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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx/Friedrich Engels - [Die Westm&auml;chte und die T&uuml;rkei]</TITLE>
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<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 10, S. 9-19<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961</P>
</FONT><H2>Karl Marx</H2>
<H1>[Die Westm&auml;chte und die T&uuml;rkei]</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</FONT> </P>
<P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 3988 vom 28. Januar 1854]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S9">&lt;9&gt;</A></B> London, Dienstag, 10. Januar 1854.</P>
<P>Die Beschuldigung gegen Szemere, er habe den Ort verraten, an dem die ungarische Krone verborgen war, wurde zuerst von dem Wiener "Soldatenfreund", dem anerkannten Organ der &ouml;sterreichischen Polizei, erhoben, und dies allein m&uuml;&szlig;te gen&uuml;gen, um die Falschheit der Anklage zu beweisen. Es ist bei der Polizei nicht &uuml;blich, die eigenen Komplizen freiwillig anzuzeigen; vielmehr geh&ouml;rt es zu ihren gewohnten Winkelz&uuml;gen, den Verdacht auf die Unschuldigen zu lenken, um die wirklich Schuldigen zu decken. Ein Mann von dem Ansehen und dem Einflu&szlig; Szemeres w&auml;re wohl der letzte, den die &ouml;sterreichische Polizei aus freien St&uuml;cken geopfert h&auml;tte, wenn es ihr gelungen w&auml;re, sich seine Mitarbeit zu sichern. Falls - was keineswegs unwahrscheinlich ist - das Geheimnis nicht durch die Indiskretion eines der Parteig&auml;nger Kossuths verraten wurde, so kann ich nur den Grafen K. Batthy&aacute;ny, der jetzt in Paris lebt, des Verrats verd&auml;chtigen. Er war einer der sehr wenigen, die um das Versteck wu&szlig;ten, in dem die k&ouml;niglichen Insignien verborgen waren, und er ist der einzige unter ihnen, der den Wiener Hof um <I>Amnestie </I>ersucht hat. Letzteres, so vermute ich mit gutem Grund, wird er nicht leugnen.</P>
<P>Lord Hardinge, der britische Oberbefehlshaber, ist bewogen worden, sein Abschiedsgesuch zur&uuml;ckzuziehen. &Uuml;ber den Herzog von Norfolk hat sich, wie uns der Korrespondent der "Dublin Evening Mail" unterrichtet, </P>
<FONT SIZE=2><P>"einiger Hofklatsch verbreitet. Ein gewisser edler Herzog, der am Hofe ein Amt und die h&ouml;chste erbliche Feudalw&uuml;rde im Staate innehat, machte, wie es hei&szlig;t, etwas zu freien Gebrauch von dem Champagner an der k&ouml;niglichen Tafel. wonach er im Speisesaal sein h&ouml;chst edles Gleichgewicht verlor und Ihre Majest&auml;t selbst in die Katastrophe verwickelte. Dieses st&ouml;rende contretemps &lt;&Auml;rgernis&gt; f&uuml;hrte zum R&uuml;cktritt des edlen Herzogs und zur Ernennung von Earl Spencer zum k&ouml;niglichen Oberhofmeister."</P>
</FONT><B><P><A NAME="S10">&lt;10&gt;</A> </B>Herr Sadleir, der Makler der Irischen Brigade, hat erneut um R&uuml;cktritt von seinem Ministerposten ersucht, der diesmal von Lord Aberdeen angenommen wurde. Seine Position war unhaltbar geworden nach den &ouml;ffentlichen Enth&uuml;llungen vor einem irischen Gerichtshof &uuml;ber die skandal&ouml;sen Mittel, mit denen er es fertiggebracht hatte, ins Parlament zu gelangen. Der Einflu&szlig; des Kabinetts aller Talente &uuml;ber die Irische Brigade wird durch diesen peinlichen Vorfall nicht gerade verst&auml;rkt.</P>
<P>Die Brotunruhen am Freitag und Sonnabend in Crediton, Devonshire, waren gleichsam eine Antwort des Volkes auf die enthusiastischen Schilderungen des Wohlstands, mit denen die ministeriellen und Freihandelsbl&auml;tter ihre Leser zum Ausgang des Jahres 1853 unterhalten zu k&ouml;nnen geglaubt hatten.</P>
<P>Die "Patrie" berichtet aus Trapezunt, das Volk sei, als der russische Gesch&auml;ftstr&auml;ger in Teheran die Entlassung von zwei der popul&auml;rsten Minister des Schahs von Persien verlangt habe, in Erregung geraten, und der Befehlshaber der Garde habe erkl&auml;rt, er k&ouml;nne nicht f&uuml;r die Aufrechterhaltung der &ouml;ffentlichen Ruhe einstehen, falls man dieser Forderung nachg&auml;be. Diesem Bericht zufolge veranla&szlig;te die Furcht vor einem Ausbruch des Volkszorns gegen Ru&szlig;land den Schah, seine Beziehungen zum Gesch&auml;ftstr&auml;ger Englands wiederaufzunehmen.</P>
