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<TITLE>Friedrich Engels - Anti-Dühring - Einleitung</TITLE>
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</TR>
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<HR size="1">
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 20. Berlin/DDR.
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1962. »Herrn Eugen Dührung's Umwälzung der Wissenschaft«,
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S. 16-31.<BR>
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1. Korrektur<BR>
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Erstellt am 05.09.1999</SMALL></P>
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<H2>Friedrich Engels - Herrn Eugen Dühring's Umwälzung der Wissenschaft</H2>
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<H1>Einleitung</H1>
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<OL type="I">
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<A href="me20_016.htm#Kap_I"><LI>Allgemeines</LI></A>
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<A href="me20_016.htm#Kap_II"><LI>Was Herr Dühring verspricht</LI></A>
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</OL>
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<hr size="1">
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<H3 ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_I">I. Allgemeines</A></H3>
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<P><B>|16|</b> Der moderne Sozialismus ist seinem Inhalte nach zunächst das
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Erzeugnis der Anschauung, einerseits der in der modernen Gesellschaft herrschenden
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Klassengegensätze von Besitzenden und Besitzlosen, Lohnarbeitern und Bourgeois,
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andrerseits der in der Produktion herrschenden Anarchie. Aber seiner theoretischen
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Form nach erscheint er anfänglich als eine weitergetriebne, angeblich konsequentere
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|
Fortführung der von den großen französischen Aufklärern
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des 18. Jahrhunderts aufgestellten Grundsätze.<A NAME="ZT1"></A><A HREF="me20_016.htm#T1"><SPAN class="top">{1}</SPAN></A>
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Wie jede neue Theorie, mußte er zunächst anknüpfen an das vorgefundne
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Gedankenmaterial, sosehr auch seine Wurzel in den ökonomischen Tatsachen
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lag.</P>
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<P>Die großen Männer, die in Frankreich die Köpfe für die
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kommende Revolution klärten, traten selbst äußerst revolutionär
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auf. Sie erkannten keine äußere Autorität an, welcher Art sie
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auch sei. Religion, Naturanschauung, Gesellschaft, Staatsordnung, alles wurde
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der schonungslosesten Kritik unterworfen; alles sollte seine Existenz vor dem
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Richterstuhl der Vernunft rechtfertigen oder auf die Existenz verzichten. Der
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denkende Verstand wurde als alleiniger Maßstab an alles angelegt. Es war
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die Zeit, wo, wie Hegel sagt, die Welt auf den Kopf gestellt wurde, zuerst in
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dem Sinn, daß der menschliche Kopf und die durch sein Denken gefundnen
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Sätze den Anspruch <A NAME="S17"></A><B>|17|</B> machten, als Grundlage
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aller menschlichen Handlung und Vergesellschaftung zu gelten; dann aber später
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auch in dem weitern Sinn, daß die Wirklichkeit, die diesen Sätzen
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widersprach, in der Tat von oben bis unten umgekehrt wurde. Alle bisherigen
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Gesellschafts- und Staatsformen, alle altüberlieferten Vorstellungen wurden
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als unvernünftig in die Rumpelkammer geworfen; die Welt hatte sich bisher
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lediglich von Vorurteilen leiten lassen; alles Vergangene verdiente nur Mitleid
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und Verachtung. Jetzt erst brach das Tageslicht an; von nun an sollte der Aberglaube,
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das Unrecht, das Privilegium und die Unterdrückung verdrängt werden
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durch die ewige Wahrheit, die ewige Gerechtigkeit, die in der Natur begründete
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Gleichheit und die unveräußerlichen Menschenrechte.</P>
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<P>Wir wissen jetzt, daß dies Reich der Vernunft weiter nichts war, als
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das idealisierte Reich der Bourgeoisie; daß die ewige Gerechtigkeit ihre
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Verwirklichung fand in der Bourgeoisjustiz; daß die Gleichheit hinauslief
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auf die bürgerliche Gleichheit vor dem Gesetz; daß als eins der wesentlichsten
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Menschenrechte proklamiert wurde - das bürgerliche Eigentum; und daß
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der Vernunftstaat, der Rousseausche Gesellschaftsvertrag ins Leben trat und
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nur ins Leben treten konnte als bürgerliche, demokratische Republik. Sowenig
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wie alle ihre Vorgänger, konnten die großen Denker des 18. Jahrhunderts
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über die Schranken hinaus, die ihnen ihre eigne Epoche gesetzt hatte.</P>
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<P>Aber neben dem Gegensatz von Feudaladel und Bürgertum bestand der allgemeine
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Gegensatz von Ausbeutern und Ausgebeuteten, von reichen Müßiggängern
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und arbeitenden Armen. War es doch grade dieser Umstand, der es den Vertretern
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der Bourgeoisie möglich machte, sich als Vertreter, nicht einer besondren
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Klasse, sondern der ganzen leidenden Menschheit hinzustellen. Noch mehr. Von
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ihrem Ursprung an war die Bourgeoisie behaftet mit ihrem Gegensatz: Kapitalisten
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können nicht bestehn ohne Lohnarbeiter, und im selben Verhältnis wie
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der mittelalterliche Zunftbürger sich zum modernen Bourgeois, im selben
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Verhältnis entwickelte sich auch der Zunftgeselle und nichtzünftige
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Tagelöhner zum Proletarier. Und wenn auch im ganzen und großen das
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Bürgertum beanspruchen durfte, im Kampf mit dem Adel gleichzeitig die Interessen
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der verschiednen arbeitenden Klassen jener Zelt mitzuvertreten, so brachen doch
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bei jeder großen bürgerlichen Bewegung selbständige Regungen
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derjenigen Klasse hervor, die die mehr oder weniger entwickelte Vorgängerin
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des modernen Proletariats war. So in der deutschen Reformations- und Bauernkriegszeit
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die Thomas Münzersche Richtung; in der großen englischen Revolution
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die Levellers; in der großen französischen Revolution Babeuf. Neben
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diesen <A NAME="S18"></A><B>|18|</B> revolutionären Schilderhebungen einer
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noch unfertigen Klasse gingen entsprechende theoretische Manifestationen her;
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im 16. und 17. Jahrhundert utopische Schilderungen idealer Gesellschaftszustände,
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im 18. schon direkt kommunistische Theorien (Morelly und Mably). Die Forderung
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der Gleichheit wurde nicht mehr auf die politischen Rechte beschränkt,
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sie sollte sich auch auf die gesellschaftliche Lage der einzelnen erstrecken;
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nicht bloß die Klassenprivilegien sollten aufgehoben werden, sondern die
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Klassenunterschiede selbst. Ein asketischer, an Sparta anknüpfender Kommunismus
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war so die erste Erscheinungsform der neuen Lehre. Dann folgten die drei großen
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Utopisten: Saint-Simon, bei dem die bürgerliche Richtung noch neben der
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proletarischen eine gewisse Geltung behielt; Fourier, und Owen, der, im Lande
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der entwickeltsten kapitalistischen Produktion und unter dem Eindruck der durch
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diese erzeugten Gegensätze, seine Vorschläge zur Beseitigung der Klassenunterschiede
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in direkter Anknüpfung an den französischen Materialismus systematisch
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entwickelte.</P>
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<P>Allen dreien ist gemeinsam, daß sie nicht als Vertreter der Interessen
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des inzwischen historisch erzeugten Proletariats auftreten. Wie die Aufklärer,
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wollen sie nicht eine bestimmte Klasse, sondern die ganze Menschheit befreien.
