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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx - Der Aufstand in Madrid - Die russische Anleihe - Der oesterreichisch-tuerkische Vertrag - Die Moldau und die Walachei</TITLE>
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<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 10, S. 308-316<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961</P>
</FONT><H2>Karl Marx</H2>
<H1>[Der Aufstand in Madrid - <BR>
Die russische Anleihe -<BR>
Der &ouml;sterreichisch-t&uuml;rkische Vertrag -<BR>
Die Moldau und die Walachei]</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 4134 vom 19. Juli 1854]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S308">&lt;308&gt;</A></B> London, Dienstag, 4. Juli</P>
<P>Der lang erwartete Milit&auml;raufstand zu Madrid ist endlich unter der F&uuml;hrung der Generale O'Donnell und Dulce durchgef&uuml;hrt worden. Die franz&ouml;sischen Regierungsjournale beeilen sich, uns mitzuteilen, da&szlig; nach ihren Informationen die spanische Regierung bereits die Gefahr &uuml;berwunden hat und der Aufstand unterdr&uuml;ckt ist. Aber der Madrider Korrespondent des "Morning Chronicle", der einen ausf&uuml;hrlichen Bericht von der Erhebung gibt und die Proklamation der Insurgenten bringt, meint, da&szlig; sich diese nur aus der Hauptstadt zur&uuml;ckgezogen haben, um sich mit der Garnison von Alcala zu vereinigen, und da&szlig;, falls Madrid passiv bleiben sollte, sie keine Schwierigkeiten haben w&uuml;rden, Saragossa zu erreichen. Sollte diese Bewegung erfolgreicher sein als die letzte Rebellion in jener Stadt, so w&uuml;rde dies eine Ablenkung der milit&auml;rischen Aktion Frankreichs verursachen, einen Anla&szlig; f&uuml;r Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und England bieten und wahrscheinlich auch die schwebende Verwicklung zwischen Spanien und der Regierung der Vereinigten Staaten beeinflussen.</P>
<P>Es stellt sich jetzt heraus, da&szlig; die neue russische Anleihe noch nicht endg&uuml;ltig von den Herren Hope aus Amsterdam kontrahiert worden ist, wie ich nach den Bekanntmachungen der Londoner und Manchester B&ouml;rse angenommen hatte, und da&szlig; diese Bankiers der russischen Schatzkammer auch keinen Teilbetrag vorgeschossen haben. Sie &uuml;bernahmen es lediglich, sie an den verschiedenen europ&auml;ischen B&ouml;rsen herauszubringen, ohne aber selbst ein Risiko zu &uuml;bernehmen. Der Erfolg der Anleihe wird als sehr zweifelhaft <A NAME="S309"><B>&lt;309&gt;</A></B> dargestellt, und wir haben geh&ouml;rt, da&szlig; sie in Berlin und Frankfurt sehr ung&uuml;nstig aufgenommen wurde. Der Hamburger Senat hat ihre offizielle Notierung verboten, und die englischen diplomatischen Vertreter und Konsuln haben, nach dem "Morning Chronicle", Warnungen an die britischen Untertanen erlassen, eine Anleihe zu zeichnen, "die dazu bestimmt ist, den Krieg gegen die K&ouml;nigin fortzusetzen".</P>
