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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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Raw Blame History

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<TITLE>Rosa Luxemburg - Die Krise der Sozialdemokratie - VI</TITLE>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "Link%201a" --><A HREF="luf_5.htm"><SMALL>Teil 5</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
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<HR size="1">
<H2>Rosa Luxemburg - Die Krise der Sozialdemokratie</H2>
<H1><!-- #BeginEditable "%DCberschrift" -->VI.<BR>
Die Einstellung des Klassenkampfes<!-- #EndEditable --></H1>
<HR size="1">
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<P ALIGN=left>Die andere Seite in der Haltung der Sozialdemokratie war die offizielle
Annahme des Burgfriedens, das hei&szlig;t die Einstellung des Klassenkampfes
f&uuml;r die Dauer des Krieges. Die im Reichstag am 4. August verlesene
Fraktionserkl&auml;rung war selbst der erste Akt dieser Preisgabe des Klassenkampfes:
ihr Wortlaut war im voraus mit den Vertretern der Reichsregierung und der
b&uuml;rgerlichen Parteien vereinbart, der feierliche Akt des 4. August
war ein hinter den Kulissen vorbereitetes patriotisches Schaust&uuml;ck
f&uuml;rs Volk und f&uuml;r das Ausland, in dem die Sozialdemokratie bereits
die von ihr &uuml;bernommene Rolle neben anderen Teilnehmern spielte.</P>
<P>Die Bewilligung der Kredite durch die Fraktion gab das Stichwort allen
leitenden Instanzen der Arbeiterbewegung. Die Gewerkschaftsf&uuml;hrer
veranla&szlig;ten sofort die Einstellung aller Lohnk&auml;mpfe und teilten
dies ausdr&uuml;cklich unter Berufung auf die patriotischen Pflichten des
Burgfriedens den Unternehmern offiziell mit. Der Kampf gegen die kapitalistische
Ausbeutung wurde f&uuml;r die Dauer des Krieges freiwillig aufgegeben.
Dieselben Gewerkschaftsf&uuml;hrer &uuml;bernahmen die Lieferung st&auml;dtischer
Arbeitskr&auml;fte an die Agrarier, um ihnen die ungest&ouml;rte Einholung
der Ernte zu sichern. Die Leitung der sozialdemokratischen Frauenbewegung
proklamierte die Vereinigung mit b&uuml;rgerlichen Frauen zum gemeinsamen &raquo;nationalen Frauendienst&laquo;, um die wichtigste nach der Mobilmachung
im Lande gebliebene Arbeitskraft der Partei statt zur sozialdemokratischen
Agitation zu nationalen Samariterdiensten, wie Verteilung von Suppen, Erteilung
von Rat usw. zu kommandieren. Unter dem Sozialistengesetz hatte die Partei
am meisten die Parlamentswahlen ausgen&uuml;tzt, um allen Belagerungszust&auml;nden
und Verfolgungen der sozialdemokratischen Presse zum Trotz Aufkl&auml;rung
zu verbreiten und ihre Position zu behaupten. Jetzt verzichtete die Sozialdemokratie
bei den Parlamentsnachwahlen zum Reichstag, den Landtagen und den Kommunalvertretungen
offiziell auf jeden Wahlkampf, das hei&szlig;t auf jede Agitation und Aufkl&auml;rung
im Sinne des proletarischen Klassenkampfes, und reduzierte die Parlamentswahlen
auf ihren schlichten b&uuml;rgerlichen Inhalt: auf die Einheimsung von
Mandaten, &uuml;ber die sie sich mit den b&uuml;rgerlichen Parteien schiedlich-friedlich
einigte. Die Zustimmung der sozialdemokratischen Vertreter zu dem Etat
in den Landtagen und Kommunalvertretungen - mit Ausnahme des preu&szlig;ischen
und elsa&szlig;-lothringischen Landtags &shy;, unter feierlicher Berufung
auf den Burgfrieden unterstrich den schroffen Bruch mit der Praxis vor
dem Kriegsausbruch. Die sozialdemokratische Presse, mit h&ouml;chstens
ein paar Ausnahmen, erhob laut das Prinzip der nationalen Einigkeit zum
Lebensinteresse des deutschen Volkes. Sie warnte gleich bei Ausbruch des
Krieges vor dem Zur&uuml;ckziehen der Guthaben aus den Sparkassen, wodurch
sie nach Kr&auml;ften die Beunruhigung des &ouml;konomischen Lebens im
Lande verh&uuml;tete und die hervorragende Heranziehung der Sparkassen
zu den Kriegsanleihen sicherte; sie warnte die Proletarierinnen davor,
ihren M&auml;nnern im Felde von ihrer und ihrer Kinder Not, von der ungen&uuml;genden
Versorgung durch den Staat zu berichten, und riet ihnen, auf die Krieger
lieber durch Schilderungen holden Familiengl&uuml;cks &raquo;und <B>durch
freundliche Darstellung der Hilfe</B>, die bisher gew&auml;hrt wurde, beruhigend
und erhebend zu wirken&laquo; <SPAN class="top"><A name="ZF10"></A><A href="luf_6.htm#F10">(10)</A></SPAN>.