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Wie jene, wollen sie das Reich der Vernunft und der ewigen Gerechtigkeit einführen;
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aber ihr Reich ist himmelweit verschieden von dem der Aufklärer. Auch die
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nach den Grundsätzen dieser Aufklärer eingerichtete bürgerliche
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Welt ist unvernünftig und ungerecht und wandert daher ebensogut in den
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Topf des Verwerflichen wie der Feudalismus und alle frühern Gesellschaftszustände.
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Daß die wirkliche Vernunft und Gerechtigkeit bisher nicht in der Welt
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geherrscht haben, kommt nur daher, daß man sie bisher nicht richtig erkannt
|
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hatte. Es fehlte eben der geniale einzelne Mann, der jetzt aufgetreten, und
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der die Wahrheit erkannt hat; daß er jetzt aufgetreten, daß die
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Wahrheit grade jetzt erkannt worden, ist nicht ein aus dem Zusammenhang der
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geschichtlichen Entwicklung mit Notwendigkeit folgendes, unvermeidliches Ereignis,
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sondern ein reiner Glücksfall. Er hätte ebensogut 500 Jahre früher
|
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geboren werden können und hätte dann der Menschheit 500 Jahre Irrtum,
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Kämpfe und Leiden erspart.</P>
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<P>Diese Anschauungsweise ist wesentlich die aller englischen und französischen
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und der ersten deutschen Sozialisten, Weitling einbegriffen. Der Sozialismus
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ist der Ausdruck der absoluten Wahrheit, Vernunft und Gerechtigkeit, und braucht
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nur entdeckt zu werden, um durch eigne Kraft die Welt zu erobern; da die absolute
|
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Wahrheit unabhängig von Zeit, Raum und menschlicher, geschichtlicher Entwicklung
|
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ist, so ist es bloßer Zufall, wann <A NAME="S19"></A><B>|19|</B> und wo
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sie entdeckt wird. Dabei ist dann die absolute Wahrheit, Vernunft und Gerechtigkeit
|
|
wieder bei jedem Schulstifter verschieden; und da bei einem jeden die besondre
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Art der absoluten Wahrheit, Vernunft und Gerechtigkeit wieder bedingt ist durch
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seinen subjektiven Verstand, seine Lebensbedingungen, sein Maß von Kenntnissen
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und Denkschulung, so ist in diesem Konflikt absoluter Wahrheiten keine andre
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Lösung möglich, als daß sie sich aneinander abschleißen.
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Dabei konnte dann nichts andres herauskommen, als eine Art von eklektischem
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Durchschnittssozialismus, wie er in der Tat bis heute in den Köpfen der
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meisten sozialistischen Arbeiter in Frankreich und England herrscht, eine, äußerst
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mannigfaltige Schattierungen zulassende, Mischung aus den weniger auffälligen
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kritischen Auslassungen, ökonomischen Lehrsätzen und gesellschaftlichen
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Zukunftsvorstellungen der verschiednen Sektenstifter, eine Mischung, die sich
|
|
um so leichter bewerkstelligt, je mehr den einzelnen Bestandteilen im Strom
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der Debatte die scharfen Ecken der Bestimmtheit abgeschliffen sind wie runden
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Kieseln im Bach. Um aus dem Sozialismus eine Wissenschaft zu machen, mußte
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er erst auf einen realen Boden gestellt werden.</P>
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<P>Inzwischen war neben und nach der französischen Philosophie des 18. Jahrhunderts
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die neuere deutsche Philosophie entstanden und hatte in Hegel ihren Abschluß
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gefunden. Ihr größtes Verdienst war die Wiederaufnahme der Dialektik
|
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als der höchsten Form des Denkens. Die alten griechischen Philosophen waren
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|
alle geborne, naturwüchsige Dialektiker, und der universellste Kopf unter
|
|
ihnen, Aristoteles, hat auch bereits die wesentlichsten Formen des dialektischen
|
|
Denkens untersucht.<A NAME="ZT2"></A><A HREF="me20_016.htm#T2"><SPAN class="top">{2}</SPAN></A> Die neuere
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|
Philosophie dagegen, obwohl auch in ihr die Dialektik glänzende Vertreter
|
|
hatte (z.B. Descartes und Spinoza), war besonders durch englischen Einfluß
|
|
mehr und mehr in der sog, metaphysischen Denkweise festgefahren, von der auch
|
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die Franzosen des 18. Jahrhunderts, wenigstens in ihren speziell philosophischen
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|
Arbeiten, fast ausschließlich beherrscht wurden. Außerhalb der eigentlichen
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Philosophie waren sie ebenfalls imstande, Meisterwerke der Dialektik zu liefern;
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wir erinnern nur an »Rameaus Neffen« von Diderot und die »Abhandlung über
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|
den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen« von Rousseau. - Wir geben
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hier kurz das Wesentliche beider Denkmethoden an; wir werden noch ausführlicher
|
|
darauf zurückzukommen haben.</P>
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<P><B><A NAME="S20">|20|</A></b> Wenn wir die Natur oder die Menschengeschichte
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oder unsre eigne geistige Tätigkeit der denkenden Betrachtung unterwerfen,
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so bietet sich uns zunächst dar das Bild einer unendlichen Verschlingung
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|
von Zusammenhängen und Wechselwirkungen, in der nichts bleibt, was, wo
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|
und wie es war, sondern alles sich bewegt, sich verändert, wird und vergeht.