<P>Die Nachrichten &uuml;ber die Bewegungen der russischen Truppen seit der Aufhebung der Belagerung von Silistria sind widerspruchsvoll. Nachdem der "Moniteur" den R&uuml;ckzug der Russen hinter den Pruth gemeldet hatte, erkl&auml;rt die Wiener "Presse", da&szlig; nicht der geringste Grund vorhanden war, an die Tatsache einer solchen Bewegung zu glauben. Es zeigt sich im Gegenteil, da&szlig; nicht einmal die Evakuierung der Walachei beabsichtigt ist; General Liprandi hat eine Stellung bei Plojeschti und Kimpina bezogen und seine Vorposten am Eingang des Rotenturm-Passes stationiert, w&auml;hrend von der Hauptarmee, zur&uuml;ckgezogen &uuml;ber Slobodzia und entlang dem linken Donauufer, gemeldet wird, da&szlig; sie bei Braila haltgemacht hat. Andrerseits hat das Korps von L&uuml;ders, das die Dobrudscha besetzt h&auml;lt, noch nicht die Linie von Trajanswall aufgegeben, und es ist nicht wahrscheinlich, selbst im Falle eines weiteren R&uuml;ckzuges, da&szlig; sie Matschin und Isaktscha aufgeben werden. Es hei&szlig;t, da&szlig; frische Truppen in die Moldau str&ouml;men, wo man, wie es der Plan der Russen zu sein scheint, eine starke Streitkraft konzentrieren will. Das Korps des Generals Panjutin ist von Podolien aus eingedrungen, und zus&auml;tzliche Hilfskr&auml;fte werden aus Bessarabien herangezogen. Die gesamte Streitmacht der Russen in der oberen Moldau zwischen Jassy, Roman und Botosani soll 60.000 Mann betragen, und eine Division von 20.000 Mann lagert in der N&auml;he von Kamenez. "Paskewitsch", so schreibt die "Ost-Deutsche Post", "hat erkl&auml;rt, da&szlig; er in keinem Fall die M&uuml;ndung der Donau aufgeben wird." Der R&uuml;ckzug wird von den Russen nur als eine Auswirkung der Pest erkl&auml;rt, die an der oberen Donau ausgebrochen ist.</P>
<P>Vorl&auml;ufig ist es noch ganz unbestimmt, was die &Ouml;sterreicher unternehmen. Man sagt, das Coroninische Korps habe Order, in Orsova auf Dampfern eingeschifft zu werden, um den Flu&szlig; abw&auml;rts nach Giurgewo zu gelangen; von da soll es nach Bukarest marschieren. Der "Corriere Italiano", ein &ouml;sterreichisches Regierungsorgan, verk&uuml;ndet, der Zweck dieser Ma&szlig;regel sei blo&szlig; der, eine neutrale Position in der Walachei einzunehmen; gleichzeitig aber h&ouml;ren wir, Ru&szlig;land habe das &ouml;sterreichische "Ultimatum" abgelehnt. Eine im "Morning Chronicle" ver&ouml;ffentlichte Depesche sagt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"In seiner Antwort auf die &ouml;sterreichische Sommation erkl&auml;rt der russische Kaiser seine Bereitwilligkeit, mit den vier M&auml;chten &uuml;ber alle Punkte zu verhandeln, au&szlig;er <A NAME="S310"><B>&lt;310&gt;</A></B> &uuml;ber die Privilegien der christlichen Untertanen des Sultans. &Uuml;ber diesen Gegenstand will er blo&szlig; mit der Pforte direkt verhandeln und lehnt es ab, die vier M&auml;chte als Zwischenh&auml;ndler zuzulassen. Ebenso lehnt er es ab, Garantien f&uuml;r die R&auml;umung der F&uuml;rstent&uuml;mer zu geben."</P>
</FONT><P>Nun kann es infolge dieser Ablehnung sehr leicht zu einem Scheinkrieg zwischen &Ouml;sterreich und Ru&szlig;land kommen, der dann m&ouml;glicherweise in ein ebenso bemerkenswertes rencontre &lt;Treffen&gt; ausl&auml;uft wie jene ber&uuml;hmte Aff&auml;re von Bronzell, die den Scheinkrieg zwischen Preu&szlig;en und &Ouml;sterreich im Jahre 1850 schon zu einer Zeit beendete, als sich die Zeitungen noch in Vermutungen &uuml;ber den schrecklichen Ausgang der gro&szlig;en "mitteleurop&auml;ischen Krise" verloren. Statt daher &auml;hnliche Spekulationen &uuml;ber die m&ouml;gliche Bedeutung der jetzigen Politik &Ouml;sterreichs anzustellen, wenden wir uns lieber dem &ouml;sterreichisch-t&uuml;rkischen Vertrag vom 14. Juni zu, der nun vollst&auml;ndig und offiziell bekanntgegeben wurde.</P>
