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<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
<TITLE>Friedrich Engels - ´Niedergang und naher Sturz von Guizot</TITLE>
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<BODY BGCOLOR="#fffffc">
<SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 4, S. 183 - 190<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1972 </SMALL></P>
<P>[Friedrich Engels]</P>
<P>Der Niedergang und der nahende Sturz von Guizot -<BR>
Die Stellung der franz&ouml;sischen Bourgeoisie</P>
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT"> ["The Northern Star" Nr. 506 vom 3. Juli 1847]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S183">&lt;183&gt;</A></B> Die englische B&uuml;hne t&auml;te besser daran, <I>"The School for Scandal" </I>vom Spielplan abzusetzen, denn die gr&ouml;&szlig;te Schule dieser Art ist tats&auml;chlich in Paris, in der Kammer der Deputierten errichtet worden. Die Menge an skandal&ouml;sem Tatsachenmaterial, das dort w&auml;hrend der letzten vier oder f&uuml;nf Wochen gesammelt und vorgebracht wurde, ist wahrlich in den Annalen parlamentarischer Diskussion ohne Beispiel. Ich erinnere an die Inschrift, die Herr Duncombe einstmals f&uuml;r Ihr ruhmreiches Unterhaus vorschlug: <I>"Die w&uuml;rdelosesten und sch&auml;ndlichsten Dinge geschehen innerhalb dieser Mauern." </I>Hier haben Sie also ein Gegenst&uuml;ck zu Ihrer Sippschaft von Bourgeoisgesetzgebern; hier geschehen Dinge, deren sich sogar die britischen Gauner sch&auml;men w&uuml;rden. Die Ehre des guten alten Englands ist gerettet; Mister Roebuck ist von Monsieur de Girardin &uuml;bertroffen worden; Sir James Graham wurde von Monsieur Duch&acirc;tel geschlagen.</P>
<P>Ich werde mir nicht die M&uuml;he machen, Ihnen die ganze Liste der Skandalaff&auml;ren zu unterbreiten, die hier in den letzten Wochen aufgedeckt wurden; ich werde kein Wort &uuml;ber die vielen F&auml;lle von Bestechungen verlieren, die vor den Richter gebracht wurden; kein Wort &uuml;ber Herrn Gudin, den Ordonnanzoffizier des K&ouml;nigs, der, nicht ganz ungeschickt, den Versuch unternahm, die Gewohnheiten der Hochstaplerwelt in die Tuilerien einzuf&uuml;hren; ich werde Ihnen keinen weitschweifigen Bericht &uuml;ber die schmutzige Aff&auml;re des Generals Cubi&egrave;res, Pair von Frankreich, ehemals Kriegsminister, geben, der unter dem Vorwand, die Genehmigung der Regierung zur Bildung einer Bergwerksgesellschaft zu erkaufen, besagte Gesellschaft um 40 Aktien prellte, die er kaltbl&uuml;tig in die eigene Tasche steckte, weshalb er sich nun vor der Pairskammer zu verantworten hat. Nein, ich will Ihnen nur einige kleine Kostproben - einige wenige Beispiele aus zwei oder drei Sitzungen der Depu- <A NAME="S184"><B>&lt;184&gt;</A></B> tiertenkammer geben, die es Ihnen erm&ouml;glichen werden, die &uuml;brigen zu beurteilen.</P>
