ist, haben wir keine Zeit zum
Arbeiten und das mu&szlig; aufh&ouml;ren.&laquo; Indessen das war eine beil&auml;ufige
&Auml;u&szlig;erung, die in einem Anfluge von &Auml;rger hingeworfen wurde. Selbst
wenn Marx und Engels eine Wiederwahl in den Generalrat ablehnten, war dessen Verlegung
von London noch nicht notwendig, aber um seiner wissenschaftlichen Arbeit willen
die Internationale hintanzustellen, ehe sie denn in festen Geleisen sei, hatte
Marx wiederholt abgelehnt; nunmehr, in der schwersten Krise, die sie noch befallen
hatte, hat er sicherlich nicht daran gedacht, sie aus solchem Grunde zu verlassen.</P>
<P>Eher traf es zum Richtigen, wenn er selbst am 29. Juli an Kugelmann schrieb:
&raquo;Auf dem Internationalen Kongre&szlig; (Haag, er&ouml;ffnet 2. September) handelt
es sich um Leben oder Tod der Internationalen, und bevor ich austrete, will ich
sie wenigstens vor den aufl&ouml;senden Elementen sch&uuml;tzen.&laquo; Zu diesem Schutz
vor den &raquo;aufl&ouml;senden Elementen&laquo; geh&ouml;rte auch die Verlegung des Generalrats
von London, wo er wachsendem Hader verfiel. Allerdings hatten die bakunistischen
Tendenzen in ihm keine oder so schwache Vertretung, da&szlig; von ihnen nichts
zu bef&uuml;rchten war. Aber auch unter seinen deutschen, englischen und franz&ouml;sischen
Mitgliedern gab es einen solchen Wirrwarr, da&szlig; er schon ein eigenes Subkomitee
zur Entscheidung der ewigen Streitigkeiten hatte einsetzen m&uuml;ssen.</P>
<P>Selbst zwischen Marx und den beiden Mitgliedern des Generalrats, die lange
Jahre hindurch seine geschicktesten und getreuesten Helfer gewesen waren, Eccarius
und Jung, war eine Entfremdung entstanden, die bei Eccarius schon im Mai 1872
zum offenen Bruch f&uuml;hrte. Eccarius lebte in sehr k&uuml;mmerlichen Verh&auml;ltnissen
und hatte seine Stellung als Generalsekret&auml;r der Internationalen gek&uuml;ndigt,
da er sich f&uuml;r unentbehrlich hielt und seinen bescheidenen Wochenlohn von
15 Schilling auf das Doppelte erh&ouml;hen wollte. Indessen wurde an seine Stelle
der Engl&auml;nder John Hales gew&auml;hlt, wof&uuml;r Eccarius mit Unrecht Marx
verantwortlich machte. Marx hatte ihn im Gegenteil gegen die Engl&auml;nder stets
verteidigt. Dagegen hatte Marx ihn wiederholt ger&uuml;ffelt, weil Eccarius <A name="S494"></A><B>|494|</B>
Mitteilungen &uuml;ber innere Vorg&auml;nge der Internationalen, so namentlich
&uuml;ber die geheimen Verhandlungen der Londoner Konferenz, der Presse verh&ouml;kert
hatte. Jung wieder hat Engels und dessen selbstherrliches Auftreten f&uuml;r die
Entfremdung von Marx verantwortlich gemacht. Daran mag etwas Wahres sein. Seitdem
Marx t&auml;glich mit Engels verkehren konnte, mag er ohne b&ouml;se Absicht die
Eccarius und Jung nicht mehr so h&auml;ufig wie fr&uuml;her herangezogen haben;
der &raquo;General&laquo; selbst aber, wie Engels mit einem vertraulichen Spitznamen genannt
wurde, liebte auch nach dem Zeugnis seiner guten Freunde einen milit&auml;risch
kurz angebundenen Ton; wenn der wechselnde Vorsitz im Generalrat an ihr kam, pflegte
man sich auf st&uuml;rmische Szenen gefa&szlig;t zu machen.</P>
<P>Seitdem Hales zum Generalsekret&auml;r ernannt worden war, bestand zwischen
ihm und Eccarius eine t&ouml;dliche Feindschaft, wobei Eccarius &uuml;brigens
einen Teil der englischen Mitglieder auf seiner Seite hatte. Dagegen fand Marx
keine St&uuml;tze an dem neuen Generalsekret&auml;r. Vielmehr als gem&auml;&szlig;
den Beschl&uuml;ssen der Londoner Konferenz eine englische F&ouml;deration gegr&uuml;ndet
worden war, die ihren ersten, mit 21 Delegierten beschickten Kongre&szlig; am
21. und 22. Juli in Nottingham abhielt, beantragte Hales, getreu der bakunistischen
Parole von der &raquo;gef&auml;hrdeten Autonomie der F&ouml;derationen&laquo;, mit den anderen
F&ouml;derationen nicht erst durch Vermittelung des Generalrats, sondern unmittelbar
zu verkehren, und ferner, auf dem allgemeinen Kongre&szlig; f&uuml;r eine &Auml;nderung
der &raquo;Statuten&laquo; in dem Sinne einzutreten, da&szlig; die Befugnisse des Generalrats
eingeschr&auml;nkt w&uuml;rden. Den zweiten Antrag zog Hales zur&uuml;ck, aber
der erste wurde angenommen. In programmatischer Hinsicht verriet dieser Kongre&szlig;
zwar keine Neigung f&uuml;r den Bakunismus, wohl aber f&uuml;r den englischen
Radikalismus; so wollte er zwar den Grund und Boden, aber keineswegs alle Produktionsmittel
vergesellschaften, wof&uuml;r Hales ebenfalls eintrat. Er intrigierte ganz offen
gegen den Generalrat, der ihn in August seines Postens entheben mu&szlig;te.</P>
<P>Unter den franz&ouml;sischen Mitgliedern des Generalrats &uuml;berwog die blanquistische
Richtung, die in den beiden Hauptfragen, um die sich der Streit drehte, der politischen
Bet&auml;tigung und der straffen Zentralisation ganz zuverl&auml;ssig war, aber
bei ihrer grunds&auml;tzlichen Bevorzugung revolution&auml;rer Handstreiche der
Internationalen unter den obwaltenden Umst&auml;nden, wo die europ&auml;ische
Reaktion nur auf eine Gelegenheit lauerte, mit ihrer gewaltigen &Uuml;bermacht
dreinzuschlagen, gef&auml;hrlicher werden konnte als jede andere. In der Tat ist
die Sorge, da&szlig; die Blanquisten das Heft in die Hand bekommen k&ouml;nnten,
f&uuml;r Marx wohl der st&auml;rkste Antrieb gewesen, die Verlegung des Generalrats
von London <A name="S495"></A><B>|495|</B> ins Auge zu fassen, und zwar nach New
York, das seine internationale Zusammensetzung erm&ouml;glichte und die Sicherheit
seiner Archive verb&uuml;rgte, was auf dem europ&auml;ischen Festland &uuml;berall
ausgeschlossen war.</P>
<P>Auf dem Haager Kongre&szlig;, der vom 2. bis zum 7. September tagte, konnte
Marx &uuml;ber eine sichere Mehrheit verf&uuml;gen, dank der verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig
starken Vertretung der Deutschen und der Franzosen unter den 61 Delegierten. Von
den Gegnern ist ihm der Vorwurf gemacht worden, diese Mehrheit durch k&uuml;nstliche
Mittel fabriziert zu haben, ein Vorwurf, der g&auml;nzlich haltlos ist, soweit
damit die Echtheit der Mandate angefochten werden soll; obgleich der Kongre&szlig;
die H&auml;lfte seiner Zeit auf die Mandatspr&uuml;fung verwandte, bestanden doch
alle die Pr&uuml;fung, mit einer einzigen Ausnahme. Aber allerdings hatte Marx
schon im Juni nach Amerika um Mandate f&uuml;r die Deutschen und Franzosen geschrieben.
