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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx/Friedrich Engels - Der Amerikanische B&uuml;rgerkrieg</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="../me_ak62.htm"><FONT SIZE=2>Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1862</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 486-495.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 25.10.1998.</P>
</FONT><H2>Karl Marx/Friedrich Engels </H2>
<H1>Der Amerikanische B&uuml;rgerkrieg </H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben im M&auml;rz 1862.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["Die Presse" Nr. 84 vom 26. M&auml;rz 1862] </P>
</FONT><B><P><A NAME="S486">|486|</A></B> Von welchem Standpunkt man ihn immer betrachte, bietet der Amerikanische B&uuml;rgerkrieg ein Schauspiel ohne Parallele in den Annalen der Kriegsgeschichte. Die ungeheure Ausdehnung des streitigen Territoriums; die weitgestreckte Fronte der Operationslinien; die numerische Masse der feindlichen Armeen, deren Sch&ouml;pfung sich kaum an eine fr&uuml;here Organisationsbasis anlehnte; die fabelhaften Kosten dieser Armeen, die Art ihrer Leitung und die allgemeinen taktischen und strategischen Prinzipien, nach denen der Krieg gef&uuml;hrt wird, sind alle neu in den Augen des europ&auml;ischen Zuschauers. </P>
<P>Die sezessionistische Verschw&ouml;rung, lange vor ihrem Ausbruch organisiert, protegiert und unterst&uuml;tzt durch Buchanans Administration, gab dem S&uuml;den einen Vorschub, durch den er allein sein Ziel zu erreichen hoffen konnte. Gef&auml;hrdet durch seine Sklavenbev&ouml;lkerung und durch ein starkes unionistisches Element unter den Wei&szlig;en selbst, mit einer um zwei Drittteile kleinern Anzahl von Freien als der Norden, aber fertiger zum Angriff, dank der Masse abenteuernder M&uuml;&szlig;igg&auml;nger, die er birgt, hing f&uuml;r den S&uuml;den von einer raschen, k&uuml;hnen, fast waghalsigen Offensive alles ab. Gelang es den S&uuml;dlichen, St. Louis, Cincinnati, Washington, Baltimore und vielleicht Philadelphia zu nehmen, so durften sie auf eine Panik rechnen, w&auml;hrenddessen Diplomatie und Bestechung die Anerkennung der Unabh&auml;ngigkeit aller Sklavenstaaten sichern konnten. Schlug dieser erste Angriff fehl, wenigstens auf den entscheidenden Punkten, so mu&szlig;te sich ihre Lage t&auml;glich verschlechtern, gleichzeitig mit der Kraftentwicklung des Nordens. Dieser Punkt war richtig begriffen von den M&auml;nnern, die in wahrhaft bonapartistischem Geist die sezessionistische Verschw&ouml;rung organisiert hatten. Sie er&ouml;ffneten die Kampagne in entsprechender Weise. Ihre <A NAME="S487"><B>|487|</A></B> Abenteurerbanden &uuml;berrannten Missouri und Tennessee, w&auml;hrend ihre mehr regul&auml;ren Truppen Ost-Virginia &uuml;berfielen und einen coup de main |Handstreich| auf Washington vorbereiteten. Mit dem Mi&szlig;lingen dieses Coup war die s&uuml;dliche Kampagne<I> vom milit&auml;rischen Standpunkt</I> aus verloren. </P>
