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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx - Der Aufstand in Indien</TITLE>
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<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 12, Berlin/DDR 1961. S. 274-280.</FONT> </P>
<H2>Karl Marx</H2>
<H1>[Der Aufstand in Indien]</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben am 1. September 1857.<BR>
Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 5118 vom 15. September 1857, Leitartikel]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S274">&lt;274&gt;</A></B> Die Post der "Baltic" meldet keine neuen Ereignisse in Indien, bringt jedoch eine Menge h&ouml;chst interessanter Einzelheiten, die wir in gedr&auml;ngter Form zur Unterrichtung unserer Leser wiedergeben wollen. Der erste bemerkenswerte Punkt ist der, da&szlig; die Engl&auml;nder bis zum 15. Juli noch nicht in Delhi eingedrungen waren. Zur selben Zeit trat in ihrem Lager die Cholera auf, setzten die schweren Regenf&auml;lle ein, und die Aufhebung der Belagerung und der R&uuml;ckzug der Belagerer schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die britische Presse m&ouml;chte uns gern weismachen, da&szlig; die Seuche, die General Sir H. Barnard hinwegraffte, seine schlechter ern&auml;hrten und st&auml;rker beanspruchten Leute verschont h&auml;tte. Wir d&uuml;rfen daher nicht von den ausf&uuml;hrlichen Berichten ausgehen, die der &Ouml;ffentlichkeit mitgeteilt werden, sondern k&ouml;nnen nur auf Grund von Schlu&szlig;folgerungen aus beglaubigten Tatsachen zu einer ann&auml;hernden Vorstellung von den Verheerungen dieser schrecklichen Seuche in den Reihen der Belagerungsarmee gelangen. Ein Offizier aus dem Lager vor Delhi schreibt am 14. Juli:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Wir tun nichts zur Einnahme Delhis und verteidigen uns nur gegen Ausf&auml;lle des Feindes. Wir verf&uuml;gen &uuml;ber Truppenteile in St&auml;rke von f&uuml;nf europ&auml;ischen Regimentern, aber wir k&ouml;nnen nur 2.900 Europ&auml;er f&uuml;r irgendeinen wirksamen Angriff zusammenbringen; denn starke Kommandos aus jedem Regiment mu&szlig;ten zum Schutz von Dschalandhar, Ludhiana, Subathu, Dagschai, Kasauli, Ambala, Mirat und Phillaur zur&uuml;ckgelassen werden. Tats&auml;chlich sind nur kleine Kommandos aus jedem Regiment zu uns gesto&szlig;en. Der Feind ist uns an Artillerie weit &uuml;berlegen."</P>
</FONT><P>Dieses beweist nun, da&szlig; die Truppen, die aus dem Pandschab eintrafen, die gro&szlig;e n&ouml;rdliche Verbindungslinie von Dschalandhar nach Mirat im Zustand der Rebellion vorfanden und folglich gezwungen waren, ihre Zahl <A NAME="S275"><B>&lt;275&gt;</A></B> dadurch zu verringern, da&szlig; sie Kommandos bei den Hauptst&uuml;tzpunkten zur&uuml;cklie&szlig;en. Dies erkl&auml;rt, weshalb die Truppen aus dem Pandschab nicht in der vorgesehenen St&auml;rke eingetroffen sind, aber es erkl&auml;rt nicht, warum die europ&auml;ische Streitmacht auf 2.000 Mann zusammengeschrumpft ist. Der Korrespondent der Londoner "Times" in Bombay versucht in seinem Bericht vom 30. Juli die passive Haltung der Belagerer auf andere Weise zu erkl&auml;ren. Er schreibt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die Verst&auml;rkungen haben in der Tat unsere Lager erreicht - eine Abteilung des 8. (k&ouml;niglichen) und eine des 61. Infanterieregiments, eine