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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Friedrich Engels - Lage der arbeitenden Klasse in England - Die Konkurrenz</TITLE>
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<H2 ALIGN="CENTER">Die Konkurrenz</H2>
<STRONG><P>&lt;306&gt;</STRONG> Wir haben in der Einleitung gesehen, wie die Konkurrenz gleich im Anfange der industriellen Bewegung das Proletariat schuf, indem sie bei vermehrter Nachfrage nach gewebten Stoffen den Weblohn steigerte und dadurch die webenden Bauern veranla&szlig;te, ihre Ackerwirtschaft dranzugeben, um am Webstuhl desto mehr verdienen zu k&ouml;nnen; wir haben gesehen, wie sie die kleinen Bauern durch das System der Bewirtschaftung im gro&szlig;en verdr&auml;ngte, sie zu Proletariern herabsetzte und dann teilweise in die St&auml;dte zog; wie sie ferner die kleine Bourgeoisie zum gr&ouml;&szlig;ten Teil ruinierte und ebenfalls zu Proletariern herabdr&uuml;ckte, wie sie das Kapital in den H&auml;nden weniger und&#9;die Bev&ouml;lkerung in den gro&szlig;en St&auml;dten zentralisierte. Das sind die verschiedenen Wege und Mittel, durch welche die Konkurrenz, wie sie in der modernen Industrie zur vollen Erscheinung und zur freien Entwicklung ihrer Konsequenzen kam, das Proletariat schuf und ausdehnte. Wir werden jetzt ihren Einflu&szlig; auf das schon bestehende Proletariat zu betrachten haben. Und hier haben wir zuerst die Konkurrenz der einzelnen Arbeiter unter sich in&#9;ihren Folgen zu entwickeln.</P>
<P>Die Konkurrenz ist der vollkommenste Ausdruck des in der modernen b&uuml;rgerlichen Gesellschaft herrschenden Kriegs Aller gegen Alle. Dieser Krieg, ein Krieg um das Leben, um die Existenz, um alles, also auch im Notfalle ein Krieg auf Leben und Tod, besteht nicht nur zwischen den verschiedenen Klassen der Gesellschaft, sondern auch zwischen den einzelnen Mitgliedern dieser Klassen; jeder ist dem andern im Wege, und jeder sucht daher auch alle, die ihm im Wege sind, zu verdr&auml;ngen und sich an ihre Stelle zu setzen. Die Arbeiter konkurrieren unter sich, wie die Bourgeois unter sich konkurrieren. Der mechanische Weber konkurriert gegen den Handweber, der unbesch&auml;ftigte oder schlecht bezahlte Handweber gegen den besch&auml;ftigten oder besser bezahlten und sucht ihn zu verdr&auml;ngen. Diese Konkurrenz der Arbeiter gegeneinander ist aber die schlimmste Seite der jetzigen Verh&auml;ltnisse f&uuml;r den <STRONG>&lt;307&gt;</STRONG> Arbeiter, die sch&auml;rfste Waffe gegen das Proletariat in den H&auml;nden der Bourgeoisie. Daher das Streben der Arbeiter, diese Konkurrenz durch Assoziationen aufzuheben, daher die Wut der Bourgeoisie gegen diese Assoziationen und ihr Triumph &uuml;ber jede diesen beigebrachte Schlappe.</P>
<P>Der Proletarier ist h&uuml;lflos; er kann f&uuml;r sich selbst nicht einen einzigen Tag leben. Die Bourgeoisie hat sich das Monopol aller Lebensmittel im weitesten Sinne des Worts angema&szlig;t. Was der Proletarier braucht, kann er nur von dieser Bourgeoisie, die durch die Staatsgewalt in ihrem Monopol gesch&uuml;tzt wird, erhalten. Der Proletarier ist also rechtlich und tats&auml;chlich der Sklave der Bourgeoisie; sie kann &uuml;ber sein Leben und seinen Tod verf&uuml;gen. Sie bietet ihm ihre Lebensmittel an, aber f&uuml;r ein "&Auml;quivalent", f&uuml;r seine Arbeit; sie l&auml;&szlig;t ihm sogar noch den Schein, als ob er aus freiem Willen handelte, mit freier, zwangloser Einwilligung, als m&uuml;ndiger Mensch einen Vertrag mit ihr abschl&ouml;sse. Sch&ouml;ne Freiheit, wo dem Proletarier keine andere Wahl bleibt, als die Bedingungen, die ihm die Bourgeoisie stellt, zu unterschreiben oder - zu verhungern, zu erfrieren, sich nackt bei den Tieren des Waldes zu betten! Sch&ouml;nes "&Auml;quivalent", dessen Betrag ganz im Belieben der Bourgeoisie steht! Und ist der Proletarier ein solcher Narr, lieber verhungern zu wollen, als sich in die "billigen" Vorschl&auml;ge der Bourgeois, seiner <EM>"nat&uuml;rlichen Vorgesetzten"</EM> <A HREF="me02_306.htm#O1"><A NAME="Z1">(1)</A></A> zu f&uuml;gen - je nun, es findet sich leicht ein anderer, es gibt Proletarier genug in der Welt, und nicht alle sind so verr&uuml;ckt, nicht alle ziehen den Tod dem Leben vor.</P>
<P>Da haben wir die Konkurrenz der Proletarier untereinander. Wenn <EM>alle </EM>Proletarier nur den Willen ausspr&auml;chen, lieber verhungern als f&uuml;r die Bourgeoisie arbeiten zu wollen, so w&uuml;rde diese schon von ihrem Monopol abstehen m&uuml;ssen; aber das ist nicht der Fall, das ist sogar ein ziemlich unm&ouml;glicher Fall, und daher ist die Bourgeoisie noch immer guter Dinge. Nur <EM>eine </EM>Schranke hat diese Konkurrenz der Arbeiter - kein Arbeiter wird f&uuml;r weniger arbeiten wollen, als er zu seiner Existenz n&ouml;tig hat; wenn er einmal verhungern soll, wird er lieber faul als arbeitend verhungern wollen. Freilich ist diese Schranke relativ; der eine braucht mehr als der andere, der eine ist an mehr Bequemlichkeit gew&ouml;hnt als der andere - der Engl&auml;nder, der noch