<P>Der Norden trat auf den Kriegsschauplatz, widerwillig, schl&auml;frig, wie bei seiner h&ouml;hern industriellen und kommerziellen Entwicklung zu erwarten war. Die soziale Maschinerie war hier ungleich komplizierter als im S&uuml;den, und es erheischte ungleich mehr Zeit, ihrer Bewegung diese ungewohnte Richtung zu geben. Die Anwerbung der dreimonatigen Freiwilligen war ein gro&szlig;er, aber vielleicht unvermeidlicher Fehlgriff. Es war die Politik des Nordens, im Anfang auf allen entscheidenden Punkten die Defensive innezuhalten, seine Kr&auml;fte zu organisieren, sie durch Operationen auf kleiner Stufenleiter und ohne das Wagnis entscheidender Schlachten einzu&uuml;ben, und endlich, sobald die Organisation hinreichend gekr&auml;ftigt, zugleich das verr&auml;terische Element mehr oder minder aus der Armee entfernt war, zu einer energischen, rastlosen Offensive &uuml;berzugehen und vor allem Kentucky, Tennessee, Virginia und Nord-Carolina wiederzuerobern. Die Verwandlung der B&uuml;rger in Soldaten mu&szlig;te im Norden mehr Zeit kosten als im S&uuml;den. Einmal bewerkstelligt, konnte man auf die individuelle &Uuml;berlegenheit des n&ouml;rdlichen Mannes z&auml;hlen. </P>
<P>Im gro&szlig;en und ganzen, nach Abzug der Fehlgriffe, die mehr aus politischer als milit&auml;rischer Quelle entsprangen, handelte der Norden jenen Prinzipien gem&auml;&szlig;. Der Kleinkrieg in Missouri und West-Virginia, w&auml;hrend er die unionistischen Bev&ouml;lkerungen sch&uuml;tzte, gew&ouml;hnte die Truppen an den Felddienst und das Feuer, ohne sie entscheidenden Niederlagen blo&szlig;zustellen. Die gro&szlig;e Blamage von Bull Run war einigerma&szlig;en das Resultat des fr&uuml;heren Irrtums, dreimonatige Freiwillige anzuwerben. Es war abgeschmackt, eine starke Position, auf schwierigem Terrain, im Besitz eines numerisch kaum unterlegenen Feindes, von rohen Rekruten in der Fronte angreifen zu lassen. Die Panik, die sich der Unionsarmee im entscheidenden Augenblick bem&auml;chtigte und deren Motiv immer noch nicht aufgekl&auml;rt ist, konnte niemand &uuml;berraschen, der einigerma&szlig;en mit der Geschichte von Volkskriegen vertraut war. Solche Dinge passierten den franz&ouml;sischen Truppen sehr oft von 1792-1795, verhinderten jedoch dieselben Truppen nicht, die Schlachten von Jemappes und Fleurus, Montenotte, Castiglione und Rivoli zu gewinnen. Die Sp&auml;&szlig;e der europ&auml;ischen Presse &uuml;ber die Bull-Run-Panik hatten nur<I> eine</I> Entschuldigung <A NAME="S488"><B>|488|</A></B> f&uuml;r ihre Albernheit - die vorhergehende Renommage eines Teiles der nordamerikanischen Presse. </P>
<P>Die sechsmonatige Ruhe, die der Niederlage bei Manassas folgte, wurde vom Norden besser ben&uuml;tzt als vom S&uuml;den. Nicht nur f&uuml;llten sich die n&ouml;rdlichen Reihen in gr&ouml;&szlig;erem Ma&szlig;stab als die s&uuml;dlichen. Ihre Offiziere empfingen bessere Instruktionen; Disziplin und Ein&uuml;bung der Truppen stie&szlig;en nicht auf dieselben Hindernisse wie im S&uuml;den. Verr&auml;ter und unf&auml;hige Eindringlinge wurden mehr und mehr entfernt, und die Periode der Bull-Run-Panik geh&ouml;rt der Vergangenheit. Die Armeen auf beiden Seiten d&uuml;rfen nat&uuml;rlich nicht an dem Ma&szlig;stab gro&szlig;er europ&auml;ischer Armeen oder selbst der ehemaligen regul&auml;ren Armee der Vereinigten Staaten gemessen werden. Napoleon konnte in der Tat Bataillone roher Rekruten w&auml;hrend des ersten Monats in den Depots einexerzieren, w&auml;hrend des zweiten marschieren lassen und w&auml;hrend des dritten vor den Feind f&uuml;hren; aber dann empfing jedes Bataillon einen hinreichenden Zusatz erfahrener Offiziere und Unteroffiziere, jede Kompanie einige alte Soldaten, und am Tage der Schlacht waren die jungen Truppen einbrigadiert zusammen mit Veteranen und von den letztern sozusagen umrahmt. Alle diese Bedingungen fehlten in Amerika. Ohne