Kompanie Fu&szlig;artillerie und zwei Kanonen einer Eingeborenentruppe, das 14. irregul&auml;re Kavallerieregiment (als Eskorte eines gro&szlig;en Munitionstrains), das 2. Pandschab-Kavallerieregiment, das 1. Pandschab-Infanterieregiment und das 4. Sikh-Infanterieregiment; aber der Anteil der Eingeborenen an den Truppen, die auf diese Weise die Belagerungsstreitkr&auml;fte verst&auml;rkt haben, ist nicht v&ouml;llig und nicht in gleichem Ma&szlig;e zuverl&auml;ssig, obwohl sie mit Europ&auml;ern zu Brigaden vereinigt sind. Die Kavallerieregimenter der Pandschab-Truppen enthalten viele Muselmanen und Hindus h&ouml;herer Kasten aus dem eigentlichen Hindustan und Rohilkand, w&auml;hrend die bengalische irregul&auml;re Kavallerie fast nur aus solchen Elementen zusammengesetzt ist. Diese Leute sind als Gesamtheit &auml;u&szlig;erst illoyal, und da&szlig; sie bei der Truppe in beliebiger Zahl vorhanden sind, mu&szlig; zu Komplikationen f&uuml;hren - und das hat sich auch gezeigt. Im 2. Pandschab-Kavallerieregiment erwies es sich als notwendig, ungef&auml;hr 70 Leute aus Hindustan zu entwaffnen und drei zu h&auml;ngen, darunter einen h&ouml;heren Offizier einheimischer Abstammung. Mehrere Soldaten der 9. Irregul&auml;ren, die eine Zeitlang bei der Truppe waren, sind desertiert, und die 4. Irregul&auml;ren haben, glaube ich, ihren Adjutanten beim Wachdienst umgebracht."</P>
</FONT><P>Hier wird ein weiteres Geheimnis enth&uuml;llt. Das Lager vor Delhi scheint eine gewisse &Auml;hnlichkeit mit dem Lager von Agramant zu besitzen, und die Engl&auml;nder m&uuml;ssen nicht nur mit dem Feind an der Front k&auml;mpfen, sondern auch mit dem Bundesgenossen in ihren eigenen Linien. Doch diese Tatsache bietet keinen ausreichenden Grund daf&uuml;r, da&szlig; nur 2.000 Europ&auml;er f&uuml;r Angriffsoperationen &uuml;briggeblieben sind. Ein dritter Berichterstatter, der Bombay-Korrespondent der "Daily News", bringt eine ausf&uuml;hrliche Aufz&auml;hlung der Truppen, die unter General Reed, Barnards Nachfolger, zusammengezogen worden sind. Diese Liste scheint zuverl&auml;ssig zu sein, da ihr Autor im einzelnen die verschiedenen Elemente aufz&auml;hlt, aus denen die Truppen zusammengesetzt sind. Seinem Bericht zufolge trafen etwa 1.200 Europ&auml;er und 1.600 Sikhs, irregul&auml;re Reiterei usw., also im ganzen etwa 3.000 Mann, unter F&uuml;hrung des Brigadegenerals Chamberlain zwischen dem 23. Juni und dem 3. Juli aus dem Pandschab im Lager vor Delhi ein. Andererseits sch&auml;tzt er die gesamten Truppen, die jetzt unter General Reed vereinigt <A NAME="S276"><B>&lt;276&gt;</A></B> sind, auf 7.000 Mann, einschlie&szlig;lich Artillerie und Belagerungstrain, so da&szlig; die Armee von Delhi vor der Ankunft der Verst&auml;rkungen aus dem Pandschab nicht mehr als 4.000 Mann betragen haben konnte. Die Londoner "Times" vom 13. August meldete, da&szlig; Sir H. Barnard eine Armee von 7.000 Briten und 5.000 Eingeborenen zusammengezogen h&auml;tte. Obwohl das eine offenkundige &Uuml;bertreibung war, besteht alle Ursache zu der Annahme, da&szlig; sich die europ&auml;ischen Truppen damals auf ungef&auml;hr 4.000 Mann beliefen, die durch eine etwas kleinere Zahl Eingeborener verst&auml;rkt wurden. Die urspr&uuml;ngliche Streitmacht war also unter General Barnard ebenso stark wie die, die jetzt unter General Reed zusammengezogen ist. Folglich haben die Verst&auml;rkungen aus dem Pandschab nur die Verluste wettgemacht, die die St&auml;rke der Belagerer fast um die H&auml;lfte verminderten, eine ungeheure Einbu&szlig;e, die teils durch die dauernden Ausf&auml;lle der Aufst&auml;ndischen, teils durch die Verheerungen der Cholera verursacht wurde. Somit wird verst&auml;ndlich, warum die Briten nur 2.000 Europ&auml;er zu "irgendeinem wirksamen Angriff" aufbringen k&ouml;nnen.</P>