etwas zivilisiert ist, braucht mehr als der Irl&auml;nder, der in Lumpen geht, Kartoffeln i&szlig;t und in einem Schweinestall schl&auml;ft. Aber das hindert den Irl&auml;nder nicht, gegen den Engl&auml;nder zu konkurrieren und allm&auml;hlich den Lohn und mit ihm den Zivilisationsgrad des englischen Arbeiters auf das Niveau des irischen herabzudr&uuml;cken. Gewisse Arbeiten erfordern einen bestimmten Zivilisationsgrad, und dahin geh&ouml;ren fast alle industriellen; daher mu&szlig; der Lohn hier schon im Interesse <STRONG>&lt;308&gt;</STRONG> der Bourgeoisie selbst so hoch sein, da&szlig; er dem Arbeiter m&ouml;glich macht, sich in dieser Sph&auml;re zu erhalten. Der frischeingewanderte, im ersten besten Stalle kampierende Irl&auml;nder, der selbst in einer ertr&auml;glichen Wohnung jede Woche auf die Stra&szlig;e gesetzt wird, weil er alles vers&auml;uft und die Miete nicht bezahlen kann, der w&uuml;rde ein schlechter Fabrikarbeiter sein; daher mu&szlig; den Fabrikarbeitern so viel gegeben werden, da&szlig; sie ihre Kinder zu regelm&auml;&szlig;iger&#9;Arbeit erziehen k&ouml;nnen - aber auch nicht mehr, damit sie nicht den Lohn ihrer Kinder entbehren k&ouml;nnen und sie etwas anderes werden lassen als blo&szlig;e Arbeiter. Auch hier ist die Schranke, das Minimum des Lohns, relativ; wo jeder in der Familie arbeitet, braucht der einzelne um soviel weniger zu erhalten, und die Bourgeoisie hat die Gelegenheit zur Besch&auml;ftigung und Rentbarmachung der Weiber und Kinder, die ihr in der Maschinenarbeit gegeben wurde, zur Herabdr&uuml;ckung des Lohns weidlich benutzt. Nat&uuml;rlich ist nicht in jeder Familie jeder arbeitsf&auml;hig, und eine solche Familie w&uuml;rde sich schlecht stehen, wenn sie zu dem auf eine ganz arbeitsf&auml;hige Familie berechneten Minimum des Lohns arbeiten wollte; daher stellt sich der Lohn hier auf einen Durchschnitt, bei dem es der ganz arbeitsf&auml;higen Familie ziemlich gut, der weniger arbeitsf&auml;hige Mitglieder z&auml;hlenden ziemlich schlecht geht. Aber im schlimmsten Falle wird jeder Arbeiter lieber das bi&szlig;chen Luxus oder Zivilisation aufgeben, an das er gew&ouml;hnt war, um nur die nackte Existenz zu fristen; er wird lieber einen Schweinestall als gar kein Obdach, lieber Lumpen als gar keine Kleider, lieber nur Kartoffeln haben wollen als verhungern. Er wird lieber, in Aussicht auf bessere Zeiten, mit halbem Lohn zufrieden sein, als sich still auf die Stra&szlig;e setzen und vor den Augen der Welt sterben, wie so mancher Brotlose es getan hat. Dies bi&szlig;chen also, dies etwas mehr als nichts, ist das Minimum des Lohns. Und wenn mehr Arbeiter da&#9;sind, als die Bourgeoisie zu besch&auml;ftigen f&uuml;r gut h&auml;lt, wenn also am Ende des Konkurrenzkampfs doch noch eine Zahl &uuml;brigbleibt, die keine Arbeit findet, so mu&szlig; diese Zahl eben verhungern; denn der Bourgeois wird ihnen doch wahrscheinlich keine Arbeit geben, wenn er die Produkte ihrer Arbeit nicht mit Nutzen verkaufen kann.</P>
<P>Wir sehen hieraus, was das Minimum des Lohns ist. Das Maximum wird durch die Konkurrenz der Bourgeois gegeneinander festgestellt, denn wir sahen, wie auch diese konkurrieren. Der Bourgeois kann sein Kapital nur durch Handel oder Industrie vergr&ouml;&szlig;ern, und zu beiden Zwecken braucht er Arbeiter. Selbst wenn er sein Kapital auf Zinsen legt, braucht er sie indirekt, denn ohne Handel und Industrie w&uuml;rde ihm niemand Zinsen daf&uuml;r geben, w&uuml;rde niemand es benutzen k&ouml;nnen. So braucht allerdings der Bourgeois den Proletarier, aber nicht zum unmittelbaren Leben - er k&ouml;nnte ja von seinem <STRONG>&lt;309&gt;</STRONG> Kapitale zehren -, sondern wie man einen Handelsartikel oder ein Lasttier braucht, zur Bereicherung. Der Proletarier verarbeitet dem Bourgeois die Waren, die dieser mit Nutzen verkauft. Wenn also die Nachfrage nach diesen Waren w&auml;chst, so da&szlig; die gegeneinander konkurrierenden Arbeiter alle besch&auml;ftigt werden, vielleicht einige zu wenig da sind, so f&auml;llt die Konkurrenz der Arbeiter weg, und die Bourgeois fangen an, gegeneinander zu konkurrieren. Der Arbeiter suchende Kapitalist wei&szlig; sehr wohl, da&szlig; er bei den infolge der vermehrten Nachfrage steigenden Preisen gr&ouml;&szlig;eren Gewinn macht, also auch lieber etwas mehr Lohn bezahlt, als sich den ganzen Gewinn entgehen l&auml;&szlig;t; er wirft mit der Wurst nach dem Schinken, und wenn er nur diesen bekommt, g&ouml;nnt er dem Proletarier gern die Wurst. So jagt ein Kapitalist dem andern die Arbeiter ab, und der Lohn steigt. Aber nur so hoch, wie die steigende Nachfrage erlaubt. Wenn der Kapitalist, der wohl von seinem au&szlig;erordentlichen Gewinn etwas aufopferte, auch von seinem ordentlichen, d.h. Durchschnittsgewinn etwas opfern sollte, so h&uuml;tet er sich wohl, h&ouml;heren als Durchschnittslohn zu zahlen. </P>