<P>Zwei Punkte sind hier zu beachten - die Beziehungen zwischen &Ouml;sterreich und der T&uuml;rkei und die Beziehungen der Bev&ouml;lkerung der Moldau und der Walachei zur T&uuml;rkei und zu &Ouml;sterreich oder zu anderen fremden M&auml;chten; dieser letzte Punkt wird merkw&uuml;rdigerweise von der durch die Diplomatie beherrschten &ouml;ffentlichen Meinung Europas total vernachl&auml;ssigt.</P>
<P>Durch den ersten Artikel des Vertrages verpflichtet sich der Kaiser von &Ouml;sterreich,</P>
<FONT SIZE=2><P>"alle Mittel der Unterhandlung und auch sonst zu ersch&ouml;pfen, um die R&auml;umung der Donauf&uuml;rstent&uuml;mer von der sie besetzenden fremden Armee zu bewirken und n&ouml;tigenfalls die zur Erreichung dieses Zwecks erforderliche Truppenzahl zu verwenden".</P>
</FONT><P>Der Kaiser von &Ouml;sterreich wird hierdurch erm&auml;chtigt, eine beliebige Anzahl Truppen in die Walachei einmarschieren zu lassen, ohne vorherige Kriegserkl&auml;rung von seiner Seite an Ru&szlig;land. So wird ein t&uuml;rkischer Vasallenstaat einer Operation unterworfen, die ihn zu einem neutralen Besitz unter &Ouml;sterreich und gegen die T&uuml;rkei verwandelt. Der zweite Artikel besagt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"f&uuml;r diesen Fall wird dem kaiserlichen Oberkommandanten die ausschlie&szlig;liche Leitung der Operationen seiner Armee zustehen. Derselbe wird jedoch Sorge tragen, den Oberkommandanten der ottomanischen Armee rechtzeitig von seinen Operationen zu verst&auml;ndigen."</P>
</FONT><P>Durch diese Vereinbarung entgehen die &Ouml;sterreicher nicht nur jeglicher Kontrolle seitens der T&uuml;rkei &uuml;ber eine von ihnen f&uuml;r gut befundene Aktion, <A NAME="S311"><B>&lt;311&gt;</A></B> sondern bekommen auch vollst&auml;ndig die Oberhand bei allen Operationen, die der t&uuml;rkische Kommandant m&ouml;glicherweise auf walachischem Boden beabsichtigt, indem sie ihn nur zu verst&auml;ndigen brauchen, da&szlig; sie diesen oder jenen Punkt besetzen wollen, um die T&uuml;rken daran zu hindern, dorthin zu marschieren. Bedenkt man nun, da&szlig; au&szlig;er dem schmalen Gebiet der Dobrudscha die F&uuml;rstent&uuml;mer das einzig m&ouml;gliche Schlachtfeld zwischen T&uuml;rken und Russen bieten, so ergibt sich, da&szlig; die &ouml;sterreichische Intervention es der T&uuml;rkei einfach unm&ouml;glich macht, ihre Siege weiterzuverfolgen und den Eindringling zu strafen.</P>
<P>Durch Artikel 3</P>
<FONT SIZE=2><P>"&uuml;bernimmt der Kaiser von &Ouml;sterreich die Verpflichtung, im Einvernehmen mit der ottomanischen Regierung in den Donauf&uuml;rstent&uuml;mern <I>so schnell wie m&ouml;glich </I>den gesetzlichen Zustand herzustellen, wie aus den von der Hohen Pforte in bezug auf die Verwaltung dieser L&auml;nder zugesicherten Privilegien selbst hervorgeht. <I>Die auf diese Weise</I> <I>wiedereingesetzten Lokalbeh&ouml;rden </I>werden jedoch ihre Wirksamkeit nicht so weit ausdehnen k&ouml;nnen, um &uuml;ber die kaiserliche Armee irgendeine Kontrolle auszu&uuml;ben."</P>
</FONT><P>Der &ouml;sterreichische Kaiser beh&auml;lt sich also volle Freiheit vor, den gesetzlichen Stand der Dinge wiederherzustellen, sobald ihm dies <I>m&ouml;glich </I>scheint; und selbst dann steht es bei ihm, die Lokalbeh&ouml;rden nur in der Absicht wiedereinzusetzen, sie dem &ouml;sterreichischen Milit&auml;rgesetz zu unterstellen, ganz nach der Manier des russischen Generals Budberg.</P>
