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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Vereinbarungsdebatten</title>
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<p align="center"><a href="me05_166.htm"><font size="2">Verhaftungen</font></a> <font size=
"2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font>
<a href="me05_175.htm"><font size="2">Gerichtliche Untersuchung gegen die "Neue Rheinische
Zeitung"</font></a></p>
<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 169-174<br>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971</small> <br>
<br>
<h1>Vereinbarungsdebatten</font></p>
<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 35 vom 5. Juli 1848]</font></p>
<p><b><a name="S169">&lt;169&gt;</a></b> **<i>K&ouml;ln</i>, 4. Juli. Wir kommen heute zur
Vereinbarungssitzung vom 28. Juni. Die Versammlung hat einen neuen Pr&auml;sidenten, ein neues
Reglement und neue Minister sich gegen&uuml;ber. Man kann sich also denken, wie gro&szlig; die
Konfusion ist.</p>
<p>Nach l&auml;ngeren reglementarischen und andern Vordebatten kommt endlich der Abgeordnete
<i>Gladbach</i> zu Wort. Die preu&szlig;ische Soldateska hat vor einigen Tagen in Spandau die
von Schleswig-Holstein zur&uuml;ckkehrenden Freisch&auml;rler der wegen republikanischer
Gesinnungen aufgel&ouml;sten 6. Kompanie des Freikorps gewaltsam entwaffnet und einige sogar
verhaftet. Sie hatte durchaus keinen gesetzlichen Grund und keine gesetzliche Vollmacht. Das
Milit&auml;r kann, gesetzlich, &uuml;berhaupt solche Handlungen auf eigene Faust gar nicht
vornehmen. Aber die meisten dieser Freisch&auml;rler waren Berliner Barrikadenk&auml;mpfer, und
die Herren von der Garde mu&szlig;ten sich an ihnen r&auml;chen.</p>
<p>Herr <i>Gladbach</i> interpellierte das Ministerium wegen dieses Akts des
Milit&auml;rdespotismus.</p>
<p>Der Kriegsminister <i>Schreckenstein</i> erkl&auml;rt, er wisse nichts davon und m&uuml;sse
sich vorbehalten, Bericht dar&uuml;ber von der betreffenden Beh&ouml;rde einzufordern.</p>
<p>Also daf&uuml;r bezahlt das Volk einen Kriegsminister, damit er am 28. in Berlin noch nichts
davon wei&szlig;, was am 25., drei Stunden von Berlin, in Spandau, das Milit&auml;r f&uuml;r
Schritte getan hat und damit, drei Stunden von Berlin, vor seinen Augen sozusagen, die
Gardelieutenants Bahnh&ouml;fe besetzen und dem bewaffneten Volk die ihm geh&ouml;renden, die
von ihm auf dem Schlachtfelde eroberten Waffen wegnehmen, ohne den Herrn Kriegsminister auch
nur der Ehre eines Rapports zu w&uuml;rdigen! Aber freilich, der Herr Oberstlieutenant
Schlichting, der diese Heldentat vollbrachte, handelte nach <a name=
"S170"><b>&lt;170&gt;</b></a> "Instruktionen", die er wahrscheinlich von Potsdam empf&auml;ngt,
und wohin er wahrscheinlich auch rapportiert!</p>
<p>Morgen, fleht der wohlunterrichtete Kriegsminister, morgen werde ich <i>vielleicht</i>
Antwort geben k&ouml;nnen! &lt;Siehe <a href="me05_178.htm#S180">"Berliner
Vereinbarungsdebatten", S. 180-183</a>&gt;</p>
<p>Folgt eine Interpellation von Zacharias: Das Ministerium hat einen Gesetzvorschlag &uuml;ber
B&uuml;rgerwehr versprochen. Wird dieser Vorschlag auf dem Grundsatz allgemeiner
Volksbewaffnung beruhen?</p>
<p>Der neue Minister des Innern, Herr K&uuml;hlwetter, antwortet: Allerdings liege ein Gesetz
&uuml;ber B&uuml;rgerwehr vor, aber es sei noch nicht im Ministerium beraten, und daher
k&ouml;nne er nichts N&auml;heres dar&uuml;ber sagen.</p>
<p>Also das neue Ministerium ist so &uuml;bereilt zusammengebracht, hat sich so wenig &uuml;ber
die leitenden Grunds&auml;tze verst&auml;ndigt, da&szlig; sogar die brennende Frage der
Volksbewaffnung noch gar nicht zur Debatte gekommen ist!</p>
<p>Eine zweite Interpellation des Abgeordneten <i>Gladbach</i> betraf die definitive Ernennung
von B&uuml;rgermeistern und andern Beamten durch die bisher damit beauftragten Beh&ouml;rden.