<P></P>
<P>Sie pries die erzieherische Arbeit der modernen Arbeiterbewegung als
hervorragendes Hilfsmittel der Kriegf&uuml;hrung, zum Beispiel in folgendem
klassischen Probest&uuml;ck:</P>
<P><SMALL>&raquo;Wahre Freunde erkennt man nur in der Not. Dieses alte
Sprichwort wird im Augenblick zum Wahrwort. Die drangsalierten, gehudelten
und geb&uuml;ttelten Sozialdemokraten treten wie ein Mann auf zum Schutze
der Heimat, und die deutschen Gewerkschaftszentralen, denen man in Preu&szlig;en-Deutschland
das Leben oft so sauer machte, sie berichten &uuml;bereinstimmend, da&szlig;
ihre besten Leute sich bei der Fahne befinden. Sogar Unternehmerbl&auml;tter
vom Schlage des Generalanzeiger melden diese Tatsache und bemerken dazu,
sie seien &uuml;berzeugt, da&szlig; 'diese Leute' ihre Pflicht erf&uuml;llen
werden wie andere, und da&szlig; dort, wo <B>sie</B> stehen, die Hiebe
vielleicht am dichtesten fallen werden.</SMALL></P>
<P><SMALL>Wir aber sind der &Uuml;berzeugung, da&szlig; unsere geschulten
Gewerkschafter noch mehr k&ouml;nnen als 'dreinhauen'. Mit den modernen
Massenheeren ist das Kriegf&uuml;hren f&uuml;r die Generale nicht etwa
leichter geworden, das moderne Infanteriegescho&szlig;, mit dem man beinahe
bis auf 3.000 Meter, sicher aber bis auf 2.000 Meter noch 'Treffer' erzielen
kann, macht es den Heerf&uuml;hrern ganz unm&ouml;glich, gro&szlig;e Truppenverb&auml;nde
in geschlossener Marschkolonne vorw&auml;rts zu bringen. Da mu&szlig; vorzeitig
'auseinandergezogen' werden, und dieses Auseinanderziehen erfordert wieder
eine viel gr&ouml;&szlig;ere Zahl von Patrouillen und eine solche Disziplin
und Klarheit des Blickes nicht nur bei den Abteilungen, sondern auch beim
einzelnen Mann, da&szlig; sich in diesem Kriege wirklich zeigen wird, wie
erzieherisch die Gewerkschaften gewirkt haben und wie gut man sich auf
diese Erziehung in so schlimmen Tagen wie den jetzigen verlassen kann.
Der russische und der franz&ouml;sische Soldat m&ouml;gen Wunder an Tapferkeit
vollbringen, in der k&uuml;hlen ruhigen &Uuml;berlegung wird ihnen der
deutsche Gewerkschafter &uuml;ber sein. Wozu noch kommt, da&szlig; die
organisierten Leute oft in den Grenzgebieten Weg und Steg wie ihre Hosentasche
kennen da&szlig; manche Gewerkschaftsbeamte auch &uuml;ber Sprachkenntnisse
verf&uuml;gen usw. <B>Wenn es also anno 1866 hie&szlig;, der Vormarsch
der preu&szlig;ischen Truppen sei ein Sieg des Schulmeisters gewesen, so
wird man diesmal von einem Sieg des Gewerkschafsbeamten reden k&ouml;nnen.&laquo;</B>
(&raquo;Frankfurter Volksstimme&laquo; vom 18. August 1914.)</SMALL></P>
<P>Das theoretische Organ der Partei, <B>&raquo;Die Neue Zeit&laquo; </B>(Nr. 23 vom 25. September 1914), erkl&auml;rte: &raquo;Solange die Frage blo&szlig;
lautet <B>ob Sieg oder Niederlage</B>, dr&auml;ngt sie alle anderen Fragen
zur&uuml;ck, <B>sogar die nach Zweck des Krieges. Also erst recht alle
Unterschiede der Parteien, Klassen, Nationen innerhalb des Heeres und der
Bev&ouml;lkerung</B>.&laquo; Und in ihrer Nr. 8 vom 27. November 1914 erkl&auml;rte
dieselbe <B>&raquo;Neue Zeit&laquo; </B>in einem Artikel &raquo;Die Grenzen
der Internationale&laquo;: &raquo;Der Weltkrieg spaltet die Sozialisten in
verschiedene Lager und vorwiegend in verschiedene nationale Lager. <B>Die
Internationale ist unf&auml;hig, das zu verhindern.</B> Das hei&szlig;t, sie
ist kein wirksames Werkzeug im Kriege, sie ist im wesentlichen ein Friedensinstrument.&laquo;
Ihre &raquo;gro&szlig;e historische Aufgabe&laquo; sei &raquo;Kampf f&uuml;r
den Frieden, <B>Klassenkampf im Frieden</B>&laquo;. </P>
<P>Der Klassenkampf ist also von der Sozialdemokratie mit dem 4. August
1914 und bis zum k&uuml;nftigen Friedensschlu&szlig; f&uuml;r nicht existierend
erkl&auml;rt. Deutschland verwandelte sich mit dem ersten Donner der Kruppkanonen
in Belgien in ein Wunderland der Klassensolidarit&auml;t und der gesellschaftlichen
Harmonien. </P>
<P>Wie soll man sich dies Wunder eigentlich vorstellen? Der Klassenkampf
ist bekanntlich nicht eine Erfindung, nicht eine freie Sch&ouml;pfung der
Sozialdemokratie um von ihr beliebig und aus freien St&uuml;cken f&uuml;r
gewisse Zeitperioden abgestellt werden zu k&ouml;nnen. Der proletarische
Klassenkampf ist &auml;lter als die Sozialdemokratie; ein elementares Produkt
der Klassengesellschaft, lodert er schon mit dem Einzug des Kapitalismus
in Europa auf. Nicht die Sozialdemokratie hat erst das moderne Proletariat
zum Klassenkampf angeleitet, sie ist vielmehr selbst von ihm ins Leben
gerufen worden, um Zielbewu&szlig;tsein und Zusammenhang in die verschiedenen
&ouml;rtlichen und zeitlichen Fragmente des KIassenkampfes zu bringen.
