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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>August Bebel - Die Frau und der Sozialismus - 23. Kapitel</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="beaa_453.htm"><FONT SIZE=2>22. Kapitel</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="beaa_000.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="beaa_485.htm"><FONT SIZE=2>24. Kapitel</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>August Bebel - "Die Frau und der Sozialismus" - 62. Auflage, Berlin/DDR, 1973, S. 481-484.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 31.1.1999.</P>
</FONT><I><P ALIGN="CENTER">Dreiundzwanzigstes Kapitel <BR>
</I><FONT SIZE=4>Aufhebung des Staates</P>
</FONT><B><P><A NAME="S481">|481|</A></B> &Uuml;berblicken wir die bisherige Darlegung, so finden wir, da&szlig; mit der Aufhebung des Privateigentums an den Arbeitsmitteln und mit ihrer Umwandlung in gesellschaftliches Eigentum allm&auml;hlich die Menge der &Uuml;bel verschwindet, welche die b&uuml;rgerliche Gesellschaft auf Schritt und Tritt uns zeigt und immer unertr&auml;glicher werden. Die Herrschaft einer Klasse h&ouml;rt auf, die Gesellschaft wendet ihre gesamte T&auml;tigkeit nach selbstgegebenem Plane an und leitet und kontrolliert sich selbst. Wie durch Aufhebung des Lohnsystems, der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, so wird dem Schwindel und Betrug, der Nahrungsmittelverf&auml;lschung, dem B&ouml;rsentreiben usw. jeder Boden entzogen. Die Hallen der Mammonstempel stehen leer, denn Staatspapiere, Aktien, Schuld- und Pfandbriefe, Hypothekenscheine usw. sind Makulatur geworden. Das Schillersche Wort: "Unser Schuldbuch sei vernichtet, ausges&ouml;hnt die ganze Welt" hat reale Wirklichkeit erlangt, und das biblische Wort: "Im Schwei&szlig;e deines Angesichts sollst du dein Brot essen", gilt nunmehr auch f&uuml;r die Helden der B&ouml;rse und die Drohnen des Kapitalismus. Indes die Arbeit, die sie als gleichberechtigte Glieder der Gesellschaft zu leisten haben, wird sie nicht erdr&uuml;cken und wird ihr k&ouml;rperliches Befinden wesentlich heben. Die Sorge um den Besitz, die nach den pathetisch vorgetragenen Versicherungen unserer Unternehmer und Kapitalisten oft schwerer zu tragen sein soll als das unsichere und d&uuml;rftige Los des Arbeiters, wird ihnen f&uuml;r immer abgenommen. Die Aufregungen der Spekulation, die unseren B&ouml;rsenjobbern so viele Herzleiden und Schlaganf&auml;lle verursachen und sie mit Nervosit&auml;t belasten, werden ihnen erspart. F&uuml;r sie und ihre Nachkommen wird die Sorglosigkeit ihr Los, und sie werden sich wohl dabei finden. </P>
<P>Mit der Aufhebung des Privateigentums und der Klassengegens&auml;tze f&auml;llt auch allm&auml;hlich der Staat. "Indem die kapitalistische Produktionsweise mehr und mehr die gro&szlig;e Mehrzahl der Bev&ouml;lkerung in <A NAME="S482"><B>|482|</A></B> Proletarier verwandelt, schafft sie die Macht, die diese Umw&auml;lzung, bei Strafe des Unterganges, zu vollziehn hat. Indem sie mehr und mehr auf Verwandlung der gro&szlig;en vergesellschafteten Produktionsmittel in Staatseigentum dr&auml;ngt, zeigt sie selbst den Weg an zur Vollziehung dieser Umw&auml;lzung ... </P>
<P>Der Staat war der offizielle Repr&auml;sentant der ganzen Gesellschaft, ihre Zusammenfassung in einer sichtbaren K&ouml;rperschaft, aber er war dies nur,<I> insofern er der Staat derjenigen Klasse war</I>, welche selbst f&uuml;r ihre Zeit die ganze Gesellschaft vertrat: im Altertum Staat der sklavenhaltenden Staatsb&uuml;rger, im Mittelalter des Feudaladels, in unsrer Zeit der Bourgeoisie. Indem er endlich tats&auml;chlich Repr&auml;sentant der ganzen Gesellschaft wird,<I> macht er sich selbst &uuml;berfl&uuml;ssig</I>. Sobald es keine Gesellschaftsklasse mehr in der Unterdr&uuml;ckung zu halten gibt, sobald mit der Klassenherrschaft und dem in der bisherigen Anarchie der Produktion begr&uuml;ndeten Kampf ums Einzeldasein auch die daraus entspringenden Kollisionen und Exzesse beseitigt sind, gibt es nichts mehr zu reprimieren, das eine besondere Repressionsgewalt, einen Staat, n&ouml;tig machte. Der erste Akt, worin der Staat wirklich als Repr&auml;sentant der ganzen Gesellschaft auftritt - die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft -, ist zugleich sein letzter selbst&auml;ndiger Akt als Staat. Das Eingreifen einer Staatsgewalt in gesellschaftliche Verh&auml;ltnisse wird auf einem Gebiet nach dem andern &uuml;berfl&uuml;ssig und schl&auml;ft dann von selbst ein. An die Stelle der Regierung &uuml;ber Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht 'abgeschafft',<I> er stirbt ab</I>." <A NAME="ZF1"><A HREF="beaa_481.htm#F1">(1)</A></A></P>