Da die ganze bisherige Verwaltung nur interimistisch weiterbesteht, so wird sie auch nur
interimistisch die entstehenden L&uuml;cken ausf&uuml;llen k&ouml;nnen, bis die Gesetzgebung
dar&uuml;ber statuiert hat, wie und von wem die verschiedenen Beh&ouml;rden ernannt werden
sollen. Trotzdem sind aber B&uuml;rgermeister und andere Beamte definitiv ernannt worden.</p>
<p>Der Minister <i>K&uuml;hlwetter</i> erkl&auml;rt sich im ganzen mit Herrn Gladbach
einverstanden und wird nur provisorische B&uuml;rgermeister ernennen lassen.</p>
<p>Eine fernere Interpellation des Herrn <i>Gladbach</i> wegen Suspendierung der vielen, ihren
Verwalteten geh&auml;ssigen Beamten, von denen manche, namentlich auf dem Lande, im ersten
revolution&auml;ren Eifer verjagt, wird vom Herrn Pr&auml;sidenten Grabow geschickt
eskamotiert.</p>
<p>Nach einigen reglementarischen Verhandlungen kam die Interpellation des Abgeordneten
<i>Dierschke</i> wegen der K&ouml;sliner Adresse und deren Bef&ouml;rderung durch die
Regierungen und Landrat&auml;mter zur Tagesordnung. Aber der Herr Abgeordnete hatte total
vergessen, da&szlig; sein Antrag an der Tagesordnung war und hatte daher auch die n&ouml;tigen
Papiere nicht mitgebracht, um ihn zu begr&uuml;nden. Es blieb ihm also nichts &uuml;brig, als
sich in einigen allgemeinen Phrasen &uuml;ber Reaktion zu ergehen, eine h&ouml;chst
unbefriedigende Antwort des Ministers entgegenzunehmen und sich dann vom Pr&auml;sidenten sagen
zu lassen, er werde wohl befriedigt sein.</p>
<p>Er hat aber noch eine zweite Interpellation zu stellen: Ob die Minister <a name=
"S171"><b>&lt;171&gt;</b></a> den Reaktionsversuchen des Adels und der Beamtenpartei
entgegenzutreten beabsichtigten.</p>
<p>Er scheint auch hierzu die Papiere vergessen zu haben. Er f&uuml;hrt wieder statt Tatsachen
deklamatorische Redensarten an und wei&szlig; nichts Besseres vom Ministerium zu verlangen, als
da&szlig; es eine Proklamation gegen die Reaktion erlasse.</p>
<p>Herr <i>K&uuml;hlwetter</i> antwortet nat&uuml;rlich, die Gesinnungen der Rittergutsbesitzer
und Beamten gingen ihn nichts an, sondern nur ihre Handlungen, die Leute h&auml;tten dieselbe
Freiheit wie Herr <i>Dierschke</i>, und im &uuml;brigen m&ouml;ge Herr Dierschke Fakta
anf&uuml;hren. Den albernen Gedanken eines "Erlasses" gegen die Reaktion weist er mit
geb&uuml;hrender Vornehmheit zur&uuml;ck. Herr Dierschke f&uuml;hrt nun als Tatsache an,
da&szlig; in seinem, dem Ohlauer Kreise, der Landrat gesagt habe, die Nationalversammlung werde
nicht eher einig werden, bis sie mit Kart&auml;tschen zusammengeleimt werde, und ihr
Deputierter (Dierschke selbst) habe ge&auml;u&szlig;ert, es sei eine Kleinigkeit, einen
Minister zu h&auml;ngen.</p>
<p>Hieraus schlo&szlig; der Vorsitzende, Herr Dierschke habe sich auch in Beziehung auf die
zweite Interpellation zufrieden gegeben, und Herr Dierschke fand nichts zu erinnern.</p>
<p>Herr <i>Hansemann</i> aber gibt sich nicht zufrieden. Er wirft dem Redner vor, er sei von
der Frage abgewichen. Er "&uuml;berl&auml;&szlig;t der Beurteilung der Versammlung, inwiefern
sie es geeignet erachte, pers&ouml;nliche Beschuldigungen, wenn nicht zugleich Beweise
daf&uuml;r vorgebracht werden, gegen Beamte zu erheben".</p>