<P>Hieraus k&ouml;nnen wir den Durchschnittslohn bestimmen. Unter Durchschnittsverh&auml;ltnissen, d. h. wenn weder Arbeiter noch Kapitalisten Grund haben, besonders gegeneinander zu konkurrieren, wenn<EM> gerade so viel </EM>Arbeiter da sind, als besch&auml;ftigt werden k&ouml;nnen, um die gerade verlangten Waren zu verfertigen, wird der Lohn etwas mehr als das Minimum betragen. Wie sehr er das Minimum &uuml;bersteigen wird, wird von den Durchschnittsbed&uuml;rfnissen und dem Zivilisationsgrad der Arbeiter abh&auml;ngen. Wenn die Arbeiter gewohnt sind, w&ouml;chentlich mehrere Male Fleisch zu essen, so werden sich die Kapitalisten bequemen m&uuml;ssen, den Arbeitern so viel Lohn zu bezahlen, da&szlig; diesen eine solche Nahrung erschwinglich wird. Nicht weniger, weil die Arbeiter nicht unter sich konkurrieren, also auch keine Ursache haben, mit weniger vorliebzunehmen; nicht mehr, weil der Mangel der Konkurrenz unter den Kapitalisten diesen keine Veranlassung gibt, die Arbeiter durch au&szlig;erordentliche Beg&uuml;nstigungen an sich zu ziehen.</P>
<P>Dies Ma&szlig; der durchschnittlichen Bed&uuml;rfnisse und der durchschnittlichen Zivilisation der Arbeiter ist durch die komplizierten Verh&auml;ltnisse der heutigen englischen Industrie ein sehr verwickeltes und f&uuml;r verschiedene Arbeiterklassen verschiedenes geworden, wie schon oben angedeutet wurde. Die meisten industriellen Arbeiten erfordern indes eine gewisse Geschicklichkeit und Regelm&auml;&szlig;igkeit, und f&uuml;r diese, die dann auch einen gewissen Zivilisationsgrad erfordern, mu&szlig; dann auch der Durchschnittslohn so sein, da&szlig; er den Arbeiter veranla&szlig;t, sich diese Geschicklichkeit anzueignen und dieser Regelm&auml;&szlig;igkeit der Arbeit sich zu unterwerfen. Daher kommt es, da&szlig; der <STRONG>&lt;310&gt;</STRONG> Lohn der Industriearbeiter durchschnittlich h&ouml;her ist als der der blo&szlig;en Lasttr&auml;ger, Tagel&ouml;hner usw., namentlich h&ouml;her als der der Arbeiter auf dem Lande, wozu freilich noch die Verteurung der Lebensmittel in den St&auml;dten ihr Teil beitr&auml;gt.</P>
<P>Oder deutsch gesprochen: Der Arbeiter ist rechtlich und faktisch Sklave der besitzenden Klasse, der Bourgeoisie, so sehr ihr Sklave, da&szlig; er wie eine Ware verkauft wird, wie eine Ware im Preise steigt und f&auml;llt. Steigt die Nachfrage nach Arbeitern, so steigen die Arbeiter im Preise; f&auml;llt sie, so fallen sie im Preise; f&auml;llt sie so sehr, da&szlig; eine Anzahl Arbeiter nicht verk&auml;uflich sind, "auf Lager bleiben", so bleiben sie eben liegen, und da sie vom blo&szlig;en Liegen nicht leben k&ouml;nnen, so sterben sie Hungers. Denn, um in der Sprache der National&ouml;konomen zu sprechen, die auf ihren Unterhalt verwendeten Kosten w&uuml;rden sich nicht "reproduzieren", w&uuml;rden weggeworfnes Geld sein, und dazu gibt kein Mensch sein Kapital her. Und soweit hat Herr Malthus mit seiner Populationstheorie vollkommen recht. Der ganze Unterschied gegen die alte, offenherzige Sklaverei ist nur der, da&szlig; der heutige Arbeiter frei zu sein scheint, weil er nicht auf einmal verkauft wird, sondern st&uuml;ckweise, pro&#9;Tag, pro Woche, pro Jahr, und weil nicht ein Eigent&uuml;mer ihn dem andern verkauft, sondern er sich selbst auf diese Weise verkaufen mu&szlig;, da er ja nicht der Sklave eines einzelnen, sondern der ganzen besitzenden Klasse ist. F&uuml;r ihn bleibt die Sache im Grunde dieselbe, und wenn dieser Schein der Freiheit ihm auch einerseits einige wirkliche Freiheit geben mu&szlig;, so hat er auf der andern Seite auch den Nachteil, da&szlig; ihm kein Mensch seinen Unterhalt garantiert, da&szlig; er von seinem Herrn, der Bourgeoisie, jeden Augenblick zur&uuml;ckgesto&szlig;en und dem Hungertode &uuml;berlassen werden kann, wenn die Bourgeoisie kein Interesse mehr an seiner Besch&auml;ftigung, an seiner Existenz hat. Die Bourgeoisie dagegen steht sich bei dieser Einrichtung viel besser als bei der alten Sklaverei - sie kann ihre Leute abdanken, wenn sie Lust hat, ohne da&szlig; sie dadurch ein angelegtes Kapital verl&ouml;re, und bekommt &uuml;berhaupt die Arbeit viel wohlfeiler getan, als es sich durch Sklaven tun l&auml;&szlig;t, wie dies Adam Smith <A HREF="me02_306.htm#O2"><A NAME="Z2">(2)</A></A> ihr zu Troste vorrechnet.</P>
<P>Hieraus folgt denn auch, da&szlig; Adam Smith ganz recht hat, wenn er (a. a. 0. [p. 133]) den Satz aufstellt:&#9;</P>
<P><SMALL></P>
<STRONG><P>&lt;311&gt;</STRONG> da&szlig; die Nachfrage nach Arbeitern, gerade wie die Nachfrage nach <EM>irgendeinem andern Artikel</EM>, die Produktion von Arbeitern, die Quantit&auml;t der erzeugten Menschen reguliert, diese Produktion beschleunigt, wenn sie zu langsam geht, sie aufh&auml;lt, wenn sie zu rasch fortschreitet".</P>
<P></SMALL></P>
