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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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13 KiB
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<TITLE>Karl Liebknecht - Der Hauptfeind steht im eigenen Land!</TITLE>
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<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A HREF="default.htm"><SMALL>Karl Liebknecht</SMALL></A></TD>
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<HR size="1">
<H2>Karl Liebknecht</H2>
<H1> <!-- #BeginEditable "Titel" -->Der Hauptfeind steht im eigenen Land !<!-- #EndEditable --></H1>
<P><!-- #BeginEditable "Nachweis" --><SMALL>Flugblatt
Mai 1915</SMALL><!-- #EndEditable --></P>
<HR size="1">
<!-- #BeginEditable "Text" -->
<P>Was seit zehn Monaten, seit dem Angriff &Ouml;sterreichs auf Serbien, t&auml;glich zu
erwarten war, ist eingetreten: <B>Der Krieg mit Italien ist da.</B>
<P>Die Volksmassen der kriegf&uuml;hrenden L&auml;nder haben begonnen, sich aus den
amtlichen L&uuml;gennetzen zu befreien. Die Einsicht in die Ursachen und Zwecke des
Weltkrieges, in die unmittelbare Verantwortlichkeit f&uuml;r seinen Ausbruch hat sich
auch im deutschen Volk verbreitet. Der Irrwahn heiliger Kriegsziele ist mehr und
mehr gewichen, die Kriegsbegeisterung geschwunden, der <B>Wille zum schleunigen
Frieden</B> m&auml;chtig emporgewachsen, allenthalben - auch in der Armee!
<P>Eine schwere Sorge f&uuml;r die deutschen und &ouml;sterreichischen Imperialisten, die
sich vergeblich nach Rettung umsahen. Sie scheint ihnen jetzt gekommen. Italiens
Eingreifen in den Krieg soll ihnen die willkommene Gelegenheit bieten, <B>neuen
Taumel des V&ouml;lkerhasses</B> zu entfachen, den Friedenswillen zu ersticken, die
Spur ihrer eigenen Schuld zu verwischen. Sie spekulieren auf die Verge&szlig;lichkeit
des deutschen Volkes, auf seine nur allzuoft erprobte Langmut.
<P>W&uuml;rde der saubere Plan gl&uuml;cken, das Ergebnis zehnmonatiger blutiger Erfahrung
w&auml;re zunichte, das internationale Proletariat st&uuml;nde wiederum entwaffnet da,
v&ouml;llig ausgeschaltet als selbst&auml;ndiger politischer Faktor.
<P>Der Plan mu&szlig; zuschanden werden - sofern der dem internationalen Sozialismus
treu gebliebene Teil des deutschen Proletariats seiner geschichtlichen Sendung
in dieser ungeheuren Zeit eingedenk und w&uuml;rdig bleibt.
<P>Die Feinde des Volkes rechnen mit der Verge&szlig;lichkeit der Massen - wir setzen
dieser Spekulation entgegen die Losung:
<P>
<DIV align=center>
<H2>Alles lernen, nichts vergessen!</H2>
</DIV>
<P>Nichts vergessen !
<P>Wir haben erlebt, da&szlig; beim Kriegsausbruch die Massen von den herrschenden
Klassen mit lockenden Melodien f&uuml;r den kapitalistischen Kriegszweck eingefangen
wurden. Wir haben erlebt, wie die schillernden Seifenblasen der Demagogie
zerplatzten, die Narrentr&auml;ume des August verflogen, wie statt des Gl&uuml;cks Elend
und Jammer &uuml;ber das Volk kamen; wie die Tr&auml;nen der Kriegswitwen und Kriegswaisen
zu Str&ouml;men anschwollen; wie die Erhaltung der Dreiklassenschmach, die verstockte
Heiligsprechung der Viereinigkeit: Halbabsolutismus - Junkerherrschaft -
Militarismus - Polizeiwillk&uuml;r zur bitteren Wahrheit wurde.