<P>Herr Emile de Girardin, Deputierter und Herausgeber der Tageszeitung <I>"La Presse"</I>, der in beiden Eigenschaften die neue Partei der <I>Progressiven Konservativen </I>unterst&uuml;tzt und seit geraumer Zeit einer der heftigsten Gegner der Regierung ist (die er bis vor kurzem noch unterst&uuml;tzt hatte), ist ein Mann von gro&szlig;er Begabung und gro&szlig;er Aktivit&auml;t, aber ohne Grunds&auml;tze. Seit Beginn seiner politischen Karriere wandte er ohne Z&ouml;gern alle Mittel an, um sich zu einer bedeutenden Pers&ouml;nlichkeit des &ouml;ffentlichen Lebens zu machen. Er war es, der Armand Carell, den ber&uuml;hmten Herausgeber des <I>"National"</I>, zum Duell zwang und erscho&szlig;, wodurch er sich von einem gef&auml;hrlichen Konkurrenten befreite. Die Unterst&uuml;tzung eines solchen Mannes, Besitzer einer einflu&szlig;reichen Zeitung und Mitglied der Deputiertenkammer, war nat&uuml;rlich f&uuml;r die Regierung von gro&szlig;er Bedeutung; aber Herr de Girardin verkaufte seine Unterst&uuml;tzung (denn er <I>verkaufte </I>sie immer) zu einem sehr hohen Preis. Eine Anzahl Gesch&auml;fte wurden zwischen Herrn de Girardin und der Regierung abgewickelt, jedoch nicht immer zur vollen Zufriedenheit beider Parteien. Inzwischen bereitete sich Herr de Girardin auf jede m&ouml;gliche Wendung der Dinge vor. Da er die Wahrscheinlichkeit eines Bruchs mit dem Guizot-Kabinett voraussah, sammelte er Berichte von Skandalaff&auml;ren, Bestechungen und Schachereien, die er in seiner Stellung am besten in Erfahrung bringen konnte und die ihm seine hochgestellten Freunde und Agenten hinterbrachten. Der Verlauf der Parteidiskussionen in dieser Session zeigte ihm, da&szlig; der Sturz von Guizot und Duch&acirc;tel n&auml;herr&uuml;ckt. Er war eine der Hauptpersonen bei der Gr&uuml;ndung der neuen Partei der "Progressiven Konservativen" und drohte der Regierung zu wiederholten Malen mit der ganzen Schwere seines Zornes, wenn sie auf ihrem Kurs beharre. Herr Guizot wies mit ziemlich ver&auml;chtlichen Ausdr&uuml;cken jeden Kompromi&szlig; mit der neuen Partei zur&uuml;ck. Diese sonderte sich von der Mehrheit ab und beunruhigte die Regierung durch ihre Opposition. Finanz- und andere Diskussionen in der Kammer brachten so viel Skandal ans Tageslicht, da&szlig; die Herren Guizot und Duch&acirc;tel gezwungen waren, mehrere ihrer Kollegen &uuml;ber Bord zu werfen, um sich selbst zu retten. Die freien Sitze wurden jedoch mit so unbedeutenden M&auml;nnern besetzt, da&szlig; keine Partei zufrieden und das Ministerium eher geschw&auml;cht als gest&auml;rkt war. Dann kam die Aff&auml;re Cubi&egrave;res, die selbst bei der Mehrheit einige Zweifel aufkommen lie&szlig; hinsichtlich der M&ouml;glichkeit, Herrn Guizot im Amt zu belassen. Jetzt endlich, als er das Kabinett v&ouml;llig zerr&uuml;ttet und geschw&auml;cht sah, hielt Herr de Girardin den Augenblick f&uuml;r gekommen, an dem er seine Pandorab&uuml;chse des Skandals hervorholen und den Sturz <A NAME="S185"><B>&lt;185&gt;</A></B> einer wankenden Regierung durch Enth&uuml;llungen erreichen k&ouml;nne, die geeignet waren, sogar den Glauben des "BELLY" der Kammer zu ersch&uuml;ttern.</P>