Manche Delegierte vertraten Sektionen nicht der eigenen, sondern einer fremden
Nation; andere traten aus polizeilichen R&uuml;cksichten unter falschem Namen
auf oder verschwiegen aus demselben Grunde die Namen der Sektionen, von denen
sie beauftragt waren. Daher gehen in den verschiedenen Berichten &uuml;ber den
Kongre&szlig; die ziffernm&auml;&szlig;igen Angaben &uuml;ber die Beteiligung
der einzelnen Nationen ziemlich auseinander.</P>
<P>Strenggenommen waren als Vertreter deutscher Organisationen nur acht anwesend:
Bernhard Becker (Braunschweig), Cuno (Stuttgart), Dietzgen (Dresden), Kugelmann
(Celle), Milke (Berlin), Rittinghausen (M&uuml;nchen), Scheu (W&uuml;rttemberg)
und Schuhmacher (Solingen). Daneben hatte Marx als Vertreter des Generalrats neben
einem Mandat f&uuml;r New York je ein Mandat f&uuml;r Leipzig und Mainz, Engels
je ein Mandat f&uuml;r Breslau und New York. Hepner aus Leipzig hatte ein Mandat
aus New York, Friedl&auml;nder aus Berlin eins aus Z&uuml;rich. Zwei andere Delegierte
mit anscheinend deutschen Namen, Walter und Swarm, waren tats&auml;chlich Franzosen;
sie hie&szlig;en Heddeghem und Dentraygues; beide waren sehr unsichere Kantonisten,
Heddeghem schon im Haag bonapartischer Spitzel. Soweit die franz&ouml;sischen
Delegierten Kommunefl&uuml;chtlinge waren, Franckel und Longuet, die zu Marx hielten,
Ranvier, Vaillant und andere, die zu den Blanquisten z&auml;hlten, traten sie
unter ihren Namen auf, aber die Herkunft ihrer Mandate mu&szlig;te mehr oder weniger
im Dunkel bleiben. Den Generalrat vertraten neben Marx zwei Engl&auml;nder (Roach
und Sexton), ein Pole (Wroblewski) und drei Franzosen (Serraillier, Cournet und
Dupont), den Kommunistischen Arbeiterverein in London vertrat Le&szlig;ner. Der
britische F&ouml;deralrat hatte vier Delegierte entsandt, darunter Eccarius und
Hales, die schon im Haag mit den Bakunisten mogelten.</P>
<P><B><A name="S496">|496|</A></B> Von den Bakunisten hatten die Italiener den
Kongre&szlig; &uuml;berhaupt nicht beschickt; sie hatten schon im August auf einer
Konferenz in Rimini jede Gemeinschaft mit dein Generalrat abgelehnt. Die f&uuml;nf
spanischen Delegierten hielten mit der einzigen Ausnahme Lafargues zu den Bakunisten,
ebenso die acht belgischen und die vier holl&auml;ndischen Vertreter. Die jurassische
F&ouml;deration entsandte Guillaume und Schwitzguebel, w&auml;hrend Genf an dem
alten Becker festhielt. Aus Amerika kamen vier Delegierte: Sorge, der wie Becker
zu den treuesten Anh&auml;ngern Marxens z&auml;hlte, und der Blanquist Dereure,
ein ehemaliges Mitglied der Kommune; das dritte Mandat war einem Bakunisten zugefallen,
w&auml;hrend das vierte das einzige Mandat war, das vom Kongre&szlig; f&uuml;r
ung&uuml;ltig erkl&auml;rt wurde. Durch je einen Delegierten waren D&auml;nemark,
Osterreich, Ungarn und Australien vertreten.</P>
<P>Schon bei der dreit&auml;gigen Mandatspr&uuml;fung kam es zu st&uuml;rmischen
Szenen. Das spanische Mandat Lafargues wurde heftig bestritten, doch gegen wenige
Stimmenthaltungen best&auml;tigt. Bei der Debatte &uuml;ber ein Mandat, das von
einer Sektion in Chicago einem in London wohnenden Mitglied &uuml;bertragen worden
war, wurde von einem Delegierten des britischen F&ouml;deralrats geltend gemacht,
da&szlig; dies Mitglied kein anerkannter Arbeiterf&uuml;hrer sei, worauf Marx
erwiderte, da&szlig; es eher eine Ehre als das Gegenteil sei, kein englischer
Arbeiterf&uuml;hrer zu sein, da die Mehrzahl dieser F&uuml;hrer an die Liberalen
verkauft sei. Diese &Auml;u&szlig;erung machte, obgleich das Mandat best&auml;tigt
wurde, viel b&ouml;ses Blut und wurde nach dem Kongre&szlig; von Hales und Genossen
eifrig gegen Marx ausgebeutet; er selbst freilich, der immer der T&auml;ter seiner
Taten war, hat sie nie bereut oder zur&uuml;ckgenommen. Nach Beendigung der Mandatspr&uuml;fung
wurde eine Reihe von Eing&auml;ngen, die sich auf Bakunin und dessen Allianz bezogen,
einem f&uuml;nfgliedrigen Ausschu&szlig; zur Vorpr&uuml;fung &uuml;berwiesen;
man w&auml;hlte Mitglieder hinein, die bisher m&ouml;glichst wenig an dem Streite
um die Allianz beteiligt gewesen waren. Es waren der Deutsche Cuno als Vorsitzender,
die Franzosen Lucain, Vichard und Walter-Heddeghem, endlich der Belgier Splingard.</P>
<P>Erst am vierten Tage begannen die eigentlichen Verhandlungen mit der Verlesung
des Berichts, den der Generalrat dem Kongre&szlig; erstattet hatte. Er war von
Marx verfa&szlig;t und wurde von ihm selbst in deutscher, von Sexton in englischer,
von Longuet in franz&ouml;sischer und von van den Abeele in fl&auml;mischer Sprache
verlesen. Der Bericht gei&szlig;elte alle Gewaltstreiche, die seit dem bonapartistischen
Plebiszit gegen die Internationale ver&uuml;bt worden waren, die blutige Niedermetzelung
der Kommune, die Nichtsw&uuml;rdigkeiten der Thiers und Favre, die Schandtaten
<A name="S497"></A><B>|497|</B> der franz&ouml;sischen Krautjunkerkammer, die
Hochverratsprozesse in Deutschland; auch die englische Regierung erhielt einen
Hieb wegen des Terrorismus, womit sie gegen die irischen Sektionen eingeschritten
sei, und wegen der Untersuchungen, die sie durch ihre Gesandtschaften &uuml;ber
die Verzweigungen des Bundes hatte anstellen lassen. Hand in Hand mit der Hetzjagd
der Regierungen sei die L&uuml;genkraft der zivilisierten Welt gegangen, durch
apokryphe Geschichten der Internationalen, durch L&auml;rmtelegramme und dreiste
F&auml;lschung &ouml;ffentlicher Urkunden, so namentlich durch jenes Meisterst&uuml;ck
infernalischer Verleumdung, jene Depesche, die den gro&szlig;en Brand in Chicago
der Internationalen zugeschrieben und die Runde durch die ganze Welt gemacht habe.
