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<title>Friedrich Engels - Der deutsche Bauernkrieg - VI</title>
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<body bgcolor="#FFFFFC">
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<p><small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 7,S. 400-408<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960</small></p>
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<p align="center"><a href="me07_377.htm"><font size="2">V - [Der schwäbisch-fränkische
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Bauernkrieg]</font></a> <font size="2">|</font> <a href="me07_327.htm"><font size=
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"2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font> <a href="me07_409.htm"><font size="2">VII - [Die
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Folgen des Bauernkiegs]</font></a></p>
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<p align="center"><font size="5">VI</font></p>
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<p align="center"><font size="5">[Der thüringische, elsässische und östreichische
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Bauernkrieg]</font></p>
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<p><b><a name="S400"><400></a></b> Gleich beim Ausbruch der ersten Bewegungen in Schwaben
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war <i>Thomas Münzer</i> wieder nach <i>Thüringen</i> geeilt und hatte seit Ende
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Februar oder anfangs März seinen Wohnsitz in der freien Reichsstadt <i>Mühlhausen</i>
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genommen, wo seine Partei am stärksten war. Er hatte die Fäden der ganzen Bewegung in
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der Hand; er wußte, welch allgemeiner Sturm in Süddeutschland auszubrechen im Begriff
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war, und hatte es übernommen, Thüringen in das Zentrum der Bewegung für
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Norddeutschland zu verwandeln. Er fand einen höchst fruchtbaren Boden. Thüringen
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selbst, der Hauptsitz der Reformationsbewegung, war im höchsten Grade aufgeregt; und die
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materielle Not der unterdrückten Bauern nicht minder als die kursierenden
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revolutionären, religiösen und politischen Doktrinen hatten auch die benachbarten
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Länder, Hessen, Sachsen und die Harzgegend, für einen allgemeinen Aufstand vorbereitet.
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In Mühlhausen namentlich war die ganze Masse der Kleinbürgerschaft für die
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extreme, Münzersche Richtung gewonnen und konnte kaum den Moment erwarten, an dem sie ihre
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Überzahl gegen die hochmütige Ehrbarkeit geltend machen sollte. Münzer selbst
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mußte, um dem richtigen Moment nicht vorzugreifen, besänftigend auftreten; doch sein
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Schüler Pfeifer, der hier die Bewegung dirigierte, hatte sich schon so kompromittiert,
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daß er den Ausbruch nicht zurückhalten konnte, und schon am 17. März 1525, noch
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vor dem allgemeinen Aufstand in Süddeutschland, machte Mühlhausen seine Revolution. Der
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alte patrizische Rat wurde gestürzt und die Regierung in die Hände des
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neugewählten "ewigen Rats" gelegt, dessen Präsident Münzer war.</p>
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<p>Es ist das Schlimmste, was dem Führer einer extremen Partei widerfahren kann, wenn er
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gezwungen wird, in einer Epoche die Regierung zu übernehmen, wo die Bewegung noch nicht reif
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ist für die Herrschaft der Klasse, die er vertritt, und für die Durchführung der
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Maßregeln, die die Herrschaft dieser Klasse erfordert. Was er tun <i>kann</i>, hängt
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nicht von seinem Willen ab, sondern <a name="S401"><b><401></b></a> von der Höhe, auf
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die der Gegensatz der verschiedenen Klassen getrieben ist, und von dem Entwicklungsgrad der
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materiellen Existenzbedingungen, der Produktions- und Verkehrsverhältnisse, auf dem der
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jedesmalige Entwicklungsgrad der Klassengegensätze beruht. Was er tun <i>soll</i>, was seine
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eigne Partei von ihm verlangt, hängt wieder nicht von ihm ab, aber auch nicht von dem
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Entwicklungsgrad des Klassenkampfs und seiner Bedingungen; er ist gebunden an seine bisherigen
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Doktrinen und Forderungen, die wieder nicht aus der momentanen Stellung der gesellschaftlichen
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Klassen gegeneinander und aus dem momentanen, mehr oder weniger zufälligen Stande der
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Produktions- und Verkehrsverhältnisse hervorgehn, sondern aus seiner größeren
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oder geringeren Einsicht in die allgemeinen Resultate der gesellschaftlichen <(<i>1850</i>)
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industriellen> und politischen Bewegung. Er findet sich so notwendigerweise in einem