die betr&auml;chtliche Masse milit&auml;rischer Erfahrung, die infolge der europ&auml;ischen Revolutionsunruhen von 1848/49 in Amerika einwanderte, w&uuml;rde die Organisation der Unionsarmee noch viel l&auml;ngere Frist erheischt haben. Die sehr kleine Zahl der Toten und Verwundeten im Verh&auml;ltnis zur Gesamtsumme der engagierten Mannschaften (gew&ouml;hnlich einer auf zwanzig) beweist, da&szlig; die meisten Treffen, selbst die neuesten in Kentucky und Tennessee, haupts&auml;chlich mit Feuerwaffen auf ziemlich gro&szlig;e Entfernungen gef&uuml;hrt wurden und da&szlig; die gelegentlichen Bajonettangriffe entweder bald vor dem feindlichen Feuer haltmachten oder den Feind in die Flucht trieben, bevor es zum Handgemenge kam. Unterdes ist die neue Kampagne unter g&uuml;nstigern Auspizien, durch das erfolgreiche Vorr&uuml;cken Buells und Hallecks durch Kentucky und Tennessee, er&ouml;ffnet worden. </P>
<P>Nach der Wiedereroberung von Missouri und West-Virginia er&ouml;ffnete die Union den Feldzug mit dem Vorr&uuml;cken in Kentucky. Hier hielten die Sezessionisten drei starke Positionen, verschanzte Lager: Columbus am Mississippi zu ihrer Linken, Bowling Green im Zentrum, Mill Springs am Cumberland River zur Rechten. Ihre Linie erstreckte sich &uuml;ber 300 Meilen von Westen nach Osten. Die Ausdehnung dieser Linie schnitt den drei Korps die M&ouml;glichkeit ab, sich wechselseitig zu unterst&uuml;tzen, und bot den Unionstruppen die Chance, jedes einzeln mit &uuml;berlegenen Kr&auml;ften <A NAME="S489"><B>|489|</A></B> anzugreifen. Der gro&szlig;e Fehler in der Aufstellung der Sezessionisten entsprang aus dem Versuche, alles besetzt zu halten. Ein einziges verschanztes starkes Zentrallager, bestimmt zum Schlachtfeld f&uuml;r ein entscheidendes Treffen und von der Hauptheeresmasse gehalten, w&uuml;rde Kentucky ungleich wirksamer verteidigt haben. Entweder mu&szlig;te es die Hauptmacht der Unionisten anziehen oder diese in eine gef&auml;hrliche Lage versetzen, sollten sie versuchen, ohne R&uuml;cksicht auf eine so starke Truppenkonzentration voranzumarschieren. </P>
<P>Unter den gegebenen Umst&auml;nden beschlossen die Unionisten, jene drei Lager nacheinander anzugreifen, ihren Feind aus denselben herauszuman&ouml;vrieren und zur Annahme des Kampfes auf freiem Felde zu zwingen. Dieser Plan, der allen Regeln der Kriegskunst entsprach, wurde mit Geschwindigkeit und Energie ausgef&uuml;hrt. Gegen Mitte Januar marschierte ein Korps von ungef&auml;hr 15.000 Unionisten auf Mill Springs, das von 20.000 Sezessionisten besetzt war. Die Unionisten man&ouml;vrierten in einer Weise, die den Feind glauben machte, er habe es nur mit einem schwachen Streifkorps zu tun. General Zollicoffer lief sofort in die Falle, brach aus seinem verschanzten Lager auf und griff die Unionisten an. Er &uuml;berzeugte sich bald, da&szlig; ihm eine &uuml;berlegene Macht gegen&uuml;berstand. Er fiel, und seine Truppen erlitten eine so v&ouml;llige Niederlage wie die Unionisten bei Bull Run. Diesmal aber wurde der Sieg in ganz anderer Weise ausgebeutet. Die geschlagene Armee wurde hart verfolgt, bis sie gebrochen, demoralisiert, ohne Feldartillerie und Bagage, in ihrem Lager bei Mill Springs anlangte. Dies Lager war auf dem n&ouml;rdlichen Ufer des Cumberland River errichtet, so da&szlig; die Truppen im Fall einer andern Niederlage keinen R&uuml;ckzug offen hatten, au&szlig;er &uuml;ber den Flu&szlig; vermittelst weniger Dampfer und