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|
Diese ursprüngliche, naive, aber der Sache nach richtige Anschauung von
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der Welt ist die der alten griechischen Philosophie und ist zuerst klar ausgesprochen
|
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von Heraklit: Alles ist und ist auch nicht, denn alles <I>fließt</I>,
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ist in steter Veränderung, in stetem Werden und Vergehn begriffen. Aber
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diese Anschauung, so richtig sie auch den allgemeinen Charakter des Gesamtbildes
|
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der Erscheinungen erfaßt, genügt doch nicht, die Einzelheiten zu
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erklären, aus denen sich dies Gesamtbild zusammensetzt; und solange wir
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dies nicht können, sind wir auch über das Gesamtbild nicht klar. Um
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|
diese Einzelheiten zu erkennen, müssen wir sie aus ihrem natürlichen
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oder geschichtlichen Zusammenhang herausnehmen und sie, jede für sich,
|
|
nach ihrer Beschaffenheit, ihren besondern Ursachen und Wirkungen etc. untersuchen.
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|
Dies ist zunächst die Aufgabe der Naturwissenschaft und Geschichtsforschung;
|
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Untersuchungszweige, die aus sehr guten Gründen bei den Griechen der klassischen
|
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Zeit einen nur untergeordneten Rang einnahmen, weil diese vor allem erst das
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Material zusammenschleppen mußten. Die Anfänge der exakten Naturforschung
|
|
werden erst bei den Griechen der alexandrinischen Periode und später, im
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|
Mittelalter, von den Arabern, weiter entwickelt; eine wirkliche Naturwissenschaft
|
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datiert indes erst von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, und von
|
|
da an hat sie mit stets wachsender Geschwindigkeit Fortschritte gemacht. Die
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|
Zerlegung der Natur in ihre einzelnen Teile, die Sonderung der verschiednen
|
|
Naturvorgänge und Naturgegenstände in bestimmte Klassen, die Untersuchung
|
|
des Innern der organischen Körper nach ihren mannigfachen anatomischen
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Gestaltungen war die Grundbedingung der Riesenfortschritte, die die letzten
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400 Jahre uns in der Erkenntnis der Natur gebracht. Aber sie hat uns ebenfalls
|
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die Gewohnheit hinterlassen, die Naturdinge und Naturvorgänge in ihrer
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Vereinzelung, außerhalb des großen Gesamtzusammenhangs aufzufassen;
|
|
daher nicht in ihrer Bewegung, sondern in ihrem Stillstand, nicht als wesentlich
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veränderliche, sondern als feste Bestände, nicht in ihrem Leben, sondern
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in ihrem Tod. Und indem, wie dies durch Bacon und Locke geschah, diese Anschauungsweise
|
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aus der Naturwissenschaft sich in die Philosophie übertrug, schuf sie die
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|
spezifische Borniertheit der letzten Jahrhunderte, die metaphysische Denkweise.</P>
|
|
<P>Für den Metaphysiker sind die Dinge und ihre Gedankenabbilder, die <A NAME="S21"></A><B>|21|</B>
|
|
Begriffe, vereinzelte, eins nach dem andern und ohne das andre zu betrachtende,
|
|
feste, starre, ein für allemal gegebne Gegenstände der Untersuchung.