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unlösbaren Dilemma: Was er tun <i>kann</i>, widerspricht seinem ganzen bisherigen Auftreten,
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seinen Prinzipien und den unmittelbaren Interessen seiner Partei; und was er tun <i>soll</i>, ist
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nicht durchzuführen. Er ist, mit einem Wort, gezwungen, nicht seine Partei, seine Klasse,
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sondern die Klasse zu vertreten, für deren Herrschaft die Bewegung gerade reif ist. Er
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muß im Interesse der Bewegung selbst die Interessen einer ihm fremden Klasse
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durchführen und seine eigne Klasse mit Phrasen und Versprechungen, mit der Beteuerung
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abfertigen, daß die Interessen jener fremden Klasse ihre eignen Interessen sind. Wer in
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diese schiefe Stellung gerät, ist unrettbar verloren. In der neuesten Zeit noch haben wir
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Beispiele davon erlebt; wir erinnern nur an die Stellung, die in der letzten französischen
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provisorischen Regierung die Vertreter des Proletariats einnahmen, obwohl sie selbst nur eine
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sehr untergeordnete Entwicklungsstufe des Proletariats repräsentierten. Wer nach den
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Erfahrungen der Februarregierung - von unsern edlen deutschen provisorischen Regierungen und
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Reichsregentschaften nicht zu sprechen - noch auf offizielle Stellungen spekulieren kann,
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muß entweder über die Maßen borniert sein oder der extrem-revolutionären
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Partei höchstens mit der Phrase angehören.</p>
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<p>Die Stellung Münzers an der Spitze des ewigen Rats von Mühlhausen war indes noch
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viel gewagter als die irgendeines modernen revolutionären Regenten. Nicht nur die damalige
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Bewegung, auch sein ganzes Jahrhundert war nicht reif für die Durchführung der Ideen,
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die er selbst erst dunkel zu ahnen begonnen hatte. Die Klasse, die er repräsentierte, weit
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entfernt, vollständig entwickelt und fähig zur Unterjochung und Umbildung
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<(<i>1850</i>) fehlt: und Unterjochung> der ganzen Gesellschaft zu sein, war eben erst im
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Entstehen begriffen. Der gesellschaftliche Umschwung, der seiner Phantasie vorschwebte, war noch
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so wenig in den <a name="S402">vor- <b><402></b></a> liegenden materiellen
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Verhältnissen begründet, daß diese sogar eine Gesellschaftsordnung vorbereiteten,
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die das gerade Gegenteil seiner geträumten Gesellschaftsordnung war. Dabei aber blieb er an
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seine bisherigen Predigten von der christlichen Gleichheit und der evangelischen
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Gütergemeinschaft gebunden; er mußte wenigstens den Versuch ihrer Durchführung
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machen. Die Gemeinschaft aller Güter, die gleiche Verpflichtung aller zur Arbeit und die
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Abschaffung aller Obrigkeit wurde proklamiert. Aber in der Wirklichkeit blieb Mühlhausen
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eine republikanische Reichsstadt mit etwas demokratisierter Verfassung, mit einem aus allgemeiner
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Wahl hervorgegangenen Senat, der unter der Kontrolle des Forums stand, und mit einer eilig
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improvisierten Naturalverpflegung der Armen. Der Gesellschaftsumsturz, der den protestantischen
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bürgerlichen Zeitgenossen so entsetzlich vorkam, ging in der Tat nie hinaus über einen
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schwachen und unbewußten Versuch zur übereilten Herstellung der späteren
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bürgerlichen Gesellschaft.</p>
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<p>Münzer selbst scheint die weite Kluft zwischen seinen Theorien und der unmittelbar
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vorliegenden Wirklichkeit gefühlt zu haben, eine Kluft, die ihm um so weniger verborgen
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bleiben konnte, je verzerrter seine genialen Anschauungen sich in den rohen Köpfen der Masse
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seiner Anhänger widerspiegeln mußten. Er warf sich mit einem selbst bei ihm
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unerhörten Eifer auf die Ausbreitung und Organisation der Bewegung; er schrieb Briefe und
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sandte Boten und Emissäre nach allen Seiten aus. Seine Schreiben und Predigten atmen einen
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revolutionären Fanatismus, der selbst nach seinen früheren Schriften in Erstaunen
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setzt. Der naive jugendliche Humor der revolutionären <(<i>1850</i>)
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vorrevolutionären> Münzerschen Pamphlete ist ganz verschwunden; die ruhige,
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entwickelnde Sprache des Denkers, die ihm früher nicht fremd war, kommt nicht mehr vor.