<P>Er begann damit, da&szlig; er die Regierung beschuldigte, eine Pairsw&uuml;rde f&uuml;r 80.000 Francs verkauft, aber das Versprechen nicht gehalten zu haben, nachdem sie bereits das Geld eingesteckt hatte! Die Pairskammer f&uuml;hlte sich durch diese in der Zeitung <I>"La Presse" </I>ver&ouml;ffentlichte Behauptung beleidigt und bat die Deputierten um Erlaubnis, Herrn de Girardin vor ihren Richtertisch zu bringen. Diese Forderung f&uuml;hrte eine Diskussion in der Deputiertenkammer herbei, in deren Verlauf Herr de Girardin seine Behauptung v&ouml;llig aufrechterhielt und erkl&auml;rte, im Besitze von Beweisen zu sein; er lehne es aber ab, irgendwelche Namen zu nennen, da er nicht die Rolle eines <I>Denunzianten </I>spielen wolle. Jedenfalls, so sagte er, habe er die Angelegenheit pers&ouml;nlich dreimal Herrn Guizot gegen&uuml;ber erw&auml;hnt, der den Tatbestand nie abgestritten. Auch mit Herrn Duch&acirc;tel habe er einmal dar&uuml;ber gesprochen und folgende Antwort erhalten: "Es geschah w&auml;hrend meiner Abwesenheit, und sp&auml;ter mi&szlig;billigte ich die Sache; Herr Guizot hat es getan." Das Ganze wurde von Herrn Duch&acirc;tel rundweg abgeleugnet. "Nun wohl", sagte Herr de Girardin, "ich werde Ihnen den Beweis liefern; da&szlig; es durchaus zu den Gepflogenheiten der Regierung geh&ouml;rt, solche Gesch&auml;fte vorzuschlagen", und er verlas einen Brief von General Alexander de Girardin (wie ich glaube, der Vater von Herrn Emile de Girardin; letzterer ist ein illegitimes Kind) an den K&ouml;nig. Dieser Brief dr&uuml;ckte die Dankbarkeit des Generals de Girardin aus f&uuml;r das Angebot einer Pairsw&uuml;rde, das man ihm gemacht hatte; er besagte jedoch gleichzeitig, da&szlig; Herr Guizot sp&auml;ter die Bedingung stellte, da&szlig; er (General de G[irardin]), seinen Einflu&szlig; auf Herrn Emile de G[irardin] geltend machen solle, um ihn von der Opposition gegen die Regierung abzubringen. An einem solchen Gesch&auml;ft wollte General de G[irardin] nicht teilhaben und lehnte daher die Pairsw&uuml;rde ab. "Oh", sagte Herr Duch&acirc;tel, "wenn es weiter nichts ist, so m&ouml;chten wir nur erw&auml;hnen, da&szlig; uns Herr Emile de Girardin selbst das Angebot machte, seine Opposition aufzugeben, wenn wir ihn zum Pair machen w&uuml;rden; wir aber lehnten dieses Angebot ab." <I>Hinc illae lacrimae!</I> &lt;<I>Daher diese Tr&auml;nen!</I>&gt;<I> </I>Auf die in diesem Brief enthaltene Behauptung antwortete Duch&acirc;tel jedoch mit keiner Silbe. Die Kammer stimmte dann daf&uuml;r, da&szlig; Herr Emile de G[irardin] den Pairs zu einem Untersuchungsverfahren &uuml;berantwortet werden sollte. Er wurde verh&ouml;rt, hielt die Behauptung aufrecht, erkl&auml;rte aber, da ja die verkauften Pairsw&uuml;rden nicht erwiesen seien, k&ouml;nne er nicht die Pairskammer, sondern nur die Regierung angegriffen haben. Er <A NAME="S186"><B>&lt;186&gt;</A></B> wurde daraufhin von den Pairs freigesprochen. Dann holte Girardin eine andere Skandalaff&auml;re hervor. Im vergangenen Jahr rief man eine gro&szlig;e Zeitung, die <I>"&Eacute;poque"</I>, ins Leben, die die Regierung unterst&uuml;tzen, alle oppositionellen Zeitungen aus dem Felde schlagen und den kostspieligen Unterhalt der Zeitung von Herrn de Girardin, <I>"La Presse"</I>, &uuml;berfl&uuml;ssig machen sollte. Das Experiment schlug in einem auffallenden Ma&szlig;e fehl, zum Teil auch durch die Intrigen von Herrn de Girardin pers&ouml;nlich, der seine Hand bei jeder Angelegenheit dieser Art im Spiele hat. Jetzt, als man Herrn Duch&acirc;tel anklagte, die Presse bestochen zu haben, antwortete er, da&szlig; die Regierung niemals an irgendeine Zeitung irgendeine Geldbeihilfe gezahlt h&auml;tte. Gegen&uuml;ber