<EM><P>Ganz wie mit jedem andern Handelsartikel - </EM>ist zuwenig da, so steigen die Preise, d.h. der Lohn, es geht den Arbeitern besser, die Heiraten vermehren sich, es werden mehr Menschen erzeugt, es wachsen mehr Kinder heran, bis genug Arbeiter produziert sind; ist zuviel da, so fallen die Preise, es tritt Brotlosigkeit, Elend, Hungersnot und infolge davon Seuchen ein, und raffen die "&uuml;berfl&uuml;ssige Bev&ouml;lkerung" weg. Und Malthus, der obigen Smithschen Satz weiter ausf&uuml;hrt, hat ebenfalls in seiner Weise recht, wenn er behauptet, es sei stets &uuml;berfl&uuml;ssige Bev&ouml;lkerung da, es seien immer zuviel Menschen in der Welt; er hat nur dann unrecht, wenn er behauptet, es seien mehr Menschen da, als von den vorhandenen Lebensmitteln ern&auml;hrt werden k&ouml;nnten. Die &uuml;berfl&uuml;ssige Bev&ouml;lkerung wird vielmehr durch die Konkurrenz der Arbeiter unter sich erzeugt, die jeden einzelnen Arbeiter zwingt, t&auml;glich so viel zu arbeiten, als seine Kr&auml;fte ihm nur eben gestatten. Wenn ein Fabrikant t&auml;glich zehn Arbeiter neun Stunden lang besch&auml;ftigen kann, so kann er, wenn die Arbeiter zehn Stunden t&auml;glich arbeiten, nur neun besch&auml;ftigen, und der zehnte wird brotlos. Und wenn der Fabrikant zu einer Zeit, wo die Nachfrage nach Arbeitern nicht sehr gro&szlig; ist, die neun Arbeiter durch die Drohung, sie zu entlassen, zwingen kann, f&uuml;r denselben Lohn t&auml;glich eine Stunde mehr, also zehn Stunden zu arbeiten, so entl&auml;&szlig;t er den zehnten und spart dessen Lohn. Wie hier im kleinen, so geht es bei einer Nation im gro&szlig;en. Die durch die Konkurrenz der Arbeiter unter sich auf ihr Maximum gesteigerten Leistungen jedes einzelnen, die Teilung der Arbeit, die Einf&uuml;hrung von Maschinerie, die Benutzung der Elementarkr&auml;fte werfen eine Menge Arbeiter au&szlig;er Brot. Diese brotlosen Arbeiter kommen aber aus dem Markte; sie k&ouml;nnen nichts mehr kaufen, also die fr&uuml;her von ihnen verlangte Quantit&auml;t Handelswaren wird jetzt nicht mehr verlangt, braucht also nicht mehr angefertigt zu werden, die <STRONG>&lt;312&gt;</STRONG> fr&uuml;her mit deren Verfertigung besch&auml;ftigten Arbeiter werden also wieder brotlos, treten vom Markte ebenfalls ab, und so geht es immer weiter, immer denselben Kreislauf durch - oder vielmehr, so w&uuml;rde es gehen, wenn nicht andre Umst&auml;nde dazwischentr&auml;ten. Die Einf&uuml;hrung der oben angef&uuml;hrten industriellen Mittel, die Produktion zu vermehren, f&uuml;hrt n&auml;mlich auf die Dauer niedrigere Preise der produzierten Artikel und infolge davon einen vermehrten Konsum herbei, so da&szlig; ein gro&szlig;er Teil der au&szlig;er Brot gesetzten Arbeiter in neuen Arbeitszweigen und freilich nach langen Leiden endlich doch wieder unterkommt. Tritt hierzu noch, wie es in England w&auml;hrend der letzten sechzig Jahre geschah, die Eroberung fremder M&auml;rkte, so da&szlig; die Nachfrage nach Manufakturwaren fortw&auml;hrend und rasch steigt, so steigt auch die Nachfrage nach Arbeitern und mit ihr die Bev&ouml;lkerung in demselben Verh&auml;ltnisse. Statt also abzunehmen, hat sich die Einwohnerzahl des britischen Reichs rei&szlig;end schnell vermehrt, vermehrt sich noch fortw&auml;hrend - und bei all der steigenden Ausdehnung der Industrie, bei all der im ganzen und gro&szlig;en steigenden Nachfrage nach Arbeitern hat England, nach dem Gest&auml;ndnisse aller offiziellen Parteien (d.h. der Tories, Whigs und Radikalen), dennoch fortw&auml;hrend &uuml;berz&auml;hlige und &uuml;berfl&uuml;ssige Bev&ouml;lkerung, ist dennoch fortw&auml;hrend im ganzen die Konkurrenz<EM> unter </EM>den Arbeitern gr&ouml;&szlig;er als die Konkurrenz <EM>um </EM>Arbeiter.</P>
<P>Woher kommt dieser Widerspruch? Aus dem Wesen der Industrie und Konkurrenz und den darin begr&uuml;ndeten Handelskrisen. Bei der heutigen regellosen Produktion und Verteilung der Lebensmittel, die nicht um der unmittelbaren Befriedigung der Bed&uuml;rfnisse, sondern um des Geldgewinns willen unternommen wird, bei dem System, wonach jeder auf eigne Faust arbeitet und sich bereichert, mu&szlig; alle Augenblicke eine Stockung entstehen. England z.B. versorgt eine Menge L&auml;nder mit den verschiedensten Waren. Wenn nun auch der Fabrikant wei&szlig;, wieviel von jedem Artikel in jedem einzelnen Lande j&auml;hrlich gebraucht wird, so wei&szlig; er doch nicht, wieviel zu jeder Zeit die Vorr&auml;te dort betragen, und noch viel weniger, wieviel seine Konkurrenten dorthin schicken. Er kann nur aus den ewig schwankenden Preisen einen unsichern Schlu&szlig; auf den Stand der Vorr&auml;te und der Bed&uuml;rfnisse machen, er mu&szlig; aufs Geratewohl seine Waren hinausschicken; alles geschieht blindlings ins Blaue hinein, mehr oder weniger nur unter der &Auml;gide des Zufalls. Auf die geringsten g&uuml;nstigen Berichte hin schickt jeder, was er kann - und nicht lange, so ist ein solcher Markt &uuml;berf&uuml;llt mit Waren, der Verkauf stockt, die Kapitalien &lt;<EM>(1892) </EM>R&uuml;ckfl&uuml;sse&gt; bleiben aus, die Preise fallen, und die englische <STRONG>&lt;313&gt;</STRONG> Industrie hat keine Besch&auml;ftigung f&uuml;r ihre Arbeiter mehr. Im Anfange der industriellen Entwicklung beschr&auml;nkten sich diese Stockungen auf einzelne Fabrikationszweige und einzelne M&auml;rkte; aber durch die zentralisierende Wirkung der Konkurrenz, die die Arbeiter, die in einem Arbeitszweige brotlos<STRONG> </STRONG>werden, auf die am leichtesten