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Münzer ist jetzt ganz Revolutionsprophet; er schürt unaufhörlich den Haß
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gegen die herrschenden Klassen, er stachelt die wildesten Leidenschaften auf und spricht nur noch
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in den gewaltsamen Wendungen, die das religiöse und nationale Delirium den
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alttestamentarischen Propheten in den Mund legte. Man sieht aus dem Stil, in den er sich jetzt
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hineinarbeiten mußte, auf welcher Bildungsstufe das Publikum stand, auf das er zu wirken
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hatte.</p>
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<p>Das Beispiel Mühlhausens und die Agitation Münzers wirkten rasch in die Ferne. In
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<i>Thüringen</i>, im <i>Eichsfeld</i>, im <i>Harz</i>, in den <i>sächsischen
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Herzogtümern</i>, in <i>Hessen</i> und <i>Fulda</i>, in <i>Oberfranken</i> und im
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<i>Vogtland</i> standen überall Bauern auf, zogen sich in Haufen zusammen und verbrannten
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Schlösser und Klöster. Münzer war mehr oder weniger als Führer der ganzen
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Bewegung anerkannt, und Mühlhausen blieb Zentralpunkt, während in Erfurt eine rein
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bürgerliche <a name="S403"><b><403></b></a> Bewegung siegte und die dort herrschende
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Partei fortwährend eine zweideutige Stellung gegen die Bauern beobachtete.</p>
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<p>Die Fürsten waren in Thüringen anfangs geradeso ratlos und ohnmächtig
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gegenüber den Bauern wie in Franken und Schwaben. Erst in den letzten Tagen des April gelang
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es dem Landgrafen von Hessen, ein Korps zusammenzuziehn - demselben Landgrafen Philipp, von
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dessen Frömmigkeit die protestantischen und bürgerlichen Reformationsgeschichten so
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viel zu rühmen wissen und von dessen Infamien gegen die Bauern wir sogleich ein geringes
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Wörtlein vernehmen werden. Der Landgraf Philipp unterwarf durch ein paar rasche Züge
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und durch bestimmtes Auftreten bald den größten Teil seines Landes, zog neue Aufgebote
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heran und wandte sich dann ins Gebiet des Abts von Fulda, seines bisherigen Lehnsherrn. Er schlug
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den Fuldaer Bauernhaufen am 3. Mai am Frauen-Berg, unterwarf das ganze Land und benutzte die
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Gelegenheit, nicht nur sich von der Oberhoheit des Abts loszumachen, sondern sogar die Abtei
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Fulda in ein hessisches Lehen zu verwandeln - vorbehaltlich ihrer späteren
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Säkularisierung natürlich. Dann nahm er Eisenach und Langensalza und zog, mit den
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herzoglich-sächsischen Truppen vereinigt, gegen den Hauptsitz der Rebellion, gegen
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Mühlhausen. Münzer zog seine Streitkräfte, an 8.000 Mann mit einigem
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Geschütz, bei Frankenhausen zusammen. Der thüringische Haufe war weit entfernt davon,
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die Schlagfähigkeit zu besitzen, die ein Teil der oberschwäbischen und fränkischen
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Haufen dem Truchseß gegenüber entwickelte; er war schlecht bewaffnet und schlecht
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diszipliniert, er zählte wenig gediente Soldaten und ermangelte aller Führer.
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Münzer selbst besaß offenbar nicht die geringsten militärischen Kenntnisse.
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Dennoch fanden es die Fürsten angemessen, auch hier die Taktik anzuwenden, die dem
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Truchseß so oft zum Sieg verholfen hatte: die Wortbrüchigkeit. Am 16. Mai leiteten sie
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Unterhandlungen ein, schlossen einen Waffenstillstand und überfielen dann plötzlich die
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Bauern, noch ehe der Stillstand abgelaufen war.</p>
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<p>Münzer stand mit den Seinen auf dem noch jetzt so genannten Schlachtberg, verschanzt
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hinter einer Wagenburg. Die Entmutigung unter dem Haufen war schon sehr im Zunehmen. Die
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Fürsten versprachen Amnestie, wenn der Haufe ihnen Münzer lebendig ausliefern wolle.