|
|
Er denkt in lauter unvermittelten Gegensätzen: seine Rede ist ja, ja, nein,
|
|
nein, was darüber ist, ist vom Übel. Für ihn existiert ein Ding
|
|
entweder, oder es existiert nicht: ein Ding kann ebensowenig zugleich es selbst
|
|
und ein andres sein. Positiv und negativ schließen einander absolut aus;
|
|
Ursache und Wirkung stehn ebenso in starrem Gegensatz zueinander. Diese Denkweise
|
|
erscheint uns auf den ersten Blick deswegen äußerst plausibel, weil
|
|
sie diejenige des sogenannten gesunden Menschenverstandes ist. Allein der gesunde
|
|
Menschenverstand, ein so respektabler Geselle er auch in dem hausbackenen Gebiet
|
|
seiner vier Wände ist, erlebt ganz wunderbare Abenteuer, sobald er sich
|
|
in die weite Welt der Forschung wagt; und die metaphysische Anschauungsweise,
|
|
auf so weiten, je nach der Natur des Gegenstandes ausgedehnten Gebieten sie
|
|
auch berechtigt und sogar notwendig ist, stößt doch jedesmal früher
|
|
oder später auf eine Schranke, jenseits welcher sie einseitig, borniert,
|
|
abstrakt wird und sich in unlösliche Widersprüche verirrt, weil sie
|
|
über den einzelnen Dingen deren Zusammenhang, über ihrem Sein ihr
|
|
Werden und Vergehn, über ihrer Ruhe ihre Bewegung vergißt, weil sie
|
|
vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht. Für alltägliche Fälle
|
|
wissen wir z.B. und können mit Bestimmtheit sagen, ob ein Tier existiert
|
|
oder nicht; bei genauerer Untersuchung finden wir aber, daß dies manchmal
|
|
eine höchst verwickelte Sache ist, wie das die Juristen sehr gut wissen,
|
|
die sich umsonst abgeplagt haben, eine rationelle Grenze zu entdecken, von der
|
|
an die Tötung des Kindes im Mutterleibe Mord ist; und ebenso unmöglich
|
|
ist es, den Moment des Todes festzustellen, indem die Physiologie nachweist,
|
|
daß der Tod nicht ein einmaliges, augenblickliches Ereignis, sondern ein
|
|
sehr langwieriger Vorgang ist. Ebenso ist jedes organische Wesen in jedem Augenblick
|
|
dasselbe und nicht dasselbe; in jedem Augenblick verarbeitet es von außen
|
|
zugeführte Stoffe und scheidet andre aus, in jedem Augenblick sterben Zellen
|
|
seines Körpers ab und bilden sich neue; je nach einer längern oder
|
|
kürzern Zeit ist der Stoff dieses Körpers vollständig erneuert,
|
|
durch andre Stoffatome ersetzt worden, so daß jedes organisierte Wesen
|
|
stets dasselbe und doch ein andres ist. Auch finden wir bei genauerer Betrachtung,
|
|
daß die beiden Pole eines Gegensatzes, wie positiv und negativ, ebenso
|
|
untrennbar voneinander wie entgegengesetzt sind, und daß sie trotz aller
|
|
Gegensätzlichkeit sich gegenseitig durchdringen; ebenso, daß Ursache
|
|
und Wirkung Vorstellungen sind, die nur in der Anwendung auf den einzelnen Fall
|
|
als solche Gültigkeit haben, daß sie aber, sowie wir den einzelnen
|
|
Fall in seinem allgemeinen Zusammenhang <A NAME="S22"></A><B>|22|</B> mit dem
|
|
Weltganzen betrachten, zusammengehn, sich auflösen in der Anschauung der
|
|
universellen Wechselwirkung, wo Ursachen und Wirkungen fortwährend ihre
|
|
Stelle wechseln, das was jetzt oder hier Wirkung, dort oder dann Ursache wird
|
|
und umgekehrt.</P>
|
|
<P>Alle diese Vorgänge und Denkmethoden passen nicht in den Rahmen des metaphysischen
|
|
Denkens hinein. Für die Dialektik dagegen, die die Dinge und ihre begrifflichen
|
|
Abbilder wesentlich in ihrem Zusammenhang, ihrer Verkettung, ihrer Bewegung,
|
|
ihrem Entstehn und Vergehn auffaßt, sind Vorgänge wie die obigen,
|
|
ebensoviel Bestätigungen ihrer eignen Verfahrungsweise. Die Natur ist die
|
|
Probe auf die Dialektik, und wir müssen es der modernen Naturwissenschaft
|
|
nachsagen, daß sie für diese Probe ein äußerst reichliches,
|
|
sich täglich häufendes Material geliefert und damit bewiesen hat,
|
|
daß es in der Natur, in letzter Instanz, dialektisch und nicht metaphysisch
|
|
hergeht. Da aber die Naturforscher bis jetzt zu zählen sind, die dialektisch
|
|
zu denken gelernt haben, so erklärt sich aus diesem Konflikt der entdeckten
|
|
Resultate mit der hergebrachten Denkweise die grenzenlose Verwirrung, die jetzt
|
|
in der theoretischen Naturwissenschaft herrscht und die Lehrer wie Schüler,
|
|
Schriftsteller wie Leser zur Verzweiflung bringt.</P>
|
|
<P>Eine exakte Darstellung des Weltganzen, seiner Entwicklung und der der Menschheit,
|
|
sowie des Spiegelbildes dieser Entwicklung in den Köpfen der Menschen,
|
|
kann also nur auf dialektischem Wege, mit steter Beachtung der allgemeinen Wechselwirkungen
|
|
des Werdens und Vergehens, der fort- oder rückschreitenden Änderungen
|
|
zustande kommen. Und in diesem Sinn trat die neuere deutsche Philosophie auch
|
|
sofort auf. Kant eröffnete seine Laufbahn damit, daß er das stabile
|
|
Newtonsche Sonnensystem und seine - nachdem der famose erste Anstoß einmal
|
|
gegeben - ewige Dauer auflöste in einen geschichtlichen Vorgang: in die
|
|
Entstehung der Sonne und aller Planeten aus einer rotierenden Nebelmasse. Dabei
|
|
zog er bereits die Folgerung, daß mit dieser Entstehung ebenfalls der
|
|
künftige Untergang des Sonnensystems notwendig gegeben sei. Seine Ansicht
|
|
wurde ein halbes Jahrhundert später durch Laplace mathematisch begründet,
|
|
und noch ein halbes Jahrhundert später wies das Spektroskop die Existenz
|
|
solcher glühenden Gasmassen, in verschiednen Stufen der Verdichtung, im
|
|
Weltraum nach.</P>
|
|
<P>Ihren Abschluß fand diese neuere deutsche Philosophie im Hegelschen System,
|
|
worin zum erstenmal - und das ist sein großes Verdienst - die ganze natürliche,
|
|
geschichtliche und geistige Welt als ein Prozeß, d.h. als in steter Bewegung,
|
|
Veränderung, Umbildung und Entwicklung begriffen dargestellt und der Versuch
|
|
gemacht wurde, den inneren Zusammenhang <A NAME="S23"></A><B>|23|</B> in dieser
|
|
Bewegung und Entwicklung nachzuweisen <A NAME="ZT3"></A><A HREF="me20_016.htm#T3"><SPAN class="top">{3}</SPAN></A>.