<P>Nach Artikel 4</P>
<FONT SIZE=2><P>"verpflichtet sich der kaiserlich &ouml;sterreichische Hof au&szlig;erdem, sich mit dem kaiserlich russischen Hof in keinen Vergleich einzulassen, der nicht die souver&auml;nen Rechte des Sultans und die Integrit&auml;t seines Reiches zum Ausgangspunkt h&auml;tte".</P>
</FONT><P>Artikel 5 f&uuml;gt hinzu:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Sobald der Zweck der gegenw&auml;rtigen Konvention durch den Abschlu&szlig; eines Friedensvertrages zwischen der Hohen Pforte und dem russischen Hof erreicht ist, wird der Kaiser von &Ouml;sterreich sogleich Vorkehrungen treffen, um seine Streitkr&auml;fte <I>so bald als m&ouml;glich </I>zur&uuml;ckzuziehen. Die Einzelheiten in betreff des R&uuml;ckzugs der &ouml;sterreichischen Truppen werden den Gegenstand eines besonderen Einvernehmens mit der Hohen Pforte bilden."</P>
</FONT><P>Im ersten dieser beiden Artikel beh&auml;lt &Ouml;sterreich sich das Recht eines &Uuml;bereinkommens mit Ru&szlig;land vor, das blo&szlig; auf dem Status quo beruhen soll, wie er in der Wiener Note festgelegt ist. In letzterem Artikel verspricht &Ouml;sterreich, seine Truppen nicht zur&uuml;ckzuziehen, nachdem es selbst ein &Uuml;bereinkommen mit Ru&szlig;land getroffen hat, sondern erst, wenn ein <A NAME="S312"><B>&lt;312&gt;</A></B> Vertrag zwischen Ru&szlig;land und der T&uuml;rkei geschlossen ist. Die "materielle Garantie", direkt in Ru&szlig;lands H&auml;nden nicht mehr sicher aufgehoben, wird an &Ouml;sterreich &uuml;bertragen, und &Ouml;sterreich wird erm&auml;chtigt, sie - mit Einwilligung der Pforte - so lange statt seiner zu behalten, bis die T&uuml;rkei dem den "Abkommen zwischen den beiden kaiserlichen H&ouml;fen" beigetreten ist. Artikel 6 erm&auml;chtigt die &Ouml;sterreicher, ohne auch nur einen Anschein von Bezahlung, sich alles an Lebensmitteln anzueignen, was die Russen in den F&uuml;rstent&uuml;mern noch &uuml;briglie&szlig;en. Die Vorteile dieser &Uuml;bereinkunft wird man besonders in Deutschland voll zu w&uuml;rdigen wissen, wo man gewohnt ist, f&uuml;r revolution&auml;re S&uuml;nden mit &ouml;sterreichischen Garnisonen bestraft zu werden, und wo die &Ouml;sterreicher in den Jahren 1849 und 1850 ganze Gebiete abgegrast haben.</P>
<P>Der Vertrag bedeutet dem Wesen nach die Auslieferung der F&uuml;rstent&uuml;mer an &Ouml;sterreich und das Aufgeben der t&uuml;rkischen Suzer&auml;nit&auml;t &uuml;ber sie. Die T&uuml;rken haben sich hierbei eine ebenso flagrante Vergewaltigung der Rechte des moldau-walachischen Volkes zuschulden kommen lassen wie nur je vorher die Russen. Die T&uuml;rken haben ebensowenig das Recht, die F&uuml;rstent&uuml;mer der &ouml;sterreichischen Okkupation preiszugeben, wie sie das Recht haben, sie zu russischen Provinzen zu erkl&auml;ren.</P>