Was hat sich nun daran mit dem Ausbruch des Krieges ge&auml;ndert? Hat
etwa Privateigentum, kapitalistische Ausbeutung, Klassenherrschaft aufgeh&ouml;rt?
Haben etwa die Besitzenden in der Aufwallung des Patriotismus erkl&auml;rt:
jetzt, angesichts des Krieges, geben wir f&uuml;r seine Dauer die Produktionsmittel:
Grund und Boden, Fabriken, Werke in den Besitz der Allgemeinheit, verzichten
auf die alleinige Nutznie&szlig;ung der G&uuml;ter, schaffen alle politischen
Privilegien ab und opfern sie auf dem Altar des Vaterlandes, solange es
in Gefahr ist? Die Hypothese ist h&ouml;chst abgeschmackt und gemahnt an
die Kinderfibel. Und doch w&auml;re dies die einzige Voraussetzung, auf
die logisch die Erkl&auml;rung der Arbeiterklasse h&auml;tte folgen k&ouml;nnen:
der Klassenkampf wird eingestellt. Aber es erfolgte nat&uuml;rlich nichts
derartiges. Im Gegenteil: alle Eigentumsverh&auml;ltnisse, die Ausbeutung,
die Klassenherrschaft, selbst die politische Entrechtung in ihrer mannigfachen
preu&szlig;isch-deutschen Gestalt sind intakt geblieben. An der &ouml;konomischen,
sozialen und politischen Struktur Deutschlands hat der Donner der Kanonen
in Belgien und Ostpreu&szlig;en nicht das geringste ge&auml;ndert.
<P></P>
<P>Die Aufhebung des Klassenkampfes war also eine ganz einseitige Ma&szlig;nahme.
W&auml;hrend der &raquo;innere Feind&laquo; der Arbeiterklasse, die kapitalistische
Ausbeutung und Unterdr&uuml;ckung, geblieben ist, haben die F&uuml;hrer
der Arbeiterklasse: Sozialdemokratie und Gewerkschaften, in patriotischem
Gro&szlig;mut die Arbeiterklasse diesem Feinde f&uuml;r die Dauer des Krieges
kampflos ausgeliefert. W&auml;hrend die herrschenden Klassen in voller
R&uuml;stung ihrer Besitzer- und Herrscherrechte blieben, wurde dem Proletariat
von der Sozialdemokratie die &raquo;Abr&uuml;stung&laquo; anbefohlen.</P>
<P>Das Wunder der Klassenharmonie, der Verbr&uuml;derung aller Schichten
in einer modernen b&uuml;rgerlichen Gesellschaft hat man schon einmal erlebt
- im Jahre 1848 in Frankreich.</P>
<P><SMALL>&raquo;In der Idee der Proletarier&laquo; &shy; schreibt
Marx in seinen &raquo;Klassenk&auml;mpfen in Frankreich&laquo; &shy;, &raquo;welche
die Finanzaristokratie mit der Bourgeoisie &uuml;berhaupt verwechselten;
in der Einbildung republikanischer Biederm&auml;nner, welche die Existenz
selbst der Klassen leugneten oder h&ouml;chstens als Folge der konstitutionellen
Monarchie zugaben; in den heuchlerischen Phrasen der bisher von der Herrschaft
ausgeschlossenen b&uuml;rgerlichen Fraktionen war die <B>Herrschaft der
Bourgeoisie abgeschafft mit der Einf&uuml;hrung der Republik</B>. Alle
Royalisten verwandelten sich damals in Republikaner und alle Million&auml;re
von Paris in Arbeiter. Die Phrase, welche dieser eingebildeten Aufhebung
der Klassenverh&auml;ltnisse entsprach, war die <B>fraternit&eacute;</B>,
die allgemeine Verbr&uuml;derung und Br&uuml;derschaft. Diese gem&uuml;tliche
Abstraktion von den Klassengegens&auml;tzen, diese sentimentale Ausgleichung
der sich widersprechenden Klasseninteressen, diese schw&auml;rmerische
Erhebung &uuml;ber den Klassenkampf, die Fraternit&eacute;, sie war das
eigentliche Stichwort der Februarrevolution... Das Pariser Proletariat
schwelgte in diesem gro&szlig;m&uuml;tigen Fraternit&auml;tsrausche...
Das Pariser Proletariat, das in der Republik seine eigene Sch&ouml;pfung
erkannte, akklamierte nat&uuml;rlich jedem Akt der provisorischen Regierung,
der sie leichter in der b&uuml;rgerlichen Gesellschaft Platz greifen lie&szlig;.