Ein Wunder noch, da&szlig; ein Orkan, der damals Westindien verw&uuml;stete, nicht
ihrem d&auml;monischen Wirken zugeschrieben worden sei. Gegen&uuml;ber diesem
wilden und w&uuml;sten Treiben stellte der Generalrat die unaufh&ouml;rlichen
Fortschritte der Internationalen fest: ihr Eindringen in Holland, D&auml;nemark,
Portugal, Schottland, Irland, ihre Ausbreitung in den Vereinigten Staaten, Australien,
Neuseeland und Buenos Aires. Der Bericht wurde mit Beifall aufgenommen und auf
den Antrag eines belgischen Delegierten allen Opfern des proletarischen Emanzipationskampfes
die Bewunderung und Sympathie des Kongresses ausgesprochen.</P>
<P>Dann trat man in die Debatte &uuml;ber den Generalrat ein. Lafargue und Sorge
begr&uuml;ndeten seine Notwendigkeit durch die Bed&uuml;rfnisse des Klassenkampfes;
der t&auml;gliche Kampf der Arbeiterklasse gegen das Kapital lie&szlig;e sich
nicht ohne eine zentrale leitende Beh&ouml;rde f&uuml;hren; h&auml;tte man noch
keinen Generalrat, so m&uuml;&szlig;te man einen erfinden. Die Gegenseite hielt
namentlich Guillaume, der die Notwendigkeit eines Generalrats bestritt und ihn
h&ouml;chstens als Zentralagentur f&uuml;r Korrespondenz und Statistik zulassen,
aber aller autoritativen Macht entkleiden wollte. Die Internationale sei nicht
die Erfindung eines gescheiten Mannes mit einer unfehlbaren politischen und sozialen
Theorie, sondern sie sei nach Ansicht der Jurassier aus den &ouml;konomischen
Existenzbedingungen der Arbeiterklasse herausgewachsen, wodurch die Einheitlichkeit
ihrer Bestrebungen gen&uuml;gend verb&uuml;rgt sei.</P>
<P>Die Debatte wurde erst am f&uuml;nften Verhandlungstage beendet, und zwar in
einer geheimen Sitzung, wie &uuml;brigens auch die Mandatsdebatten hinter geschlossenen
T&uuml;ren gef&uuml;hrt worden waren. In einer langen Rede trat Marx daf&uuml;r
ein, die bisherigen Befugnisse des Generalrats nicht nur beizubehalten, sondern
noch zu verst&auml;rken; er m&uuml;sse das Recht erhalten, nicht nur einzelne
Sektionen, sondern auch ganze F&ouml;derationen unter bestimmten Kautelen bis
zum n&auml;chsten Kongre&szlig; zu suspendieren.</P>
<P><B><A name="S498">|498|</A></B> Er verf&uuml;ge weder &uuml;ber Polizei noch
&uuml;ber Soldaten, aber seine moralische Macht k&ouml;nne er sich nicht verk&uuml;mmern
lassen; lieber solle man ihn abschaffen, statt ihn zu einem Briefkasten herabzusetzen.
Der Kongre&szlig; beschlo&szlig;, wie Marx wollte, mit 36 gegen 6 Stimmen, bei
15 Stimmenthaltungen.</P>
<P>Nunmehr beantragte Engels, den Generalrat von London nach New York zu verlegen.
Er berief sich darauf, da&szlig; die Verlegung von London nach Br&uuml;ssel schon
mehrfach erwogen worden sei, allein Br&uuml;ssel habe stets abgelehnt. Die gegenw&auml;rtigen
Umst&auml;nde machten den Entschlu&szlig; aber ebenso unaufschiebbar, wie sie
die Ersetzung Londons durch New York notwendig machten. Mindestens f&uuml;r ein
Jahr m&uuml;sse man sich dazu entschlie&szlig;en. Der Antrag rief allgemeine,
&uuml;berwiegend doch peinliche &Uuml;berraschung hervor. Besonders lebhaft protestierten
die franz&ouml;sischen Delegierten; sie setzten soviel durch, da&szlig; getrennt
abgestimmt wurde, erst &uuml;ber die Verlegung &uuml;berhaupt, dann &uuml;ber
den Ort, wohin. Mit einer knappen Mehrheit, 26 gegen 23 Stimmen, bei 9 Stimmenthaltungen,
wurde die Verlegung beschlossen; f&uuml;r New York entschieden dann 30 Stimmen.
Darauf wurden zw&ouml;lf Mitglieder des neuen Generalrats gew&auml;hlt; sie erhielten
das Recht, sich durch sieben Mitglieder zu erg&auml;nzen.</P>
<P>Noch in derselben Sitzung wurde die Debatte &uuml;ber die politische Aktion
er&ouml;ffnet. Vaillant hatte eine Resolution im Sinne des Beschlusses eingebracht,
den die Londoner Konferenz &uuml;ber diese Frage gefa&szlig;t hatte; die Arbeiterklasse
m&uuml;sse sich als politische Partei konstituieren, die von allen b&uuml;rgerlichen
Parteien scharf abgegrenzt sei und ihnen feindlich gegen&uuml;berstehe. Vaillant
und mit ihm Longuet beriefen sich namentlich auf die Erfahrungen der Pariser Kommune,
die am Mangel eines politischen Programms untergegangen sei. Minder &uuml;berzeugend
wirkte die Ausf&uuml;hrung eines deutschen Delegierten, da&szlig; Schweitzer durch
die politische Enthaltung zum Spitzel geworden sei, derselbe Schweitzer, der drei
Jahre vorher auf dem Baseler Kongre&szlig; seines &raquo;Parlamentelns&laquo; wegen von den
deutschen Delegierten als Spitzel denunziert worden war. Guillaume seinerseits
berief sich auf die Erfahrungen in der Schweiz, wo die Arbeiter bei den Wahlen
mit Krethi und Plethi Wahlb&uuml;ndnisse geschlossen h&auml;tten, bald mit den
Radikalen, bald mit den Reaktion&auml;ren; von solchen Durchstechereien wollten
die Jurassier nichts wissen; sie seien auch Politiker, aber negative Politiker;
sie wollten die politische Macht nicht erobern, sondern zerst&ouml;ren.</P>
<P>Auch diese Verhandlung spann sich bis in den n&auml;chsten Tag fort, den sechsten
und letzten, der mit einer &Uuml;berraschung begann; Ranvier, Vaillant und andere
Blanquisten hatten den Kongre&szlig; verlassen, wegen der <A name="S499"></A><B>|499|</B>
Verlegung des Generalrats nach New York; in einem Flugblatt, das sie bald darauf
herausgaben, hei&szlig;t es: &raquo;Aufgefordert, ihre Pflicht zu tun, versagte die
Internationale. Sie entwischte der Revolution und entfloh &uuml;ber den Atlantischen
Ozean.&laquo; An Stelle Ranviers erhielt Sorge den Vorsitz. Dann wurde der Antrag Vaillants
mit 35 gegen 6 Stimmen, bei 8 Stimmenthaltungen, angenommen. Ein Teil der Delegierten
war bereits abgereist, doch hatten die meisten von ihnen die schriftliche Erkl&auml;rung
hinterlassen, da&szlig; sie f&uuml;r den Antrag seien.</P>
<P>Die letzten Stunden des letzten Tages wurden durch den Bericht der F&uuml;nferkommission
&uuml;ber Bakunin und die Allianz beansprucht. Sie erkl&auml;rte mit vier gegen
die eine Stimme des belgischen Mitglieds: erstens sei erwiesen, da&szlig; eine