<P>Zu der Unmenge ver&ouml;ffentlichter diplomatischer Schriftst&uuml;cke kommen jetzt noch eine <I>Note der vier M&auml;chte </I>vom 12. Dezember hinzu, die von den jeweiligen Gesandten in Konstantinopel gemeinsam an die Pforte gerichtet ist, sowie ein neues Zirkular von Drouyn de Lhuys an die franz&ouml;sischen diplomatischen Vertreter vom 30. Dezember aus Paris. Bei sorgsamer Durchsicht der Note der vier M&auml;chte verstehen wir, weshalb in Konstantinopel eine solch au&szlig;ergew&ouml;hnliche Erregung herrschte, als die Annahme der Note durch die Pforte bekannt wurde, weshalb die Aufstandsbewegung vom 21. entstand und weshalb das t&uuml;rkische Ministerium feierlich verk&uuml;nden mu&szlig;te, da&szlig; die Kriegsoperationen durch die erneuten Friedensverhandlungen weder unterbrochen noch beeintr&auml;chtigt w&uuml;rden. Genau neun Tage nachdem die Nachricht von dem verr&auml;terischen und feigen Gemetzel in Sinope Konstantinopel erreicht und im ganzen Ottomanischen Reich einen einzigen furchtbaren Racheschrei ausgel&ouml;st hatte, fordern die vier M&auml;chte die Pforte kaltbl&uuml;tig auf - und die Gesandten Gro&szlig;britanniens und Frankreichs zwingen sie sogar -, Verhandlungen mit dem Zaren auf der Grundlage aufzunehmen, da&szlig; alle <I>alten Vertr&auml;ge erneuert werden sollen</I>; da&szlig; die Fermane &uuml;ber die geistlichen Privilegien, die der Sultan seinen christlichen Untertanen gew&auml;hrt hatte, von neuen Zusicherungen begleitet sein sollen, die jeder <A NAME="S11"><B>&lt;11&gt;</A></B> dieser M&auml;chte, folglich auch dem Zaren, gegeben werden; da&szlig; die Pforte einen Bevollm&auml;chtigten ernennen soll, um einen Waffenstillstand abzuschlie&szlig;en; da&szlig; sie Ru&szlig;land erlauben soll, eine Kirche und ein Hospital in Jerusalem zu errichten, und da&szlig; sie sich gegen&uuml;ber den M&auml;chten, folglich auch dem Zaren, verpflichten soll, ihr inneres Verwaltungssystem zu verbessern. Die Pforte soll nicht nur keine Entsch&auml;digung f&uuml;r die schweren Verluste erhalten, die sie durch die Piratenstreiche des Moskowiters erlitten hat; all die Ketten, an denen Ru&szlig;land die T&uuml;rkei ein Vierteljahrhundert lang hat tanzen lassen, sollen nicht nur neu geschmiedet, sondern der Gefangene soll auch noch strenger als bisher gehalten werden; die Pforte soll sich in die Gewalt des Autokraten begeben, indem sie ihm dem&uuml;tig die Fermane &uuml;ber die geistlichen Privilegien ihrer christlichen Untertanen garantiert und sich ihm gegen&uuml;ber hinsichtlich ihres inneren Verwaltungssystems verpflichtet. Damit w&uuml;rde sie dem Zaren gleichzeitig das religi&ouml;se Protektorat wie auch die Kontrolle &uuml;ber ihre Zivilverwaltung ausliefern. Als Entsch&auml;digung f&uuml;r eine derartige Kapitulation wird der Pforte die "so schleunig als m&ouml;glich stattfindende R&auml;umung der Donauf&uuml;rstent&uuml;mer", deren Besetzung Lord Clanricarde als "Piratenst&uuml;ck" bezeichnete, versprochen und zugesichert, da&szlig; die Pr&auml;ambel des Vertrags vom 13. Juli 1841, die sich als ein so zuverl&auml;ssiger Schutz gegen Ru&szlig;land erwiesen hat, f&ouml;rmlich bekr&auml;ftigt werden soll.</P>
<P>Obgleich die abgrundtiefe Niedertracht dieser j&auml;mmerlichen "M&auml;chte" ihren H&ouml;hepunkt erreichte, als sie die Pforte einige Tage nach Sinope zwangen, Verhandlungen auf solcher Grundlage zu f&uuml;hren, werden sie auf diese hinterh&auml;ltige Art nicht aus ihrer heiklen Situation herauskommen. Der Zar ist schon zu weit gegangen, um auch nur den Anschein zuzulassen, da&szlig; das von ihm beanspruchte alleinige Protektorat &uuml;ber die christlichen Untertanen der T&uuml;rkei durch ein europ&auml;isches ersetzt wird, und wir sind bereits durch den Wiener Korrespondenten der "Times" unterrichtet, da&szlig;</P>
<FONT SIZE=2><P>"&Ouml;sterreich angefragt hat, ob der russische Hof Einw&auml;nde gegen ein europ&auml;isches Protektorat &uuml;ber die Christen in der T&uuml;rkei erheben w&uuml;rde. Die in entschiedenstem Ton gehaltene Antwort besagte, da&szlig; Ru&szlig;land keiner anderen Macht gestatten werde, sich in Fragen der griechisch-orthodoxen Kirche einzumischen. Ru&szlig;land habe Vertr&auml;ge mit der Pforte und werde diese Frage mit ihr allein regeln."</P>
</FONT><P>Auch im "Standard" lesen wir, da&szlig;</P>
<FONT SIZE=2><P>"Nikolaus nicht gewillt ist, einen Vorschlag anzunehmen, der nicht direkt vom t&uuml;rkischen Herrscher kommt; damit lehnt er jegliches Recht der europ&auml;ischen M&auml;chte auf Vermittlung oder Einmischung ab und f&uuml;gt jenen M&auml;chten eine Beleidigung zu, die niemand als unverdient betrachten kann."</P>
</FONT><B><P><A NAME="S12">&lt;12&gt;</A></B> Die einzige wichtige Stelle im Zirkular des Herrn Drouyn de Lhuys ist die Bekanntgabe, da&szlig; die vereinigten Flotten ins Schwarze Meer auslaufen und beabsichtigen,</P>