erlernbaren aus den &uuml;brigen, und die in einem Markte nicht mehr unterzubringenden Waren auf die &uuml;brigen M&auml;rkte wirft und dadurch allm&auml;hlich die einzelnen kleinen Krisen n&auml;her zusammenr&uuml;ckt, sind diese nach und nach in eine einzige Reihe von periodisch wiederkehrenden Krisen vereinigt worden. Eine solche Krisis pflegt alle f&uuml;nf Jahre auf eine kurze Periode der Bl&uuml;te und des allgemeinen Wohlbefindens zu folgen; der heimische Markt wie alle fremden M&auml;rkte liegen voll englischer Fabrikate und k&ouml;nnen diese letzteren nur langsam konsumieren; die industrielle Bewegung stockt in fast allen Zweigen; die kleineren Fabrikanten und Kaufleute, die das Ausbleiben ihrer Kapitalien nicht &uuml;berstehen k&ouml;nnen, fallieren, die gr&ouml;&szlig;eren h&ouml;ren w&auml;hrend der Dauer der schlimmsten Epoche auf, Gesch&auml;fte zu machen, setzen ihre Maschinen still oder lassen nur "kurze Zeit" arbeiten, d.h. etwa nur halbe Tage; der Lohn f&auml;llt durch die Konkurrenz der Brotlosen, die Verringerung der Arbeitszeit und den Mangel an gewinnbringenden Warenverk&auml;ufen; allgemeines Elend verbreitet sich unter den Arbeitern, die etwaigen kleinen Ersparnisse einzelner sind rasch verzehrt, die wohlt&auml;tigen Anstalten werden &uuml;berlaufen, die Armensteuer verdoppelt, verdreifacht sich und reicht doch nicht aus, die Zahl der Verhungernden vermehrt sich, und auf einmal tritt die ganze Menge der "&uuml;berfl&uuml;ssigen" Bev&ouml;lkerung in schreckenerregender Anzahl hervor. Das dauert dann eine Zeitlang; die "&Uuml;berfl&uuml;ssigen" &lt;<EM>(1892) </EM>"&Uuml;bersch&uuml;ssigen"&gt; schlagen sich durch, so gut es geht, oder schlagen sich auch nicht durch; die Wohlt&auml;tigkeit und die Armengesetze helfen vielen zu einer m&uuml;hsamen Fristung ihrer Existenz; andre finden hier und da in solchen Arbeitszweigen, die der Konkurrenz weniger offengelegt worden sind, die der Industrie ferner stehen, eine k&uuml;mmerliche Lebenserhaltung - und mit wie wenigem kann der Mensch sich nicht f&uuml;r eine Zeitlang durchschlagen! - Allm&auml;hlich wird der Stand der Dinge g&uuml;nstiger; die aufgeh&auml;uften Warenvorr&auml;te werden konsumiert, die allgemeine Niedergeschlagenheit der Handels- und Industriem&auml;nner hindert ein zu rasches Auff&uuml;llen der L&uuml;cken, bis endlich steigende Preise und g&uuml;nstige Berichte von allen Seiten die T&auml;tigkeit wieder herstellen. Die M&auml;rkte liegen meist weit entfernt; bis die ersten neuen Zufuhren hingelangen k&ouml;nnen, steigt die Nachfrage fortw&auml;hrend und mit ihr die Preise; man rei&szlig;t sich um die zuerst ankommenden Waren, die <A NAME="S314><STRONG>&lt;314&gt;</STRONG></A> ersten Verk&auml;ufe beleben den Verkehr noch mehr, die noch erwarteten Zufuhren versprechen noch h&ouml;here Preise, man f&auml;ngt in Erwartung eines ferneren Aufschlags an, auf Spekulation zu kaufen und so die f&uuml;r den Konsum bestimmten Waren gerade zur n&ouml;tigsten Zeit dem Konsum zu entziehen - die Spekulation steiger die Preise noch m
hr, da sie andre zum Kaufen ermutigt und neue Zufuhren vorwegnimmt - alles das wird nach England berichtet, die Fabrikanten fangen wieder flott an zu arbeiten, neue Fabriken werden errichtet, alle Mittel aufgeboten, um die g&uuml;nstige Epoche auszubeuten; die Spekulation tritt auch hier ein, ganz mit derselben Wirkung wie auf den fremden M&auml;rkten, die Preise steigernd, die Waren dem Konsum wegnehmend, durch beides die industrielle Produktion zur h&ouml;chsten Kraftanstrengung treibend - dann kommen die "unsoliden" Spekulanten, die mit fiktivem Kapital arbeiten, vom Kredit leben, die ruiniert sind, wenn sie nicht gleich flott verkaufen k&ouml;nnen, und st&uuml;rzen sich in dies allgemeine, unordentliche Wettrennen nach Geldgewinn, vermehren die Unordnung und Hast durch ihre eigne z&uuml;gellose Leidenschaft, welche Preise und Produktion bis zum Wahnsinn steigert - es ist ein tolles Treiben, das auch den Ruhigsten und Erfahrensten ergreift, es wird geh&auml;mmert, gesponnen, gewoben, als g&auml;lte es, die ganze Menschheit neu zu equipieren, als w&auml;ren ein pur Tausend&#9;Millionen neuer Konsumenten auf dem Monde entdeckt worden. Auf einmal fangen dr&uuml;ben die unsoliden Spekulanten, die Geld haben m&uuml;ssen, zu verkaufen an - unter dem Marktpreise, versteht sich, denn die Sache hat Eile -&#9;dem einen Verkauf folgen mehrere, die Preise wanken, die Spekulanten werfen erschreckt ihre Waren in den Markt, der Markt ist in Unordnung, der Kredit ist ersch&uuml;ttert, ein Haus nach dem andern stellt die Zahlungen ein, Bankerott folgt auf Bankerott, und man findet, da&szlig; dreimal mehr Ware im Platze und unterwegs ist, als der Konsum erfordern w&uuml;rde. Die Nachrichten kommen nach England, wo in der Zwischenzeit noch immer mit aller Gewalt fabriziert worden - ein panischer Schrecken ergreift auch hier die Gem&uuml;ter, die Fallissements von dr&uuml;ben ziehen andre in England nach sich, die Stockung st&uuml;rzt dazu noch eine Menge H&auml;user, in der Angst werden auch hier alle Vorr&auml;te gleich an den Markt gebracht und der Schrecken dadurch noch &uuml;bertrieben. Das ist der Anfang der Krisis, die dann wieder genau denselben Verlauf nimmt wie die vorige und sp&auml;ter wieder in eine Periode der Bl&uuml;te umschl&auml;gt. So geht es in einem fort, Bl&uuml;te, Krisis, Bl&uuml;te, Krisis, und dieser ewige Kreislauf, in dem sich die englische Industrie bewegt, pflegt sich, wie gesagt, in je f&uuml;nf oder sechs Jahren zu vollenden.</P>