geheime Allianz mit Statuten, die den &raquo;Statuten der Internationalen&laquo; schnurstracks
zuwiderliefen, existiert habe, doch sei nicht gen&uuml;gend genau festgestellt,
ob sie noch existiere. Zweitens, es sei durch einen Statutenentwurf und Briefe
Bakunins erwiesen, da&szlig; er versucht habe und da&szlig; es ihm vielleicht
sogar gelungen sei, eine geheime Gesellschaft innerhalb der Internationalen zu
gr&uuml;nden, mit Statuten, die von den &raquo;Statuten der Internationalen&laquo; in politischer
und sozialer Beziehung durchaus verschieden seien. Drittens habe sich Bakunin
betr&uuml;gerischer Man&ouml;ver bedient, um sich fremden Eigentums zu bem&auml;chtigen;
um sich seiner Verpflichtungen zu entledigen, h&auml;tten er oder seine Agenten
sich der Einsch&uuml;chterung bedient. Aus diesen Erw&auml;gungen beantragte die
Mehrheit der Kommission die Ausschlie&szlig;ung Bakunins, Guillaumes und mehrerer
ihrer Anh&auml;nger. Materielle Beweise legte Cuno als Berichterstatter der Kommission
nicht vor, sondern erkl&auml;rte nur, ihre Mehrheit sei zu einer moralischen Gewi&szlig;heit
gekommen, und bat um ein Vertrauensvotum des Kongresses.</P>
<P>Vom Vorsitzenden aufgefordert, sich zu verteidigen, erkl&auml;rte Guillaume,
der sich schon geweigert hatte, vor der Kommission zu erscheinen, er verzichte
auf jede Verteidigung, um sich nicht an einer Kom&ouml;die zu beteiligen. Dieser
Vorsto&szlig; richte sich nicht gegen einige Leute, sondern gegen die f&ouml;deralistischen
Bestrebungen. Ihre Vertreter, soweit sie noch auf dem Kongresse anwesend seien,
h&auml;tten sich darauf eingerichtet und bereits einen Solidarit&auml;tsvertrag
geschlossen. Diesen Vertrag verlas darauf ein holl&auml;ndischer Delegierter;
er war von vier spanischen, f&uuml;nf belgischen, zwei jurassischen und je einem
holl&auml;ndischen und amerikanischen Delegierten unterzeichnet. Um jede Spaltung
der Internationalen zu vermeiden, erkl&auml;rten sich die Unterzeichner bereit,
alle administrativen Beziehungen zum Generalrat aufrechtzuerhalten, aber dessen
Einmischung in die inneren Angelegenheiten der F&ouml;derationen abzuwehren, <A name="S500"></A><B>|500|</B>
solange es sich nicht um Verst&ouml;&szlig;e gegen &raquo;Die allgemeinen Statuten der
Internationalen&laquo; handle; inzwischen sollten alle F&ouml;derationen und Sektionen
aufgefordert werden, sich auf den n&auml;chsten Kongre&szlig; vorzubereiten, um
dem Grundsatze der freien Vereinigung (autonomie f&eacute;d&eacute;rative) zum
Siege zu verhelfen. Auf eine Verhandlung dar&uuml;ber lie&szlig; sich der Kongre&szlig;
nicht erst ein, sondern schlo&szlig; Bakunin mit 27 gegen 7 Stimmen (bei 8 Enthaltungen)
sowie Guillaume mit 25 gegen 9 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) aus. Die weiteren
Ausschlu&szlig;antr&auml;ge der Kommission wurden abgelehnt, doch wurde sie beauftragt,
die Schriftst&uuml;cke &uuml;ber die Allianz zu ver&ouml;ffentlichen,</P>
<P>Diese Schlu&szlig;szene des Haager Kongresses war seiner sicherlich nicht w&uuml;rdig.
Da&szlig; die Beschl&uuml;sse der Kommissionsmehrheit schon deshalb null und nichtig
waren, weil ein Spitzel daran mitgewirkt hatte, konnte man freilich noch nicht
wissen; auch w&auml;re es wenigstens menschlich erkl&auml;rlich gewesen, wenn
man Bakunin aus politischen Gr&uuml;nden ausgeschlossen h&auml;tte, auf die moralische
&Uuml;berzeugung hin, da&szlig; er ein unverbesserlicher St&ouml;renfried sei,
auch ohne ihm alle seine Schliche schwarz auf wei&szlig; beweisen zu k&ouml;nnen.
Aber da&szlig; Bakunin nun noch in Fragen des Mein und Dein um seinen ehrlichen
Namen gebracht werden sollte, war unentschuldbar, und leider trug Marx die Schuld
daran.</P>
<P>Er hatte sich jenen angeblichen Beschlu&szlig; eines angeblichen &raquo;revolution&auml;ren
Komitees&laquo; kommen lassen, durch den Lubawin bedroht worden war, falls er auf der
R&uuml;ckzahlung der 300 Rubel Vorschu&szlig; best&uuml;nde, die er f&uuml;r Bakunin
von einem russischen Verleger f&uuml;r die &Uuml;bersetzung des &raquo;Kapitals&laquo; vermittelt
hatte. Der w&ouml;rtliche Inhalt des Dokuments ist nicht bekannt geworden, aber
als Lubawin, nunmehr selbst ein erbitterter Gegner Bakunins, es an Marx &uuml;bersandte,
schrieb er zugleich: &raquo;Damals schien mir der Anteil Bakunins an diesem Briefe unleugbar,
aber heute, bei k&uuml;hler Betrachtung der ganzen Angelegenheit, sehe ich, da&szlig;
dieser Anteil keineswegs bewiesen ist, denn der Brief konnte von Netschajew ganz
ohne alles Zutun Bakunins geschickt worden sein.&laquo; So war es in der Tat gewesen,
aber allein auf diesen Brief hin, dessen kriminellen Charakter der Empf&auml;nger
selbst bezweifelte, ist Bakunin im Haag einer gemeinen Gaunerei beschuldigt worden.</P>
<P>Obgleich er den Vorschu&szlig; wiederholt anerkannt und ihn auf diese oder
jene Weise abzuarbeiten versprochen hat, so scheint er allerdings, in seinen ewigen
Geldn&ouml;ten, nicht dazu gekommen zu sein. Auf der andern Seite h&ouml;rt man
freilich in der tr&uuml;bseligen Aff&auml;re nichts von dem einzigen Leidtragenden,
n&auml;mlich dem Verleger selbst, der sich mit philosophischer Gelassenheit in
ein Schicksal gefunden zu haben scheint, an <A name="S501"></A><B>|501|</B> das
sein Beruf ja reichlich gew&ouml;hnt ist. Denn wie viele Schriftsteller, und darunter
die ber&uuml;hmtesten Namen, sind schon mal mit einem Vorschu&szlig; bei ihrem
Verleger h&auml;ngengeblieben! Das ist gewi&szlig; nicht lobenswert, aber deshalb
geh&ouml;rt der &Uuml;belt&auml;ter doch noch lange nicht an den Galgen.</P>
<H3 align="CENTER">9. Nachwehen<A name="Kap_9"></A></H3>
<P>Mit dem Haager Kongre&szlig; schlo&szlig; die Geschichte der Internationalen,
sosehr Marx und Engels sich anstrengten, ihren Faden weiterzuspinnen. Was irgend
m&ouml;glich war, haben sie getan, um dem neuen Generalrat in New York seine Aufgabe
zu erleichtern.</P>
<P>Aber diesem selbst gelang es nicht, feste Wurzeln im amerikanischen Boden zuschlagen.