<P>Mit dem Staat verschwinden seine Repr&auml;sentanten: Minister, Parlamente, stehendes Heer, Polizei und Gendarmen, Gerichte, Rechts- und Staatsanw&auml;lte, Gef&auml;ngnisbeamte, die Steuer- und Zollverwaltung, mit einem Wort: der ganze politische Apparat. Kasernen und sonstige Milit&auml;rbauten, Justiz- und Verwaltungspal&auml;ste, Gef&auml;ngnisse usw. harren jetzt einer besseren Bestimmung. Zehntausende von Gesetzen, Erlassen und Verordnungen werden Makulatur, sie besitzen nur noch historischen Wert. Die gro&szlig;en und doch so kleinlichen parlamentarischen K&auml;mpfe, bei denen die M&auml;nner der Zunge sich einbilden, durch ihre Reden die Welt zu beherrschen und zu lenken, sind verschwun- <A NAME="S483"><B>|483|</A></B> den, sie haben Verwaltungskollegien und Verwaltungsdelegationen Platz gemacht, die sich mit der besten Einrichtung der Produktion, der Distribution, der Festsetzung der H&ouml;he der notwendigen Vorr&auml;te, der Einf&uuml;hrung und Verwendung zweckentsprechender Neuerungen in der Kunst, dem Bildungswesen, dem Verkehrswesen, dem Produktionsproze&szlig; usw. in Industrie und Landwirtschaft zu befassen haben. Das sind alles praktische, sichtbare und greifbare Dinge, denen jeder objektiv gegen&uuml;bersteht, weil f&uuml;r ihn kein der Gesellschaft feindliches pers&ouml;nliches Interesse vorhanden ist. Keiner hat ein anderes Interesse als die Allgemeinheit, das darin besteht, alles aufs beste, zweckm&auml;&szlig;igste und vorteilhafteste einzurichten und herzustellen. </P>
<P>Die Hunderttausende ehemaliger Repr&auml;sentanten des Staates treten in die verschiedensten Berufe &uuml;ber und helfen mit ihrer Intelligenz und ihren Kr&auml;ften, den Reichtum und die Annehmlichkeiten der Gesellschaft vermehren. Man wird k&uuml;nftig weder politische Verbrechen und Vergehen noch gemeine kennen. Die Diebe sind verschwunden, weil das Privateigentum verschwunden ist und jeder in der neuen Gesellschaft leicht und bequem seine Bed&uuml;rfnisse durch Arbeit befriedigen kann. Auch "Stromer und Vagabunden" existieren nicht mehr, sie sind das Produkt einer auf dem Privateigentum beruhenden Gesellschaft, und sie h&ouml;ren auf zu sein, sobald dieses f&auml;llt. Mord? Weshalb? Keiner kann am anderen sich bereichern, auch der Mord aus Ha&szlig; oder Rache h&auml;ngt direkt oder indirekt mit dem Sozialzustand der Gesellschaft zusammen. Meineid, Urkundenf&auml;lschung, Betrug, Erbschleicherei, betr&uuml;gerischer Bankrott? Das Privateigentum fehlt, an dem und gegen das diese Verbrechen begangen werden konnten. Brandstiftung? Wer soll daran Freude oder Befriedigung suchen, da die Gesellschaft ihm jede M&ouml;glichkeit zum Hasse nimmt. M&uuml;nzverbrechen? "Ach, das Geld ist nur Schim&auml;re", der Liebe M&uuml;h' w&auml;re umsonst. Religionsschm&auml;hung? Unsinn; man &uuml;berl&auml;&szlig;t dem allm&auml;chtigen und allg&uuml;tigen Gott zu bestrafen, wer ihn beleidigt, vorausgesetzt, da&szlig; man sich noch um die Existenz Gottes streitet. </P>
<P>So werden alle Fundamente der heutigen "Ordnung" zur Mythe. Die Eltern erz&auml;hlen sp&auml;ter den Kindern davon wie aus alten m&auml;rchenhaften Zeiten. Und die Erz&auml;hlungen von den Hetzereien und Verfolgungen, womit man einst die M&auml;nner der neuen Ideen &uuml;bersch&uuml;ttete, werden ihnen genauso klingen, als wenn wir von Ketzer- und Hexenverbrennungen h&ouml;ren. Alle die Namen der "gro&szlig;en" M&auml;nner, die mit <A NAME="S484"><B>|484|</A></B> ihren Verfolgungen gegen die neuen Ideen sich hervortaten und daf&uuml;r von ihren beschr&auml;nkten Zeitgenossen mit Beifall &uuml;bersch&uuml;ttet wurden, sind vergessen und sto&szlig;en h&ouml;chstens dem Geschichtsforscher auf, wenn er in alten Werken bl&auml;ttert. Leider leben wir noch nicht in den gl&uuml;cklichen Zeiten, in welchen die Menschheit<I> frei</I> atmen darf. </P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten von August Bebel</P>
<P><A NAME="F1">(1)</A> Fr. Engels, Herrn Eugen D&uuml;hrings Umw&auml;lzung der Wissenschaft. Dritte, durchgesehene und vermehrte Auflage, S. 301 und 302. Stuttgart 1894. <A HREF="beaa_481.htm#ZF1">&lt;=</A></P></BODY>
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