Flu&szlig;boote. Wir finden &uuml;berhaupt, da&szlig; beinahe alle sezessionistischen Lager auf der<I> feindlichen</I> Seite des Flusses errichtet waren. Eine solche Positionsnahme ist nicht nur regelrecht, sondern auch sehr praktisch, wenn sich eine Br&uuml;cke im R&uuml;cken befindet. Das Lager dient in solchem Fall als Br&uuml;ckenkopf und gibt seinen Inhabern die Chance, ihre Streitkr&auml;fte beliebig auf beide Ufer des Flusses zu werfen und so ein vollst&auml;ndiges Kommando &uuml;ber denselben zu erhalten. Ein Lager auf der feindlichen Seite des Flusses, ohne Br&uuml;cke im R&uuml;cken, schneidet dagegen nach einem ungl&uuml;cklichen Treffen den R&uuml;ckzug ab und zwingt die Truppen zu kapitulieren oder setzt sie dem Massacre und Ertrinken aus, wie dies den Unionisten bei Balls Bluff auf der feindlichen Seite des Potomac geschah, wohin die Verr&auml;terei des General Stone sie entsendet hatte. </P>
<P>Als die geschlagenen Sezessionisten ihr Lager bei Mill Springs erreicht <A NAME="S490"><B>|490|</A></B> hatten, begriffen sie sofort, da&szlig; ein feindlicher Angriff auf ihre Verschanzungen zur&uuml;ckgeschlagen werden oder in sehr kurzer Zeit Kapitulation erfolgen m&uuml;sse. Nach der Erfahrung des Morgens hatten sie das Vertrauen in ihre Widerstandskraft eingeb&uuml;&szlig;t. Als daher die Unionisten den n&auml;chsten Tag zum Angriff auf das Lager vormarschierten, fanden sie, da&szlig; der Feind die Nacht ben&uuml;tzt hatte, um &uuml;ber den Flu&szlig; zu setzen, mit Zur&uuml;cklassung des Lagers, der Bagage, der Artillerie und Vorr&auml;te. In dieser Weise war die &auml;u&szlig;erste Rechte der sezessionistischen Linie nach Tennessee zur&uuml;ckgedr&auml;ngt und Ost-Kentucky, wo die Masse der Bev&ouml;lkerung der Sklavenhalterpartei feindlich, der Union wiedererobert. </P>
<P>Um dieselbe Zeit - gegen Mitte Januar - begannen die Vorbereitungen zur Verdr&auml;ngung der Sezessionisten von Columbus und Bowling Green. Eine starke Flotte von M&ouml;rserbooten und eisenbepanzerten Kanonenbooten wurde bereitgehalten und &uuml;berallhin die Nachricht verbreitet, sie solle einer zahlreichen, l&auml;ngs des Mississippi, von Cairo nach Memphis und New Orleans marschierenden Armee zum Geleit dienen. Alle Demonstrationen am Mississippi waren jedoch blo&szlig;e Scheinman&ouml;ver. Im entscheiden den Augenblicke wurden die Kanonenboote nach dem Ohio gebracht, von da nach dem Tennessee, den sie hinauffuhren bis zu Fort Henry. Dieser Platz, zusammen mit Fort Donelson auf dem Cumberland River, bildete die zweite Verteidigungslinie der Sezessionisten in Tennessee. Die Position war gut gew&auml;hlt, denn im Fall eines R&uuml;ckzuges hinter den Cumberland w&uuml;rde der letztere Flu&szlig; ihre Front, der Tennessee ihre linke Flanke gedeckt haben, w&auml;hrend der enge Strich Landes zwischen den beiden Fl&uuml;ssen hinreichend durch die beiden obengenannten Forts gedeckt war. Die rasche Aktion der Unionisten jedoch durchbrach die zweite Linie selbst, bevor der linke Fl&uuml;gel und das Zentrum der ersten angegriffen waren. </P>