dieser Behauptung hielt Herr de Girardin die offenkundige Tatsache aufrecht, da&szlig; Herr Duch&acirc;tel nach vieler Bettelei von Seiten der Herausgeber der <I>"&Eacute;poque"</I>, ihnen gesagt habe: "Nun gut, Gold und Silber habe ich nicht, aber was ich habe, das will ich Ihnen geben" -, und er gab ihnen das Privileg f&uuml;r ein drittes Opernhaus in Paris. Dieses Privileg verkauften die "feinen Herren" von der <I>"&Eacute;poque" </I>f&uuml;r 100.000 Francs, wovon 60.000 Francs f&uuml;r die Unterst&uuml;tzung der Zeitung verwendet wurden und die restlichen 40.000 Francs Gott wei&szlig; wohin wanderten. Auch das wurde von Herrn Duch&acirc;tel entschieden abgeleugnet; aber die Tatsache ist doch allgemein bekannt.</P>
<P>&Uuml;brigens wurden von Herrn de Girardin noch einige &auml;hnliche Gesch&auml;fte ans Tageslicht gebracht; diese Beispiele m&ouml;gen jedoch gen&uuml;gen.</P>
<P>Gestern stand Herr de Girardin in der Deputiertenkammer wieder auf und las einige Briefe vor, aus denen hervorging, da&szlig; Herr Duch&acirc;tel veranla&szlig;t hatte, die Diskussion &uuml;ber die obenerw&auml;hnte Pairsw&uuml;rdenaff&auml;re auf Staatskosten drucken zu lassen und allen Stadtr&auml;ten im Lande zu &uuml;bersenden, da&szlig; aber in diesem amtlichen Bericht weder die Reden von Herrn de Girardin, noch die von Herrn Duch&acirc;tel korrekt wiedergegeben, sondern da&szlig; im Gegenteil beide zurechtfrisiert worden waren, um Herrn de Girardin als l&auml;cherlichen Verleumder und Herrn Duch&acirc;tel als den reinsten und tugendhaftesten aller M&auml;nner erscheinen zu lassen. Im Hinblick auf die Angelegenheit selbst wiederholte er alle seine Behauptungen und forderte die Regierung heraus, diese entweder durch ein parlamentarisches Komitee widerlegen zu lassen oder ihn als Verleumder vor eine Jury zu bringen. In beiden F&auml;llen, sagte er, s&auml;he er sich gezwungen, die Namen der Beteiligten und alle Einzelheiten bekanntzugeben, damit er seine Anschuldigungen beweisen k&ouml;nne, ohne dabei die Rolle eines gemeinen Spitzels zu spielen. Das erregte allgemeinen Aufruhr in der Kammer. Herr Duch&acirc;tel lehnte ab: Herr de Girardin wiederholte seine Forderung; Herr Duch&acirc;tel lehnte wieder ab; Herr de Girardin wiederholte seine Forderung noch einmal, und so weiter; das Ganze wurde begleitet von <A NAME="S187"><B>&lt;187&gt;</A></B> den Rufen und Gegenrufen der "Ch&ouml;re" der Kammer. Andere Mitglieder der Opposition forderten die Regierung erneut auf, die Angelegenheit entweder in einer parlamentarischen Untersuchung oder in einem Gerichtsverfahren zu kl&auml;ren. Schlie&szlig;lich sagte Herr Duch&acirc;tel:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Eine parlamentarische Untersuchung, meine Herren, w&uuml;rde Zweifel an der Rechtschaffenheit der Regierung von seiten der Majorit&auml;t voraussetzen; deshalb w&uuml;rden an dem Tag der Billigung dieser Untersuchung unsere Pl&auml;tze von anderen besetzt sein; wenn Sie irgendeinen Zweifel hegen, so sagen Sie es uns offen, und wir werden sofort zur&uuml;cktreten."</P>
<P>"Dann", sagte Herr de Girardin, "bleibt nichts weiter &uuml;brig, als ein Gerichtsverfahren. Ich bin bereit, mich einem solchen zu unterziehen. Stellen Sie mich vor eine Jury, wenn Sie es wagen."</P>