<FONT SIZE=2><P>"ihre Bewegungen in einer Weise zu kombinieren, welche verhindern soll, da&szlig; das Territorium oder die Flagge der T&uuml;rkei neuerdings den Angriffen der russischen Streitkr&auml;fte zur See ausgesetzt sei".</P>
</FONT><P>Non bis in idem. &lt;Man richtet nicht zweimal &uuml;ber dasselbe Vergehen.&gt; La moutarde apr&egrave;s la viande. &lt;Da kommt der Mostrich nach dem Essen.&gt; Der gestrige "Morning Chronicle" ver&ouml;ffentlichte eine Depesche seines Korrespondenten in Konstantinopel vom 30. Dezember, in der mitgeteilt wird, da&szlig; die vereinigten Flotten ins Schwarze Meer eingelaufen seien.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Vermutlich laufen die Flotten ins Schwarze Meer nur ein", schreibt die "Daily News, "um das zu tun, was sie im Bosporus getan haben - n&auml;mlich nichts."</P>
</FONT><P>Der "Press" zufolge</P>
<FONT SIZE=2><P>"sind bereits Befehle an jeweils ein Schiff der englischen und der franz&ouml;sischen Flotte ergangen, ins Schwarze Meer einzulaufen und sich unter der wei&szlig;en Flagge nach Sewastopol zu begeben. Dort sollen sie dann dem russischen Admiral bekanntgeben, da&szlig; man sofort das Feuer gegen ihn er&ouml;ffnen werde, falls er den Hafen von Sewastopol verlasse."</P>
</FONT><P>Obwohl die russische Flotte in dieser nicht gerade sehr g&uuml;nstigen Jahreszeit und nach ihrer ruhmreichen Heldentat von Sinope absolut keinen Grund hat, sich in das Schwarze Meer zu begeben, wird der Zar es England und Frankreich nicht erlauben, ihn, und sei es auch nur zeitweilig, aus den Gew&auml;ssern zu dr&auml;ngen, von denen er sie seit 1833 stets fernzuhalten vermochte. Sein Prestige w&auml;re dahin, w&uuml;rde er diese Nachricht nicht mit einer Kriegserkl&auml;rung beantworten.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Eine russische Kriegserkl&auml;rung an Frankreich und England", hei&szlig;t es in der "Neuen Preu&szlig;ischen Zeitung", "ist wahrscheinlicher als ein baldiger Frieden zwischen Ru&szlig;land und der T&uuml;rkei."</P>
</FONT><P>In Newry (Ulster) wurde ein gro&szlig;es Meeting &uuml;ber den durch nichts herausgeforderten &Uuml;berfall Ru&szlig;lands auf die T&uuml;rkei abgehalten. Ich bin erfreut, durch Herrn Urquharts freundliche &Uuml;bersendung des Berichts aus Newry Ihren Lesern die bemerkenswertesten Stellen aus der Rede dieses Herrn &uuml;bermitteln zu k&ouml;nnen. Da ich schon verschiedentlich meine eigenen Ansichten zur orientalischen Frage dargelegt habe, brauche ich nicht mehr <A NAME="S13"><B>&lt;13&gt;</A></B> jene Punkte hervorzuheben, in denen ich mich nicht mit Herrn Urquhart einverstanden erkl&auml;ren kann. Ich m&ouml;chte lediglich darauf hinweisen, da&szlig; die folgende Nachricht seine Ansichten best&auml;tigt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die Bauern der Kleinen Walachei haben sich mit Unterst&uuml;tzung des walachischen Milit&auml;rs gegen die Russen erhoben. Das ganze Land in der Umgegend von Kalafat und entlang des linken Donauufers ist in Bewegung. Die russischen Beamten haben Turmal verlassen.</P>
</FONT><P>Nach einigen einleitenden Bemerkungen f&uuml;hrte Urquhart aus:</P>
<FONT SIZE=2><P>"In den Fragen, die unsere ernstesten Belange gegen&uuml;ber anderen Staaten und unsere Beziehungen zu ihnen ber&uuml;hren, gibt es weder eine gesetzliche Beschr&auml;nkung noch eine systematische Lenkung, gibt es keine Verantwortlichkeit gegen&uuml;ber der Nation, keine Strafen f&uuml;r die Unterlassung einer Pflicht oder f&uuml;r das Begehen eines Verbrechens; ihr seid jeder M&ouml;glichkeit konstitutioneller Einwirkung vollst&auml;ndig beraubt, weil ihr entweder in Unwissenheit gehalten oder falsch informiert werdet. Dieses System ist also dazu bestimmt, die Nation irrezuf&uuml;hren die Regierung zu korrumpieren und den Staat zu gef&auml;hrden. Indessen seid ihr gegen eine Regierung, die &auml;u&szlig;erst raffiniert und mit Methode vorgeht, die &auml;u&szlig;erst feindselig auftritt und gewissenlos ist und die sich ihren Weg zu jener die Welt bedrohenden Vormachtstellung mit Hilfe gerade der Regierungen gebahnt hat, auf deren Sturz sie jetzt hinarbeitet - und hierin liegt die Besonderheit unserer Lage, wie dies ehedem auch in Athen gewesen -, da&szlig; n&auml;mlich Ru&szlig;land die Hauptmittel seiner Gr&ouml;&szlig;e im Herzen jenes Staates gefunden oder geschaffen hat, dessen &ouml;ffentliche Organe sich seiner Politik am meisten widersetzten. Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb England in derartigen Dingen ein Schandmal der Unwissenheit darstellt. Die Vereinigten Staaten haben einen Pr&auml;sidenten, der die der Krone eigenen Hoheitsrechte aus&uuml;bt, einen Senat, der die Exekutivgewalt kontrolliert und von vornherein &uuml;ber ihre Handlungen informiert ist." ("H&ouml;rt, h&ouml;rt!" Beifall.) "In Frankreich hat es zur Untersuchung der Staatsgesch&auml;fte wiederholt Parlamentskommissionen gegeben, die sich Dokumente vorlegen lie&szlig;en und den Minister des Ausw&auml;rtigen zur Befragung vor luden. Auch ist dort die Nation, wenigstens ihrer Information entsprechend, wachsam und ebenso die Regierung; denn an solchen Dingen h&auml;ngt die Existenz von Ministerien und Dynastien. In &Ouml;sterreich gibt es wenigstens einen Monarchen, der vom Vorgehen seiner Untergebenen unterrichtet ist. In der T&uuml;rkei und in Ru&szlig;land seht ihr, wie in dem einen Land die Meinung des Volkes die Regierung dr&auml;ngt und in dem anderen die Regierung den Willen der Nation verk&ouml;rpert. So bleibt allein England mit einer Krone ohne Autorit&auml;t, einer Regierung ohne System, einem Parlament ohne Kontrolle und einer Nation in Unwissenheit." ("H&ouml;rt, h&ouml;rt!") "Wenn wir unsere Aufmerksamkeit nun wieder der gegenw&auml;rtigen Lage, den vor uns liegenden Tatsachen zuwenden, so mu&szlig; ich zun&auml;chst darauf hinweisen - und das ist der springende Punkt -, da&szlig; Ru&szlig;land nicht die Macht hat, seine Drohungen zu verwirklichen, und da&szlig; es lediglich mit der M&ouml;glichkeit gerechnet hat, euch in unbegr&uuml;ndetem Schrecken zu halten, da&szlig; es absolut nicht die Absicht hatte, <A NAME="S14"><B>&lt;14&gt;</A></B> gegen die T&uuml;rkei Krieg zu f&uuml;hren, da&szlig; es garnicht die Mittel hierf&uuml;r hat, da&szlig; es auf ein derartiges Unternehmen nicht einmal vorbereitet ist, da&szlig; es damit gerechnet hat, ihr w&uuml;rdet die T&uuml;rkei in Schach halten, damit es ihre Provinzen besetzen kann, und da&szlig; es weiter hofft, ihr w&uuml;rdet diesen Staat zwingen, Ru&szlig;lands anma&szlig;enden Forderungen, die den Zerfall des Ottomanischen Reiches herbeif&uuml;hren sollen, nachzugeben." ("H&ouml;rt, h&ouml;rt!") "Mit Hilfe eures Gesandten in Konstantinopel und eures Geschwaders im Bosporus ist Ru&szlig;land dabei, seine Ziele zu verwirklichen. Und hier mu&szlig; ich auf eine Behauptung meines tapferen Freundes, des Obersten Chesney, hinweisen und gleichzeitig etwas erg&auml;nzen, was er ausgelassen hat. Er erkl&auml;rte, da&szlig; die T&uuml;rkei - wie die Dinge vor dem &Uuml;berschreiten des Pruth standen - Ru&szlig;land mehr als nur gewachsen war; aber er erw&auml;hnte nichts von der hohen Achtung, die er den milit&auml;rischen F&auml;higkeiten der T&uuml;rken zollt und auch schon zum Ausdruck gebracht hat. Er sagte, selbst im gegenw&auml;rtigen Zeitpunkt und trotz all der gro&szlig;en Vorteile, die Ru&szlig;land durch euch erzielen konnte, frage er sich noch immer, ob die T&uuml;rkei Ru&szlig;land nicht doch gewachsen sei. In diesem Punkte hege ich nicht den geringsten Zweifel, zwei Bedingungen vorausgesetzt - erstens, da&szlig; euer Gesandter und euer Geschwader zur&uuml;ckgezogen werden, und zweitens, da&szlig; die T&uuml;rkei aufh&ouml;rt, sich durch ihr Vertrauen auf Ausl&auml;nder zu schw&auml;chen. Doch danach folgte eine weitere, allerdings nicht von Bedenken freie Behauptung, die jedoch auf Grund seiner hohen Autorit&auml;t - und es gibt auf diesem Gebiet keine h&ouml;here Autorit&auml;t - eine unangemessene Bedeutung erlangen oder zu einer nicht zu rechtfertigenden Auslegung f&uuml;hren kann. Er erkl&auml;rte, der gegenw&auml;rtige Augenblick k&ouml;nnte g&uuml;nstig sein f&uuml;r Ru&szlig;land, weil die Donau gefroren sei und es mit seinen Truppen &uuml;ber die Donau nach Bulgarien vorsto&szlig;en k&ouml;nnte. Aber welche Truppen kann es denn nach Bulgarien verlegen? Europa hat seit vielen Monaten &uuml;bertriebenen Nachrichten gelauscht; man hat uns emsig &uuml;ber die riesigen Ansammlungen einsatzbereiter russischer Truppen informiert. Sie wurden allgemein auf 150.000 Mann gesch&auml;tzt, und das Volk mochte wohl glauben, da&szlig; 150.000 Mann gen&uuml;gten, um die T&uuml;rkei zu erobern. Ich erhielt vor einiger Zeit einen amtlichen Bericht, in dem die Gesamtzahl der Truppen, die den Pruth &uuml;berquert hatten, auf 80.000 Mann herabgesetzt war, wovon bereits 20.000 bis 30.000 durch Krankheit umgekommen oder ins Lazarett