|
|
Von diesem Gesichtspunkt aus erschien die Geschichte der Menschheit nicht mehr
|
|
als ein wüstes Gewirr sinnloser Gewalttätigkeiten, die vor dem Richterstuhl
|
|
der jetzt gereiften Philosophenvernunft alle gleich verwerflich sind und die man
|
|
am besten so rasch wie möglich vergißt, sondern als der Entwicklungsprozeß
|
|
der Menschheit selbst, dessen allmählichen Stufengang durch alle Irrwege
|
|
zu verfolgen und dessen innere Gesetzmäßigkeit durch alle scheinbaren
|
|
Zufälligkeiten hindurch nachzuweisen jetzt die Aufgabe des Denkens wurde.</P>
|
|
<P>Daß Hegel diese Aufgabe nicht löste, ist hier gleichgültig.
|
|
Sein epochemachendes Verdienst war, sie gestellt zu haben. Es ist eben eine
|
|
Aufgabe, die kein einzelner je wird lösen können. Obwohl Hegel - neben
|
|
Saint-Simon - der universellste Kopf seiner Zelt war, so war er doch beschränkt
|
|
erstens durch den notwendig begrenzten Umfang seiner eignen Kenntnisse und zweitens
|
|
durch die ebenfalls nach Umfang und Tiefe begrenzten Kenntnisse und Anschauungen
|
|
seiner Epoche. Dazu kam aber noch ein Drittes. Hegel war Idealist, d.h., ihm
|
|
galten die Gedanken seines Kopfs nicht als die mehr oder weniger abstrakten
|
|
Abbilder der wirklichen Dinge und Vorgänge, sondern umgekehrt galten ihm
|
|
die Dinge und ihre Entwicklung nur als die verwirklichten Abbilder der irgendwo
|
|
schon vor der Welt existierenden »Idee«. Damit war alles auf den Kopf gestellt
|
|
und der wirkliche Zusammenhang der Welt vollständig umgekehrt. Und so richtig
|
|
und genial auch manche Einzelzusammenhänge von Hegel aufgefaßt worden,
|
|
so mußte doch aus den angegebnen Gründen auch im Detail vieles geflickt,
|
|
gekünstelt, konstruiert, kurz verkehrt ausfallen. Das Hegelsche System
|
|
als solches war eine kolossale Fehlgeburt - aber auch die letzte ihrer Art.
|
|
Es litt nämlich noch an einem unheilbaren innern Widerspruch: einerseits
|
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hatte es zur wesentlichen Voraussetzung die historische Anschauung, wonach die
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menschliche Geschichte ein Entwicklungsprozeß ist, der seiner Natur nach
|
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nicht durch die Entdeckung einer sogenannten absoluten Wahr- <A NAME="S24"></A><B>|24|</B>
|
|
heit seinen intellektuellen Abschluß finden kann; andrerseits aber behauptet
|
|
es, der Inbegriff eben dieser absoluten Wahrheit zu sein. Ein allumfassendes,
|
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ein für allemal abschließendes System der Erkenntnis von Natur und
|
|
Geschichte steht im Widerspruch mit den Grundgesetzen des dialektischen Denkens;
|
|
was indes keineswegs ausschließt, sondern im Gegenteil einschließt,
|
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daß die systematische Erkenntnis der gesamten äußern Welt von
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Geschlecht zu Geschlecht Riesenschritte machen kann.</P>
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<P>Die Einsicht in die totale Verkehrtheit des bisherigen deutschen Idealismus
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führte notwendig zum Materialismus, aber wohlgemerkt, nicht zum bloß
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metaphysischen, ausschließlich mechanischen Materialismus des 18. Jahrhunderts.
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Gegenüber der naiv-revolutionären, einfachen Verwerfung aller frühern
|
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Geschichte, sieht der moderne Materialismus in der Geschichte den Entwicklungsprozeß
|
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der Menschheit, dessen Bewegungsgesetze zu entdecken seine Aufgabe ist. Gegenüber
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der sowohl bei den Franzosen des 18. Jahrhunderts wie bei Hegel herrschenden
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Vorstellung von der Natur als eines sich in engen Kreisläufen bewegenden,
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sich gleichbleibenden Ganzen mit ewigen Weltkörpern, wie sie Newton, und
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unveränderlichen Arten von organischen Wesen, wie sie Linné gelehrt
|
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hatte, faßt er die neueren Fortschritte der Naturwissenschaft zusammen,
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wonach die Natur ebenfalls ihre Geschichte in der Zeit hat, die Weltkörper
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wie die Artungen der Organismen, von denen sie unter günstigen Umständen
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bewohnt werden, entstehn und vergehn, und die Kreisläufe, soweit sie überhaupt
|
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zulässig sind, unendlich großartigere Dimensionen annehmen. In beiden
|
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Fällen ist er wesentlich dialektisch und braucht keine über den andern
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Wissenschaften stehende Philosophie mehr. Sobald an jede einzelne Wissenschaft
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die Forderung herantritt, über ihre Stellung im Gesamtzusammenhang der
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Dinge und der Kenntnis von den Dingen sich klarzuwerden, ist jede besondre Wissenschaft
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vom Gesamtzusammenhang überflüssig. Was von der ganzen bisherigen
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Philosophie dann noch selbständig bestehn bleibt, ist die Lehre vom Denken
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und seinen Gesetzen - die formelle Logik und die Dialektik. Alles andre geht
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auf in die positive Wissenschaft von Natur und Geschichte.</P>
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<P>Während jedoch der Umschwung der Naturanschauung nur in dem Maß
|
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sich vollziehn konnte, als die Forschung den entsprechenden positiven Erkenntnisstoff
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lieferte, hatten sich schon viel früher historische Tatsachen geltend gemacht,
|
|
die für die Geschichtsauffassung eine entscheidende Wendung herbeiführten.