<p>Mit dieser stolzen Herausforderung und unter schallendem Bravo der Rechten und der Zentren
setzt Herr Hansemann sich nieder.</p>
<p>Der Abgeordnete <i>Elsner</i> stellt einen dringenden Antrag. Es soll sofort eine Kommission
zur Untersuchung der Lage der Spinner und Weber sowie der gesamten preu&szlig;ischen
Leinenmanufaktur ernannt werden.</p>
<p>Herr <i>Elsner</i> erz&auml;hlt der Versammlung in einem kurzen, schlagenden Vortrag, wie
die alte Regierung die Leinenindustrie in jedem einzelnen Falle dynastischen und
legitimistischen Interessen oder vielmehr Einf&auml;llen geopfert hat. Spanien, Mexiko, Polen,
Krakau dienten zu Beweisen.</p>
<p>Gl&uuml;cklicherweise waren die Tatsachen schlagend und trafen nur die alte Regierung. Daher
wurden von keiner Seite Schwierigkeiten erhoben; die Regierung stellte sich im voraus der
Kommission zur Verf&uuml;gung, und der Antrag wurde einstimmig angenommen.</p>
<p>Folgt die Interpellation <i>d'Esters</i> wegen der geschornen Polen.</p>
<p><i>D'Ester</i> erkl&auml;rt, er wolle nicht blo&szlig; &uuml;ber das Faktum Aufschlu&szlig;
haben, sondern speziell &uuml;ber die vom Ministerium gegen dies Verfahren ergriffenen <a name=
"S172"><b>&lt;172&gt;</b></a> Ma&szlig;regeln. Er wende sich deshalb auch nicht an den
Kriegsminister, sondern an das ganze Ministerium.</p>
<p>Herr <i>Auerswald</i>: Wenn d'Ester den speziellen Fall nicht beantwortet w&uuml;nscht, so
"hat das Ministerium kein <i>Interesse</i>", darauf einzugehen.</p>
<p>Wirklich, das Ministerium hat kein "Interesse", auf die Frage einzugehn! Welche Neuigkeit!
In der Tat pflegt man Interpellationen nur in solchen Fragen zu stellen, auf die einzugehen
"das Ministerium" durchaus <i>"kein Interesse" hat</i>! Gerade deswegen, <i>weil</i> es kein
Interesse hat, sie zu beantworten, gerade deswegen, Herr Ministerpr&auml;sident, interpelliert
man das Ministerium.</p>
<p>Der Herr Ministerpr&auml;sident mu&szlig; &uuml;brigens geglaubt haben, er befinde sich
nicht unter Vorgesetzten, sondern unter seinen Subalternen. Die Beantwortung einer Frage
versucht er abh&auml;ngig zu machen von dem Interesse, das nicht die Versammlung, sondern das
Ministerium daran hat!</p>
<p>Wir schreiben es nur der Unerfahrenheit des Herrn Pr&auml;sidenten Grabow zu, da&szlig; er
Herrn Auerswald wegen dieser b&uuml;rokratischen Arroganz nicht zur Ordnung rief.</p>
<p>Der Ministerpr&auml;sident versicherte &uuml;brigens, man werde dem Polenscheren
kr&auml;ftig entgegentreten, N&auml;heres k&ouml;nne er aber erst sp&auml;ter mitteilen.</p>
<p><i>D'Ester</i> willigt in die Vertagung sehr gern ein, w&uuml;nscht aber Angabe des Tages,
wann Auerswald antworten wolle.</p>
<p>Herr <i>Auerswald,</i> der wohl harth&ouml;rig sein mu&szlig;, antwortet: Ich glaube,
da&szlig; in meiner Erkl&auml;rung nichts liegt, was bezeichne, da&szlig; das Ministerium nicht
sp&auml;ter darauf zur&uuml;ckkommen wolle (!); den Tag k&ouml;nne er noch nicht bestimmen.</p>
<p><i>Behnsch</i> und <i>d'Ester</i> erkl&auml;ren &uuml;brigens ausdr&uuml;cklich, da&szlig;
sie auch &uuml;ber das Faktum selbst Aufkl&auml;rung verlangen.</p>
<p>Dann folgt <i>d'Esters</i> zweite Interpellation: Was die R&uuml;stungen in der Rheinprovinz