<P>Die Anspr&uuml;che der Pforte auf die Suzer&auml;nit&auml;t &uuml;ber die Moldau und Walachei sind auf die Vertr&auml;ge von 1393, 1460 und 1513 gegr&uuml;ndet. Der Vertrag von 1393 zwischen der Walachei und der T&uuml;rkei enth&auml;lt folgende Artikel:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Art. I. Wir, Bajezid, usw. bestimmen aus unserer au&szlig;erordentlichen Huld gegen&uuml;ber der Walachei, die sich mit ihrem regierenden F&uuml;rsten unserm unbesiegbaren Reiche unterworfen hat, da&szlig; jenes Land sich weiterhin durch seine eigenen Gesetze selbst regieren wird und da&szlig; der F&uuml;rst der Walachei v&ouml;llige Freiheit haben soll, seinen Nachbarn Krieg zu erkl&auml;ren oder mit ihnen Frieden zu machen, wie und wann es ihm gef&auml;llt.</P>
<P>Art. III. Die F&uuml;rsten (Christen) werden durch die Metropoliten und die Bojaren gew&auml;hlt.</P>
<P>Art. IV. Der F&uuml;rst der Walachei hat j&auml;hrlich 500 Piaster unseres Geldes an unsere kaiserliche Schatzkammer zu zahlen."</P>
</FONT><P>Der Vertrag, den Vlad V., F&uuml;rst der Walachei, 1460 mit Mechmed II. schlo&szlig;, bestimmt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Art. I. Der Sultan willigt ein und verspricht f&uuml;r sich und seine Nachfolger, die Walachei zu sch&uuml;tzen und sie gegen jeden Feind zu verteidigen, ohne etwas zu fordern, au&szlig;er der Suzer&auml;nit&auml;t &uuml;ber dieses souver&auml;ne F&uuml;rstentum, von deren Wojewoden erwartet wird, da&szlig; sie an die Hohe Pforte einen Tribut von 10.000 Dukaten zahlen.</P>
<B><P><A NAME="S313">&lt;313&gt;</A></B> II. Die Hohe Pforte wird auf keine Weise in die Lokalverwaltung des besagten F&uuml;rstentums eingreifen, und keinem T&uuml;rken wird es ohne ersichtlichen Grund gestattet sein, die Walachei zu betreten.</P>
<P>III. Die Wojewoden werden wie bisher von dem Metropoliten, den Bisch&ouml;fen und den Bojaren gew&auml;hlt, und die Wahl wird von der Pforte anerkannt.</P>
<P>IV. Die walachische Nation wird weiterhin die freie Aus&uuml;bung ihrer eigenen Gesetze genie&szlig;en, und die Wojewoden werden das Recht &uuml;ber Leben und Tod ihrer Untertanen haben wie auch das Recht, Frieden zu schlie&szlig;en oder Krieg zu erkl&auml;ren, ohne f&uuml;r irgendwelche ihrer Handlungen irgendeiner Art von Verantwortlichkeit &uuml;ber der Hohen Pforte unterworfen zu sein."</P>
</FONT><P>Der dritte Vertrag ist der von 1513, in dem die Moldau die Suzer&auml;nit&auml;t der Pforte anerkannte und darin noch bessere Bedingungen erlangte, als sie die Walachei bekommen hatte.</P>
<P>Die zwischen Ru&szlig;land und der T&uuml;rkei abgeschlossenen Vertr&auml;ge konnten selbstverst&auml;ndlich nicht die Vertr&auml;ge entkr&auml;ften, die die Moldau-Walachen selbst mit der Pforte abgeschlossen hatten, denn diese V&ouml;lker hatten ja niemals selbst mit den Russen unterhandelt, noch der Pforte das Recht gegeben, f&uuml;r sie zu unterhandeln. &Uuml;brigens mag hier festgestellt werden, da&szlig; Ru&szlig;land selbst die obenerw&auml;hnten Kapitulationen im Vertrag von Adrianopel anerkannt hat, dessen Art. V folgendes sagt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Nachdem sich die F&uuml;rstent&uuml;mer Walachei und Moldau durch Kapitulation unter die Suzer&auml;nit&auml;t der Hohen Pforte gestellt und Ru&szlig;land deren Wohlfahrt (!) zugesichert hat, versteht es sich, da&szlig; sie weiterhin all jene Privilegien und Freiheiten genie&szlig;en, die ihnen auf Grund ihrer Kapitulation zugesichert wurden."</P>