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1831 hatte in Lyon der erste Arbeiteraufstand stattgefunden; 1838 bis 1842 erreichte
|
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die erste nationale Arbeiterbewegung, die der englischen Chartisten, ihren Höhepunkt.
|
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Der Klassen- <A NAME="S25"></A><B>|25|</B> kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie
|
|
trat in den Vordergrund der Geschichte der fortgeschrittensten Länder Europas,
|
|
in demselben Maß, wie sich dort einerseits die große Industrie,
|
|
andrerseits die neueroberte politische Herrschaft der Bourgeoisie entwickelte.
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|
Die Lehren der bürgerlichen Ökonomie von der Identität der Interessen
|
|
von Kapital und Arbeit, von der allgemeinen Harmonie und dem allgemeinen Volkswohlstand
|
|
als Folge der freien Konkurrenz, wurden immer schlagender von den Tatsachen
|
|
Lügen gestraft.<A NAME="ZT4"></A><A HREF="me20_016.htm#T4"><SPAN class="top">{4}</SPAN></A> Alle
|
|
diese Dinge waren nicht mehr abzuweisen, ebensowenig wie der französische
|
|
und englische Sozialismus, der ihr theoretischer, wenn auch höchst unvollkommner
|
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Ausdruck war. Aber die alte idealistische Geschichtsauffassung, die noch nicht
|
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verdrängt war, kannte keine auf materiellen Interessen beruhenden Klassenkämpfe,
|
|
überhaupt keine materiellen Interessen; die Produktion wie alle ökonomischen
|
|
Verhältnisse kamen in ihr nur so nebenbei, als untergeordnete Elemente
|
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der »Kulturgeschichte« vor.</P>
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<P>Die neuen Tatsachen zwangen dazu, die ganze bisherige Geschichte einer neuen
|
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Untersuchung zu unterwerfen, und da zeigte sich, daß alle bisherige Geschichte
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|
die Geschichte von Klassenkämpfen war, daß diese einander bekämpfenden
|
|
Klassen der Gesellschaft jedesmal Erzeugnisse sind der Produktions- und Verkehrsverhältnisse,
|
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mit Einem Wort der ökonomischen Verhältnisse ihrer Epoche; daß
|
|
also die jedesmalige ökonomische Struktur der Gesellschaft die reale Grundlage
|
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bildet, aus der der gesamte Überbau der rechtlichen und politischen Einrichtungen
|
|
sowie der religiösen, philosophischen und sonstigen Vorstellungsweise eines
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jeden geschichtlichen Zeitabschnittes in letzter Instanz zu erklären sind.
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Hiermit war der Idealismus aus seinem letzten Zufluchtsort, aus der Geschichtsauffassung,
|
|
vertrieben, eine materialistische Geschichtsauffassung gegeben und der Weg gefunden,
|
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um das Bewußtsein der Menschen aus ihrem Sein, statt wie bisher ihr Sein
|
|
aus ihrem Bewußtsein zu erklären.</P>
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<P>Mit dieser materialistischen Geschichtsauffassung war aber der bisherige Sozialismus
|
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ebenso unverträglich wie die Naturauffassung des französischen Materialismus
|
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mit der Dialektik und der neueren Naturwissen- <A NAME="S26"></A><B>|26|</B>
|
|
schaft. Der bisherige Sozialismus kritisierte zwar die bestehende kapitalistische
|
|
Produktionsweise und ihre Folgen, konnte sie aber nicht erklären, also
|
|
auch nicht mit ihr fertig werden; er konnte sie nur einfach als schlecht verwerfen.
|
|
Es handelte sich aber darum, diese kapitalistische Produktionsweise einerseits
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|
in ihrem geschichtlichen Zusammenhang und ihrer Notwendigkeit für einen
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bestimmten geschichtlichen Zeitabschnitt, also auch die Notwendigkeit ihres
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Untergangs, darzustellen, andrerseits aber auch ihren innern Charakter zu enthüllen,
|
|
der noch immer verborgen war, da die bisherige Kritik sich mehr auf die üblen
|
|
Folgen als auf den Gang der Sache selbst geworfen hatte. Dies geschah durch
|
|
die Entdeckung des Mehrwerts. Es wurde bewiesen, daß die Aneignung unbezahlter
|
|
Arbeit die Grundform der kapitalistischen Produktionsweise und der durch sie
|
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vollzognen Ausbeutung des Arbeiters ist; daß der Kapitalist, selbst wenn
|
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er die Arbeitskraft seines Arbeiters zum vollen Wert kauft, den sie als Ware
|
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auf dem Warenmarkt hat, dennoch mehr Wert aus ihr herausschlägt, als er
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für sie bezahlt hat; und daß dieser Mehrwert in letzter Instanz die
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Wertsumme bildet, aus der sich die stets wachsende Kapitalmasse in den Händen
|
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der besitzenden Klassen aufhäuft. Der Hergang sowohl der kapitalistischen
|
|
Produktion wie der Produktion von Kapital war erklärt.</P>
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|
<P>Diese beiden großen Entdeckungen: die materialistische Geschichtsauffassung
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und die Enthüllung des Geheimnisses der kapitalistischen Produktion vermittelst
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des Mehrwerts, verdanken wir Marx. Mit ihnen wurde der Sozialismus eine Wissenschaft,
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die es sich nun zunächst darum handelt, in allen ihren Einzelnheiten und
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Zusammenhängen weiter auszuarbeiten.</P>
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<P>So etwa standen die Sachen auf dem Gebiete des theoretischen Sozialismus und
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der verstorbenen Philosophie, als Herr Eugen Dühring nicht ohne beträchtliches
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Gepolter auf die Bühne sprang und eine durch ihn vollzogene, totale Umwälzung
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der Philosophie, der politischen Ökonomie und des Sozialismus ankündigte.</P>
|
|
<P>Sehn wir zu, was Herr Dühring uns verspricht und - was er hält.</P>
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<H3 ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_II">II. Was Herr Dühring verspricht</A></H3>
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|
<P>Herrn Dührings zunächst hierher gehörige Schriften sind sein
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|
»Cursus der Philosophie«, sein »Cursus der National- und Socialökonomie«
|
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und seine »Kritische Geschichte der Nationalökonomie und des Socialismus«.
