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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Neue Teilung Polens</title>
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<p align="center"><a href="me05_053.htm"></a><a href="me05_053.htm"><font size="2">Die
Adre&szlig;frage</font></a> <font size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size=
"2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font> <a href="me05_057.htm"><font size="2">Das Schild
der Dynastie</font></a></p>
<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 55-56<br>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971</small> <br>
<br>
<h1>Neue Teilung Polens</font></p>
<font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 9 vom 9. Juni 1848]<br>
</font>
<p><b><a name="S55">&lt;55&gt;</a></b> **<i>K&ouml;ln</i>, 8. Juni. <i>Siebente Teilung
Polens</i>. Die neue Demarkationslinie des Herrn v. Pfuel in Posen ist ein neuer Raub an Polen.
Sie beschr&auml;nkt den zu "reorganisierenden" Teil auf weniger als ein Drittel des ganzen
Gro&szlig;herzogtums und schl&auml;gt den bei weitem gr&ouml;&szlig;ten Teil von
Gro&szlig;polen zum Deutschen Bunde. Nur in einem schmalen Streifen l&auml;ngs der russischen
Grenze soll die polnische Sprache und Nationalit&auml;t anerkannt werden. Er besteht aus den
Kreisen Wreschen und Pleschen und Teilen der Kreise Mogilno, Wongrowiec, Gnesen, Schroda,
Schrimm, Kosten, Fraustadt, Kr&ouml;ben, Krotoschin, Adelnau und Schildberg. Die andere
H&auml;lfte dieser Kreise, sowie die ganzen Kreise: Buk, Posen, Obornik, Samter, Birnbaum,
Meseritz, Bomst, Czarnikow, Chodziesen, Wirsitz, Bromberg, Schubin, Inowroclaw werden ohne
weiteres durch Dekret des Herrn v. Pfuel in deutschen Boden verwandelt. Und dennoch unterliegt
es keinem Zweifel, da&szlig; selbst in diesem "deutschen Bundesgebiet" die Majorit&auml;t der
Einwohner noch polnisch spricht.</p>
<p>Die alte Demarkationslinie gab den Polen wenigstens die Warta zur Grenze. Die neue
beschr&auml;nkt den zu reorganisierenden Anteil wieder um ein Viertel. Den Vorwand dazu bietet
einerseits "der <i>Wunsch</i>" des Kriegsministers, die Umgegend der Festung Posen in einem
Rayon von drei bis vier Meilen von der Reorganisation auszuschlie&szlig;en, andrerseits das
Verlangen verschiedener St&auml;dte, wie Ostrowo etc., an Deutschland angeschlossen zu
werden.</p>
<p>Was den Wunsch des Kriegsministers anlangt, so ist er ganz nat&uuml;rlich. Erst raubt man
die Stadt und Festung Posen, die zehn Meilen tief im polnischen Lande steckt, dann, um im
Genu&szlig; des Geraubten nicht gest&ouml;rt zu werden, findet man den Rauh eines neuen Rayons
von drei Meilen w&uuml;nschenswert. Dieser Rayon f&uuml;hrt wieder zu allerhand kleinen
Arrondierungen, <a name="S56"><b>&lt;56&gt;</b></a> und so hat man den besten Anla&szlig;, die
deutsche Grenze immer weiter nach der russisch-polnischen vorzuschieben.</p>
<p>Mit den Anschlu&szlig;gel&uuml;sten der "deutschen" St&auml;dte steht es
folgenderma&szlig;en: in ganz Polen bilden Deutsche und Juden den Stamm der gewerb- und
handeltreibenden B&uuml;rgerschaft; es sind die Nachkommen von Einwanderern, die meist wegen
Religionsverfolgungen aus ihrer Heimat geflohen sind. Sie haben mitten im polnischen Gebiet
St&auml;dte gegr&uuml;ndet und seit Jahrhunderten alle Geschicke des polnischen Reiches
mitgemacht. Diese Deutschen und Juden, die enorme Minorit&auml;t im Lande, suchen die momentane
Lage des Landes zu benutzen, um sich zur Herrschaft emporzuschwingen. Sie appellieren an ihre
Eigenschaft als <i>Deutsche</i>; sie sind ebensowenig Deutsche wie die Deutschamerikaner. Will
man sie zu Deutschland schlagen, so unterdr&uuml;ckt man die Sprache und Nationalit&auml;t von
mehr als der halben polnischen Bev&ouml;lkerung Posens, und gerade desjenigen Teils der
Provinz, in welchem die nationale Insurrektion mit der gr&ouml;&szlig;ten Heftigkeit und
Energie hervortrat - die Kreise Buk, Samter, Posen, Obornik.</p>
<p>Herr v. Pfuel erkl&auml;rt, er werde die neue Grenze f&uuml;r definitiv ansehen, sobald das
Ministerium sie ratifiziert habe. Er spricht weder von der Vereinbarungsversammlung, noch von
der deutschen Nationalversammlung, die doch auch ein Wort mitzusprechen haben, wo es sich um
die Grenzbestimmung Deutschlands handelt. Aber immerhin mag das Ministerium, m&ouml;gen die
Vereinbarer, mag die Frankfurter Versammlung den Beschlu&szlig; des Herrn Pfuel ratifizieren,
die Demarkationslinie ist nicht "definitiv", solange ihn nicht noch zwei andre M&auml;chte
ratifiziert haben: das deutsche Volk und das polnische Volk.</p>
<p><font size="2">Geschrieben von Friedrich Engels</font></p>
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</html>