Von Caussidi&egrave;re lie&szlig; es sich willig zu Polizeidiensten verwenden,
um das Eigentum in Paris zu besch&uuml;tzen, wie es die Lohnzwiste zwischen
Arbeitern und Meistern von Louis Blanc schlichten lie&szlig;. Es war sein
Point d'honneur, vor den Augen von Europa die b&uuml;rgerliche Ehre der
Republik unangetastet zu lassen.&laquo;</SMALL></P>
<P>Im Februar 1848 hatte also das Pariser Proletariat in naiver Illusion
auch den Klassenkampf abgestellt, aber wohlgemerkt nachdem es durch seine
revolution&auml;re Aktion die Julimonarchie zerschmettert und die Republik
erzwungen hatte. Der 4. August 1914, das war die auf den Kopf gestellte
Februarrevolution: Die Aufhebung der Klassengegens&auml;tze nicht unter
der Republik, sondern unter der Milit&auml;rmonarchie, nicht nach einem
Siege des Volkes &uuml;ber die Reaktion, sondern nach einem Siege der Reaktion
&uuml;ber das Volk, nicht bei der Proklamierung der Libert&eacute;, Egalit&eacute;,
Fraternit&eacute;, sondern bei der Proklamierung des Belagerungszustands,
Erdrosselung der Pre&szlig;freiheit und Aufhebung der Verfassung. Die Regierung
proklamierte feierlich den Burgfrieden und nahm den Handschlag aller Parteien
darauf, ihn ehrlich einzuhalten. Aber als erfahrener Politiker traute sie
dem Versprechen nicht recht und sicherte sich den &raquo;Burgfrieden&laquo; &shy; durch handgreifliche Mittel der Milit&auml;rdiktatur. Die sozialdemokratische
Fraktion akzeptierte auch das ohne jeden Protest und Widerstand.
<P></P>
<P>Nicht mit einer Silbe verwahrte sich die Reichstagserkl&auml;rung der
Fraktion vom 4. August und auch die vom 2. Dezember gegen die Ohrfeige
des Belagerungszustands. Mit dem Burgfrieden und den Kriegskrediten bewilligte
die Sozialdemokratie stillschweigend den Belagerungszustand, der sie selbst
geknebelt den herrschenden Klassen vor die F&uuml;&szlig;e legte. Damit
erkannte sie zugleich an, da&szlig; zur Verteidigung des Vaterlandes der
Belagerungszustand, die Knebelung des Volkes, die Milit&auml;rdiktatur
notwendig seien. Aber der Belagerungszustand war gegen niemand anderen
als gegen die Sozialdemokratie gerichtet. Nur von ihrer Seite konnte man
Widerstand, Schwierigkeiten und Protestaktionen gegen den Krieg erwarten.
Im gleichen Atem, wo man unter Zustimmung der Sozialdemokratie den Burgfrieden,
also Aufhebung der Klassengegens&auml;tze proklamierte, wurde sie selbst,
die Sozialdemokratie, in Belagerungszustand erkl&auml;rt, gegen die Arbeiterklasse
der Kampf in seiner sch&auml;rfsten Gestalt, in der Form der Milit&auml;rdiktatur
proklamiert. Als Frucht ihrer Kapitulation erhielt die Sozialdemokratie,
was sie im schlimmsten Falle einer Niederlage bei entschlossenem Widerstand
erhalten h&auml;tte: den Belagerungszustand! Die feierliche Erkl&auml;rung
der Reichstagsfraktion beruft sich zur Begr&uuml;ndung der Kreditbewilligung
auf das sozialistische Prinzip: das Selbstbestimmungsrecht der Nationen.
Der erste Schritt der &raquo;Selbstbestimmung&laquo; der deutschen Nation
in diesem Kriege war die Zwangsjacke des Belagerungszustands, in die man
die Sozialdemokratie steckte. Eine gr&ouml;&szlig;ere Selbstverh&ouml;hnung
einer Partei hat die Geschichte wohl kaum je gesehen.</P>
<P>Mit der Annahme des Burgfriedens hat die Sozialdemokratie f&uuml;r die
Dauer des Krieges den Klassenkampf verleugnet. Aber damit verleugnete sie
die Basis der eigenen Existenz, der eigenen Politik. Was ist jeder ihrer
Atemz&uuml;ge sonst als Klassenkampf? Welche Rolle konnte sie nun w&auml;hrend
der Dauer des Krieges spielen, nachdem sie ihr Lebensprinzip: den Klassenkampf,
preisgegeben hatte? Mit der Verleugnung des Klassenkampfes gab sich die
Sozialdemokratie f&uuml;r die Dauer des Krieges selbst den Laufpa&szlig;
als aktive politische Partei, als Vertreterin der Arbeiterpolitik. Damit
schlug sie sich aber auch ihre wichtigste Waffe aus der Hand: die Kritik
des Krieges vom besonderen Standpunkt der Arbeiterklasse. Sie &uuml;berlie&szlig;
die &raquo;Vaterlandsverteidigung&laquo; den herrschenden Klassen und begn&uuml;gte
sich damit, die Arbeiterklasse unter deren Kommando zu stellen und f&uuml;r
die Ruhe unter dem Belagerungszustand zu sorgen, das hei&szlig;t die Rolle
des Gendarmen der Arbeiterklasse zu spielen. </P>
<P>
<P>Durch ihre Haltung hat die Sozialdemokratie aber auch noch weit &uuml;ber
die Dauer des heutigen Krieges hinaus die Sache der deutschen Freiheit,
f&uuml;r die nach der Fraktionserkl&auml;rung die Kruppkanonen jetzt sorgen,
aufs schwerste gef&auml;hrdet. In den f&uuml;hrenden Kreisen der Sozialdemokratie
wird viel auf die Aussicht gebaut, da&szlig; der Arbeiterklasse nach dem
Kriege eine bedeutende Erweiterung demokratischer Freiheiten, da&szlig;
ihr b&uuml;rgerliche Gleichberechtigung als Lohn f&uuml;r ihr vaterl&auml;ndisches
Verhalten im Kriege verliehen werden w&uuml;rde. Aber noch nie in der Geschichte
sind beherrschten Klassen politische Rechte als Trinkgeld f&uuml;r ihr
den herrschenden Klassen genehmes Verhalten von diesen verliehen worden.