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Münzer ließ einen Kreis bilden und die Anträge der Fürsten debattieren. Ein
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Ritter und ein Pfaff sprachen sich für die Kapitulation aus; Münzer ließ sie
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beide sofort in den Kreis führen und enthaupten. Dieser von den entschlossenen
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Revolutionären mit Jubel aufgenommene Akt terroristischer Energie brachte wieder einigen
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Halt in den Haufen; aber schließlich wäre er doch zum größten Teil ohne
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Widerstand auseinandergegangen, wenn man nicht bemerkt hätte, daß die <a name=
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"S404"><b><404></b></a> fürstlichen Landsknechte, nachdem sie den ganzen Berg
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umstellt, trotz des Stillstands in geschlossenen Kolonnen heranrückten. Schnell wurde die
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Front hinter den Wagen formiert, aber schon schlugen die Geschütz- und Büchsenkugeln in
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die halb wehrlosen, kampfungewohnten Bauern, schon waren die Landsknechte bei der Wagenburg
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angelangt. Nach kurzem Widerstand war die Wagenlinie durchbrochen, die Kanonen der Bauern waren
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erobert und sie selbst versprengt. Sie flohen in wilder Unordnung, um den Umgehungskolonnen und
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der Reiterei um so sicherer in die Hände zu fallen, die ein unerhörtes Blutbad unter
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ihnen anrichteten. Von achttausend Bauern wurden über fünftausend erschlagen; der Rest
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kam nach Frankenhausen hinein und gleichzeitig mit ihm die fürstlichen Reiter. Die Stadt war
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genommen. Münzer, am Kopf verwundet, wurde in einem Hause entdeckt und gefangengenommen. Am
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25. Mai ergab sich auch Mühlhausen; Pfeifer, der dort geblieben war, entkam, wurde aber im
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Eisenachschen verhaftet.</p>
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<p>Münzer wurde in Gegenwart der Fürsten auf die Folter gespannt und dann enthauptet.
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Er ging mit demselben Mut auf den Richtplatz, mit dem er gelebt hatte. Er war höchstens
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achtundzwanzig Jahre alt, als er hingerichtet wurde. Auch Pfeifer wurde enthauptet; außer
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diesen beiden aber noch zahllose andre. In Fulda hatte der Mann Gottes, Philipp von Hessen, sein
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Blutgericht begonnen; er und die sächsischen Fürsten ließen unter andern in
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Eisenach 24, in Langensalza 41, nach der Frankenhauser Schlacht 300, in Mühlhausen über
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100, bei Görmar 26, bei Tüngeda 50, bei Sangerhausen 12, in Leipzig 8 Rebellen mit dem
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Schwert hinrichten, von Verstümmelungen und anderen gelindern Mitteln, von Plünderungen
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und Verbrennungen der Dörfer und Städte gar nicht zu reden</p>
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<p>Mühlhausen mußte sich seiner Reichsfreiheit begeben und wurde den sächsischen
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Ländern einverleibt, gerade wie die Abtei Fulda der Landgrafschaft Hessen.</p>
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<p>Die Fürsten zogen nun über den Thüringer Wald, wo fränkische Bauern aus
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dem Bildhäuser Lager sich mit den Thüringern verbunden und viele Schlösser
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verbrannt hatten. Vor Meiningen kam es zum Gefecht; die Bauern wurden geschlagen und zogen sich
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auf die Stadt zurück. Diese verschloß ihnen plötzlich die Tore und drohte sie im
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Rücken anzugreifen. Der Haufe, durch diesen Verrat seiner Bundesgenossen ins Gedränge
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gebracht, kapitulierte mit den Fürsten und lief noch während der Verhandlung
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auseinander. Das Bildhäuser Lager hatte sich längst zerstreut, und so war mit der
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Zersprengung dieses Haufens der letzte Rest der Insurgenten aus Sachsen, Hessen, Thüringen
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und Oberfranken vernichtet.</p>
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<p>Im <i>Elsaß</i> war der Aufstand später losgebrochen als auf der rechten Rhein-
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<a name="S405"><b><405></b></a> seite. Erst gegen die Mitte des April erhoben sich die
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Bauern im Bistum Straßburg, und bald nach ihnen die Oberelsässer und Sundgauer. Am 18.