</FONT><P>Aus den oben zitierten Kapitulationen, die noch in Kraft bleiben, da sie durch keinen sp&auml;teren Vertrag &uuml;berholt sind, folgt nun, da&szlig; die F&uuml;rstent&uuml;mer zwei souver&auml;ne Staaten unter der Suzer&auml;nit&auml;t der Pforte bilden, an die sie einen Tribut zahlen unter der Bedingung, da&szlig; die Pforte sie gegen jedweden &auml;u&szlig;eren Feind verteidigt und sich durchaus nicht in ihre inneren Angelegenheiten mischt. Nicht nur sind die T&uuml;rken nicht berechtigt, die Walachei einer fremden Okkupation auszuliefern, sondern ihnen selbst ist auch verboten, die Walachei ohne plausible Ursache zu betreten. Ja, noch mehr: Da die T&uuml;rken in dieser Weise ihre Kapitulationen mit den Walachen verletzt und sich den Anspruch auf Suzer&auml;nit&auml;t verscherzt haben, so k&ouml;nnten die Russen sogar, wenn die Walachen sich an sie wendeten, ihre Berechtigung, die &Ouml;sterreicher aus den F&uuml;rstent&uuml;mern zu vertreiben, auf die gebrochenen Vertr&auml;ge gr&uuml;nden. Und das w&auml;re keineswegs &uuml;berraschend, denn es ist die st&auml;ndige Politik Ru&szlig;lands gewesen, die T&uuml;rkei in ihren &Uuml;bergriffen gegen die Rechte der Walachen zu ermutigen und sie sogar zu solchen zu veranlassen, <A NAME="S314"><B>&lt;314&gt;</A></B> um Feindseligkeiten zwischen ihnen zu s&auml;en und so f&uuml;r sich einen Vorwand zur Intervention zu schaffen. Was geschah zum Beispiel 1848? Im Fr&uuml;hling jenes Jahres hatten einige Bojaren dem Moldauf&uuml;rsten eine Petition &uuml;berreicht, in der sie bestimmte Reformen forderten; durch den Einflu&szlig; des russischen Konsuls wurden diese Forderungen nicht nur abgelehnt, sondern auch ihre Urheber ins Gef&auml;ngnis geworfen. Die durch diesen Schritt hervorgerufene Bewegung lieferte nachher den Russen den Vorwand, am 25. Juni die Grenze zu &uuml;berschreiten und auf Jassy zu marschieren. Gleichzeitig gew&auml;hrte der Hospodar der Walachei gleich den &uuml;brigen kontinentalen Regierungen eine Reihe von Reformen, die die liberale Partei der walachischen Bojaren gefordert hatte. Das war am 23. Juni. Da&szlig; diese Reformen in keiner Weise die Suzer&auml;nit&auml;t der Pforte verletzten, braucht gar nicht erst erw&auml;hnt zu werden. Zuf&auml;lligerweise aber zerst&ouml;rten sie den ganzen Einflu&szlig;, den Ru&szlig;land durch das Grundgesetz erlangt hatte, das es zur Zeit der Okkupation von 1829 erlie&szlig; und das durch diese Reformen abgeschafft wurde. Die an seiner Statt errichtete Konstitution schaffte die Leibeigenschaft ab, und ein Teil des Landes, das die Bauern bewohnten, wurde ihnen nun als Eigentum abgetreten, w&auml;hrend der Gutsherr durch den Staat f&uuml;r das abgetretene Land und f&uuml;r den Ausfall der Arbeit seiner Bauern schadlos gehalten wurde. Daraufhin wurde der herrschende F&uuml;rst von den Russen zur Abdankung veranla&szlig;t und eine provisorische Regierung zur Leitung der &ouml;ffentlichen Angelegenheiten eingesetzt. Die Pforte, die, wie wir schon zeigten, kein Recht hatte, sich in die inneren Angelegenheiten der F&uuml;rstent&uuml;mer einzumischen, und die es verabs&auml;umt hatte, gegen den Einmarsch der Russen in die Moldau zu protestieren, entsandte Suleiman Pascha mit einer t&uuml;rkischen Armee in die Walachei und ver&ouml;ffentlichte eine sehr drohende Adresse des Sultans an deren Bev&ouml;lkerung; diese Ma&szlig;nahmen traf der Diwan nat&uuml;rlich unter russischem Einflu&szlig;. Die Walachen zogen dem Pascha und den T&uuml;rken entgegen und fraternisierten mit ihnen. Man einigte sich dahin, da&szlig; die provisorische Regierung durch eine Lieutenance Princi&egrave;re &lt;f&uuml;rstliche Statthalterschaft&gt; ersetzt werde, die zuerst aus sechs, nachher aus drei Mitgliedern bestehen sollte. Diese Regierung wurde dann vom Pascha und auf Verlangen des Paschas auch von den fremden Konsuln anerkannt. Nachdem die neue Konstitution noch einer Ab&auml;nderung unterworfen worden war, wurde sie auch vom Sultan best&auml;tigt.</P>