Im Gegenteil ist die Geschichte mit Beispielen des schn&ouml;den Wortbruchs
der Herrschenden selbst in solchen F&auml;llen ges&auml;t, wo feierliche
Versprechungen vor dem Kriege gemacht worden waren. In Wirklichkeit hat
die Sozialdemokratie durch ihr Verhalten nicht die k&uuml;nftige Erweiterung
der politischen Freiheiten in Deutschland gesichert, sondern die vor dem
Kriege besessenen ersch&uuml;ttert. Die Art und Weise, wie in Deutschland
die Aufhebung der Pre&szlig;freiheit, der Versammlungsfreiheit, des &ouml;ffentlichen
Lebens, wie der Belagerungszustand nun lange Monate ohne jeden Kampf, ja
mit teilweisem Beifall gerade von sozialdemokratischer Seite <SPAN class="top"><A name="ZF11"></A><A href="luf_6.htm#F11">(11)</A></SPAN>
ertragen wird, ist beispiellos in der Geschichte der modernen Gesellschaft.</P>
<P>In England herrscht v&ouml;llige Pre&szlig;freiheit, in Frankreich ist
die Presse nicht entfernt derart geknebelt wie in Deutschland. In keinem
Lande ist die &ouml;ffentliche Meinung derart v&ouml;llig verschwunden,
einfach durch die offizi&ouml;se &raquo;Meinung&laquo;, durch den Befehl
der Regierung ersetzt wie in Deutschland. Auch in Ru&szlig;land kennt man
blo&szlig; den verheerenden Rotstift des Zensors, der die oppositionelle
Meinung vertilgt, g&auml;nzlich unbekannt ist dagegen die Einrichtung,
da&szlig; die oppositionelle Presse von der Regierung gelieferte fertige
Artikel abdrucken, da&szlig; sie in eigenen Artikeln bestimmte Auffassungen
vertreten mu&szlig;, die ihr von Regierungsbeh&ouml;rden in &raquo;vertraulichen
Besprechungen mit der Presse&laquo; diktiert und anbefohlen werden. Auch
in Deutschland selbst war w&auml;hrend des Krieges von 1870 nichts dem
heutigen Zustand &auml;hnliches erlebt worden. Die Presse erfreute sich
unbeschr&auml;nkter Freiheit und begleitete die Kriegsereignisse zum lebhaften
Verdru&szlig; Bismarcks mit teilweise scharfen Kritiken sowie mit einem
munteren Kampf der Meinungen, namentlich auch &uuml;ber Kriegsziele, Annexionsfragen,
Verfassungsfragen usw. Als aber Johann Jacoby verhaftet wurde, da ging
ein Sturm der Entr&uuml;stung durch Deutschland, und Bismarck hat selbst
das dreiste Attentat der Reaktion als einen schweren Mi&szlig;griff abgesch&uuml;ttelt.
Das war die Lage in Deutschland, nachdem Bebel und Liebknecht im Namen
der deutschen Arbeiterklasse jede Gemeinschaft mit den herrschenden Hurrapatrioten
schroff abgelehnt hatten. Und es mu&szlig;te erst die vaterl&auml;ndische
Sozialdemokratie mit ihren 4 1/4 Millionen W&auml;hlern, das r&uuml;hrende
Vers&ouml;hnungsfest des Burgfriedens und die Zustimmung der sozialdemokratischen
Fraktion zu den Kriegskrediten kommen, damit &uuml;ber Deutschland die
h&auml;rteste Milit&auml;rdiktatur verh&auml;ngt wurde, die je ein m&uuml;ndiges
Volk &uuml;ber sich hat ergehen lassen. Da&szlig; derartiges heute in Deutschland
m&ouml;glich, ja nicht nur von der b&uuml;rgerlichen, sondern von der hoch
entwickelten und einflu&szlig;reichen sozialdemokratischen Presse v&ouml;llig
kampflos, ohne jeden Versuch eines namhaften Widerstandes hingenommen wird,
diese Tatsache ist f&uuml;r die Schicksale der deutschen Freiheit von verh&auml;ngnisvollster
Bedeutung. Sie beweist, da&szlig; die Gesellschaft in Deutschland f&uuml;r
die politischen Freiheiten heute in sich selbst keine Grundlagen hat, da
sie die Freiheit so leicht und ohne jede Reibung entbehren kann. Vergessen
wir nicht, da&szlig; das k&uuml;mmerliche Ma&szlig; an politischen Rechten,
das im Deutschen Reich vor dem Kriege bestand, nicht wie in Frankreich
und England eine Frucht gro&szlig;er und wiederholter revolution&auml;rer
K&auml;mpfe und durch deren Tradition im Leben des Volkes fest verankert
ist, sondern das Geschenk der Bismarckschen Politik nach einer &uuml;ber
zwei Jahrzehnte dauernden, siegreichen Konterrevolution. Die deutsche Verfassung
war nicht auf Revolutionsfeldern gereift, sondern in dem diplomatischen
Spiel der preu&szlig;ischen Milit&auml;rmonarchie als das Zement, womit
diese Milit&auml;rmonarchie zum heutigen Deutschen Reich ausgebaut wurde.