gebracht worden waren. Ich schickte diesen Bericht an eine Zeitung; er wurde aber nicht ver&ouml;ffentlicht, da man ihn f&uuml;r nicht glaubw&uuml;rdig hielt. Ru&szlig;land hat jetzt selbst Angaben ver&ouml;ffentlicht, worin die Gesamtzahl auf 70.000 Mann reduziert ist." (Beifall.) "L&auml;&szlig;t man nun das Verh&auml;ltnis der St&auml;rke beider Reiche, wenn alle ihre Kr&auml;fte mobilisiert sind, au&szlig;er Betracht, so sollte klar sein, da&szlig; Ru&szlig;land nicht die Absicht hatte, mit einer solchen Truppenst&auml;rke Krieg zu f&uuml;hren. Aber welche Streitmacht konnte nun eigentlich die T&uuml;rkei dem entgegenstellen? Zu dem betreffenden Zeitpunkt befanden sich zwischen Balkan und Donau nicht weniger als 180.000 Mann, die jetzt auf 200.000 Mann in starken, befestigten Stellungen angewachsen sind, bei einem russischen Heer, das auf mindestens 50.000 Mann zusammengeschmolzen und zudem durch Niederlagen demoralisiert und durch Desertion zersetzt ist. Was die F&auml;higkeiten der t&uuml;rkischen Truppen und ihre &Uuml;berlegenheit &uuml;ber die Russen anbelangt, so habt ihr das Zeugnis des Generals Bem geh&ouml;rt; ihr habt den lebenden Beweis des Obersten <A NAME="S15"><B>&lt;15&gt;</A></B> Chesney, der durch die Ereignisse, die Europa in Erstaunen und Bewunderung versetzten, best&auml;tigt wurde. Bedenkt, da&szlig; uns jetzt nicht das Verh&auml;ltnis der St&auml;rke der beiden Reiche interessiert, sondern das Vorhaben und die Handlungsweise des einen von ihnen - n&auml;mlich Ru&szlig;lands. Ich hin der Ansicht, da&szlig; es nicht beabsichtigte, Krieg zu f&uuml;hren, denn einmal hatte es nicht die erforderlichen Kr&auml;fte zur Stelle und zum anderen konnte es sich auf das englische Kabinett verlassen. Ru&szlig;land hatte nicht die Absicht, Krieg zu f&uuml;hren - es hat diese auch jetzt nicht. Ich sagte schon vor dem Krieg; in die Donauf&uuml;rstent&uuml;mer einfallen und diese besetzen werde es mit Hilfe Englands. Wie war es mir m&ouml;glich, das vorauszusagen? Gewi&szlig; nicht, weil ich die russischen Pl&auml;ne kannte, die Tausende genausogut oder besser als ich kennen, sondern weil ich Englands Charakter kannte. Aber wollen wir die Frage von neuem &uuml;berdenken - sie ist zu wichtig, um &uuml;bergangen zu werden. Oberst Chesney meinte, das ganze Problem w&auml;re die Reserve, die Ru&szlig;land hinter dem Pruth hatte. Von dieser Reserve hat er k&uuml;rzlich eine ganze Menge geh&ouml;rt. Osten-Sacken zog mit seinen 50.000 Mann in voller Marschordnung auf die Donau zu, um die Katastrophe von Oltenitza wieder wettzumachen. Die 50.000 Mann schmolzen auf 18.000 zusammen, und das Beste daran ist, da&szlig; nicht einmal diese angekommen sind." (Gel&auml;chter und Beifallsrufe.) "Nimmt man Oberst Chesneys Zahl von 75.000, die durch Todesf&auml;lle und Erkrankungen auf 50.000 zur&uuml;ckgegangen ist, und schl&auml;gt man die &uuml;berall verstreute Reserve von 18.000 Mann noch dazu, so haben wir im Grunde doch nur 70.000 Mann, die gegen 200.000 in starken Verschanzungen vorgehen sollen, &uuml;berdies in bergigem Gel&auml;nde und zu einer Jahreszeit, zu der sich die Russen bisher best&auml;ndig zur&uuml;ckgezogen haben. Erlaubt mir, euch jetzt die Ereignisse des letzten Krieges von 1828/29 ins Ged&auml;chtnis zur&uuml;ckzurufen. Die T&uuml;rkei machte damals politische Ersch&uuml;tterungen durch. Die Muselmanen richteten das Schwert gegeneinander; die Provinzen waren in Aufruhr, Griechenland im Aufstand, die alte milit&auml;rische Macht vernichtet, die neuen Rekruten, ohnehin nur 33.000 Mann an der Zahl, kaum ausgebildet. Die mit voller Wucht auf den Hafen von Navarino abgefeuerten britischen Breitseiten entrissen der T&uuml;rkei die Herrschaft &uuml;ber das Schwarze Meer; und dann &uuml;berfiel Ru&szlig;land, von England und Frankreich unterst&uuml;tzt, die T&uuml;rkei und drang bis in das Zentrum ihrer Provinzen vor, ehe sie &uuml;berhaupt merkte, da&szlig; ihr Krieg erkl&auml;rt worden war. Aber was glaubt ihr, wieviel Mann sie dann einzuberufen f&uuml;r richtig hielt? Zweihundertundasechzehntausend!" (Beifall.) "Und doch wurde sie nur durch T&auml;uschung und den Einflu&szlig; des englischen Gesandten, der ungl&uuml;cklicherweise zur&uuml;ckgekehrt war, dazu gebracht, den Vertrag von Adrianopel zu unterzeichnen, der ihr durch den pl&ouml;tzlichen &Uuml;berfall aufgezwungen wurde." ("H&ouml;rt, h&ouml;rt!") "Werft einen Blick auf die jetzige T&uuml;rkei, einig in Herz und Hirn, mit einem von Vaterlandsliebe und Abscheu vor Gewalttaten