<P>"Nein", entgegnete Herr H&eacute;bert, der Justizminister, "das werden wir nicht tun, denn die Mehrheit der Kammer wird urteilen."</P>
<P>"Aber", wandte Herr Odilon Barrot ein, "das hier ist keine politische Frage; es ist eine <I>juristische</I>, und eine solche Frage unterliegt nicht unserer Kompetenz, sondern der der &ouml;ffentlichen Gerichte. Wenn Herr de Girardin in seiner Zeitung die Regierung verleumdet hat, warum stellt man ihn deswegen nicht vor ein Gericht?"</P>
<P>"Wir wollen es nicht!"</P>
<P>"Gut, aber es gibt auch eine klare Anschuldigung gegen andere Beteiligte hinsichtlich des Schachers mit Pairsw&uuml;rden; warum bringt man diese nicht zur Sprache? Und diese Aff&auml;re mit der <I>'&Eacute;poque' </I>und dem Opernhausprivileg - wenn Sie daran nicht beteiligt sind, wie Sie sagen, warum klagen Sie nicht die an, die an einem so sch&auml;ndlichen Handel beteiligt <I>sind</I>? Eindeutige Anschuldigungen und sogar Teilbeweise f&uuml;r dem Vernehmen nach begangene Verbrechen sind vorhanden; warum gehen die Anw&auml;lte der Krone nicht, wie es ihre Pflicht gebietet, gegen diejenigen gerichtlich vor, die dieser Verbrechen beschuldigt werden?"</P>
<P>"Wir erheben deshalb keine Anklage", antwortete Herr H&eacute;bert, "weil der Charakter der Behauptungen und der Charakter derer, die sie vorbringen, nicht so ist, da&szlig; die R&auml;te der Krone diese Anschuldigungen &uuml;berhaupt f&uuml;r begr&uuml;ndet halten k&ouml;nnten!"</P>
</FONT><P>Alles das wurde st&auml;ndig durch Zischen, Schreien, Klopfen und durch allen m&ouml;glichen anderen L&auml;rm unterbrochen. Diese unvergleichliche Sitzung, die das Kabinett Guizot bis in seine Grundfesten ersch&uuml;ttert hat, endete mit einer Abstimmung, aus der hervorgeht, da&szlig; es zwar m&ouml;glich ist, das Vertrauen der Mehrheit zu ersch&uuml;ttern, nicht aber ihr Abstimmungssystem!</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die Kammer geht, nachdem sie die Erkl&auml;rungen der Regierung zur Kenntnis genommen und als <I>zufriedenstellend </I>befunden hat, zur Tagesordnung &uuml;ber!"</P>
</FONT><P>Was halten Sie davon? Was ziehen Sie vor, die Regierung oder die Mehrheit, die Deputiertenkammer Frankreichs oder Ihr Unterhaus? Monsieur <A NAME="S188"><B>&lt;188&gt;</A></B> Duch&acirc;tel oder Sir James Graham? Ich darf wohl behaupten, da&szlig; es eine schwierige Wahl sein wird. Ein Unterschied ist jedoch vorhanden. Die englische Bourgeoisie hat bis zum heutigen Tage gegen eine Aristokratie zu k&auml;mpfen, die noch nicht beseitigt ist, obwohl sie sich im Zustand der Aufl&ouml;sung und Zersetzung befindet. Die Aristokratie Englands hat in dem einen oder anderen Teil der Bourgeoisie immer Unterst&uuml;tzung gefunden, und es war diese Zersplitterung der Bourgeoisie, die die Aristokratie vor dem v&ouml;lligen Zusammenbruch rettete. Gegenw&auml;rtig wird die Aristokratie Englands von Besitzern von Wertpapieren, Bankiers und Leuten mit garantiertem Einkommen, sowie von einem gro&szlig;en Teil der Schiffseigent&uuml;mer im Kampf gegen die Fabrikanten unterst&uuml;tzt. Die ganze Bewegung f&uuml;r die Aufhebung der Korngesetze ist ein Beweis daf&uuml;r. Deshalb wird der fortgeschrittene Teil der