<P>Soviel zur St&auml;rke der britischen Streitkr&auml;fte vor Delhi. Jetzt zu ihren Operationen. Da&szlig; sie nicht sehr gl&auml;nzender Art waren, kann man ohne Schwierigkeiten der einfachen Tatsache entnehmen, da&szlig; seit dem 8. Juni, als General Barnard die Einnahme der H&ouml;he gegen&uuml;ber von Delhi meldete, auch nicht ein einziges Bulletin vom Hauptquartier herausgegeben wurde. Die Operationen bestehen mit einer einzigen Ausnahme aus Ausf&auml;llen, die die Belagerten unternehmen und die Belagerer zur&uuml;ckschlagen. Die Belagerer wurden einmal von vorn und dann wieder an den Flanken, aber meistens rechts im R&uuml;cken angegriffen. Die Ausf&auml;lle fanden am 27. und 30. Juni und am 3., 4., 9. und 14. Juli statt. Am 27. Juni war der Kampf auf Vorpostengefechte beschr&auml;nkt, die mehrere Stunden andauerten, doch wurde er gegen Nachmittag von einem heftigen Regengu&szlig;, dem ersten in der Jahreszeit, unterbrochen. Am 30. Juni erschienen die Insurgenten in gro&szlig;er Zahl innerhalb der Sperren rechts von den Belagerern und beunruhigten ununterbrochen deren Feldwachen und St&uuml;tzpunkte. Am 3. Juli machten die Belagerten am fr&uuml;hen Morgen einen Scheinangriff rechts in den R&uuml;cken der englischen Stellung, gingen dann mehrere Meilen in ihrem R&uuml;cken an der Stra&szlig;e nach Karnal bis Alipur vor, um einen Trupp mit Nachschub und Geld, der unter Bedeckung nach dem Lager unterwegs war, abzuschneiden. Unterwegs stie&szlig;en sie auf einen Vorposten des 2. irregul&auml;ren Pandschab-Regiments zu Pferde, der sofort zur&uuml;ckwich. Am 4. wurden die Aufst&auml;ndischen w&auml;hrend ihres R&uuml;ckmarsches zur Stadt von einer Abteilung von 1.000 Infanteristen und zwei Kavallerieschwadronen angegriffen, die vom englischen Lager abkommandiert waren, um ihnen den Weg zu verlegen. Es gelang diesen jedoch, ihren <A NAME="S277"><B>&lt;277&gt;</A></B> R&uuml;ckzug mit wenig oder gar keinen Verlusten durchzuf&uuml;hren und all ihre Kanonen zu retten. Am 8. Juli wurde vom britischen Lager aus eine Abteilung abgeschickt, um eine Kanalbr&uuml;cke bei dem Dorf Bassi etwa 6 Meilen von Delhi zu zerst&ouml;ren, die bei den fr&uuml;heren Ausf&auml;llen den Insurgenten die M&ouml;glichkeit gegeben hatte, die Briten leichter im R&uuml;cken anzugreifen und die britischen Verbindungswege mit Karnal und Mirat zu st&ouml;ren. Die Br&uuml;cke wurde zerst&ouml;rt. Am 9. Juli machten die Insurgenten wieder einen kr&auml;ftigen Vorsto&szlig; und griffen die britische Stellung rechts im R&uuml;cken an. In den offiziellen Berichten, die am selben Tage nach Lahor telegraphiert wurden, werden die Verluste der Angreifer auf etwa tausend Tote gesch&auml;tzt; aber dies scheint stark &uuml;bertrieben zu sein, da wir in einem Brief aus dem Lager vom 13. Juli lesen:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Unsere Leute begruben und verbrannten zweihundertundf&uuml;nfzig Tote des Feindes, und eine gro&szlig;e Anzahl wurde von ihnen selbst in die Stadt geschafft."</P>