gleicherma&szlig;en befl&uuml;gelten Heroismus, mit geeinter Staatsmacht, unerme&szlig;lichen Hilfsquellen; in der Lage, &uuml;ber 300.000 Freiwillige zu verf&uuml;gen, voller Kriegsmut, wie man ihn auf der Erde nicht wiederfindet, und &uuml;ber 250.000 ausgebildete, in Asien siegreiche Soldaten; mit der Herrschaft &uuml;ber das Schwarze Meer, einem wohlgemerkt nicht verlorenen Sinope, wie ich gleich zeigen werde, und im Besitz von Dampfschiffen, um ihre Truppen ohne Menschen- und Zeitverluste von den entlegensten Provinzen des Reiches auf den Kriegsschauplatz zu <A NAME="S16"><B>&lt;16&gt;</A></B> werfen; von den schneebedeckten Gipfeln des Kaukasus bis zu den unfruchtbaren W&uuml;sten Arabiens, von den weiten Ein&ouml;den Afrikas bis zum Persischen Golf &uuml;berall herrscht ein Geist der Entr&uuml;stung, ist ein Geist der Tapferkeit erwacht." ("H&ouml;rt!" Beifall.) "Aber wie im vorigen Krieg ein Navarino die Kosaken &uuml;ber den Balkan brachte, so k&ouml;nnen jetzt die Schiffsschrauben Britanniens, selbst ohne Krieg, die alten russischen Schiffe in die Dardanellen bringen. Doch ich spreche von russischen Absichten; das ist der springende Punkt. Dieser Sieg mu&szlig; in der Downing Street errungen werden und nicht im Osten. Bleibt ihr indessen ungeschoren? Gibt es hier einen unter euch, der nicht im Grunde genommen leidet, einen, dessen Brotpreis nicht steigt, f&uuml;r den die M&ouml;glichkeit, zu arbeiten oder sein Kapital anzulegen, nicht eingeschr&auml;nkt wird?" ("H&ouml;rt, h&ouml;rt!") "Wessen Steuern werden nicht erh&ouml;ht? Wird die Change alley etwa nicht ersch&uuml;ttert? Haben wir nicht gesehen, wie durch diese Bewegung der russischen Truppen eine Zerr&uuml;ttung des Geldmarktes hervorgerufen worden ist, die zu zwei Dritteln der von 1847 gleicht - und doch hat Ru&szlig;land niemals Krieg gewollt. Haben wir nicht gesehen, wie die Regierungen Europas erniedrigt wurden und wie man den Boden f&uuml;r Aufst&auml;nde und Ersch&uuml;tterungen bereitete - und doch hat Ru&szlig;land niemals Krieg gewollt. Haben wir nicht gesehen, wie sich das Ottomanische Reich durch ein riesiges Heer von einer halben Million Mann ersch&ouml;pfte, weil Ru&szlig;land 70.000 Mann verlegte, um sie auf Kosten der T&uuml;rkei und auf Kosten der Arbeiter Gro&szlig;britanniens zu verpflegen? Und das alles, weil ihr leichtgl&auml;ubige Leute geglaubt habt, Ru&szlig;land sei so stark, da&szlig; man ihm nicht Widerstand leisten, und die T&uuml;rkei so schwach, da&szlig; man sie nicht unterst&uuml;tzen k&ouml;nne. Wir leben wirklich in einem Zeitalter der Tr&auml;ume und Fabeln; wir sind imstande, nicht nur das zu glauben, sondern auch, da&szlig; Ru&szlig;land m&auml;chtiger als alle anderen M&auml;chte der Welt ist, die gegen Ru&szlig;land verb&uuml;ndet sind. Die 'Times' &auml;u&szlig;ert sich geringsch&auml;tzig &uuml;ber die muselmanische Armee wie auch &uuml;ber die Armeen Frankreichs und die Seestreitkr&auml;fte Englands und erkl&auml;rt allen Ernstes, da&szlig; ganz Europa und die T&uuml;rkei noch dazu ebensogut versuchen k&ouml;nnten, die Russen von Konstantinopel fernzuhalten, wie sie die Nordwinde davon abhalten k&ouml;nnten, &uuml;ber die Sarmatischen Ebenen zu wehen. Und was f&uuml;r Europa zutrifft, gilt in gleichem Ma&szlig;e f&uuml;r die T&uuml;rkei; doch wenn ihr ausharrt, wird die T&uuml;rkei fallen. Ru&szlig;land hat 70.000 Mann verlegt, und folglich ist die T&uuml;rkei voller Schrecken und Entr&uuml;stung, England ist von Furcht und Panik gepackt, und auch Ru&szlig;land bebt - vor Lachen." (Gel&auml;chter und anhaltender Beifall.) "Ich sagte, ich k&auml;me auf die Aff&auml;re von Sinope zur&uuml;ck oder - wie man sie mit Recht genannt hat - auf das kleine Navarino. Ich erinnere an jenen besch&auml;menden Vorfall nicht in Verbindung mit unserem Verhalten - denn wir haben dabei nichts Schmachvolleres begangen als in den &uuml;brigen F&auml;llen -, sondern tue dies nur, um das Kr&auml;fteverh&auml;ltnis der beiden Parteien zu beleuchten. So betrachtet, hat die Aff&auml;re Ru&szlig;lands Macht um nichts vergr&ouml;&szlig;ert und die der T&uuml;rkei um nichts vermindert, ganz im Gegenteil: Sie hat die berechtigte Furcht der Russen vor der Tapferkeit der T&uuml;rken in ein h&ouml;chst unmi&szlig;verst&auml;ndliches Licht ger&uuml;ckt. Hier stehen wir vor einer Tatsache, die selbst in unseren Seekriegsannalen nicht ihresgleichen findet - Fregatten. die sich Bord an Bord an Linienschiffe legen, und Kapit&auml;ne, die die Fackel in das Pulvermagazin