englischen Bourgeoisie (ich meine die Fabrikanten) nunmehr einige fortschrittliche politische Ma&szlig;nahmen durchf&uuml;hren k&ouml;nnen, die die Aristokratie mehr und mehr zersetzen werden. Die Fabrikanten werden sogar <I>gezwungen </I>sein, so zu handeln. Sie m&uuml;ssen ihre M&auml;rkte erweitern, was sie nicht k&ouml;nnen ohne Senkung der Preise; dieser mu&szlig; eine Senkung der Produktionskosten vorausgehen, welche in erster Linie durch Senkung der L&ouml;hne erreicht wird, und f&uuml;r die Senkung der L&ouml;hne gibt es kein sichereres Mittel als gesenkte Preise f&uuml;r die notwendigen Lebensmittel; und um das zu erreichen, bleibt ihnen kein anderes Mittel als die Senkung der Steuern. Das ist die Logik der Dinge, die die Fabrikanten Englands zwingt, die Staatskirche zu beseitigen und die Staatsschulden zu verringern, oder "auf gerechte Weise auszugleichen". Sie werden gezwungen sein, diese beiden Ma&szlig;nahmen und andere in dem gleichen Sinne zu ergreifen, sobald sie herausfinden, und das m&uuml;ssen sie, da&szlig; der Weltmarkt nicht ausreicht, um ununterbrochen und regelm&auml;&szlig;ig ihre Produkte aufzukaufen. So hat die englische Bourgeoisie bis jetzt eine fortschrittliche Richtung eingeschlagen; sie mu&szlig; eine Aristokratie und einen privilegierten Klerus st&uuml;rzen; sie wird gezwungen sein, gewisse fortschrittliche Ma&szlig;nahmen durchzuf&uuml;hren, und dazu sind die Bourgeois die richtigen und geeigneten Personen. Die franz&ouml;sische Bourgeoisie jedoch befindet sich in einer anderen Lage. In Frankreich gibt es weder einen Geburtsadel noch einen Landadel. Die Revolution hat ihn v&ouml;llig hinweggefegt. Es gibt dort auch keine privilegierte oder Staatskirche; im Gegenteil, sowohl die katholische als auch die protestantische Geistlichkeit empfangen ihre Geh&auml;lter von der Regierung und sind einander v&ouml;llig gleichgestellt. In Frankreich ist kein ernster Kampf zwischen den Besitzern von Wertpapieren, Bankiers, Schiffseigent&uuml;mern und den Fabrikanten m&ouml;glich, weil von allen Teilen der Bourgeoisie die Besitzer von Wertpapieren und Bankiers (die gleichzeitig die <A NAME="S189"><B>&lt;189&gt;</A></B> Hauptaktion&auml;re in den Eisenbahn-, Bergwerks- und anderen Gesellschaften sind) zweifellos den st&auml;rksten Teil darstellen und - von wenigen Unterbrechungen abgesehen - seit 1830 die Z&uuml;gel der Regierung in der Hand halten. Die Fabrikanten, die von der ausl&auml;ndischen Konkurrenz auf dem fremden Markt niedergehalten und auf ihrem eigenen bedroht werden, haben keine Chance, eine solche Stufe der Macht zu erreichen, bei der sie erfolgreich gegen Bankiers und Besitzer von Wertpapieren k&auml;mpfen k&ouml;nnten. Im Gegenteil, ihre Chancen werden mit jedem Jahr geringer; ihre Partei in der Deputiertenkammer, fr&uuml;her die H&auml;lfte, z&auml;hlt jetzt nicht mehr als ein Drittel der Deputierten. Aus alledem ergibt sich, da&szlig; weder ein einzelner Teil noch die ganze herrschende Bourgeoisie in der Lage ist, so etwas wie "Fortschritt" einzuf&uuml;hren, da&szlig; in Frankreich seit der Revolution von 1830 die Herrschaft der Bourgeoisie so vollkommen errichtet wurde, da&szlig; die herrschenden Klassen nichts anderes tun konnten als <I>sich selbst zugrunde