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Zunächst interessiert uns vorwiegend das erste Werk.</P>
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<P><B><A NAME="S27">|27|</A></b> Gleich auf der ersten Seite kündigt Herr
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Dühring sich an als</P>
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<P><SMALL>»denjenigen, der die <I>Vertretung</I> dieser Macht« (der Philosophie) »in
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seiner Zeit und für die zunächst absehbare Entfaltung derselben <I>in
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Anspruch nimmt</I>«. |Alle Hervorhebungen in den Zitaten aus den Schriften Dührings
|
|
stammen von Engels.|</SMALL></P>
|
|
<P>Er erklärt sich also für den einzig wahren Philosophen der Gegenwart
|
|
und »absehbaren« Zukunft. Wer von ihm abweicht, weicht ab von der Wahrheit.
|
|
Viele Leute haben, schon vor Herrn Dühring, so etwas von sich selbst gedacht,
|
|
aber er ist - außer Richard Wagner - wohl der erste, der es von sich selbst
|
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gelassen ausspricht. Und zwar ist die Wahrheit, um die es sich bei ihm handelt,</P>
|
|
<P><SMALL>»eine endgültige Wahrheit letzter Instanz«.</SMALL></P>
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<P>Die Philosophie des Herrn Dühring ist</P>
|
|
<P><SMALL>»das <I>natürliche System</I> oder die <I>Wirklichkeitsphilosophie</I>
|
|
... die Wirklichkeit wird in ihm in einer Weise gedacht, die <I>jede Anwandlung</I>
|
|
zu einer traumhaften und subjektivistisch beschränkten Weltvorstellung
|
|
<I>ausschließt</I>«.</SMALL></P>
|
|
<P>Diese Philosophie ist also so beschaffen, daß sie Herrn Dühring
|
|
über die von ihm selbst nicht zu leugnenden Schranken seiner persönlich-subjektiven
|
|
Beschränktheit hinaushebt. Es ist dies allerdings nötig, wenn er imstande
|
|
sein soll, endgültige Wahrheiten letzter Instanz festzustellen, obwohl
|
|
wir bis jetzt noch nicht einsehn, wie dies Wunder sich bewerkstelligen soll.</P>
|
|
<P><SMALL>Dies »natürliche System des an sich für den Geist wertvollen
|
|
Wissens« hat, »ohne der Tiefe des Gedankens etwas zu vergeben, die Grundgestalten
|
|
des Seins <I>sicher festgestellt</I>«. von seinem »wirklich kritischen Standpunkt«
|
|
aus bietet es »die Elemente einer wirklichen und demgemäß auf die Wirklichkeit
|
|
der Natur und des Lebens gerichteten Philosophie, welche keinen bloß scheinbaren
|
|
Horizont gelten läßt, sondern <I>in ihrer mächtig umwälzenden
|
|
Bewegung alle Erden und Himmel der äußeren und inneren Natur aufrollt</I>«;
|
|
es ist eine »neue Denkweise«, und ihre Resultate sind »von Grund aus eigentümliche
|
|
Ergebnisse und Anschauungen ... systemschaffende Gedanken ... festgestellte Wahrheiten«.
|
|
Wir haben in ihr vor uns »eine Arbeit, die ihre Kraft in der konzentrierten Initiative
|
|
suchen muß« - was das auch immer heißen möge; eine »<I>bis an
|
|
die Wurzeln reichende</I> Untersuchung ... eine <I>wurzelhafte</I> Wissenschaft
|
|
... eine <I>streng wissenschaftliche</I> Auffassung von Dingen und Menschen ...
|
|
eine <I>allseitig durchdringende</I> Gedankenarbeit ... ein <I>schöpferisches</I>
|
|
Entwerfen der vom Gedanken beherrschbaren Voraussetzungen und Folgen ... das <I>absolut
|
|
Fundamentale</I>«.</SMALL></P>
|
|
<P>Er gibt uns auf ökonomisch-politischem Gebiet nicht nur</P>
|
|
<P><SMALL>»historisch und systematisch umfassende Arbeiten«, von denen die historischen
|
|
sich obendrein durch »meine Geschichtszeichnung <I>großen Stils</I>« auszeichnen
|
|
und welche in der Ökonomie »schöpferische Wendungen« zuwege brachten,</SMALL></P>
|
|
<P><B><A NAME="S28">|28|</A></b> sondern schließt auch mit einem eignen
|
|
vollständig ausgearbeiteten sozialistischen Plan für die Zukunftsgesellschaft
|
|
ab, der die</P>
|
|
<P><SMALL>»praktische Frucht einer klaren und bis an die
|
|
letzten Wurzeln reichenden Theorie«,</SMALL></P>
|
|
<P>und daher ebenso unfehlbar und alleinseligmachend ist wie die Dühringsche
|
|
Philosophie; denn</P>
|
|
<P><SMALL>»<I>nur in demjenigen </I>sozialistischen Gebilde, welches <I>ich in meinem
|
|
</I>'Cursus der National-und Socialökonomie' gekennzeichnet habe, kann
|
|
ein echtes Eigen an die Stelle des bloß scheinbaren und vorläufigen
|
|
oder aber gewaltsamen Eigentums treten«. Wonach die Zukunft sich zu richten
|
|
hat.</SMALL></P>
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|
<P>Diese Blumenlese von Lobpreisungen des Herrn Dühring durch Herrn Dühring
|
|
ließe sich leicht ums Zehnfache vermehren. Sie dürfte schon jetzt
|
|
beim Leser einige Zweifel rege gemacht haben, ob er es wirklich mit einem Philosophen