<P>Durch die Erfahrung sind wir gewarnt - alles lernen, nichts vergessen !
<P>Widerw&auml;rtig sind die Tiraden, mit denen der italienische Imperialismus seine
Raubpolitik verbr&auml;mt; widerw&auml;rtig ist jene r&ouml;mische Tragikom&ouml;die, in der auch
die landl&auml;ufig gewordene Grimasse des &raquo;Burgfriedens&laquo; nicht fehlt. Noch
widerw&auml;rtiger ist jedoch, da&szlig; wir in alledem nur wie in einem Spiegel die
deutschen und &ouml;sterreichischen Methoden vom Juli und August 1914 wiedererkennen.
<P>Jede Brandmarkung verdienen die italienischen Kriegshetzer. Aber sie sind
nichts als die Abbilder der deutschen und &ouml;sterreichischen Kriegshetzer, jener
Hauptschuldigen am Kriegsausbruch. <B>Gleiche Br&uuml;der, gleiche Kappen!</B>
<P>
<DIV align=center>
<H2>Wem hat das deutsche Volk die neue Heimsuchung zu danken?</H2>
</DIV>
<P>Von wem hat es Rechenschaft zu fordern f&uuml;r die neuen Opfer-Hekatomben, die
sich t&uuml;rmen werden ?
<P>Es bleibt dabei: Das &ouml;sterreichische Ultimatum an Serbien vom 23. Juli 1914
war die Brandfackel, die die Welt entz&uuml;ndete, wenn auch der Brand erst sp&auml;t auf
Italien &uuml;bergriff.
<P>Es bleibt dabei: Dieses Ultimatum war das Signal f&uuml;r die Neuverteilung der
Welt und rief mit Notwendigkeit alle kapitalistischen Raubstaaten auf den Plan.
<P>Es bleibt dabei: Dieses Ultimatum rollte die Frage der Vorherrschaft auf dem
Balkan, in Kleinasien und im ganzen Mittelmeer und damit auch alle Gegens&auml;tze
zwischen &Ouml;sterreich-Deutschland und Italien mit einem Schlage auf.
<P>Wenn sich die deutschen und &ouml;sterreichischen Imperialisten jetzt hinter dem
Busch der italienischen Raubpolitik, hinter der Kulisse der italienischen
Treulosigkeit zu verstecken suchen; wenn sie die Toga der moralischen
Entr&uuml;stung, der gekr&auml;nkten Unschuld umwerfen, w&auml;hrend sie doch in Rom nur eben
ihresgleichen gefunden haben, so verdienen sie die Lauge des grausamsten Hohns.
<P>Nicht vergessen gilt's, wie <B>mit dem deutschen Volke gerade in der
italienischen Frage gespielt</B> worden ist, gespielt von den sehr ehrenwerten
deutschen Patrioten.
<P>Seit je war der Dreibundvertrag mit Italien eine Farce - euch hat man dar&uuml;ber
get&auml;uscht!
<P>Stets galt Italien dem Kundigen f&uuml;r den Kriegsfall als sicherer Gegner
&Ouml;sterreichs und Deutschlands - euch hat man es als einen sicheren Bundesgenossen
vorgegaukelt!
<P>Im Dreibundvertrag, bei dessen Abschlu&szlig; und Erneuerung niemand euch befragte,
lag ein gut Teil von Deutschlands weltpolitischem Schicksal beschlossen - bis
zum heutigen Tage ist euch von diesem Vertrage nicht ein Buchstabe mitgeteilt.
<P>Das &ouml;sterreichische Ultimatum an Serbien, mit dem eine kleine Clique die
Menschheit &uuml;berrumpelte, war der Bruch des B&uuml;ndnisvertrags zwischen &Ouml;sterreich
und Italien - euch hat man davon nichts gesagt.
<P>Dieses Ultimatum ist gegen den ausdr&uuml;cklichen Widerspruch Italiens ergangen -
euch hat man das verschwiegen.