<P>Mittlerweile tobte die russische Regierung in Manifesten, die sie an Europa richtete, gegen das walachische Volk und beschuldigte es, die Repu- <A NAME="S315"><B>&lt;315&gt;</A></B> blik eingef&uuml;hrt und den Kommunismus proklamiert zu haben. Am 1. August 1848 &uuml;berschritt eine gro&szlig;e russische Streitmacht den Pruth auf dem Marsch nach Bukarest. Pl&ouml;tzlich wurde Suleiman Pascha durch die Pforte zur&uuml;ckgerufen; der Sultan weigerte sich, die walachischen Abgesandten zu empfangen, die auf seine eigene Einladung hin nach Konstantinopel gekommen waren; und am 25. September erschien Fuad Efendi an der Spitze einer t&uuml;rkischen Armee vor Bukarest und erkl&auml;rte, er sei nur gekommen, um Ru&szlig;land jeden Vorwand zu nehmen, das F&uuml;rstentum zu betreten. Den Worten der T&uuml;rken vertrauend, kamen mehr als 100.000 Bewohner aus Bukarest und Umgebung, unbewaffnet, in festlichen Gew&auml;ndern, an ihrer Spitze die Geistlichkeit, um die T&uuml;rken willkommen zu hei&szlig;en. Fuad Efendi lud sie ein, eine Deputation in sein Lager zu entsenden, der er seine Instruktionen mitteilen k&ouml;nne. Herr Bratiano erz&auml;hlt in seinem Bericht &uuml;ber diese Ereignisse:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Kaum war die Deputation vor Fuad Efendi erschienen, als sie gefangengenommen wurde; zur gleichen Zeit st&uuml;rzte sich die t&uuml;rkische Armee in einem Eilmarsch auf Bukarest, trampelte unter den Hufen ihrer Kavallerie die friedlichen Einwohner nieder, die entgegengekommen waren, um die T&uuml;rken als Freunde zu empfangen, ri&szlig; deren Banner nieder, zerst&ouml;rte ihre Kreuze, bombardierte ihre Milit&auml;rkaserne, die sie an ihrem Wege fand, wie auch ein ganzes Viertel der Stadt, feuerte Traubensch&uuml;sse auf die walachischen Soldaten, die sich in jener Kaserne aufhielten, veranla&szlig;te diese, zu kapitulieren und ihre Waffen niederzulegen, t&ouml;tete die Kranken und gab sich, nachdem sie die Stadt erreicht hatte, hemmungslos dem Pl&uuml;ndern, dem Massaker und anderen schrecklichen Taten hin!"</P>
</FONT><P>Hier war es, wo der russische Kommissar, General Duhamel, die t&uuml;rkische Armee begleitete und sie tats&auml;chlich befehligte. Die russische Armee folgte ihm nach, und das Ergebnis war der Vertrag von Balta-Liman, durch den nebst anderen Dingen auch das russische Grundgesetz oder statuto wiederhergestellt wurde. Dieses ist tats&auml;chlich der Status quo, auf den die Walachei zur&uuml;ckzuf&uuml;hren &Ouml;sterreich sich verpflichtet.</P>