<P>Hieraus geht hervor, da&szlig; zu allen Zeiten, ausgenommen in den kurzen Perioden h&ouml;chster Bl&uuml;te, die englische Industrie eine unbesch&auml;ftigte Reserve <STRONG>&lt;315&gt;</STRONG> von Arbeitern haben mu&szlig;, um eben w&auml;hrend der am meisten belebten Monate die im Markte verlangten Massen von Waren produzieren zu k&ouml;nnen. Diese Reserve ist mehr oder minder zahlreich, je nachdem die Lage des Marktes minder oder mehr die Besch&auml;ftigung eines Teiles derselben veranla&szlig;t. Und wenn auch bei dem h&ouml;chsten Bl&uuml;tenstande des Marktes wenigstens zeitweise die Ackerbaudistrikte, Irland und die weniger von dem Aufschwung ergriffenen Arbeitszweige eine Anzahl Arbeiter liefern k&ouml;nnen, so bilden diese einerseits doch eine Minderzahl und geh&ouml;ren andrerseits ebenfalls zur Reserve, nur mit dem Unterschiede, da&szlig; der jedesmalige Aufschwung es erst zeigt, <EM>da&szlig; </EM>sie dazu geh&ouml;ren. Man schr&auml;nkt sich, wenn sie zu den belebteren Arbeitszweigen &uuml;bertreten, daheim ein, um den Ausfall weniger zu merken, arbeitet l&auml;nger, besch&auml;ftigt Weiber und j&uuml;ngere Leute, und wenn sie beim Eintritt der Krisis entlassen zur&uuml;ckkommen, finden sie, da&szlig; ihre Stellen besetzt und sie &uuml;berfl&uuml;ssig sind - wenigstens gro&szlig;enteils. Diese Reserve, zu der w&auml;hrend der Krisis eine ungeheure Menge und w&auml;hrend der Zeitabschnitte, die man als Durchschnitt von Bl&uuml;te und Krisis annehmen kann, noch immer eine gute Anzahl geh&ouml;ren - das ist die "&uuml;berz&auml;hlige Bev&ouml;lkerung" Englands, die durch Betteln und Stehlen, durch Stra&szlig;enkehren, Einsammeln von Pferdemist, Fahren mit Schubkarren oder Eseln, Herumh&ouml;kern oder einzelne gelegentliche kleine Arbeiten eine k&uuml;mmerliche Existenz fristet. Man sieht in allen gro&szlig;en St&auml;dten eine Menge solcher Leute, die so durch kleine gelegentliche Verdienste "Leib und Seele zusammenhalten", wie die Engl&auml;nder sagen. Es ist merkw&uuml;rdig, zu welchen Erwerbszweigen diese "&uuml;berfl&uuml;ssige Bev&ouml;lkerung" ihre Zuflucht nimmt. Die Londoner Stra&szlig;enkehrer (cross sweeps) &lt;<EM>(1892) </EM>crossing sweeps&gt; sind weltbekannt; bisher wurden aber nicht nur diese Kreuzwege, sondern auch in andern gro&szlig;en St&auml;dten die Hauptstra&szlig;en von Arbeitslosen gekehrt, die von der Armen- oder Stra&szlig;enverwaltung dazu angenommen wurden - jetzt hat man eine Maschine, die t&auml;glich durch die Stra&szlig;en rasselt und den Arbeitslosen diesen Erwerbszweig verdorben hat. Auf den gro&szlig;en Routen, die in die St&auml;dte f&uuml;hren und auf denen viel Wagenverkehr ist, sieht man eine Menge Leute mit kleinen Karren, die den frischgefallnen Pferdemist mit Lebensgefahr zwischen den vorbeirollenden Kutschen und Omnibussen wegscharren und zum Verkauf einsammeln - daf&uuml;r m&uuml;ssen sie oft noch w&ouml;chentlich ein paar Shilling an die Stra&szlig;enverwaltung bezahlen, und an vielen Orten ist es ganz verboten, weil sonst die Stra&szlig;enverwaltung ihren zusammengekehrten Kot, der nicht den geh&ouml;rigen Anteil Pferdemist enthielt, nicht als D&uuml;nger verkaufen konnte. Gl&uuml;cklich sind diejenigen "&Uuml;berfl&uuml;s- <STRONG>&lt;316&gt;</STRONG> sigen", die sich eine Schubkarre verschaffen und damit Fuhren tun k&ouml;nnen, noch gl&uuml;cklicher diejenigen, denen es gelingt, Geld f&uuml;r einen Esel nebst Karre zu bekommen - der Esel mu&szlig; sich sein Futter selbst suchen oder erh&auml;lt ein wenig zusammengesuchten Abfall und kann doch einiges Geld einbringen.</P>
<P>Die meisten "&Uuml;berfl&uuml;ssigen" werfen sich aufs H&ouml;kern. Namentlich Samstag abends, wenn die ganze Arbeiterbev&ouml;lkerung auf den Stra&szlig;en ist, sieht man die Menge zusammen, die davon lebt. Schn&uuml;rriemen, Hosentr&auml;ger, Litzen, Orangen, Kuchen, kurz alle m&ouml;glichen Artikel werden von zahllosen M&auml;nnern, Frauen und Kindern ausgeboten - und auch sonst sieht man alle Augenblicke solche H&ouml;ker mit Orangen, Kuchen, Gingerbeer oder Nettlebeer <A HREF="me02_306.htm#O3"><A NAME="Z3">(3)</A></A> in den Stra&szlig;en stehen oder umherziehen. Z&uuml;ndh&ouml;lzchen und derartige Dinge, Siegellack, Patent-Kompositionen zum Feueranz&uuml;nden usw. bilden ebenfalls Handelsartikel f&uuml;r diese Leute. Andre - sogenannte jobbers - gehen in den Stra&szlig;en umher und sehen sich nach gelegentlichen kleinen Arbeiten um; manchem derselben gelingt es, sich ein Tagewerk zu verschaffen, viele sind nicht so gl&uuml;cklich.</P>