Auch dort herrschte mannigfache Zwietracht zwischen den verschiedenen Sektionen,
und es fehlte gleicherma&szlig;en an Erfahrungen und Verbindungen, an geistigen
Kr&auml;ften und an materiellen Mitteln. Die belebende Seele des neuen Generalrats
war Sorge, der die amerikanischen Verh&auml;ltnisse kannte und gegen die Verlegung
des Generalrats gewesen war, aber nach anf&auml;nglicher Ablehnung doch die Wahl
zum Generalsekret&auml;r angenommen hatte; er dachte viel zu gewissenhaft und
treu, um zu versagen, wenn die Not an den Mann kam.</P>
<P>Es ist immer ein mi&szlig;liches Ding, in proletarischen Angelegenheiten zu
diplomatisieren. Marx und Engels hatten mit Recht bef&uuml;rchtet, da&szlig; ihr
Plan, den Generalrat nach New York zu verlegen, unter den deutschen, franz&ouml;sischen
und englischen Arbeitern einen heftigen Widerstand hervorrufen w&uuml;rde, und
sie hatten so lange als m&ouml;glich damit hintangehalten, um den ohnehin reichlich
vorhandenen Konfliktstoff nicht vorzeitig zu vermehren. Aber es hatte nicht minder
&uuml;ble Folgen, da&szlig; ihnen die &Uuml;berraschung auf dem Haager Kongre&szlig;
gelungen war. Der bef&uuml;rchtete Widerstand wurde dadurch nicht gemildert, sondern
eher noch verbittert und versch&auml;rft.</P>
<P>Verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig am mildesten &auml;u&szlig;erte er sich noch
bei den Deutschen. Liebknecht war ein Gegner der Verlegung und hat sie auch sp&auml;ter
stets f&uuml;r einen Fehler erkl&auml;rt, aber er sa&szlig; einstweilen mit Bebel
in Hubertusburg. War jedoch sein Interesse an der Internationalen einigerma&szlig;en
geschwunden, so noch viel mehr bei der Masse der Eisenacher Fraktion, gerade auch
durch die Eindr&uuml;cke, die ihre Vertreter im Haag gewonnen hatten. Engels schrieb
dar&uuml;ber am 8. Mai 1873 an Sorge: &raquo;Die Deutschen, obwohl sie ihren eigenen
Krakeel mit den Lassalleanern haben, sind <A name="S502"></A><B>|502|</B> durch
den Haager Kongre&szlig;, wo sie im Gegensatz zu ihrem eigenen Gez&auml;nk lauter
Br&uuml;derlichkeit und Harmonie erwarteten, sehr entt&auml;uscht und schlaff
geworden.&laquo; Aus diesem, an sich sehr unerfreulichen Grunde mochte es sich erkl&auml;ren,
da&szlig; die deutschen Mitglieder der Internationalen sich &uuml;ber die Verlegung
des Generalrats nicht allzusehr ereiferten.</P>
<P>Viel bedenklicher war der Abfall der Blanquisten, auf die sich Marx und Engels
n&auml;chst und neben den Deutschen in den eigentlich entscheidenden Fragen am
ehesten gest&uuml;tzt hatten, namentlich gegen&uuml;ber den Proudhonisten, der
anderen franz&ouml;sischen Fraktion, die ihrer ganzen Anschauung nach zu den Bakunisten
neigte, auch st&uuml;tzen konnten. Die Erbitterung der Blanquisten war um so gr&ouml;&szlig;er,
als sie ganz richtig empfanden, da&szlig; die Verlegung des Generalrats mit in
erster Reihe darauf abzielte, ihnen diesen Hebel ihrer Putschtaktik zu entwinden.
Freilich schnitten sie sich dabei ins eigene Fleisch. Da ihnen eine Agitation
in ihrem Heimatlande unm&ouml;glich war, so verfielen sie nach ihrer Losl&ouml;sung
von der Internationalen dem verh&auml;ngnisvollen Emigrantenlose. &raquo;Die franz&ouml;sische
Emigration&laquo;, schrieb Engels am 12. September 1874 an Sorge, &raquo;ist ganz auseinander,
haben sich alle unter sich und mit jedermann sonst noch, aus rein pers&ouml;nlichen
Gr&uuml;nden, Geldgeschichten meistens, &uuml;berworfen, und wir sind sie fast
ganz los ... Das Bummelleben w&auml;hrend des Krieges, der Kommune und des Exils
hat die Leute greulich demoralisiert, und einen verbummelten Franzosen wieder
rangieren, kann nur die Not.&laquo; Aber das war wieder ein sehr schlechter Trost.</P>
<P>Den empfindlichsten R&uuml;ckschlag &uuml;bte die Verlegung des Generalrats
auf die englische Bewegung aus. Schon am 18. September beantragte Hales im britischen
F&ouml;deralrat ein Tadelsvotum gegen Marx, wegen dessen &Auml;u&szlig;erung &uuml;ber
die Verk&auml;uflichkeit der englischen Arbeiterf&uuml;hrer; der Antrag wurde
angenommen und nur der Zusatz, Marx habe selbst an diese Beschuldigung nicht geglaubt,
sondern sie nur f&uuml;r seine pers&ouml;nlichen Zwecke vorgebracht, mit Stimmengleichheit
abgelehnt. Daf&uuml;r k&uuml;ndigte Hales einen Antrag an, Marx aus der Internationalen
auszuschlie&szlig;en, und ein anderes Mitglied, die Beschl&uuml;sse des Haager
Kongresses zu verwerfen. Hales setzte jetzt ganz offen die Beziehungen zu den
Jurassiern fort, die er schon heimlich im Haag angekn&uuml;pft hatte; so schrieb
er ihnen am 6. November im Namen des F&ouml;deralrats, nun sei die Heuchelei des
alten Generalrats entlarvt, der im Scho&szlig;e der alten Internationalen eine
geheime Gesellschaft zu organisieren gesucht habe, und zwar unter dem Vorwande,
eine andere geheime Gesellschaft zu vernichten, deren Existenz er f&uuml;r seine
Zwecke erfunden habe. Daneben betonte er allerdings, da&szlig; die Engl&auml;nder
in der Frage der politischen <A name="S503"></A><B>|503|</B> Aktion mit den Jurassiern
nicht &uuml;bereinstimmten; sie seien von der N&uuml;tzlichkeit dieser Aktion
&uuml;berzeugt, aber gest&auml;nden anderen F&ouml;derationen das Recht der vollkommensten
Autonomie zu, die die verschiedenen Verh&auml;ltnisse der verschiedenen L&auml;nder
notwendig machten.</P>
<P>Eifrige Bundesgenossen fand Hales an Eccarius und auch an Jung, der nach anf&auml;nglicher
Zur&uuml;ckhaltung nun fast am heftigsten gegen Marx und Engels loslegte. Beide
M&auml;nner haben sich damals schwer vers&uuml;ndigt, da sie sich durch pers&ouml;nliche
Beweggr&uuml;nde ihr sachliches Urteil v&ouml;llig tr&uuml;ben lie&szlig;en, anfangs
durch Eifers&uuml;chteleien und Empfindlichkeiten, weil Marx mehr auf Engels,
als auf sie h&ouml;rte oder zu h&ouml;ren schien, dann aber namentlich auch durch
die Preisgabe der angesehenen und einflu&szlig;reichen Stellung, die sie als alte
Mitglieder des Generalrats eingenommen hatten. Leider wurde der Schaden, den sie
stifteten, dadurch nur um so gr&ouml;&szlig;er. Auf einer Reihe von Kongressen
waren sie aller Welt als die eifrigsten und einsichtigsten Ausleger der Ansichten
bekannt geworden, die Marx vertrat; wenn sie nun f&uuml;r dieselben Ansichten
die Duldsamkeit der Jurassier anriefen gegen die Unduldsamkeit der Haager Beschl&uuml;sse,
so schienen damit die diktatorischen Gel&uuml;ste der Marx und Engels &uuml;ber
jeden Zweifel gestellt zu sein.</P>
<P>Auch hier war es ein schlechter Trost, da&szlig; sie sich dabei selbst am tiefsten
ins Fleisch schnitten. In den englischen und namentlich auch irischen Sektionen
stie&szlig;en sie auf einen kr&auml;ftigen Widerstand, und ebenso im F&ouml;deralrat
selbst. Sie machten nun eine Art Staatsstreich, indem sie einen Aufruf an alle
Sektionen und Mitglieder erlie&szlig;en, worin sie erkl&auml;rten, der britische
F&ouml;deralrat sei innerlich so gespalten, da&szlig; ein Zusammenarbeiten unm&ouml;glich
sei; sie forderten die Einberufung eines Kongresses, der &uuml;ber die G&uuml;ltigkeit
der Haager Beschl&uuml;sse entscheiden solle, die der Aufruf dahin auslegte, nicht
da&szlig; die politische Aktion obligatorisch gemacht werde - denn das sei auch
die Ansicht der Mehrheit -, sondern da&szlig; der Generalrat jeder F&ouml;deration
die in ihrem Lande zu befolgende Politik vorzuschreiben habe. Die Minderheit stellte
sofort in einem, wie es scheint, von Engels verfa&szlig;ten Gegenaufruf diese
Quertreiberei richtig und protestierte gegen den geplanten Kongre&szlig; als illegal,
doch fand er am 26. Januar 1873 statt. Die Mehrheit der Sektionen hatte f&uuml;r
ihn entschieden, wie sie denn auch allein auf ihm vertreten war.</P>
<P>Hales er&ouml;ffnete ihn mit schweren Anklagen gegen den fr&uuml;heren Generalrat
und den Haager Kongre&szlig;, wobei ihn Eccarius und Jung lebhaft unterst&uuml;tzten.