zu richten</I>. Das haben sie getan. Anstatt vorw&auml;rts zu schreiten, waren sie gezwungen, r&uuml;ckw&auml;rts zu gehen, die Pre&szlig;freiheit einzuschr&auml;nken, das Recht auf Vereins- und Versammlungsfreiheit aufzuheben und alle m&ouml;glichen Ausnahmegesetze zu erlassen, um die Arbeiterklasse niederzuhalten. Und die Skandalaff&auml;ren, die w&auml;hrend der letzten Wochen zur Sprache gebracht wurden, sind der klare Beweis, da&szlig; die herrschende Bourgeoisie Frankreichs v&ouml;llig entkr&auml;ftet, total "verbraucht" ist.</P>
<P>In der Tat, die gro&szlig;e Bourgeoisie befindet sich in einer mi&szlig;lichen Lage. Sie hatte endlich in Guizot und Duch&acirc;tel die geeigneten M&auml;nner zur F&uuml;hrung ihrer Staatsgesch&auml;fte gefunden. Sie hielt sie sieben Jahre im Amt und sorgte daf&uuml;r, da&szlig; sie bei jeder Wahl eine immer gr&ouml;&szlig;ere Mehrheit erhielten. Und nun, da man alle Oppositionsgruppen der Kammer in den Zustand &auml;u&szlig;erster Hilflosigkeit versetzt hatte, nun, da die Tage des Ruhms von Guizot und Duch&acirc;tel gekommen schienen, gerade in diesem Augenblick deckte man in den Handlungen der Regierung viele Skandalaff&auml;ren auf, die ihr Verbleiben im Amt unm&ouml;glich machen, selbst wenn sie durch die Kammern einstimmig unterst&uuml;tzt werden sollten. Es stehtt au&szlig;er Zweifel, da&szlig; Guizot und Duch&acirc;tel mit ihren Mitarbeitern sehr bald zur&uuml;cktreten werden; sie k&ouml;nnen sich noch einige Wochen in ihren Ministersesseln halten, aber ihr Ende steht nahe -, sehr nahe bevor. Und wer wird nach ihnen regieren? Wer wei&szlig;! Es ist m&ouml;glich, da&szlig; sie mit Louis XV. sagen: "Nach mir die Sintflut, Ruin und Chaos." Thiers ist unf&auml;hig, eine Mehrheit zusammenzubringen. Mol&eacute; ist ein alter verbrauchter und unbedeutender Mann, der auf alle m&ouml;glichen Schwierigkeiten sto&szlig;en wird und der, um sich die Unterst&uuml;tzung der Mehrheit zu sichern, &auml;hnliche skandal&ouml;se Handlungen begehen und folglich ebenso wie Guizot <A NAME="S190"><B>&lt;190&gt;</A></B> enden m&uuml;&szlig;te. Das ist die gr&ouml;&szlig;te Schwierigkeit. Die gegenw&auml;rtigen W&auml;hler werden immer eine Mehrheit w&auml;hlen, die der jetzt bestehenden gleicht; die gegenw&auml;rtige Mehrheit wird immer ein Ministerium wie das von Guizot und Duch&acirc;tel erfordern, das in alle m&ouml;glichen Aff&auml;ren verwickelt ist; und jedes Kabinett, das so handelt, wird durch den blo&szlig;en Druck der &ouml;ffentlichen Meinung gest&uuml;rzt werden. Das ist der fehlerhafte Kreislauf, in dem sich das gegenw&auml;rtige System bewegt. Aber wie bisher fortzufahren, ist unm&ouml;glich. Was ist also zu tun? Es gibt keinen anderen Weg als den, diesen Kreislauf zu verlassen und eine Wahlreform durchzuf&uuml;hren: Wahlreform - das hei&szlig;t Zulassung der kleinen Gewerbetreibenden zur Abstimmung, und das bedeutet in Frankreich "den Anfang vom Ende". Rothschild und Louis-Philippe wissen beide sehr wohl, da&szlig; die Zulassung der kleinen "Bourgeoisie" zur Wahlurne nichts anderes bedeutet als <I>"LA REPUBLIQUE!"</P>
</I><P>Paris, den 26. Juni 1847<BR>
<FONT SIZE=2>Aus dem Englischen.</P></FONT></BODY>
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