werfen und sich selbst als Brandopfer auf dem Altar des Vaterlandes <A NAME="S17"><B>&lt;17&gt;</A></B> darbringen. Was kann man nicht alles gegen eine Regierung erreichen, die bei jedem Schritt, und besonders bei diesem, Gegenstand des Abscheus und Entsetzens f&uuml;r jeden Menschen ist. Bedenkt, da&szlig; die Seestreitmacht der T&uuml;rkei unangetastet ist; nicht ein Linienschiff, nicht ein Dampfer ging verloren. Jetzt ist die Herrschaft der T&uuml;rkei &uuml;ber das Schwarze Meer doppelt gesichert, falls die Diplomaten abberufen werden, und sie, sie allein haben die sogenannte Katastrophe von Sinope heraufbeschworen. Aber diese Katastrophe war mit einem anderen Ziel vorbereitet worden; sie war als Stock und Peitsche gedacht, um die z&ouml;gernden Lasttiere in Paris und London anzutreiben und sie zu veranlassen, den kriegf&uuml;hrenden M&auml;chten die Bedingungen eines Abkommens aufzuzwingen. Ehe ich in diese Versammlung kam, h&ouml;rte ich, wie ein Herr des Komitees erkl&auml;rte, es sei f&uuml;r England und Frankreich v&ouml;llig statthaft gewesen, sich einzumischen, falls sie dadurch hofften, den Frieden zu sichern. Ich wei&szlig;, da&szlig; diese Auffassung der allgemeine Eindruck im Lande ist, aber nichtsdestoweniger konnte ich ihm nur mit Entsetzen zuh&ouml;ren. Wer hat euch das Recht gegeben, durch die Welt zu ziehen und mit Waffen Frieden zu erzwingen? Einer Aggression Widerstand leisten und eine Aggression ver&uuml;ben, sind zwei verschiedene Dinge." ("H&ouml;rt, h&ouml;rt!") "Selbst um die T&uuml;rkei zu retten, k&ouml;nnt ihr euch nicht einmischen, ohne Ru&szlig;land den Krieg zu erkl&auml;ren. Eure Einmischung jedoch wird Ru&szlig;land von Vorteil sein, sie geschieht auf sein Gehei&szlig; und mit der Absicht, der T&uuml;rkei Bedingungen aufzuerlegen, die sie zu Fall bringen m&uuml;ssen ... In euren Verhandlungen werdet ihr der T&uuml;rkei vorschlagen, sich der fr&uuml;heren Vertr&auml;ge mit Ru&szlig;land zugunsten eines europ&auml;ischen Abkommens zu entledigen. Das ist tats&auml;chlich schon vorgebracht worden und hat bei einer Nation Beifall gefunden, die jeglicher Verwirrung Beifall zollt. Du lieber Himmel! Ein europ&auml;isches Abkommen! Darauf soll sich die T&uuml;rkei verlassen! Gewi&szlig; war auch euer Wiener Vertrag ein europ&auml;isches Abkommen, aber mit welchem Ergebnis? Jenes Abkommen war wegen der Schaffung Polens wichtig; und was geschah mit Polen? Was sagte euch euer Minister &uuml;ber jenen Vertrag, als Polen gefallen war? Nun, er sagte, 'da&szlig; der Vertrag England das Recht gegeben hat, eine Meinung &uuml;ber die Vorg&auml;nge in Polen zu &auml;u&szlig;ern'. Und nachdem er dann behauptete, da&szlig; er schon vor dem Vorfall Einw&auml;nde erhoben habe, sagte er: 'Aber Ru&szlig;land war hierin anderer Ansicht.' Dasselbe wird auch mit eurem gegenw&auml;rtigen Abkommen geschehen; Ru&szlig;land wird dar&uuml;ber anderer Ansicht sein." (Lauter Beifall.) "Diese Worte fielen im Unterhaus; sie wurden von demselben Minister" (Lord Palmerston) "ausgesprochen, in dessen H&auml;nden jetzt das Schicksal der T&uuml;rkei liegt wie seinerzeit das Polens. Doch jetzt seid ihr gewarnt, damals wart ihr unwissend ... Ich m&ouml;chte nun auf eine Meldung eingehen, die k&uuml;rzlich in der 'Times' ver&ouml;ffentlicht wurde. Darin hei&szlig;t es, zwischen unserem Gesandten in Persien und der Regierung des Schahs habe es Differenzen gegeben. Als der Schah schon nachgehen wollte, mischte sich der russische Gesandte ein und verschlimmerte noch den Streit. Da treibt also Ru&szlig;land England aus Persien, w&auml;hrend England im selben Moment Ru&szlig;land der T&uuml;rkei aufdr&auml;ngt. In der gleichen Meldung wird erw&auml;hnt, da&szlig; in Teheran eine Gesandtschaft eingetroffen ist, da&szlig; die Afghanen au&szlig;erordentlich erregt sind und da&szlig; Dost Muhammad Chan, dieser unvers&ouml;hnliche Feind Ru&szlig;lands, von Herzen auf einen Erfolg seiner Gesandtschaft hofft, die Persien dazu bewegen soll, die <A NAME="S18"><B>&lt;18&gt;</A></B> T&uuml;rkei zu unterst&uuml;tzen. Ihr werdet euch daran erinnern, da&szlig; England vor sechzehn Jahren gegen die Afghanen Krieg f&uuml;hrte, um Dost Muhammad Chan zu entthronen, weil er ein Feind Englands und ein fester Verb&uuml;ndeter Ru&szlig;lands sei. Vielleicht glaubte eure Regierung daran. Wenn ja, dann ist es sehr merkw&uuml;rdig, weshalb sie nicht gegen Ru&szlig;land, sondern gegen die Afghanen Krieg f&uuml;hrte, was diese doch direkt in die Arme Ru&szlig;lands treiben