Der Kongre&szlig; erkl&auml;rte sich einstimmig gegen die Haager Beschl&uuml;sse
und weigerte sich, den Generalrat in New York anzuerkennen <A name="S504"></A><B>|504|*</B>,
dagegen f&uuml;r einen neuen internationalen Kongre&szlig;, wann immer die F&ouml;derationen
der Internationalen in ihrer Mehrheit ihn einberufen w&uuml;rden. Damit war die
Spaltung der britischen F&ouml;deration vollzogen, und beide Tr&uuml;mmer erwiesen
sich ohnm&auml;chtig, kr&auml;ftigen Anteil an den Wahlen von 1874 zu nehmen,
die das Ministerium Gladstone st&uuml;rzten, nicht zuletzt durch das Eingreifen
der Trade Unions, die eine Reihe von Kandidaturen aufgestellt hatten und zum ersten
Male zwei ihrer Mitglieder ins Parlament brachten.</P>
<P>Sozusagen den Totenschein der alten Internationalen stellte ihr sechster Kongre&szlig;
aus, der vom Generalrat zu New York f&uuml;r den 8. September nach Genf einberufen
worden war. W&auml;hrend der bakunistische Gegenkongre&szlig;, der bereits am
1. September ebenfalls in Genf zusammentrat, immerhin durch 2 englische (Hales
und Eccarius), je 5 belgische, franz&ouml;sische, spanische, 4 italienische, 1
holl&auml;ndischen und 6 Delegierte aus dem Jura beschickt wurde, bestand der
marxistische Kongre&szlig; in seiner gro&szlig;en Mehrheit aus Schweizern, die
sogar meist in Genf wohnten. Nicht einmal der Generalrat konnte einen Delegierten
schicken; ebensowenig erschienen Engl&auml;nder, Franzosen, Spanier, Belgier,
Italiener, nur je ein Deutscher und ein &Ouml;sterreicher. Von den noch nicht
drei&szlig;ig Delegierten r&uuml;hmte sich der alte Becker, dreizehn gleichsam
aus der Erde gestampft zu haben, um dem Kongre&szlig; durch Mitgliederzahl mehr
Ansehen zu geben und der richtigen Richtung die Mehrheit zu sichern. Auf solche
Selbstt&auml;uschungen lie&szlig; sich Marx nat&uuml;rlich nicht ein; er gestand
ehrlich das &raquo;Fiasko&laquo; des Kongresses ein und riet dem Generalrat, die formelle
Organisation der Internationalen einstweilen in den Hintergrund treten zu lassen,
aber, wenn m&ouml;glich, den Zentralpunkt in New York deswegen nicht aus den H&auml;nden
zu geben, damit keine Idioten und Abenteurer sich der Leitung bem&auml;chtigten
und die Sache kompromittierten. Die Ereignisse und die unvermeidliche Entwicklung
und Verwicklung der Dinge w&uuml;rden von selbst f&uuml;r Auferstehung der Internationalen
in verbesserter Form sorgen.</P>
<P>Es war der kl&uuml;gste und w&uuml;rdigste Entschlu&szlig;, der unter den obwaltenden
Umst&auml;nden gefa&szlig;t werden konnte, aber leider wurde seine Wirkung getr&uuml;bt
durch den letzten Schlag, den Marx und Engels gegen Bakunin f&uuml;hren zu sollen
glaubten. Der Haager Kongre&szlig; hatte die F&uuml;nferkommission, die den Ausschlu&szlig;
Bakunins beantragte, mit der Ver&ouml;ffentlichung ihrer Untersuchungen beauftragt,
doch kam die Kommission diesem Auftrage nicht nach, sei es nun wirklich, weil
die &raquo;Zerstreuung ihrer Mitglieder in verschiedenen L&auml;ndern&laquo; sie daran hinderte,
oder sei es, weil ihre Autorit&auml;t auf sehr schwachen F&uuml;&szlig;en stand,
da <A name="S505"></A><B>|505|</B> eines ihrer Mitglieder Bakunin f&uuml;r nichtschuldig
erkl&auml;rt hatte und ein anderes inzwischen gar als Polizeispitzel entlarvt
worden war. Statt ihrer &uuml;bernahm die Protokollkommission des Haager Kongresses
(Dupont, Engels, Franckel, Le Moussu, Marx, Serraillier) die Aufgabe und gab einige
Wochen vor dem Genfer Kongresse eine Denkschrift heraus unter dem Titel: &raquo;Die
Alliance der sozialistischen Demokratie und die Internationale Arbeiterassoziation&laquo;.