<P><SMALL></P>
<P>"An den Toren aller Londoner Docks", erz&auml;hlt der Rev[eren]d W. Champney, Prediger im &ouml;stlichen Distrikt von London, "erscheinen jeden Morgen im Winter schon vor Tagesanbruch Hunderte von Armen, die in der Hoffnung, ein Tagewerk zu erlangen, auf die Er&ouml;ffnung der Tore warten, und wenn die j&uuml;ngsten und st&auml;rksten und die am meisten bekannten engagiert worden sind, gehen noch Hunderte niedergeschlagen von get&auml;uschter Hoffnung zu ihren &auml;rmlichen Wohnungen zur&uuml;ck."</P>
<P></SMALL></P>
<P>Was bleibt diesen Leuten, wenn sie keine Arbeit finden und sich nicht gegen die Gesellschaft auflehnen wollen, anders &uuml;brig als zu betteln? Und da kann man sich nicht &uuml;ber die Menge von Bettlern, die meist arbeitsf&auml;hige M&auml;nner sind, wundern, mit denen die Polizei fortw&auml;hrend zu k&auml;mpfen hat. Die Bettelei dieser M&auml;nner hat aber einen eigent&uuml;mlichen Charakter. Solch ein Mann pflegt mit seiner Familie umherzuziehen, in den Stra&szlig;en ein bittendes Lied zu singen oder in einem Vortrage die Mildt&auml;tigkeit der Nachbarn anzusprechen. Und es ist auffallend, da&szlig; man diese Bettler fast nur in Arbeiterbezirken findet, da&szlig; es fast nur Gaben von Arbeitern sind, von denen sie sich erhalten. Oder die Familie stellt sich schweigend an eine belebte Stra&szlig;e und l&auml;&szlig;t, ohne ein Wort zu sagen, den blo&szlig;en Anblick der H&uuml;lflosigkeit wirken. Auch hier rechnen sie nur auf die Teilnahme der Arbeiter, die aus Erfahrung wissen, wie der Hunger tut, und jeden Augenblick in die gleiche Lage kommen k&ouml;nnen; denn man findet diese stumme und doch so <STRONG>&lt;317&gt;</STRONG> h&ouml;chst ergreifende Ansprache fast nur an solchen Stra&szlig;en, die von Arbeitern frequentiert, und zu solchen Stunden, in denen sie von Arbeitern passiert werden; namentlich aber Sonnabend abends, wo &uuml;berhaupt die "Geheimnisse" der Arbeiterbezirke in den Hauptstra&szlig;en sich enth&uuml;llen und die Mittelklasse sich von diesen so verunreinigten Gegenden soviel wie m&ouml;glich zur&uuml;ckzieht. Und wer von den &Uuml;berfl&uuml;ssigen Mut und Leidenschaft genug hat, sich der Gesellschaft offen zu widersetzen und auf den <EM>versteckten </EM>Krieg, den die Bourgeoisie gegen ihn f&uuml;hrt, mit dem <EM>offnen </EM>Krieg gegen die Bourgeoisie zu antworten, der geht hin, stiehlt und raubt und mordet.</P>
<P>Dieser &Uuml;berfl&uuml;ssigen gibt es nach den Berichten der Armengesetzkommis&auml;re durchschnittlich anderthalb Millionen in England und Wales, in Schottland l&auml;&szlig;t sich die Zahl wegen Mangel an Armengesetzen nicht bestimmen, und von Irland werden wir speziell zu sprechen haben. Diese anderthalb Millionen schlie&szlig;en &uuml;brigens nur diejenigen ein, die wirklich die Armenverwaltung um H&uuml;lfe ansprechen; die gro&szlig;e Menge, die sich, ohne dies letzte, so sehr gescheute Auskunftsmittel anzuwenden, forthilft, ist darin nicht eingeschlossen; daf&uuml;r f&auml;llt aber auch ein guter Teil der obigen Zahl auf die Ackerbaudistrikte und kommt hier also nicht in Betracht. W&auml;hrend einer Krisis vermehrt sich diese &lt;(<EM>1892</EM>) die&gt; Zahl nat&uuml;rlich um ein bedeutendes, und die Not steigt auf den h&ouml;chsten Grad. Nehmen wir z.B. die Krisis von 1842, die, weil die letzte, auch die heftigste war - denn die Intensit&auml;t der Krisen w&auml;chst mit jeder Wiederholung, und die n&auml;chste, die wohl 1847 sp&auml;testens eintreten wird <A HREF="me02_306.htm#O4"><A NAME="Z4">(4)</A></A>, wird allem Anscheine nach noch heftiger und dauernder sein. W&auml;hrend dieser Krisis stieg die Armensteuer in allen St&auml;dten auf einen nie gekannten H&ouml;hepunkt. Unter andern mu&szlig;ten in <EM>Stockport </EM>von jedem Pfund, das an Hausmiete bezahlt wurde, acht Shilling Armensteuer bezahlt werden, so da&szlig; die Steuer allein 40 Prozent vom Mietbetrage der ganzen Stadt ausmachte; dazu standen ganze Stra&szlig;en leer, so da&szlig; mindestens 20 000 Einwohner weniger als gew&ouml;hnlich da waren und man an die T&uuml;ren der leerstehenden H&auml;user geschrieben fand: Stockport to let - Stockport zu vermieten. In Bolton, wo in gew&ouml;hnlichen Jahren der Armensteuer zahlende Mietertrag durchschnittlich 86 000 Pfd. St. betrug, sank er auf 36 000 Pfd. St.; dagegen stieg die Anzahl der zu unterst&uuml;tzenden Armen auf 14 000, also &uuml;ber 20 Prozent der ganzen Einwohnerzahl. In Leeds hatte die Armenverwaltung einen Reservefonds von 10 000 Pfd. St. - dieser, sowie eine Kollekte von 7 000 Pfd. St., wurde schon, ehe die Krisis ihren H&ouml;hepunkt erreichte,&nbsp;<STRONG>&lt;318&gt;</STRONG> vollst&auml;ndig ersch&ouml;pft. So war es &uuml;berall; ein Bericht, den ein Komitee der Anti-Korngesetz-Ligue im Januar 1843 &uuml;ber den Zustand der Industriebezirke im Jahre 1842 erstattete und der auf ausf&uuml;hrlichen Angaben der Fabrikanten beruhte, sagt aus, da&szlig; die Armensteuer durchschnittlich doppelt so hoch gewesen sei als 1839 und die Zahl der