und namentlich in K&ouml;ln zu bedeuten haben, und ob vielleicht eine Deckung der
franz&ouml;sischen Grenze n&ouml;tig geworden?</p>
<p>Herr <i>Schreckenstein</i> antwortet: Mit Ausnahme einzelner Reservisten sind seit Monaten
keine Truppen an den Rhein gegangen. (Allerdings, tapfrer Bayard, aber es waren ihrer
l&auml;ngst zu viele da.) <i>S&auml;mtliche</i> Festungen werden armiert, nicht blo&szlig;
K&ouml;ln &lt;Siehe <a href="me05_059.htm">"K&ouml;ln in Gefahr"</a>&gt;, damit das Vaterland
nicht in Gefahr kommt.</p>
<p>Also wenn in K&ouml;ln die Truppen nicht in die Forts gelegt werden, wo sie gar nichts zu
tun haben und sehr schlecht logiert sind, wenn die Artillerie nicht Gewehre bekommt, wenn die
Truppen nicht auf acht Tage Brot voraus <a name="S173"><b>&lt;173&gt;</b></a> erhalten, wenn
die Infanterie nicht mit scharfen Patronen, die Artillerie nicht mit Kart&auml;tsch- und
Kugelschu&szlig; versehen wird, so ist das Vaterland in Gefahr? Nach Herrn Schreckenstein ist
also das Vaterland erst dann <i>au&szlig;er</i> Gefahr, wenn K&ouml;ln und andre gro&szlig;en
St&auml;dte <i>in</i> Gefahr sind!</p>
<p>&Uuml;brigens "m&uuml;ssen alle Bewegungen der Truppen lediglich der Einsicht eines
Milit&auml;rs, des Kriegsministers, anheimgestellt bleiben, sonst kann dieser nicht
verantwortlich sein"!</p>
<p>Man glaubt ein bei seiner Tugend angefa&szlig;tes junges M&auml;dchen zu h&ouml;ren und
nicht den preu&szlig;ischen pro tempore &lt;derzeitigen&gt; Bayard ohne Furcht und Tadel,
Reichsfreiherrn Roth von Schreckenstein, schreckenerregenden Namens!</p>
<p>Wenn der Abgeordnete Dr. med. d'Ester, der doch wahrlich ein Zwerg ist neben dem gewaltigen
Reichsfreiherrn Roth v. Schreckenstein, besagten Schreckenstein fragt, was diese oder jene
Ma&szlig;regel zu bedeuten habe, so glaubt der gro&szlig;e Reichsfreiherr, der kleine Dr. med.
wolle ihm die freie Verf&uuml;gung &uuml;ber die Truppenaufstellung nehmen, und dann k&ouml;nne
er ja nicht mehr verantwortlich sein!</p>
<p>Kurz und gut: Der Herr Kriegsminister erkl&auml;rt, man d&uuml;rfe ihn nicht zur
<i>Verantwortung ziehen</i>, sonst k&ouml;nne er gar nicht <i>verantwortlich sein</i>.</p>
<p>&Uuml;brigens, was wiegt die Interpellation eines Abgeordneten gegen die "Einsicht eines
Milit&auml;rs und gar eines Kriegsministers"!</p>
<p><i>D'Ester</i> erkl&auml;rt sich zwar nicht zufrieden, zieht aber aus Schreckensteins
Antwort den Schlu&szlig;, die R&uuml;stungen seien zum Schutz der franz&ouml;sischen Grenze
geschehen.</p>
<p>Der Ministerpr&auml;sident <i>Auerswald</i> verwahrt sich gegen diese
Schlu&szlig;folgerung.</p>
<p>Wenn <i>alle</i> Grenzfestungen armiert werden, so werden doch wohl <i>alle</i> Grenzen
"gedeckt". Wenn <i>alle</i> Grenzen gedeckt werden, so wird doch auch die
<i>franz&ouml;sische</i> Grenze "gedeckt".</p>
<p>Herr Auerswald gibt die Pr&auml;missen zu und nimmt den Schlu&szlig; "im Namen des
Staatsministeriums nicht an".</p>
<p>Wir dagegen "nehmen an im Namen" des gesunden Menschenverstandes, da&szlig; Herr Auerswald
nicht blo&szlig; harth&ouml;rig ist.</p>
<p><i>D'Ester</i> und <i>Pfahl</i> protestieren sofort. <i>Reichenbach</i> erkl&auml;rt,
Nei&szlig;e, die bedeutendste Festung Schlesiens gegen Osten, werde gar nicht armiert und sei