</FONT><P>Derselbe Brief, den die "Daily News" ver&ouml;ffentlicht hat, behauptet nicht, da&szlig; die Briten die Sepoys zur&uuml;ckgeschlagen h&auml;tten, sondern da&szlig; im Gegenteil "die Sepoys alle unsere Abteilungen, die Schanzarbeiten durchf&uuml;hrten, zur&uuml;ckschlugen und sich dann zur&uuml;ckzogen". Die Verluste der Belagerer waren betr&auml;chtlich, denn sie beliefen sich auf zweihundertundzw&ouml;lf Tote und Verwundete. Am 14. Juli fand infolge eines anderen Ausfalls erneut ein erbittertes Gefecht statt, von dem noch keine Einzelheiten bekannt sind.</P>
<P>Die Belagerten hatten inzwischen gro&szlig;e Verst&auml;rkungen erhalten. Am 1. Juli hatten es die Rohilkand-Aufst&auml;ndischen von Bareilly, Moradabad und Schahdschahanpur, die aus vier Infanterieregimentern, einem irregul&auml;ren Kavallerieregiment und einer Batterie Artillerie bestanden, fertiggebracht, sich mit ihren Kameraden in Delhi zu vereinigen.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Man hatte gehofft", schreibt der Bombay-Korrespondent der Londoner "Times", "da&szlig; der Ganges, wenn sie ihn erreichen, nicht passierbar sein w&uuml;rde; aber das erwartete Ansteigen des Flusses blieb aus; er wurde bei Garhmukhtesar durchquert, der Doab wurde durchschritten, und Delhi war erreicht. Zwei Tage lang erlebten unsere Truppen die Dem&uuml;tigung, den langen Zug Soldaten, Gesch&uuml;tze, Pferde und aller Art Lasttiere (denn die Aufst&auml;ndischen f&uuml;hrten eine Kasse mit ungef&auml;hr 50.000 Pfd.St. mit sich) &uuml;ber die Schiffsbr&uuml;cke in die Stadt str&ouml;men zu sehen, ohne eine M&ouml;glichkeit zu haben, sie daran zu hindern oder sie auf irgendeine Weise zu st&ouml;ren."</P>
</FONT><P>Dieser erfolgreiche Marsch der Aufst&auml;ndischen durch die ganze Weite von Rohilkand beweist, da&szlig; das ganze Land &ouml;stlich der Dschamna bis zu den H&ouml;hen von Rohilkand den britischen Truppen versperrt ist, w&auml;hrend der ungest&ouml;rte Marsch der Aufst&auml;ndischen von Nimatsch nach Agra, wenn er mit <A NAME="S278"><B>&lt;278&gt;</A></B> den Aufst&auml;nden in Indor und Mau in Beziehung steht, die gleiche Tatsache f&uuml;r das Land s&uuml;dwestlich der Dschamna und bis hinauf zum Windhja-Gebirge beweist. Die einzige erfolgreiche - tats&auml;chlich die einzige - Operation der Engl&auml;nder im Hinblick auf Delhi ist die Beruhigung des Landes n&ouml;rdlich und nordwestlich Delhis durch General Van Courtlandts Sikh-Truppen aus dem Pandschab. Im gesamten Bezirk zwischen Ludhiana und Sirsa mu&szlig;te er haupts&auml;chlich die r&auml;uberischen St&auml;mme bek&auml;mpfen, die in sp&auml;rlich &uuml;ber eine &ouml;de und sandige W&uuml;ste zerstreuten D&ouml;rfern leben. Am 11 Juli soll er Sirsa auf dem Wege nach Futtehabad verlassen haben, von dort nach Hissar marschiert sein und somit das Land im R&uuml;cken der Belagerungsarmee ge&ouml;ffnet haben.</P>