Verfa&szlig;t war sie von Engels und Lafargue; Marx war nur an der Redaktion einiger
Schlu&szlig;seiten beteiligt, doch ist er nat&uuml;rlich nicht weniger f&uuml;r
sie verantwortlich als die eigentlichen Verfasser.</P>
<P>Eine kritische Untersuchung der Allianzbrosch&uuml;re, wie sie der K&uuml;rze
wegen genannt zu werden pflegt, auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit ihrer Einzelheiten
hin, w&uuml;rde mindestens den gleichen Raum von zehn Druckbogen beanspruchen,
den sie selbst einnimmt. Es ist jedoch nicht eben viel verloren, wenn sie sich
dadurch von selbst verbietet. In solchen K&auml;mpfen wird immer hin&uuml;ber-
und her&uuml;bergeschossen, und die Bakunisten waren mit ihren Vorw&uuml;rfen
gegen die Marxisten wirklich auch nicht so bl&ouml;de, da&szlig; sie das Recht
zu wehm&uuml;tiger Klage gehabt h&auml;tten, wenn sie einmal etwas hart und selbst
unbillig angefa&szlig;t wurden,</P>
<P>Vielmehr ist es ein anderer Gesichtspunkt, der diese Schrift unter allem, was
Marx und Engels ver&ouml;ffentlicht haben, auf die unterste Stufe stellt. Was
ihren sonstigen polemischen Schriften den eigent&uuml;mlichen Reiz und den dauernden
Wert verleiht, die positive Seite der neuen Erkenntnis, die durch die negative
Kritik entbunden wird, das fehlt dieser Schrift vollst&auml;ndig. Sie geht mit
keiner Silbe auf die inneren Ursachen ein, die den Niedergang der Internationalen
verschuldet hatten; sie spinnt nur den Faden weiter, den die Konfidentielle Mitteilung
und das Rundschreiben &uuml;ber die angeblichen Spaltungen der Internationalen
bereits angekn&uuml;pft hatten: Bakunin und seine geheime Allianz haben durch
ihre Intrigen und Umtriebe die Internationale zerst&ouml;rt. Die Schrift ist keine
geschichtliche Urkunde, sondern eine einseitige Anklagerede, deren Tendenz auf
jeder Seite in die Augen springt, gleichwohl hat der deutsche &Uuml;bersetzer
noch ein &uuml;briges tun zu sollen geglaubt und ihren Titel in staatsanwaltlichem
Sinne versch&ouml;nert: &raquo;Ein Complot gegen die Internationale Arbeiterassoziation&laquo;.</P>
<P>Wenn der Niedergang der Internationalen ganz anderen Ursachen geschuldet war
als der Existenz der geheimen Allianz, so ist nicht einmal eine praktische Wirksamkeit
dieser Existenz in der Allianzbrosch&uuml;re nachgewiesen. Die Untersuchungskommission
des Haager Kongresses hatte sich in dieser Beziehung schon mit M&ouml;glichkeiten
und Wahrscheinlichkeiten <A name="S506"></A><B>|506|*</B> behelfen m&uuml;ssen.
So sehr man die Manier Bakunins verurteilen mag, namentlich f&uuml;r einen Mann
in seiner Stellung, sich in phantastischen Statutenentw&uuml;rfen und schrecklich
klingenden Kundgebungen zu berauschen, so mu&szlig; man doch bei dem Mangel greifbaren
Materials annehmen, da&szlig; seine immer rege Phantasie daran den gr&ouml;&szlig;ten
Anteil gehabt hat. Hier half nun die Allianzbrosch&uuml;re nach, indem sie ihre
zweite H&auml;lfte mit den Enth&uuml;llungen des edlen Utin &uuml;ber den Proze&szlig;
Netschajew und &uuml;ber das sibirische Exil Bakunins f&uuml;llte, worin dieser
sich schon als gemeiner Erpresser und Strauchdieb erprobt haben sollte. Daf&uuml;r
wurde &uuml;berhaupt kein Beweis erbracht, w&auml;hrend sich sonst der Beweis
darauf beschr&auml;nkte, alles was Netschajew gesagt und getan hatte, unbesehen
auf die Rechnung Bakunins zu setzen.</P>
<P>Besonders das sibirische Kapitel ist der reine Kolportageroman. Der Gouverneur
von Sibirien war irgendein Verwandter Bakunins, zur Zeit, wo Bakunin dorthin verbannt
war; dank dieser Verwandtschaft und seiner sonstigen, der zaristischen Regierung
erwiesenen Dienste war der verbannte Bakunin der geheime Regent des Landes, der
seine Macht mi&szlig;brauchte, um gegen &raquo;geringe Trinkgelder&laquo; kapitalistische
Unternehmer zu beg&uuml;nstigen. Diese Gewinnsucht wurde freilich gelegentlich
durch Bakunins &raquo;Ha&szlig; gegen die Wissenschaft&laquo; &uuml;berwunden. Deshalb vereitelte
er den Plan sibirischer Kaufleute, eine Universit&auml;t in ihrem Lande zu gr&uuml;nden,
wozu die Genehmigung des Zaren notwendig war.</P>
<P>Besonders stilvoll versch&ouml;nerte Utin das Hist&ouml;rchen von Bakunins
bei Katkow versuchtem Pumpe, das Borkheim schon ein paar Jahre fr&uuml;her bei
Marx und Engels anzubringen versucht hatte, ohne damals jedoch bei diesen Gegenliebe
zu finden. Nach Borkheim hatte Bakunin aus Sibirien an Katkow geschrieben, um
ein paar tausend Rubel f&uuml;r seine Flucht zu erhalten. Nach Utin jedoch hatte
Bakunin erst nach seiner gelungenen Flucht von London aus das Geld von Katkow
erbeten, von Gewissensqualen zermartert, um einem Branntwein-Generalp&auml;chter
die Schmiergelder zur&uuml;ckzuzahlen, die er von diesem w&auml;hrend seiner sibirischen
Verbannung bezogen hatte. Das war am Ende noch eine Regung der Reue, aber selbst
diese sozusagen menschliche Empfindung konnte Bakunin zu Utins Entsetzen nur dadurch
bekunden, da&szlig; er einen Menschen anschnorrte, von dem er wu&szlig;te, da&szlig;
er &raquo;Denunziant und literarischer Buschklepper im Solde der russischen Regierung&laquo;
war. In so schwindelnde H&ouml;hen verstieg sich Utins Phantasie, aber ermattet
war sie deshalb noch lange nicht.</P>
<P>Utin war Ende Oktober 1873 nach London gekommen, um noch &raquo;ganz andere Wunderdinge&laquo;
&uuml;ber Bakunin zu berichten. &raquo;Der Kerl [Mehring <A name="S507"></A><B>|507|</B>
f&uuml;gt ein: n&auml;mlich Bakunin]&laquo;, schrieb Engels am 25. November an Sorge,
&raquo;hat seinen Katechismus redlich praktisch angewandt; seit Jahren lebt er und seine
Allianz nur von der Erpressung, sich darauf verlassend, da&szlig; dar&uuml;ber
nichts ver&ouml;ffentlicht werden kann, ohne andere Leute, auf die man R&uuml;cksicht
zu nehmen hat, zu kompromittieren. Du hast gar keine Vorstellung davon, was das
f&uuml;r eine Lumpenbande ist.&laquo; Ein Gl&uuml;ck, da&szlig;, als Utin nach London
kam, die Allianzbrosch&uuml;re schon seit einigen Wochen das Licht der Welt erblickt
hatte; so sind wenigstens die &raquo;noch ganz anderen Wunderdinge&laquo; in dem wahrheitsliebenden
Busen Utins verborgen geblieben, der sich nunmehr reum&uuml;tig in die Arme V&auml;terchens
warf, um seine Schnapsrenten durch Kriegsgewinne zu erh&ouml;hen.</P>
<P>Gerade diese russische H&auml;lfte, worin sich die Allianzbrosch&uuml;re &uuml;bergipfelte,
vernichtete am st&auml;rksten ihre politische Wirkung. Selbst solche Kreise der
russischen Revolution&auml;re, die mit Bakunin auf gespanntem Fu&szlig;e lebten,
f&uuml;hlten sich davon abgesto&szlig;en. W&auml;hrend Bakunins Einflu&szlig;
auf die russische Bewegung w&auml;hrend der siebziger Jahre ungeschm&auml;lert
blieb, verlor Marx viel von den Sympathien, die er sich in Ru&szlig;land erworben
hatte. Aber auch sonst erwies sich die Allianzbrosch&uuml;re als ein Schlag ins
Wasser, gerade durch den einen Erfolg, den sie hatte. Sie veranla&szlig;te Bakunin,
sich aus dem Kampfe zur&uuml;ckzuziehen, aber der Bewegung, die sich nach Bakunin
nannte, kr&uuml;mmte sie kein Haar.</P>
<P>Bakunin antwortete zun&auml;chst in einer Erkl&auml;rung, die er an das Genfer
Journal sandte. Sie zeugte von der tiefen Erbitterung, mit der ihn die Angriffe
der Allianzbrosch&uuml;re erf&uuml;llt hatten, deren Hinf&auml;lligkeit er damit
begr&uuml;ndete, da&szlig; in der Haager Untersuchungskommission zwei Lockspitzel
- tats&auml;chlich war es nur einer - gesessen h&auml;tten. Dann verwies er auf
sein Alter von sechzig Jahren und eine mit dem Alter sich verschlimmernde Herzkrankheit,
die ihm das Leben mehr und mehr erschwere. &raquo;M&ouml;gen sich J&uuml;ngere ans Werk
machen! Was mich anbetrifft, so habe ich nicht mehr die n&ouml;tige Kraft und
vielleicht nicht mehr das n&ouml;tige Vertrauen, um noch l&auml;nger den Sisyphusstein
gegen die &uuml;berall triumphierende Reaktion zu rollen. Ich ziehe mich also
vom Kampfplatz zur&uuml;ck und verlange von meinen lieben Zeitgenossen nur eins:
Vergessenheit. Hinfort werde ich niemand die Ruhe st&ouml;ren, lasse man auch
mich in Ruhe!&laquo; Indem er Marx beschuldigte, die Internationale zum Werkzeug seiner
pers&ouml;nlichen Rache gemacht zu haben, erkannte er ihn gleichwohl noch als
Mitgr&uuml;nder dieser &raquo;gro&szlig;en und sch&ouml;nen Assoziation&laquo; an.</P>
<P>H&auml;rter gegen Marx, aber in der Sache gefa&szlig;ter sprach Bakunin in
dem Abschiedsbriefe, den er an die Jurassier richtete. Als das Zentrum <A name="S508"></A><B>|508|</B>
der Reaktion, mit der die Arbeiter einen schrecklichen Kampf zu f&uuml;hren h&auml;tten,
erkl&auml;rte er nicht minder den Sozialismus von Marx wie die Diplomatie Bismarcks.