mu&szlig;te. Aber eure Regierung dachte nicht daran, das zu glauben; sie wu&szlig;te damals sehr genau, da&szlig; Dost Muhammad Chan, wie man jetzt sieht, ein unvers&ouml;hnlicher Feind Ru&szlig;lands war, und gerade aus diesem Grunde griff sie ihn ja an. Der Sachverhalt ist festgestellt worden, und im Unterhaus wurde bewiesen, da&szlig; die Dokumente, die Dost Muhammad Chan als Verb&uuml;ndeten Ru&szlig;lands hinstellten, gef&auml;lscht waren. Der englische Gesandte selbst schickte das Original zur Ver&ouml;ffentlichung nach Hause." ("Pfui!") "Das ist nur das folgerichtige Ergebnis der Heimlichtuerei der Regierung und jener Unwissenheit der Nation, auf die ich bereits hinwies. In dieser Versammlung sehe ich keinen, der nicht durch stillschweigendes Dulden Mitschuldiger an diesem Verbrechen ist und der durch diese Gleichg&uuml;ltigkeit gegen&uuml;ber den Handlungen und dem Ansehen seines Landes nicht auf den Stand eines Sklaven gesunken ist, obwohl er in dem Wahn lebt, ein freier B&uuml;rger zu sein." ("H&ouml;rt, h&ouml;rt!") "Darf ich euch ein wenig dar&uuml;ber berichten, was Ausl&auml;nder von euch denken? Ihr habt k&uuml;rzlich viel von deutschen Einfl&uuml;ssen am Hofe geh&ouml;rt. Vielleicht m&ouml;chtet ihr etwas &uuml;ber die Ansichten der deutschen Vettern der K&ouml;nigin h&ouml;ren? Nun, so erlaubt mir denn, euch zu erkl&auml;ren, wenn Deutschland russenfreundlich ist, darin hat England es dazu gemacht. H&ouml;rt also diese Worte:</P>
<P>'Wenn England und Frankreich sich nicht einmischen, wird die T&uuml;rkei siegen. Wenn dagegen die Westm&auml;chte in ihrer t&ouml;richten Unterw&uuml;rfigkeit sich des "Vermittelns" oder des Einmischens in die orientalischen Angelegenheiten nicht enthalten k&ouml;nnen, so ist die T&uuml;rkei verloren, und die allgemeine Herrschaft der Moskauer Kosaken wird bald die Geschicke dieser Welt lenken! Und wie edel ist bislang die Stellung und Haltung der armen T&uuml;rkei gewesen - trotz aller diplomatischen Unterschlagungen und obwohl sie eine Bande von M&ouml;rdern f&uuml;r ihre Freunde hielt. Die Dinge sehen tats&auml;chlich finster aus! Ich habe st&uuml;ndlich erwartet, da&szlig; die alliierten Flotten die Hauptstadt der T&uuml;rkei beschie&szlig;en, um ihren heroischen Geist zu brechen und sie zu entehrender Unterwerfung zu zwingen. Die T&uuml;rken k&ouml;nnen wahrlich sagen: "Longa est injuria, longae ambages, sed summa sequor fastigia rerum!" &lt;" Lang w&auml;hrt das Unrecht, lang die Ungewi&szlig;heit, doch ich strebe nach den h&ouml;chsten Gipfeln der Dinge!" (Vergil, "Aeneis", I, Vers 341-342.)&gt; Welch einen Kontrast bildet ihr gegenw&auml;rtiges Verhalten zu dem Englands in &auml;hnlichen Situationen! Sie "f&uuml;hren Krieg" - England betreibt Piraterie. Man erinnere sich nur der "Deklaration von Lima", des Einfalls in Afghanistan, der Beschie&szlig;ung Kopenhagens und der Schlacht bei Navarino, und dann bedenke man, in welcher Lage sich die T&uuml;rkei augenblicklich befindet - gedem&uuml;tigt und bedroht, sogar &uuml;berfallen und provoziert von der "zivilisierten Welt"; sie bleibt inmitten all dieser Heimsuchungen ruhig und verst&auml;ndig, fest und entschlossen, dennoch gelassen.'</P>
<B><P><A NAME="S19">&lt;19&gt;</A></B> Ihr k&ouml;nnt hieraus den Schlu&szlig; ziehen, da&szlig; jene Personen in den h&ouml;chsten Stellungen vergeblich schmachten m&ouml;gen nach dem Privileg, das mir eure Nachsicht gew&auml;hrt und das mir erlaubt, meiner Entr&uuml;stung Luft zu machen, und mir Gelegenheit gibt, vor kommenden Ereignissen zu warnen. Gestattet mir denn, euch die Lage zu schildern. in der ihr euch befindet. Britannien zeigt zwei Gesichter - zu Hause ist es ein Schwachsinniger und im Ausland ein Wahnsinniger, ein bewaffneter Wahnsinniger, der sein eigenes Leben und das anderer gef&auml;hrdet. Ihr seid das nicht einzeln genommen, jedoch in der Gesamtheit. R&uuml;ttelt also euren individuellen Verstand wach und unterdr&uuml;ckt den gemeinsamen Wahnsinn, bis ihr das zerr&uuml;ttete Hirn kurieren k&ouml;nnt - dieses System, das die Ursache des ganzen &Uuml;bels ist." (Lauter und anhaltender Beifall.)</P>
</FONT><P>Ich m&ouml;chte Herrn Urquharts Rede hinzuf&uuml;gen, da&szlig; Lord Palmerstons j&uuml;ngster coup d'&eacute;clat &lt;aufsehenerregender Streich&gt; und die Gunst des Volkes ihn zum Premierminister, wenn nicht dem Namen, so doch der Sache nach, gemacht haben.</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Karl Marx</P>
</BODY>
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