<P>In der ersten Woche des Februar erschienen die Kanonenboote der Unionisten vor Fort Henry, das sich nach einem kurzem Bombardement ergab. Die Garnison entschl&uuml;pfte nach Fort Donelson, da die Landmacht der Expedition nicht stark genug war, um den Platz zu umzingeln. Die Kanonenboote fuhren nun wieder den Tennessee hinunter, herauf nach dem Ohio und von da den Cumberland hinauf bis zu Fort Donelson. Ein einziges Kanonenboot fuhr k&uuml;hn den Tennessee herauf, mitten durch das Herz des Staates Tennessee, streifend den Staat Mississippi und vor dringend bis nach Florence im Norden Alabamas, wo eine Reihe von S&uuml;mpfen und B&auml;nken (bekannt unter dem Namen der mussleshoals) weitere Schiffahrt verbietet. Diese Tatsache, da&szlig; ein einziges Kanonenboot diese lange Reise von mindestens 150 Meilen zur&uuml;cklegte und dann <A NAME="S491"><B>|491|</A></B> zur&uuml;ckkehrte, ohne irgendeinen Angriff zu erleiden, beweist, da&szlig; das Unionsgef&uuml;hl l&auml;ngs des Flusses vorherrscht und den Unionstruppen sehr zustatten kommen wird, sollten sie so weit vordringen. </P>
<P>Die Schiffsexpedition auf dem Cumberland kombinierte ihre Bewegungen nun mit denen der Landkr&auml;fte unter den Generalen Halleck und Grant. Die Sezessionisten zu Bowling Green wurden &uuml;ber die Bewegungen der Unionisten get&auml;uscht. Sie blieben daher ruhig in ihrem Lager, w&auml;hrend eine Woche nach dem Fall des Fort Henry Fort Donelson auf der Landseite von 40.000 Unionisten eingeschlossen und auf der Flu&szlig;seite von einer starken Flotte von Kanonenbooten bedroht wurde. Wie das Lager bei Mill Springs und Fort Henry, hatte Fort Donelson den Flu&szlig; im R&uuml;cken liegen, ohne Br&uuml;cke zum R&uuml;ckzug. Es war der st&auml;rkste Platz, den die Unionisten bis jetzt angegriffen hatten. Die Werke waren mit gr&ouml;&szlig;erer Sorgfalt ausgef&uuml;hrt; au&szlig;erdem der Platz umfassend genug, um den 20.000 Mann, die ihn besetzt hielten, Unterkunft zu bieten. Am ersten Tage des Angriffs brachten die Kanonenboote das Feuer der nach der Flu&szlig;seite gerichteten Batterien zum Schweigen und bombardierten das Innere der Verteidigungswerke, w&auml;hrend die Landtruppen die feindlichen Vorposten zur&uuml;cktrieben und die Hauptmasse der Sezessionisten zwangen, Schutz dicht unter den Kanonen ihrer eigenen Verteidigungswerke zu suchen. Am zweiten Tage scheinen die Kanonenboote, die stark am vorigen Tage gelitten hatten, nur wenig ausgerichtet zu haben. Die Landtruppen hatten dagegen eine lange und stellenweise hei&szlig;e Schlacht zu fechten mit den Kolonnen der Garnison, die den rechten feindlichen Fl&uuml;gel zu durchbrechen suchten, um sich die R&uuml;ckzugslinie nach Nashville zu sichern. Jedoch ein energischer Angriff des unionistischen rechten Fl&uuml;gels auf den linken Fl&uuml;gel der Sezessionisten und bedeutende Verst&auml;rkungen, die der linke Fl&uuml;gel der Unionisten erhielt, entschieden den Sieg zugunsten der Angreifer. Verschiedene Au&szlig;enwerke waren gest&uuml;rmt worden. Die Garnison, eingezw&auml;ngt in ihre inneren Verteidigungslinien, ohne die Chance eines R&uuml;ckzuges und offenbar nicht in der Lage, einem Angriff am n&auml;chsten Morgen zu widerstehen, ergab sich am folgenden Tag ohne Bedingungen. </P>
<FONT SIZE=2><P>["Die Presse" Nr. 85 vom 27. M&auml;rz 1862] </P>
</FONT><P>Mit dem Fort<I> Donelson</I> fiel die feindliche Artillerie, Bagage, Kriegsvorr&auml;te in die H&auml;nde der Unionisten; 30.000 Sezessionisten ergaben sich am Tage der Einnahme; 1.000 mehr am n&auml;chsten Tage, und sobald die <A NAME="S492"><B>|492|</A></B> Vorposten der Sieger bei Clarksville erschienen, einer Stadt, die weiter am Cumberland-Flu&szlig; hinauf liegt, &ouml;ffnete sie die Tore. Bedeutender Proviant war auch hier f&uuml;r die Sezessionisten aufgeh&auml;uft. </P>