<P>Neben Delhi waren weitere drei Punkte in den Nordwestprovinzen - Agra, Khanpur und Lakhnau - zu Zentren des Kampfes zwischen den Eingeborenen und den Engl&auml;ndern geworden. Das Gefecht von Agra hat die besondere Bedeutung, da&szlig; es zeigt, wie zum ersten Mal die Aufst&auml;ndischen zu einer gut durchdachten Expedition &uuml;ber rund 300 Meilen hin aufbrechen mit der Absicht, einen entfernten englischen Standort anzugreifen. Nach dem "Moffussilite", einem in Agra gedruckten Journal, n&auml;herten sich die Sepoy-Regimenter von Nasirabad und Nimatsch, etwa 10.000 Mann stark (ungef&auml;hr 7.000 Infanteristen, 1.500 Kavalleristen und 8 Kanonen), Ende Juni der Stadt Agra, schlugen Anfang Juli in einer Ebene hinter dem Dorf Sassia, ungef&auml;hr 20 Meilen von Agra, ihr Lager auf und schienen am 4. Juli einen Angriff auf die Stadt vorzubereiten. Auf diese Nachricht hin suchen die europ&auml;ischen Einwohner der Kantonnements vor Agra Schutz in dem Fort. Der Kommandant von Agra schickte zuerst das Kotah-Kontingent aus Berittenen, Fu&szlig;volk und Artillerie los, um als vorgeschobener Posten gegen den Feind zu dienen, doch als sie ihren Bestimmungsort erreicht hatten, rissen sie samt und sonders aus, um sich den Aufst&auml;ndischen anzuschlie&szlig;en. Am 5. Juli r&uuml;ckte die Garnison von Agra aus, die aus dem 3. bengalischen Europ&auml;er-Regiment, einer Batterie und einem europ&auml;ischen Freiwilligenkorps bestand, um die Aufst&auml;ndischen anzugreifen, und sie soll sie aus dem Dorf in die dahinterliegende Ebene getrieben haben, wurde aber dann offenbar selbst zur&uuml;ckgeschlagen und mu&szlig;te sich nach einem Verlust von 49 Toten und 92 Verwundeten, bei einer Gesamtst&auml;rke von 500 am Kampf beteiligten Soldaten, zur&uuml;ckziehen, wobei sie durch die Kavallerie des Feindes unabl&auml;ssig beunruhigt und bedroht wurde, und zwar mit solcher Aktivit&auml;t, da&szlig; es ihr unm&ouml;glich war, "einen Schu&szlig; auf sie abzugeben", wie der "Moffussilite" schreibt. Mit anderen Worten, die Engl&auml;nder ergriffen regelrecht die Flucht und schlossen sich in ihr Fort ein, w&auml;hrend die Sepoys auf ihrem Vormarsch nach Agra fast alle <A NAME="S279"><B>&lt;279&gt;</A></B> H&auml;user im Kantonnement zerst&ouml;rten. Am folgenden Tage, dem 6. Juli, zogen sie nach Bhartpur, auf dem Wege nach Delhi. Das wichtige Ergebnis dieses Gefechts ist die Unterbrechung der englischen Verbindungslinie zwischen Agra und Delhi durch die Aufst&auml;ndischen und ihr wahrscheinliches Erscheinen vor der alten Stadt der Moguln.</P>
<P>Wie aus der letzten Post bekannt, war in Khanpur eine Truppe von etwa 200 Europ&auml;ern unter dem Befehl des Generals Wheeler, und mit ihnen die Frauen und Kinder des 32. Infanterieregiments, in einer Befestigungsanlage eingeschlossen und von einer erdr&uuml;ckenden Menge Aufst&auml;ndischer unter F&uuml;hrung des Nana Sahih von Bithur umzingelt worden. Am 17. und zwischen dem 24. und 28. Juni fanden mehrere Angriffe auf das Fort statt; beim letzten erhielt General Wheeler einen Schu&szlig; ins Bein und starb an seinen Wunden. Am 28. Juni forderte Nana Sahib die Engl&auml;nder unter der Bedingung zur &Uuml;bergabe auf, da&szlig; es ihnen gestattet sei, mit Booten auf dem Ganges nach Allahabad abzuziehen. Diese Bedingungen wurden angenommen, aber die Briten waren kaum bis zur Mitte des Flusses gekommen, als Kanonen vom rechten Ufer des Ganges aus auf sie das Feuer er&ouml;ffneten. Die Menschen in den Booten, die nach dem gegen&uuml;berliegenden Ufer zu entkommen versuchten, wurden von einer Abteilung Kavallerie gefa&szlig;t und niedergehauen. Die Frauen und Kinder wurden gefangengenommen. Nachdem mehrmals Kuriere mit der dringenden Forderung nach Entsatz von Khanpur nach Allahabad geschickt worden waren, brach am 1. Juli eine Kolonne