im erb&auml;rmlichsten Zustande. Als er Details dar&uuml;ber gibt, f&auml;ngt die Rechte, von
den Zentren unterst&uuml;tzt, einen f&uuml;rchterlichen L&auml;rm an, und Reichenbach mu&szlig;
die Trib&uuml;ne verlassen.</p>
<p><b><a name="S174">&lt;174&gt;</a></b> Herr <i>Moritz</i>:</p>
<p><font size="2">"Graf Reichenbach hat <i>keinen</i> Grund angegeben, weshalb er das Wort
ergriffen hat (!). Aus <i>demselben Grunde</i>, glaube ich, kann ich auch das Wort ergreifen
(!!). Ich halte es f&uuml;r unparlamentarisch und bis jetzt in der Geschichte der Parlamente
unerh&ouml;rt, auf solche Weise ... (gro&szlig;e Unruhe) das Ministerium in <i>Verlegenheit</i>
zu bringen, Dinge zur Sprache zu bringen, die nicht ins Publikum geh&ouml;ren ... wir sind
nicht hergeschickt, um das Vaterland in <i>Gefahr</i> zu bringen." (Furchtbares Gepolter. Unser
Moritz mu&szlig; von der Trib&uuml;ne herabsteigen.)</font></p>
<p>Der Abgeordnete Esser I beschwichtigt den Tumult durch eine ebenso gr&uuml;ndliche wie
passende Er&ouml;rterung des &sect; 28 der Gesch&auml;ftsordnung.</p>
<p>Herr <i>Moritz</i> protestiert, er habe nicht eine Tatsache berichtigen, sondern blo&szlig;
"aus demselben Grunde sprechen wollen, wie der Graf Reichenbach"! Die konservative Seite nimmt
sich seiner an und oktroyiert ihm ein lautes Bravo, wogegen die &auml;u&szlig;erste Linke
indessen trommelt.</p>
<p><i>Auerswald</i>:</p>
<p><font size="2">"Ob es passend sei, &uuml;ber die Wehrhaftigkeit des preu&szlig;ischen Staats
im einzelnen oder ganzen solche Details zu besprechen?"</font></p>
<p>Wir bemerken erstens, da&szlig; man nicht von der Wehrhaftigkeit, sondern von der
Wehrlosigkeit des Staats gesprochen hat. Zweitens, da&szlig; das Unpassende darin liegt,
da&szlig; der Kriegsminister gegen das Inland und nicht gegen das Ausland r&uuml;stet, nicht
aber, da&szlig; man ihn an seine Schuldigkeit erinnert.</p>
<p>Die Rechte langweilt sich entsetzlich und schreit nach dem Schlu&szlig;. Der Pr&auml;sident
erkl&auml;rt unter allerlei L&auml;rm, die Sache sei erledigt.</p>
<p>An der Tagesordnung ist ein Antrag <i>Jungs</i>. Herr Jung findet es angemessen, abwesend zu
sein. Wunderbare Volksvertretung!</p>
<p>Jetzt kommt eine Interpellation des Abgeordneten <i>Scholz</i>. Diese lautet
w&ouml;rtlich:</p>
<p><font size="2">"Interpellation an den Herrn Minister des Innern, ob derselbe wegen der
<i>unzweckm&auml;&szlig;igen Einf&uuml;hrung der Konstabler in den Kreisen</i> Auskunft zu
geben imstande oder zu antworten geneigt sei."</font></p>
<p><i>Pr&auml;sident</i>: Ich frage zun&auml;chst, ob diese Interpellation <i>verstanden</i>
wird.</p>
<p>(Sie wird nicht verstanden und nochmals verlesen.)</p>
<p>Minister <i>K&uuml;hlwetter</i>: Ich wei&szlig; in der Tat nicht, wor&uuml;ber Auskunft von
mir verlangt wird. Ich verstehe die Frage nicht.</p>
<p><i>Pr&auml;sident</i>: Wird die Interpellation unterst&uuml;tzt? (Wird nicht
unterst&uuml;tzt.)</p>
<p><i>Scholz</i>: Ich ziehe meinen Antrag vorl&auml;ufig zur&uuml;ck.</p>
<p>Auch wir ziehen uns nach dieser unbezahlbaren, "in der Geschichte der Parlamente
unerh&ouml;rten" Szene f&uuml;r heute "zur&uuml;ck".</p>
<p><font size="2">Geschrieben von Friedrich Engels.</font></p>
</body>
</html>