<P>Die Einnahme des Fort Donelson bietet nur<I> ein</I> R&auml;tsel: die Flucht des General Floyd mit 5.000 Mann am zweiten Tage der Beschie&szlig;ung. Diese Fl&uuml;chtlinge waren zu zahlreich, um w&auml;hrend der Nacht auf Dampfbooten weggeschmuggelt zu werden. Mit einigen Vorsichtsma&szlig;regeln auf seiten der Angreifer konnten sie nicht entkommen. </P>
<P>Sieben Tage nach &Uuml;bergabe des Fort Donelson wurde Nashville von den F&ouml;deralisten besetzt. Die Entfernung zwischen den beiden Orten betr&auml;gt ungef&auml;hr 100 englische Meilen, und ein Marsch von 15 Meilen per Tag, auf sehr elenden Wegen, w&auml;hrend der ung&uuml;nstigsten Jahreszeit, gereicht den Unionstruppen zur Ehre. Beim Empfang der Nachricht vom Fall des Fort Donelson r&auml;umten die Sezessionisten Bowling Green; eine Woche sp&auml;ter verlie&szlig;en sie Columbus und zogen sich auf eine Mississippiinsel, 45 Meilen s&uuml;dlicher, zur&uuml;ck. So ward Kentucky der Union ganz wiedererobert. Tennessee aber k&ouml;nnen die Sezessionisten nur halten, wenn sie eine gro&szlig;e Schlacht anbieten und gewinnen. Sie sollen in der Tat 65.000 Mann zu diesem Zwecke konzentriert haben. Indes verhindert nichts die Unionisten, ihnen eine &uuml;berlegene Kraft gegen&uuml;berzuf&uuml;hren. </P>
<P>Die Leitung der Kentuckyschen Kampagne von Somerset bis Nashville verdient das h&ouml;chste Lob. Die Wiedereroberung eines so ausgedehnten Landes, das Vorr&uuml;cken vom Ohio bis zum Cumberland w&auml;hrend eines einzigen Monats, zeigt eine Energie, Entschiedenheit und Raschheit, wie sie selten von regul&auml;ren Armeen Europas erreicht worden sind. Man vergleiche z.B. das langsame Vorr&uuml;cken der Alliierten von Magenta nach Solferino im Jahre 1859 - ohne Verfolgung des r&uuml;ckziehenden Feindes, ohne Versuch, seine Nachz&uuml;gler abzuschneiden oder gar ganze Truppenteile desselben zu umgehen und zu umzingeln. </P>
<P>Halleck und Grant insbesondere bieten sch&ouml;ne Beispiele entschiedener Kriegsf&uuml;hrung, Ohne die geringste R&uuml;cksichtnahme weder auf Columbus noch auf Bowling Green, konzentrieren sie ihre Kr&auml;fte auf die entscheidenden Punkte, Fort Henry und Fort Donelson, greifen dieselben rasch und energisch an und machen eben dadurch Columbus und Bowling Green unhaltbar. Dann marschieren sie sofort nach Clarksville und Nashville, ohne den r&uuml;ckz&uuml;gigen Sezessionisten die Zeit zu lassen, neue Positionen in Nord-Tennessee einzunehmen. W&auml;hrend dieser raschen Verfolgung bleibt das sezessionistische Truppenkorps in Columbus v&ouml;llig von dem Zentrum und dem rechten Fl&uuml;gel seiner Armee abgeschnitten. Englische Bl&auml;tter <A NAME="S493"><B>|493|</A></B> haben diese Operation mit Unrecht getadelt. Selbst wenn der Angriff auf Fort Donelson fehlschlug, konnten die Sezessionisten bei Bowling Green, besch&auml;ftigt durch General Buell, nicht hinreichende Mannschaft detachieren, um die Garnison zu bef&auml;higen, den abgeschlagenen Unionisten ins offene Feld zu folgen oder ihren R&uuml;ckzug zu gef&auml;hrden. Columbus andererseits lag so weit ab, da&szlig; es &uuml;berhaupt mit Grants Bewegungen nicht intervenieren konnte. In der Tat, nachdem die Unionisten Missouri von den Sezessionisten ges&auml;ubert hatten, wurde Columbus f&uuml;r die letzteren ein v&ouml;llig nutzloser Posten. Die Truppen, die seine Garnison bildeten, mu&szlig;ten ihren R&uuml;ckzug nach Memphis oder auch Arkansas sehr beschleunigen, um der Gefahr einer unr&uuml;hmlichen Waffenstreckung zu entgehen. </P>