Die Gefahren f&uuml;r die &raquo;freiheitliche Entwicklung Deutschlands&laquo; liegen nicht, wie die Reichstagsfraktion meinte, in Ru&szlig;land, sie
liegen in Deutschland selbst. Sie liegen in diesem besonderen konterrevolution&auml;ren
Ursprung der deutschen Verfassung, sie liegen in jenen reaktion&auml;ren
Machtfaktoren der deutschen Gesellschaft, die seit der Gr&uuml;ndung des
Reiches einen st&auml;ndigen stillen Krieg gegen die k&uuml;mmerliche &raquo;deutsche
Freiheit&laquo; gef&uuml;hrt haben; und das sind: das ostelbische Junkertum,
das gro&szlig;industrielle Scharfmachertum, das stockreaktion&auml;re Zentrum,
die Verlumpung des deutschen Liberalismus, das pers&ouml;nliche Regiment
und die aus alle den Faktoren zusammen hervorgegangene S&auml;belherrschaft,
der Zabernkurs, der just vor dem Kriege in Deutschland Triumphe feierte.
Das sind die wirklichen Gefahren f&uuml;r die Kultur und &raquo;freiheitliche
Entwicklung&laquo; Deutschlands. Und alle jene Faktoren st&auml;rkt jetzt
der Krieg, der Belagerungszustand und die Haltung der Sozialdemokratie
in h&ouml;chstem Ma&szlig;e. Es gibt freilich eine echt liberale Ausrede
f&uuml;r die heutige Kirchhofsruhe in Deutschland: das sei ja nur &raquo;zeitweiliger&laquo; Verzicht f&uuml;r die Dauer des Krieges. Aber ein politisch reifes Volk
kann so wenig &raquo;zeitweilig&laquo; auf die politischen Rechte und das
&ouml;ffentliche Leben verzichten, wie ein lebender Mensch auf das Luftatmen &raquo;verzichten&laquo; kann. Ein Volk, das durch sein Verhalten zugibt,
w&auml;hrend des Krieges sei Belagerungszustand notwendig, hat damit zugegeben,
die politische Freiheit sei &uuml;berhaupt entbehrlich. Die duldende Zustimmung
der Sozialdemokratie zum heutigen Belagerungszustand &shy; und ihre Kreditbewilligung
ohne jeden Vorbehalt wie die Annahme des Burgfriedens bedeutet nichts anderes
&shy;, mu&szlig; im gleichen Ma&szlig;e auf die Volksmassen, diese einzige
St&uuml;tze der Verfassung in Deutschland, demoralisierend wirken, wie
sie auf die herrschende Reaktion, den Feind der Verfassung, ermutigend
und st&auml;rkend wirkt.
</P>
<P></P>
<P>Durch den Verzicht auf den Klassenkampf hat sich unsere Partei aber
zugleich eine wirksame Beeinflussung der Dauer des Krieges und der Gestaltung
des Friedensschlusses abgeschnitten. Und hier schlug sie ihrer eigenen
offiziellen Erkl&auml;rung ins Gesicht. Eine Partei, die sich feierlich
verwahrte gegen alle Annexionen, das hei&szlig;t gegen unvermeidliche logische
Konsequenzen des imperialistischen Krieges, sofern er milit&auml;risch
gl&uuml;cklich verl&auml;uft, lieferte zugleich durch Annahme des Burgfriedens
alle Mittel und Waffen aus, die geeignet w&auml;ren, die Volksmassen, die
&ouml;ffentliche Meinung in ihrem Sinne zu mobilisieren, durch sie einen
wirksamen Druck auszu&uuml;ben und so den Krieg zu kontrollieren, den Frieden
zu beeinflussen. Umgekehrt. Indem sie durch den Burgfrieden dem Militarismus
Ruhe im R&uuml;cken sicherte, erlaubte ihm die Sozialdemokratie, ohne jede
R&uuml;cksicht auf andere Interessen als die der herrschenden Klassen seinen
Bahnen zu folgen, entfesselte sie seine ungez&uuml;gelten inneren imperialistischen
Tendenzen, die grade nach Annexion streben und zu Annexionen f&uuml;hren
m&uuml;ssen. Mit andern Worten: die Sozialdemokratie verurteilte durch
die Annahme des Burgfriedens und die politische Entwaffnung der Arbeiterklasse
ihre eigene feierliche Verwahrung gegen jede Annexion dazu, eine ohnm&auml;chtige
Phrase zu bleiben.</P>
<P>Aber damit ist noch ein anderes erreicht: die Verl&auml;ngerung des
Krieges! Und hier ist es mit H&auml;nden zu greifen, welcher gef&auml;hrliche
Fallstrick f&uuml;r die proletarische Politik in dem jetzt gel&auml;ufigen
Dogma liegt: unser Widerstand gegen den Krieg k&ouml;nne nur solange geboten
werden, als erst Kriegsgefahr bestehe. Ist der Krieg da, dann sei die Rolle
der sozialdemokratischen Politik ausgespielt, dann hei&szlig;e es nur noch:
Sieg oder Niederlage, das hei&szlig;t der Klassenkampf h&ouml;re f&uuml;r
die Dauer des Krieges auf. In Wirklichkeit beginnt f&uuml;r die Politik
der Sozialdemokratie die gr&ouml;&szlig;te Aufgabe nach dem Ausbruch des