<P>Es ist klar, wenn Omer Pascha jetzt die Walachei mit seiner siegreichen Armee betr&auml;te, da&szlig; die T&uuml;rken, die durch ihre j&uuml;ngsten Erfahrungen gewitzigt und im Krieg mit Ru&szlig;land sind, die Konstitution von 1848 wiederherstellen w&uuml;rden, durch die "Republik, Kommunismus" und alle Sch&ouml;pfungen des Jahres 1848 neues Leben gew&auml;nnen. Niemand wird glauben, da&szlig; &Ouml;sterreich &uuml;ber eine solche Wendung weniger erz&uuml;rnt w&auml;re als Ru&szlig;land. Ebenso klar ist es andrerseits, da&szlig; auf die Pforte ein ganz au&szlig;erordentlicher Druck ausge&uuml;bt werden mu&szlig;te, ehe sie sich zu einer solchen Verletzung ihrer Vertr&auml;ge mit den Walachen dr&auml;ngen lie&szlig;, deren Konsequenzen ihr doch aus Erfahrung bekannt sein mu&szlig;ten. Dieser Druck kann von niemand anderem <A NAME="S316"><B>&lt;316&gt;</A></B> als vom englischen Gesandten ausgegangen sein. Es ist daher interessant, daran zu erinnern, wie derselbe Lord Redcliffe und seine Vorgesetzten in Downing Street sich 1848 und 1849 zu den Vergewaltigungen verhielten, die sich Russen und T&uuml;rken gegen die Rechte der Moldau und Walachei zuschulden kommen lie&szlig;en.</P>
<P>Als die russische Armee im Juni 1848 zuerst die Moldaugrenze &uuml;berschritt, erkl&auml;rte Lord Palmerston im Unterhaus auf eine Anfrage des unvermeidlichen Dudley Stuart:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die russischen Truppen sind in die Moldau ohne Befehle des St. Petersburger Kabinetts einmarschiert. Sie bezwecken lediglich die Aufrechterhaltung oder Herstellung der Ordnung und werden wieder zur&uuml;ckgezogen werden, wenn keine Notwendigkeit mehr vorliegt. Der Einmarsch erfolgte im Auftrag des Hospodars, und es besteht nicht die Absicht, Gebietserwerbungen zu machen."</P>
</FONT><P>Als im August 1848 die russische Armee auf ihrem Zuge nach Bukarest wieder den Pruth &uuml;berschritt und die Moldau-Walachen eine Deputation nach Konstantinopel schickten, wandte sich der Diwan an die Gesandten von England und Frankreich um Rat und bekam von Lord Redcliffe die Anweisung, dieselbe Politik zu verfolgen, die Ru&szlig;land verfolge.</P>
<P>Als im Oktober die T&uuml;rken und die Russen gemeinsam die Walachei besetzten, wurde ein walachischer Offizier von den Russen bis in die Wohnung des Kommandanten der t&uuml;rkischen Truppen in Bukarest, Omer Paschas, verfolgt, der zusammen mit Fuad Efendi dagegen protestierte. Als die Pforte von diesem Schimpf erfuhr, erkl&auml;rte sie, sie wolle nichts mehr mit den Russen zu tun haben und wolle ihre Truppen &uuml;ber die Donau zur&uuml;ckberufen, um nicht l&auml;nger Mitschuldiger der Russen in den F&uuml;rstent&uuml;mern zu sein. Auch wolle sie an die Gro&szlig;m&auml;chte einen feierlichen Protest richten, dem ein ausf&uuml;hrliches Memorandum &uuml;ber alle Vorkommnisse in den F&uuml;rstent&uuml;mern beigelegt werden solle. Wieder mischte sich derselbe Gesandte ein und durchkreuzte diese Absichten der Pforte.</P>
<P>Als endlich die gemeinsame russisch-t&uuml;rkische Okkupation 1849 den Charakter einer Schreckensherrschaft angenommen hatte und allein Maghiero, der Kommandant der walachischen Irregul&auml;ren, noch Widerstand leistete, wurde dieser zum R&uuml;ckzug hinter die Karpaten veranla&szlig;t</P>
<FONT SIZE=2><P>"durch die &Uuml;berredung des britischen Generalkonsuls, der ihm vorstellte, da&szlig; die Anwesenheit seiner Armee die Aktion der Diplomatie l&auml;hme, da&szlig; aber seinem Lande bald wieder zu seinem Recht verholfen werde".</P>
</FONT><I><P ALIGN="RIGHT">Karl Marx</P></I>
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