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April plünderte ein niederelsässischer Bauernhaufe das Kloster Altdorf; andere Haufen
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bildeten sich bei Ebersheim und Barr sowie im Willertal und Urbistal. Sie konzentrierten sich
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bald zum großen Niederelsässer Haufen und organisierten die Einnahme der Städte
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und Flecken sowie die Zerstörung der Klöster. Überall wurde der dritte Mann zum
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Heer eingefordert. Die zwölf Artikel dieses Haufens sind bedeutend radikaler als die
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schwäbisch-fränkischen.</p>
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<p>Während eine Kolonne der Niederelsässer sich anfangs Mai bei St. Hippolyte
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konzentrierte und nach einem vergeblichen Versuch, diese Stadt zu gewinnen, am 10. Mai Bercken,
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am 13. Rappoltsweiler, am 14. Reichenweier durch Einverständnis mit den Bürgern in ihre
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Gewalt bekam, zog eine zweite unter Erasmus Gerber aus, um Straßburg zu überrumpeln.
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Der Versuch mißlang, die Kolonne wandte sich nun den Vogesen zu, zerstörte das Kloster
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Maursmünster und belagerte Zabern, das sich am 13. Mai ergab. Von hier zog sie an die
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lothringische Grenze und insurgierte den anstoßenden Teil des Herzogtums, während sie
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zugleich die Gebirgspässe verschanzte. Bei Herbitzheim an der Saar und bei Neuburg wurden
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große Lager gebildet; bei Saargemünd verschanzten sich 4.000 deutsch-lothringische
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Bauern; zwei vorgeschobene Haufen endlich, der Kolbenhaufen in den Vogesen bei Stürzelbronn,
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der Kleeburger Haufe bei Weißenburg, deckten Front und rechte Flanke, während sich die
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linke Flanke an die Oberelsässer anlehnte.</p>
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<p>Diese, seit dem 20. April in Bewegung, hatten am 10. Mai Sulz, am 12. Gebweiler, am 15.
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Sennheim und Umgegend in die Bauernverbrüderung gezwungen. Die östreichische Regierung
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und die umliegenden Reichsstädte verbanden sich zwar sogleich gegen sie, waren aber zu
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schwach, ihnen ernsthaften Widerstand zu leisten, geschweige sie anzugreifen. So war, mit
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Ausnahme weniger Städte, bis Mitte Mai das ganze Elsaß in den Händen der
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Inurgenten.</p>
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<p>Aber schon nahte das Heer, das den Frevelmut der Elsässer Bauern brechen sollte. Es waren
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<i>Franzosen</i>, die hier die Restauration der Adelsherrschaft vollzogen. Der Herzog Anton von
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Lothringen setzte sich bereits am 6. Mai mit einer Armee von 30.000 Mann in Bewegung, darunter
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die Blüte des französischen Adels und spanische, piemontesische, lombardische,
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griechische und albanesische Hülfstruppen. Am 16. Mai stieß er bei Lützelstein
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auf 4.000 Bauern, die er ohne Mühe schlug, und am 17. schon zwang er das von den Bauern
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besetzte Zabern zur Kapitulation. Aber noch während des Einzugs der Lothringer in die Stadt
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und der Entwaffnung der Bauern wurde die <a name="S406"><b><406></b></a> Kapitulation
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gebrochen; die wehrlosen Bauern wurden von den Landsknechten überfallen und
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größtenteils niedergemacht. Die übrigen niederelsässischen Kolonnen
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zerstreuten sich, und Herzog Anton zog nun den Oberelsässern entgegen. Diese, die sich
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geweigert hatten, den Niederelsässern nach Zabern zuzuziehn, wurden nun bei Scherweiler von
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der ganzen Macht der Lothringer angegriffen. Sie wehrten sich mit großer Tapferkeit, aber
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die enorme Übermacht - 30.000 gegen 7.000 - und der Verrat einer Anzahl Ritter, besonders
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des Vogts von Reichenweier, vereitelte alle Bravour. Sie wurden vollständig geschlagen und
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zersprengt. Der Herzog pazifizierte nun den ganzen Elsaß mit üblicher Grausamkeit. Nur
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der Sundgau blieb von seiner Anwesenheit verschont. Die östreichische Regierung brachte hier
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durch die Drohung, ihn ins Land zu rufen, ihre Bauern anfangs Juni zum Abschluß des
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Vertrags von Ensisheim. Sie selbst aber brach diesen Vertrag sogleich wieder und ließ die
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Prediger und Führer der Bewegung massenweise hängen. Die Bauern machten hierauf einen
|
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neuen Aufstand, der endlich damit endigte, daß die Sundgauer Bauern in den Vertrag zu
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Offenburg (18. September) eingeschlossen wurden.</p>
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<p>Es bleibt uns jetzt noch der Bauernkrieg in den <i>östreichischen Alpenländern</i>
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zu berichten. Diese Gegenden sowie das anstoßende <i>Erzbistum Salzburg</i> waren seit der
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<a href="me07_359.htm#S370">stara prawa</a> in fortwährender Opposition gegen Regierung und
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Adel, und die reformierten Lehren hatten auch hier einen günstigen Böden gefunden.