Seinen R&uuml;cktritt von der Agitation begr&uuml;ndete er auch hier durch sein
Alter und seine Krankheit, die seine Teilnahme am Kampfe mehr zu einem Hindernis
wie zu einer Hilfe machen w&uuml;rden, doch entnahm er die Berechtigung dazu erst
aus der Tatsache, da&szlig; die beiden Kongresse in Genf den Sieg seiner und die
Niederlage der gegnerischen Sache bekundet h&auml;tten.</P>
<P>Nat&uuml;rlich wurden die &raquo;Gesundheitsr&uuml;cksichten&laquo; Bakunins als Ausfl&uuml;chte
verspottet, doch bewiesen die wenigen Jahre, die er noch in bitterer Armut und
unter schmerzhaften Leibesgebrechen zu leben hatte, da&szlig; seine Kraft gebrochen
war. Auch da&szlig; er &raquo;vielleicht&laquo; das Vertrauen auf einen baldigen Sieg der
Revolution verloren hatte, geht aus den vertraulichen Briefen hervor, die er an
seine n&auml;chsten Freunde richtete. Er starb am 1. Juli 1876 in Bern. Er h&auml;tte
einen gl&uuml;cklicheren Tod und einen besseren Nachruhm verdient, als ihm nicht
in allen, aber in zahlreichen Kreisen der Arbeiterklasse geworden ist, f&uuml;r
die er so tapfer gek&auml;mpft und so schwer gelitten hat.</P>
<P>Bei all seinen Fehlern und Schw&auml;chen wird ihm die Geschichte einen Ehrenplatz
unter den Vork&auml;mpfern des internationalen Proletariats sichern, mag dieser
Platz auch immer bestritten werden, solange es Philister auf diesem Erdenball
gibt, gleichviel, ob sie die polizeiliche Nachtm&uuml;tze &uuml;ber die langen
Ohren ziehen oder ihr schlotterndes Gebein unter dem L&ouml;wenfell eines Marx
zu bergen suchen.</P>
<HR size="1">
<P><A name="Z1"></A><SPAN class="top">[1]</SPAN> Karl Marx: Erste Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_003.htm#S6">Bd. 17, S. 6.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT1">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z2"></A><SPAN class="top">[2]</SPAN> Karl Marx: [Brief an den Ausschu&szlig; der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei], in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_268.htm">Bd. 17, S. 268-270.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT2">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z3"></A><SPAN class="top">[3]</SPAN> Karl Marx: Zweite Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_271.htm#S272">Bd. 17, S. 272.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT3">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z4"></A><SPAN class="top">[4]</SPAN> Karl Marx: Zweite Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_271.htm#S272">Bd. 17, S. 272/273.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT4">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z5"></A><SPAN class="top">[5]</SPAN> Karl Marx: Zweite Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_271.htm#S273">Bd. 17, S. 273.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT5">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z6"></A><SPAN class="top">[6]</SPAN> Karl Marx: Zweite Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_271.htm#S274">Bd. 17, S. 274.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT6">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z7"></A><SPAN class="top">[7]</SPAN> Karl Marx: Zweite Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_271.htm#S274">Bd. 17, S. 274.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT7">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z8"></A><SPAN class="top">[8]</SPAN> Karl Marx: Zweite Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_271.htm#S274">Bd. 17, S. 274/275.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT8">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z9"></A><SPAN class="top">[9]</SPAN> Karl Marx: Zweite Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_271.htm#S275">Bd. 17, S. 275/276.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT9">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z10"></A><SPAN class="top">[10]</SPAN> Karl Marx: Zweite Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_271.htm#S276">Bd. 17, S. 276.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT10">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z11"></A><SPAN class="top">[11]</SPAN> Karl Marx: Zweite Adresse des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_271.htm#S272">Bd. 17, S. 277/278.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT11">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z12"></A><SPAN class="top">[12]</SPAN> Karl Marx: Die Pre&szlig; und Redefreiheit in Deutschland, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_283.htm#S285">Bd. 17, S. 285.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT12">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z13"></A><SPAN class="top">[13]</SPAN> Karl Marx: Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_319.htm#S348">Bd. 17, S. 348.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT13">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z14"></A><SPAN class="top">[14]</SPAN> Karl Marx: Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_319.htm#S341">Bd. 17, S. 341.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT14">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z15"></A><SPAN class="top">[15]</SPAN> Karl Marx: Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_319.htm#S342">Bd. 17, S. 342.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT15">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z16"></A><SPAN class="top">[16]</SPAN> Karl Marx: Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me17/me17_319.htm#S362">Bd. 17, S. 362.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT16">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z17"></A><SPAN class="top">[17]</SPAN> Karl Marx/Friedrich Engels: Die angeblichen Spaltungen in der Internationale, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me18/me18_007.htm#S50">Bd. 18, S. 50.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT17">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z18"></A><SPAN class="top">[18]</SPAN> Karl Marx/Friedrich Engels: Die angeblichen Spaltungen in der Internationale, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me18/me18_007.htm">Bd. 18, S. 32/34.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT18">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z19"></A><SPAN class="top">[19]</SPAN> Karl Marx: Herrn George Howells Geschichte der Internationalen Arbeiterassoziation, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me19/me19_142.htm#S147">Bd. 19, S. 147.</A> <A href="fm03_443.htm#ZT19">&lt;=</A></P>
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<P><SMALL>Pfad: &raquo;../fm/fm03&laquo;<BR>Verkn&uuml;pfte Dateien: &raquo;<A href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">../../css/format.css</A>&laquo;
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Kapitel</SMALL></A><!-- #EndEditable -->
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Kapitel</SMALL></A><!-- #EndEditable -->
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Mehring</SMALL></A>
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