Krieges. Die unter einm&uuml;tiger Zustimmung der deutschen Partei- und
Gewerkschaftsvertreter angenommene Resolution des Stuttgarter Internationalen
Kongresses von 1907, die in Basel 1912 nochmals best&auml;tigt wurde, besagt:</P>
<P><SMALL>&raquo;Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es
die Pflicht der Sozialdemokratie, <B>f&uuml;r dessen rasche Beendigung</B>
einzutreten und mit allen Kr&auml;ften dahin zu streben, die durch den
Krieg herbeigef&uuml;hrte <B>wirtschaftliche und politische Krise zur Aufr&uuml;ttelung
des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen
Klassenherrschaft zu beschleunigen</B>.&laquo;</SMALL></P>
<DIV ALIGN="LEFT">
<P>Was tat die Sozialdemokratie in diesem Kriege? Das direkte Gegenteil
von dem Gebot des Stuttgarter und Baseler Kongresses: sie wirkt durch die
Bewilligung der Kredite und die Einhaltung des Burgfriedens mit allen Mitteln
dahin, die wirtschaftliche und politische Krise, die Aufr&uuml;ttelung
der Massen durch den Krieg zu verh&uuml;ten. Sie &raquo;strebt mit allen
Kr&auml;ften&laquo; darnach, die kapitalistische Gesellschaft vor ihrer
eigenen Anarchie im Gefolge des Krieges zu retten, damit wirkt sie f&uuml;r
die ungehinderte Verl&auml;ngerung des Krieges und die Vergr&ouml;&szlig;erung
der Zahl seiner Opfer. Angeblich w&auml;re &shy; wie man von den Reichstagsabgeordneten
oft h&ouml;ren kann &shy;, kein Mann weniger auf dem Schlachtfeld gefallen,
ob die sozialdemokratische Fraktion die Kriegskredite bewilligt h&auml;tte
oder nicht. Ja, unsere Parteipresse vertrat allgemein die Meinung: wir
m&uuml;&szlig;ten gerade die &raquo;Verteidigung des Landes&laquo; mitmachen
und unterst&uuml;tzen, um f&uuml;r unser Volk m&ouml;glichst die blutigen
Opfer des Krieges zu verringern. Die betriebene Politik hat das Gegenteil
erreicht: erst durch das &raquo;vaterl&auml;ndische&laquo; Verhalten der
Sozialdemokratie, dank dem Burgfrieden im R&uuml;cken, konnte der imperialistische
Krieg ungescheut seine Furien entfesseln. Bisher war die Angst vor inneren
Unruhen, vor dem Grimm des notleidenden Volkes der st&auml;ndige Alpdruck
und dadurch der wirksamste Z&uuml;gel der herrschenden Klassen bei ihren
Kriegsgel&uuml;sten. Bekannt ist das Wort von B&uuml;lows, da&szlig; man
jetzt haupts&auml;chlich aus Angst vor der Sozialdemokratie jeden Krieg
m&ouml;glichst hinauszuschieben trachte. Rohrbach sagt in seinem &raquo;Krieg
und die deutsche Politik&laquo; auf S.VII: &raquo;Wenn nicht elementare Katastrophen
eintreten, so ist das einzige, was Deutschland zum Frieden zwingen k&ouml;nnte,
der Hunger der Brotlosen.&laquo; Er dachte offenbar an einen Hunger, der
sich meldet, der sich vernehmlich und bemerkbar macht, um den herrschenden
Klassen die R&uuml;cksichtnahme auf sich nahezulegen. H&ouml;ren wir endlich,
was ein hervorragender Milit&auml;r und Theoretiker des Krieges, General
von <B>Bernhardi</B>, sagt. In seinem gro&szlig;en Werk &raquo;Vom heutigen
Kriege&laquo; schreibt er:</P>
</DIV>
<P><SMALL>&raquo;So erschweren die <B>modernen Massenheere</B> die
Kriegf&uuml;hrung in den verschiedensten Beziehungen. Au&szlig;erdem aber
stellen sie an und f&uuml;r sich auch <B>ein nicht zu untersch&auml;tzendes
Gefahrmoment dar</B>.</SMALL></P>
<P><SMALL>Der Mechanismus eines solchen Heeres ist so gewaltig und
kompliziert, da&szlig; er operationsf&auml;hig und lenkbar nur dann bleiben
kann, wenn das R&auml;derwerk wenigstens im gro&szlig;en und ganzen zuverl&auml;ssig
arbeitet und starke moralische Ersch&uuml;tterungen in gr&ouml;&szlig;erem
Umfange vermieden werden. Da&szlig; derartige Erscheinungen bei einem wechselvollen
Kriege vollst&auml;ndig ausgeschaltet werden k&ouml;nnten, darauf freilich
kann man ebensowenig rechnen, wie auf lauter siegreiche K&auml;mpfe. Sie
lassen sich auch &uuml;berwinden, wenn sie sich in begrenztem Umfange geltend
machen. Wo aber gro&szlig;e, zusammengedr&auml;ngte Massen einmal der F&uuml;hrung
aus der Hand gehen, wo sie in panische Zust&auml;nde verfallen, wo die
Verpflegung in gr&ouml;&szlig;erem Umfange versagt, und der Geist der Unbotm&auml;&szlig;igkeit
in den Scharen Herr wird, da werden solche Massen nicht nur widerstandsunf&auml;hig