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Religiöse Verfolgungen und willkürliche Steuerbedrückungen brachten den Aufstand
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zum Losbruch.</p>
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<p>Die Stadt <i>Salzburg</i>, unterstützt von den Bauern und Bergknappen, hatte schon seit
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1522 mit dem Erzbischof wegen ihrer städtischen Privilegien und wegen der
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Religionsübung im Streit gelegen. Ende 1524 überfiel der Erzbischof die Stadt mit
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angeworbnen Landsknechten, terrorisierte sie durch die Kanonen des Schlosses und verfolgte die
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ketzerischen Prediger. Zugleich schrieb er neue, drückende Steuern aus und reizte die ganze
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Bevölkerung dadurch aufs äußerste. Im Frühjahr 1525, gleichzeitig mit der
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schwäbisch-fränkischen und thüringischen Insurrektion, erhoben sich plötzlich
|
|
die Bauern und Bergleute des ganzen Landes, organisierten sich in Haufen unter den Hauptleuten
|
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<i>Praßler</i> und <i>Weitmoser</i>, befreiten die Stadt und belagerten das Schloß
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Salzburg. Sie schlossen, wie die westdeutschen Bauern, einen christlichen Bund und faßten
|
|
ihre Forderungen in Artikeln zusammen, deren hier vierzehn waren.</p>
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<p>Auch in <i>Steiermark</i>, <i>Oberöstreich</i>, <i>Kärnten</i> und <i>Krain</i>, wo
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|
neue ungesetzliche Steuern, Zölle und Verordnungen das Volk in seinen nächsten
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Interessen <a name="S407"><b><407></b></a> schwer verletzt hatten, standen die Bauern im
|
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Frühjahr 1525 auf. Sie nahmen eine Anzahl Schlösser und schlugen den Besieger der stara
|
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prawa, den alten Feldhauptmann Dietrichstein, bei Gryß. Obgleich es den Vorspiegelungen der
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Regierung gelang, einen Teil der Insurgenten zu beschwichtigen, blieb die Masse doch zusammen und
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vereinigte sich mit den Salzburgern, so daß das ganze Salzburgische und der
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größte Teil von Oberöstreich, Steiermark, Kärnten und Krain in den
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Händen der Bauern und Bergknappen war.</p>
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<p>In Tirol hatten ebenfalls die reformierten Lehren großen Anhang gefunden; hier waren
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sogar, noch mehr als in den übrigen östreichischen Alpenländern, Münzersche
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Emissäre mit Erfolg tätig gewesen. Der Erzherzog Ferdinand verfolgte die Prediger der
|
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neuen Lehre auch hier und griff ebenfalls durch neue willkürliche Finanzregulationen in die
|
|
Vorrechte der Bevölkerung ein. Die Folge war, wie überall, der Aufstand im
|
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Frühling desselben Jahres 1525. Die Insurgenten, deren oberster Hauptmann ein
|
|
Münzerscher war, Geismaier, das einzige bedeutende militärische Talent unter
|
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sämtlichen Bauernchefs, nahmen eine Menge Schlösser und verfuhren namentlich im
|
|
Süden, im Etschgebiet, sehr energisch gegen die Pfaffen. Auch die Vorarlberger standen auf
|
|
und schlossen sich den Allgäuern an.</p>
|
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<p>Der Erzherzog, von allen Seiten bedrängt, machte den Rebellen, die er noch kurz vorher
|
|
mit Sengen und Brennen, Plündern und Morden hatte ausrotten wollen, Konzession über
|
|
Konzession. Er berief die Landtage der Erblande ein und schloß bis zu ihrem Zusammentritt
|
|
Waffenstillstand mit den Bauern. Inzwischen rüstete er nach Kräften, um möglichst
|
|
bald eine andre Sprache mit den Frevlern führen zu können.</p>
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<p>Der Waffenstillstand wurde natürlich nicht lange gehalten. In den Herzogtümern fing
|
|
Dietrichstein, dem das Geld ausging, an zu brandschatzen. Seine slawischen und magyarischen
|
|
Truppen erlaubten sich zudem die schamlosesten Grausamkeiten gegen die Bevölkerung. Die
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|
Steirer standen also wieder auf, überfielen in der Nacht vom 2. zum 3. Juli den
|
|
Feldhauptmann Dietrichstein in Schladming und machten alles nieder, was nicht deutsch sprach.