Madras-F&uuml;siliere und Sikhs unter Major Renaud nach Khanpur auf. Am 13. Juli bei Tagesanbruch stie&szlig; zu ihr, vier Meilen vor Fatehpur, Brigadegeneral Havelock, der etwa 1.300 Europ&auml;er des 84. und des 64. Regiments, das 13. irregul&auml;re Regiment zu Pferde und einen Rest von Audh-Irregul&auml;ren befehligte und am 3. Juli von Benares aus in Allahabad eingetroffen und dann Major Renaud in Eilm&auml;rschen gefolgt war. Gerade am Tage seiner Vereinigung mit Renaud war er gezwungen, ein Gefecht anzunehmen vor Fatehpur, wohin Nana Sahib seine Eingeborenentruppen gef&uuml;hrt hatte. Nach hartn&auml;ckigem Kampf gelang es General Havelock, den Feind durch einen Sto&szlig; in die Flanke aus Fatehpur in Richtung Khanpur hinauszuwerfen, wo er noch zweimal, am 15. und am 16. Juli, gegen ihn k&auml;mpfen mu&szlig;te. An diesem Tage wurde Khanpur von den Engl&auml;ndern zur&uuml;ckerobert; Nana Sahib zog sich nach Bithur zur&uuml;ck, das zw&ouml;lf Meilen von Khanpur entfernt am Ganges liegt und stark befestigt sein soll. Ehe Nana Sahib seine Expedition nach Fatehpur unternahm, hatte er alle gefangenen englischen Frauen und Kinder get&ouml;tet. Die Wiedereinnahme von Khanpur war von h&ouml;chster Bedeutung f&uuml;r die Engl&auml;nder, da es ihre Verbindungslinie am Ganges sicherte.</P>
<B><P><A NAME="S280"><A NAME="S260">&lt;280&gt;</A></A></B> In Lakhnau, der Hauptstadt von Audh, befand sich die britische Garnison fast in derselben schlimmen Lage, die ihren Kameraden in Khanpur zum Verh&auml;ngnis geworden war - in einem Fort eingeschlossen, von erdr&uuml;ckenden &Uuml;bermacht umgeben, in Proviantschwierigkeiten und ihres F&uuml;hrers beraubt. Dieser, Sir H. Lawrence, starb am 4. Juli an Starrkrampf infolge einer Beinwunde, die er am 2. bei einem Ausfall erhalten hatte. Am 18. und 19. Juli hielt Lakhnau noch immer aus. Seine einzige Hoffnung auf Entsatz beruhte darauf, da&szlig; General Havelock seine Truppen aus Khanpur heranwerfen werde. Es ist die Frage, ob er dies mit Nana Sahib im R&uuml;cken wagen w&uuml;rde. Jede Verz&ouml;gerung m&uuml;&szlig;te sich jedoch f&uuml;r Lakhnau verh&auml;ngnisvoll auswirken, da die Regenzeit Feldoperationen bald unm&ouml;glich machen w&uuml;rde.</P>
<P>Die Untersuchung dieser Ereignisse zwingt uns die Schlu&szlig;folgerung auf, da&szlig; die britischen Truppen in den Nordwestprovinzen Bengalens allm&auml;hlich in die Stellung kleiner St&uuml;tzpunkte gedr&auml;ngt worden sind, die auf vereinzelten Felsen inmitten eines Meeres der Revolution liegen. Im unteren Bengalen waren nur Einzelf&auml;lle von Widersetzlichkeit in Mirsapur, Dinapur und Patna vorgekommen, abgesehen von einem erfolglosen Versuch der herumziehenden Brahmanen aus der Umgebung von Benares, diese heilige Stadt wieder an sich zu bringen. Im Pandschab wurde der Geist der Rebellion gewaltsam niedergehalten, in Sialkot wurde eine Meuterei unterdr&uuml;ckt, eine weitere in Dschilam, ebenso wurde den Unruhen in Peschawar mit Erfolg Einhalt geboten. Aufstandsversuche hat es bereits in Gudscherat, zu Pandharpur in Satara, zu Nagpur und Saugor im Gebiet Nagpur, in Haidarabad im Gebiet des Nizam und schlie&szlig;lich im weit s&uuml;dlich liegenden Maisur, so da&szlig; die Ruhe in den Pr&auml;sidentschaften Bombay und Madras keineswegs als v&ouml;llig gesichert angesehen werden kann.</P>
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