gegen den Feind, sondern sie werden sich selbst und der eigenen Heeresleitung
zur Gefahr werden, indem sie die Bande der Disziplin sprengen, den Gang
der Operationen willk&uuml;rlich st&ouml;ren und damit die F&uuml;hrung
vor Aufgaben stellen, die sie zu l&ouml;sen au&szlig;erstande ist.</SMALL></P>
<P>
<P><SMALL><B>Der Krieg mit modernen Heeresmassen ist also unter
allen Umst&auml;nden ein gewagtes Spiel</B>, das die personellen wie finanziellen
Kr&auml;fte des Staates aufs &auml;u&szlig;erste in Anspruch nimmt. Unter
solchen Umst&auml;nden ist es nur nat&uuml;rlich, da&szlig; &uuml;berall
Anordnungen getroffen werden, die es erm&ouml;glichen sollen, <B>den Krieg,
wenn er ausbricht, rasch zu beenden und die ungeheure Spannung rasch zu
l&ouml;sen, die sich aus dem Aufgebot ganzer Nationen ergeben mu&szlig;</B>.&laquo;</SMALL></P>
<P>So hielten b&uuml;rgerliche Politiker wie milit&auml;rische Autorit&auml;ten
den Krieg mit den modernen Massenheeren f&uuml;r ein &raquo;gewagtes Spiel&laquo;,
und dies war das wirksamste Moment, um die heutigen Machthaber vor der
Anzettelung eines Krieges zur&uuml;ckzuhalten wie im Falle des Kriegsausbruchs
auf dessen rasche Beendigung bedacht zu sein. Das Verhalten der Sozialdemokratie
in diesem Kriege, das nach jeder Richtung dahin wirkt, um &raquo;die ungeheure
Spannung&laquo; zu d&auml;mpfen, hat die Besorgnisse zerstreut, es hat die
einzelnen D&auml;mme, die der ungehemmten Sturmflut des Militarismus entgegenstanden,
niedergerissen. Ja, es sollte etwas eintreten, was nie ein Bernhardi oder
ein b&uuml;rgerlicher Staatsmann im Traume h&auml;tte f&uuml;r m&ouml;glich
halten k&ouml;nnen: aus dem Lager der Sozialdemokratie erscholl die Losung
des &raquo;Durchhaltens&laquo;, das hei&szlig;t der Fortsetzung der Menschenschl&auml;chterei.
Und so fallen seit Monaten Tausende von Opfern, welche die Schlachtfelder
bedecken, auf unser Gewissen.</P>
<HR size="1">
<P>Fu&szlig;noten von Rosa Luxemburg</P>
<P><SPAN class="top">(10)<A name="F10"></A></SPAN> Siehe den Artikel des N&uuml;rnberger Parteiorgans,
nachgedruckt im Hamburger &raquo;Echo&laquo; vom 6. Oktober 1914. <A href="luf_6.htm#ZF10">&lt;=</A></P>
<P><SPAN class="top">(11)<A name="F11"></A></SPAN> Die <B>&raquo;Chemnitzer Volksstimme&laquo; </B>schrieb am 21. Oktober 1914: &raquo;Jedenfalls ist die Milit&auml;rzensur
in Deutschland im ganzen genommen anst&auml;ndiger und vern&uuml;nftiger
als in Frankreich oder England. Das Geschrei &uuml;ber die Zensur, hinter
dem sich vielfach der Mangel an fester Stellungnahme zum Kriegsproblem
verbirgt, hilft nur Deutschlands Feinden die L&uuml;ge verbreiten, als
sei Deutschland ein zweites Ru&szlig;land. Wer ernsthaft glaubt, unter
der jetzigen Milit&auml;rzensur nicht nach seiner Gesinnung schreiben zu
k&ouml;nnen, der lege die Feder aus der Hand und schweige.&laquo; <A href="luf_6.htm#ZF11">&lt;=</A></P>
<!-- #EndEditable -->
<HR size="1" align="left" width="200">
<P><SMALL>Quelle: &raquo;die nicht mehr existierende Website "Unser Kampf" auf fr<66>her "http://felix2.2y.net/deutsch/index.html"&laquo;<BR>
Pfad: &raquo;../lu/&laquo;<BR>
Verkn&uuml;pfte Dateien: &raquo;<A href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">../css/format.css</A>&laquo;</SMALL>
<HR size="1">
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
<TR>
<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="../index.shtml.html"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
<TD align="center"><B>|</B></TD>
<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "Link%201b" --><A href="luf_5.htm"><SMALL>Teil 5</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
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<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="luf.htm"><SMALL>Inhalt</SMALL></A></TD>
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<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "Link%202b" --><A href="luf_7.htm"><SMALL>Teil 7</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
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<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="default.htm"><SMALL>Rosa Luxemburg</SMALL></A></TD>
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