|
|
Dietrichstein selbst wurde gefangen; am Morgen des 3. wurde von den Bauern ein Geschwornengericht
|
|
eingesetzt und 40 tschechische und kroatische Adlige aus den Gefangnen zum Tode verurteilt. Sie
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wurden sofort enthauptet. Das wirkte; der Erzherzog genehmigte sofort alle Forderungen der
|
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Stände der fünf Herzogtümer (Ober- und Niederöstreich, Steiermark,
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Kärnten und Krain).</p>
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<p>Auch in Tirol wurden die Forderungen des Landtags bewilligt und dadurch der Norden
|
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pazifiziert. Der Süden jedoch, auf seinen ursprünglichen Forderungen gegenüber den
|
|
abgeschwächten Landtagsbeschlüssen beharrend, <a name="S408"><b><408></b></a>
|
|
blieb unter den Waffen. Erst im Dezember konnte der Erzherzog hier die Ordnung durch Gewalt
|
|
wiederherstellen. Er unterließ nicht, eine große Anzahl der in seine Hände
|
|
gefallenen Anstifter und Führer des Aufruhrs hinrichten zu lassen.</p>
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<p>Gegen Salzburg zogen nun im August 10.000 Bayern unter Georg von Frundsberg. Diese imposante
|
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Truppenmacht sowie Zwistigkeiten, die unter den Bauern ausgebrochen waren, bewogen die Salzburger
|
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zum Abschluß eines Vertrags mit dem Erzbischof, der am 1. September zustande kam und den
|
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auch der Erzherzog annahm. Die beiden Fürsten, die inzwischen ihre Truppen genügend
|
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verstärkt hatten, brachen diesen Vertrag jedoch sehr bald und trieben dadurch die Salzburger
|
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Bauern zu einem erneuerten Aufstand. Die Insurgenten hielten sich den Winter über; im
|
|
Frühjahr kam Geismaier zu ihnen und eröffnete eine glänzende Kampagne gegen die
|
|
von allen Seiten heranrückenden Truppen. In einer Reihe brillanter Gefechte schlug er - im
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Mai und Juni 1526 - nacheinander Bayern, Östreicher, schwäbische Bundestruppen und
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erzbischöflich-salzburgische Landsknechte und hinderte lange die verschiednen Korps an ihrer
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Vereinigung. Dazwischen fand er noch Zeit, Radstadt zu belagern. Von der Übermacht endlich
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auf allen Seiten umzingelt, mußte er abziehn, schlug sich durch und führte die Truppen
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seines Korps mitten durch die östreichischen Alpen auf venetianisches Gebiet. Die Republik
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Venedig und die Schweiz boten dem unermüdlichen Bauernchef Anhaltspunkte zu neuen Intrigen;
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er versuchte noch ein Jahr lang, sie in einen Krieg gegen Östreich zu verwickeln, der ihm zu
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einem wiederholten Bauernaufstand Gelegenheit bieten sollte. Aber während dieser
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Unterhandlungen erreichte ihn die Hand eines Mörders; der Erzherzog Ferdinand und der
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salzburgische Erzbischof waren nicht ruhig, solange Geismaier am Leben war: Sie bezahlten einen
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Banditen, und diesem gelang es, den gefährlichen Rebellen 1527 aus der Welt zu schaffen.</p>
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