Unterst&uuml;tzungsbed&uuml;rftigen sich seit jener Zeit verdreifacht, ja verf&uuml;nffacht habe; da&szlig; eine Menge Applikanten einer Klasse angeh&ouml;rten, die bis jetzt nie um Unterst&uuml;tzung angehalten h&auml;tten usw.; da&szlig; die arbeitende Klasse &uuml;ber zwei Drittel weniger Lebensmittel zu verf&uuml;gen habe als 1834/36; da&szlig; die Konsumtion von Fleisch bedeutend geringer gewesen sei - an einigen Orten 20 Prozent, an andern bis zu 60 Prozent; da&szlig; selbst die gew&ouml;hnlichen Handwerker, Schmiede, Maurer usw., die sonst in den gedr&uuml;cktesten Perioden noch volle Besch&auml;ftigung hatten, ebenfalls viel an Mangel an Arbeit und Lohnherabsetzung gelitten hatten - und da&szlig; selbst jetzt, im Januar 1843, der Lohn noch fortw&auml;hrend im Fallen sei. Und das sind Berichte von Fabrikanten!</P>
<P>Die brotlosen Arbeiter, deren Fabriken stillstanden, deren Brotherren ihnen keine Arbeit geben konnten, standen &uuml;berall auf den Stra&szlig;en, bettelten einzeln oder in Haufen, belagerten scharenweise die Chausseen und sprachen die Vor&uuml;berkommenden um Unterst&uuml;tzung an - sie baten aber nicht kriechend, wie gew&ouml;hnliche Bettler, sondern drohend durch ihre Zahl, ihre Geb&auml;rden und Worte. So sah es in allen Industriebezirken aus, von Leicester bis Leeds und von Manchester bis Birmingham. Hier und da brachen einzelne Unruhen aus, so im Juli in den T&ouml;pfereien von Nord-Staffordshire; die f&uuml;rchterlichste G&auml;rung herrschte unter den Arbeitern, bis sie endlich im August in der allgemeinen Insurrektion der Fabrikdistrikte zum Ausbruche kam. Als ich Ende November 1842 nach Manchester kam, standen noch &uuml;berall eine Menge Arbeitsloser an den Stra&szlig;enecken, und viele Fabriken standen noch still; in den n&auml;chsten Monaten bis Mitte 1843 verloren sich die unfreiwilligen Eckensteher allm&auml;hlich, und die Fabriken kamen wieder in Betrieb.</P>
<P>Was hier f&uuml;r eine Masse von Elend und Not unter diesen Arbeitslosen w&auml;hrend einer solchen Krisis herrscht, brauche ich wohl nicht erst zu sagen. Die Armensteuer reicht nicht aus - bei weitem nicht; die Wohlt&auml;tigkeit der Reichen ist ein Schlag ins Wasser, dessen Wirkung in einem Augenblick verschwunden ist; die Bettelei kann, wo so viele sind, nur wenigen helfen. Wenn nicht die kleinen Kr&auml;mer den Arbeitern zu solchen Zeiten auf Kredit verkauften, solange sie k&ouml;nnen - sie lassen sich freilich auch t&uuml;chtig daf&uuml;r nachzahlen -, und wenn nicht die Arbeiter unter sich einander unterst&uuml;tzten, solange sie k&ouml;nnen, so w&uuml;rde jede Krisis allerdings Massen von "&Uuml;berfl&uuml;s <STRONG>&lt;319&gt;</STRONG> sigen" durch Hungersnot wegraffen. So aber, da die gedr&uuml;ckteste Epoche doch nur kurz ist, ein Jahr, h&ouml;chstens zwei oder dritthalb Jahre dauert, kommen die meisten doch noch mit dem nackten Leben und schweren Entbehrungen davon. Da&szlig; indirekt, durch Krankheiten usw., in jeder Krisis eine Menge Opfer fallen, werden wir sehen. Einstweilen wenden wir uns zu einer andern Ursache der Erniedrigung, der die englischen Arbeiter anheimgegeben sind, einer Ursache, die noch fortw&auml;hrend daran arbeitet, jene Klasse immer tiefer und tiefer herabzudr&uuml;cken.</P>
<P><HR></P>
<P>Anmerkungen F. E.:</P>
<P><A NAME="O1">(1)</A> Lieblingsausdruck der englischen Fabrikanten <A HREF="me02_306.htm#Z1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="O2">(2)</A> "Man hat gesagt, da&szlig; der Verschlei&szlig; eines Sklaven auf Kosten seines Herrn vor sich gehe, w&auml;hrend der eines freien Arbeiters f&uuml;r Rechnung dieses Arbeiters geschehe. Aber der Verschlei&szlig; des letzteren ist ebenfalls f&uuml;r Rechnung des Herrn. Der den Tagel&ouml;hnern, Dienern usw. von jeglicher Art bezahlte Lohn mu&szlig; so hoch sein, da&szlig; er diese in den Stand setzt, die Rasse der Tagel&ouml;hner und Diener in der Weise fortzupflanzen, wie es die zunehmende, station&auml;re oder abnehmende Nachfrage der Gesellschaft nach solchen Leuten gerade verlangt. Aber obgleich der Verschlei&szlig; eines freien Arbeiters ebenfalls auf Kosten des Herrn vor sich geht, so kostet er ihm doch in der Regel viel weniger als der eines Sklaven. Der Fonds, der dazu bestimmt ist, den Verschlei&szlig; eines Sklaven zu reparieren oder zu ersetzen, wird gew&ouml;hnlich von einem nachl&auml;ssigen Herrn oder unaufmerksamen Aufseher verwaltet etc." - <EM>A. Smith, </EM>"Wealth of Nations" [Der Reichtum der Nationen], 1, 8, p. 134 der MacCullochschen vierb&auml;ndigen Ausgabe. <A HREF="me02_306.htm#Z2">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="O3">(3)</A> Zwei k&uuml;hlende und moussierende Getr&auml;nke, das erste von Wasser, Zucker und etwas Ingwer, das andre von Wasser, Zucker und Nesseln bereitet und bei den Arbeitern, namentlich M&auml;&szlig;igkeitsm&auml;nnern, beliebt.<A NAME="O4"> <A HREF="me02_306.htm#Z3">&lt;=</A></P>
<P>(4)</A> <EM>(1887 Fu&szlig;note) </EM>And it came in 1847 [Und sie kam 1847]. <A HREF="me02_306.htm#Z4">&lt;=</A></P></BODY>
</HTML>