<P>Am 4. Mai dieses Jahres schon war von Italien das B&uuml;ndnis mit &Ouml;sterreich
aufgel&ouml;st - <B>bis zum 18. Mai hat man diese entscheidende Tatsache dem
deutschen und &ouml;sterreichischen Volk vorenthalten,</B> ja, der Wahrheit zum Trotz
geradewegs <B>amtlich abgeleugnet</B> - ein Gegenst&uuml;ck zu jener geflissentlichen
D&uuml;pierung des deutschen Volkes und des Deutschen Reichstages &uuml;ber das deutsche
Ultimatum an Belgien vom 2. August 1914.
<P>Auf die Verhandlungen Deutschlands und &Ouml;sterreichs mit Italien, von denen das
Eingreifen Italiens abhing, gab man euch keinen Einflu&szlig;. <B>Als Unm&uuml;ndige wurdet
ihr in dieser Lebensfrage behandelt</B>, w&auml;hrend die Kriegspartei, w&auml;hrend die
Geheimdiplomatie, w&auml;hrend eine Handvoll Leute in Berlin und Wien um das Geschick
Deutschlands w&uuml;rfelte.
<P>Durch die Torpedierung der &raquo;Lusitania&laquo; wurde nicht nur die Macht der
englischen, franz&ouml;sischen und russischen Kriegsparteien gefestigt, ein schwerer
Konflikt mit den Vereinigten Staaten heraufbeschworen, das ganze neutrale
Ausland zu leidenschaftlicher Emp&ouml;rung gegen Deutschland aufgebracht, sondern
auch der <B>italienischen Kriegspartei gerade in der kritischen Zeit ihr
verh&auml;ngnisvolles Werk erleichtert</B> - auch dazu hat das deutsche Volk
schweigen m&uuml;ssen; die eiserne Faust des Belagerungszustandes dr&uuml;ckte ihm die
Gurgel zu.
<P><B>Im M&auml;rz dieses Jahres schon konnte der Friede angebahnt werden</B> - die
Hand war von England geboten -, die Profitgier der deutschen Imperialisten wies
sie zur&uuml;ck. Hintertrieben wurden aussichtsreiche Friedensbem&uuml;hungen durch die
deutschen Interessenten an kolonialen Eroberungen gro&szlig;en Stils, an der Annexion
Belgiens und Franz&ouml;sisch-Lothringens, durch die Kapitalisten der gro&szlig;en
deutschen Schiffahrtsgesellschaften, durch die Scharfmacher der deutschen
Schwerindustrie.
<P>Auch das hat man dem deutschen Volke verheimlicht, auch da hat man es nicht
zu Rate gezogen.
<P>Wem hat, so fragen wir, das deutsche Volk die Fortsetzung des grauenvollen
Kriegs, wem Italiens Eingreifen zu danken? Wem anders als den verantwortlichen
Unverantwortlichen im eigenen Lande.
<P>
<DIV align=center>
<H2>Alles lernen, nichts vergessen!</H2>
</DIV>
<P>Der italienische Abklatsch der deutschen Ereignisse vom Sommer vorigen Jahres
kann Denkenden kein Sporn zu neuem Kriegstaumel sein, nur ein neuer Ansto&szlig; zur
Verscheuchung jener Hoffnungsirrwische von einer Morgenr&ouml;te politischer und
sozialer Gerechtigkeit, nur ein neues Licht zur Erhellung der politischen
Verantwortlichkeiten, zur Enth&uuml;llung der ganzen Gemeingef&auml;hrlichkeit jener
&ouml;sterreichischen und deutschen Kriegstreiber, nur ein neuer Anklageakt gegen
sie.