<P>Infolge der S&auml;uberung Missouris und der Wiedereroberung Kentuckys hat sich der Kriegsschauplatz soweit verengt, da&szlig; die verschiedenen Armeen auf der ganzen Operationslinie bis zu einem gewissen Grade zusammenwirken und auf die Erreichung bestimmter Resultate hinarbeiten k&ouml;nnen. Mit anderen Worten, der Krieg nimmt erst jetzt einen<I> strategischen</I> Charakter an, und die geographische Konfiguration des Landes erh&auml;lt neues Interesse. Es ist jetzt die Aufgabe der n&ouml;rdlichen Generale, in den Baumwollstaaten die Achillesferse aufzufinden. </P>
<P>Bis zur Einnahme Nashvilles war keine strategische Gemeinschaft zwischen der Armee von Kentucky und der Armee am Potomac m&ouml;glich. Sie waren zu weit voneinander entfernt. Sie standen auf derselben Frontlinie, aber ihre Operationslinien waren ganz verschieden. Erst mit dem siegreichen Vordringen in Tennessee wurden die Bewegungen der Armee von Kentucky wichtig f&uuml;r das ganze Kriegstheater. </P>
<P>Die von McClellan beeinflu&szlig;ten amerikanischen Bl&auml;tter machen viel Wesens mit der Anakonda-Umschl&auml;ngelungstheorie. Danach soll eine ungeheure Linie von Armeen die Rebellion umschlingen, nach und nach die Glieder zusammenziehen und den Feind schlie&szlig;lich erw&uuml;rgen. Dies ist rein kindisch. Es ist eine Aufw&auml;rmung des in &Ouml;sterreich um 1770 erfundenen sogenannten<I> Kordonsystems</I>, das mit so gro&szlig;em Starrsinn und mit so best&auml;ndigem Fehlschlag von 1792 bis 1797 gegen die Franzosen angewendet wurde. Zu Jemappes, Fleurus und ganz besonders zu Montenotte, Millesimo, Dego, Castiglione und Rivoli wurde diesem Systeme der Garaus gemacht. Die Franzosen schnitten die "Anakonda" entzwei, indem sie an einem Punkt, wo sie &uuml;berlegene Kr&auml;fte konzentriert hatten, losschlugen. Dann wurden die St&uuml;cke der "Anakonda" der Reihe nach zerhackt. </P>
<P>In gut bev&ouml;lkerten und mehr oder minder zentralisierten Staaten gibt es stets ein Zentrum, mit dessen Besetzung durch den Feind der nationale <A NAME="S494"><B>|494|</A></B> Widerstand gebrochen w&uuml;rde. Paris ist ein gl&auml;nzendes Beispiel. Die Sklavenstaaten jedoch besitzen kein solches Zentrum. Sie sind d&uuml;nn bev&ouml;lkert, mit wenig gro&szlig;en St&auml;dten und diesen allen an der Seek&uuml;ste. Es fragt sich also: Existiert trotzdem ein milit&auml;rischer Gravitationspunkt, mit dessen Wegnahme der R&uuml;ckgrat ihres Widerstandes bricht, oder sind sie, wie Ru&szlig;land es noch 1812 war, nicht zu erobern, ohne jedes Dorf und jeden Fleck, mit einem Wort, ohne die ganze Peripherie zu besetzen? </P>
<P>Man werfe einen Blick auf die geographische Gestalt Sezessias mit seinem langen K&uuml;stenstrich am Atlantischen Ozean und seinem langen K&uuml;stenstrich am Meerbusen von Mexiko. Solange die Konf&ouml;derierten Kentucky und Tennessee hielten, bildete das Ganze eine gro&szlig;e, kompakte Masse. Der Verlust dieser beiden Staaten treibt einen ungeheuren Keil in ihr Territorium, der die Staaten am n&ouml;rdlichen Atlantischen Ozean von den Staaten am Meerbusen von Mexiko trennt. Die direkte Stra&szlig;e von Virginia und den beiden Carolinas nach Texas, Louisiana, Mississippi und teilweise selbst nach Alabama f&uuml;hrt &uuml;ber Tennessee, das jetzt von den Unionisten eingenommen ist. Die<I> einzige</I> Stra&szlig;e, die, nach v&ouml;lliger Eroberung Tennessees durch die Union, die beiden Sektionen