<P>Lernen und nicht vergessen aber gilt es auch und vor allem, welch
<B>heldenm&uuml;tigen Kampf unsere italienischen Genossen gegen den Krieg</B>
gek&auml;mpft haben und noch k&auml;mpfen. K&auml;mpfen in der Presse, in Versammlungen, in
Stra&szlig;enkundgebungen, k&auml;mpfen mit revolution&auml;rer Kraft und K&uuml;hnheit, trotzend mit
Leib und Leben dem w&uuml;tenden Anprall der obrigkeitlich aufgepeitschten
nationalistischen Wogen. Ihrem Kampf gelten unsere begeisterten Gl&uuml;ckw&uuml;nsche.
La&szlig;t ihren Geist unser Vorbild sein! Sorgt, da&szlig; er das Vorbild der
Internationale werde!
<P>W&auml;re er es seit jenen Augusttagen gewesen, es st&uuml;nde besser in der Welt. Es
st&uuml;nde besser um das internationale Proletariat.
<P>
<DIV align=center>
<H3>Aber kein Zusp&auml;t kennt entschlossener Kampfeswille!</H3>
</DIV>
<P>Abgewirtschaftet hat die unsinnige Parole des &raquo;Durchhaltens&laquo;, die nur immer
tiefer in den Malstrom der V&ouml;lkerzerfleischung f&uuml;hrt. Internationaler
proletarischer Klassenkampf gegen internationale imperialistische
V&ouml;lkerzerfleischung hei&szlig;t das sozialistische Gebot der Stunde.
<P>
<DIV align=center>
<H2>Der Hauptfeind jedes Volkes steht in seinem eigenen Land!</H2>
</DIV>
<P><B>Der Hauptfeind des deutschen Volkes steht in Deutschland: der deutsche
Imperialismus, die deutsche Kriegspartei, die deutsche Geheimdiplomatie.</B>
Diesen Feind im eigenen Lande gilt's f&uuml;r das deutsche Volk zu bek&auml;mpfen, zu
bek&auml;mpfen im politischen Kampf, zusammenwirkend mit dem Proletariat der anderen
L&auml;nder, dessen Kampf gegen seine heimischen Imperialisten geht.
<P>Wir wissen uns eins mit dem deutschen Volk - nichts gemein haben wir mit den
deutschen Tirpitzen und Falkenhayns, mit der deutschen Regierung der politischen
Unterdr&uuml;ckung, der sozialen Knechtung. Nichts f&uuml;r diese, alles f&uuml;r das deutsche
Volk. <B>Alles f&uuml;r das internationale Proletariat, um des deutschen
Proletariats, um der getretenen Menschheit willen!</B>
<P>Die Feinde der Arbeiterklasse rechnen auf die Verge&szlig;lichkeit der Massen -
sorgt, da&szlig; sie sich gr&uuml;ndlich verrechnen! Sie spekulieren auf die Langmut der
Massen - wir aber erheben den st&uuml;rmischen Ruf:
<P><B>Wie lange noch sollen die Gl&uuml;cksspieler des Imperialismus die Geduld des
Volkes mi&szlig;brauchen?</B> Genug und &uuml;bergenug der Metzelei! Nieder mit den
Kriegshetzern diesseits und jenseits der Grenze!
<P>
<DIV align=center>
<H2>Ein Ende dem V&ouml;lkermord!</H2>
</DIV>
<P>Proletarier aller L&auml;nder, folgt dem heroischen Beispiel eurer italienischen
Br&uuml;der! Vereinigt euch zum internationalen Klassenkampf gegen die Verschw&ouml;rungen
der Geheimdiplomatie, gegen den Imperialismus, gegen den Krieg, f&uuml;r einen
<B>Frieden im sozialistischen Geist.</B>
<P>
<DIV align=center>
<H1>Der Hauptfeind steht im eigenen Land!</H1>
</DIV>
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<P><SMALL>Pfad: &raquo;../kl/&laquo;<BR>
Verkn&uuml;pfte Dateien: <A href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">&raquo;../css/format.css&laquo;</A></SMALL></P>
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