der Sklavenstaaten verbindet, geht &uuml;ber Georgia. Dies beweist, da&szlig;<I> Georgia</I> der<I> Schl&uuml;ssel zu Sezessia ist</I>. Mit dem Verlust Georgias w&auml;re die Konf&ouml;deration in zwei Sektionen zerschnitten, die alle Verbindung untereinander verloren h&auml;tten. An eine Wiedereroberung Georgias durch die Sezessionisten w&auml;re aber kaum zu denken, denn die unionistischen Streitkr&auml;fte w&auml;ren in einer zentralen Position konzentriert, w&auml;hrend ihre Gegner, in zwei Lager getrennt, kaum hinreichende Kr&auml;fte zu einem gemeinsamen Angriff aufzubieten h&auml;tten. </P>
<P>W&auml;re die Eroberung von ganz Georgia mit der Seek&uuml;ste von Florida zu einer solchen Operation erheischt? Keineswegs. In einem Land, wo die Kommunikation, namentlich zwischen entfernten Punkten, viel mehr von den Eisenbahnen als von den Landstra&szlig;en abh&auml;ngt, gen&uuml;gt die Wegnahme der Eisenbahnen. Die s&uuml;dlichste Eisenbahnlinie zwischen den Staaten am Meerbusen von Mexiko und der atlantischen K&uuml;ste geht &uuml;ber Macon und Cordon bei Milledgeville. </P>
<P>Die Besetzung dieser beiden Punkte w&uuml;rde daher Sezessia entzweischneiden und die Unionisten bef&auml;higen, einen Teil nach dem andern zu schlagen. Man ersieht aus dem Obigen zugleich, da&szlig; keine S&uuml;drepublik ohne den Besitz von Tennessee lebensf&auml;hig ist. Ohne Tennessee liegt der Lebenspunkt Georgias nur acht oder zehn Tagm&auml;rsche von der Grenze ab; der Norden w&uuml;rde die Faust best&auml;ndig am Halse des S&uuml;dens halten, und bei dem geringsten Drucke m&uuml;&szlig;te der S&uuml;den nachgeben oder vor neuem f&uuml;r <A NAME="S495"><B>|495|</A></B> sein Leben k&auml;mpfen, unter Umst&auml;nden, worin eine einzige Niederlage alle Aussicht auf Erfolg abschnitte. </P>
<P>Aus der bisherigen Betrachtung folgt: </P>
<P>Der Potomac ist<I> nicht</I> die bedeutendste Position des Kriegstheaters. Die Wegnahme Richmonds und das Vorr&uuml;cken der Potomac-Arrnee weiter s&uuml;dlich - schwierig wegen der vielen Str&ouml;me, die die Marschlinie durchschneiden - k&ouml;nnten moralisch einen ungeheuren Effekt hervorbringen. Rein milit&auml;risch w&uuml;rden sie<I> nichts</I> entscheiden. </P>
<P>Die Entscheidung der Kampagne geh&ouml;rt der Kentucky-Armee, jetzt in Tennessee befindlich. Einerseits ist diese Armee den entscheidenden Punkten am n&auml;chsten, andererseits nimmt sie ein Territorium ein, ohne das die Sezession lebensunf&auml;hig ist. Diese Armee m&uuml;&szlig;te daher auf Kosten aller &uuml;brigen und mit Aufopferung aller kleineren Operationen verst&auml;rkt werden. Ihre n&auml;chsten Angriffspunkte w&auml;ren Chattanooga und Dalton am oberen Tennessee, die wichtigsten Eisenbahnzentren des ganzen S&uuml;dens. Nach ihrer Besetzung w&auml;re die Verbindung zwischen den &ouml;stlichen und westlichen Staaten Sezessias auf die Verbindungslinien in Georgia beschr&auml;nkt. Es w&uuml;rde sich dann weiter darum handeln, mit Atlanta und Georgia eine andere Eisenbahnlinie abzuschneiden, endlich durch Wegnahme Macons und Cordons die letzte Verbindung zwischen den zwei Sektionen zu vernichten. </P>
<P>Wird dagegen der Anakonda-Plan befolgt, so kann trotz aller Erfolge im einzelnen und selbst am Potomac der Krieg sich ins Unendliche ausdehnen, w&auml;hrend die finanziellen Schwierigkeiten zugleich mit diplomatischen Verwicklungen neuen Spielraum gewinnen. </P>
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