|
|
zu tun habe oder mit - aber wir müssen den Leser bitten, sein Urteil zurückzuhalten,
|
|
bis er die besagte Wurzelhaftigkeit wird näher kennengelernt haben. Wir
|
|
geben obige Blumenlese auch nur, um zu zeigen, daß wir nicht einen gewöhnlichen
|
|
Philosophen und Sozialisten vor uns haben, der seine Gedanken einfach ausspricht
|
|
und es der weitern Entwicklung überläßt, über ihren Wert
|
|
zu entscheiden, sondern mit einem ganz außergewöhnlichen Wesen, das
|
|
nicht weniger unfehlbar zu sein behauptet, als der Papst, und dessen alleinseligmachende
|
|
Lehre man einfach anzunehmen hat, wenn man nicht der verwerflichsten Ketzerei
|
|
verfallen will. Wir haben es keineswegs mit einer jener Arbeiten zu tun, an
|
|
denen alle sozialistischen Literaturen und neuerdings auch die deutsche überreich
|
|
sind, Arbeiten, in denen Leute verschiednen Kalibers sich in der aufrichtigsten
|
|
Weise von der Welt über Fragen klarzuwerden suchen, zu deren Beantwortung
|
|
ihnen das Material vielleicht mehr oder weniger abgeht; Arbeiten, bei denen,
|
|
was auch ihre wissenschaftlichen und literarischen Mängel, der sozialistische
|
|
gute Wille immer anerkennenswert ist. Im Gegenteil, Herr Dühring bietet
|
|
uns Sätze, die er für endgültige Wahrheiten letzter Instanz erklärt,
|
|
neben denen jede andre Meinung also von vornherein falsch ist; wie die ausschließliche
|
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Wahrheit, so hat er auch die einzige streng wissenschaftliche Methode der Untersuchung,
|
|
neben der alle andern unwissenschaftlich sind. Entweder hat er recht - und dann
|
|
stehn wir vor dem größten Genie aller Zeiten, dem ersten übermenschlichen,
|
|
weil unfehlbaren Menschen. Oder er hat unrecht, und auch dann, wie unser Urteil
|
|
immer ausfallen möge, wäre wohlwollende Rücksichtnahme auf seinen
|
|
etwaigen guten Willen immer noch die tödlichste Beleidigung für Herrn
|
|
Dühring.</P>
|
|
<P><B><A NAME="S29">|29|</A></b> Wenn man im Besitz der endgültigen Wahrheit
|
|
letzter Instanz und der einzig strengen Wissenschaftlichkeit ist, so muß
|
|
man selbstredend für die übrige irrende und unwissenschaftliche Menschheit
|
|
eine ziemliche Verachtung haben. Wir dürfen uns also nicht wundern, wenn
|
|
Herr Dühring von seinen Vorgängern mit der äußersten Wegwerfung
|
|
spricht, und wenn nur wenige, ausnahmsweise von ihm selbst ernannte große
|
|
Männer vor seiner Wurzelhaftigkeit Gnade finden.</P>
|
|
<P>Hören wir ihn zuerst über die Philosophen:</P>
|
|
<P><SMALL>»Der jeder besseren Gesinnung bare <I>Leibniz</I>, ... dieser beste unter allen
|
|
höfisch möglichen Philosophierern.«</SMALL></P>
|
|
<P>Kant wird noch soeben geduldet; aber nach ihm ging alles drunter und drüber:</P>
|
|
<P><SMALL>es kamen die »Wüstheiten und ebenso läppischen als windigen Torheiten
|
|
der nächsten Epigonen, also namentlich eines <I>Fichte</I> und <I>Schelling</I>
|
|
... ungeheuerliche Zerrbilder unwissender Naturphilosophastrik ... die nachkantischen
|
|
Ungeheuerlichkeiten« und »Fieberphantasien«, denen die Krone aufsetzte »ein
|
|
<I>Hegel</I>«. Dieser sprach einen »Hegel-Jargon« und verbreitete die »Hegel-Seuche«
|
|
vermittelst seiner »überdies noch in der Form unwissenschaftlichen Manier«
|
|
und seiner »Kruditäten«.</SMALL></P>
|
|
<P>Den Naturforschern geht's nicht besser, doch wird nur Darwin namentlich aufgeführt,
|
|
und so müssen wir uns auf diesen beschränken:</P>
|
|
<P><SMALL>»Darwinistische Halbpoesie und Metamorphosenfertigkeit mit ihrer grobsinnlichen
|
|
Enge der Auffassung und Stumpfheit der Unterscheidungskraft ... Unseres Erachtens
|
|
ist der spezifische Darwinismus, wovon natürlich die Lamarckschen Aufstellungen
|
|
auszunehmen sind, <i>ein Stück gegen die Humanität gerichtete Brutalität</i>.«</SMALL></P>
|
|
<P>Am schlimmsten aber kommen die Sozialisten weg. Mit Ausnahme von allenfalls
|
|
Louis Blanc - dem unbedeutendsten von allen - sind sie allzumal Sünder und
|
|
mangeln des Ruhms, den sie vor (oder hinter) Herrn Dühring haben sollten.
|
|
Und nicht nur der Wahrheit und Wissenschaftlichkeit, nein, auch dem Charakter
|
|
nach. Mit Ausnahme von Babeuf und einigen Kommunards von 1871 sind sie allesamt
|
|
keine »Männer«. Die drei Utopisten heißen »soziale Alchimisten«. von
|
|
ihnen wird Saint-Simon noch insoweit glimpflich behandelt, als ihm bloß
|
|
»Überspanntheit« vorgeworfen und mitleidig angedeutet wird, er habe an religiösem
|
|
Wahnsinn gelitten. Bei Fourier dagegen reißt Herrn Dühring die Geduld
|
|
vollständig. Denn Fourier</P>
|
|
<P><SMALL>»enthüllte alle Elemente des Wahnwitzes ... Ideen, die man sonst
|
|
am ehesten in Irrenhäusern aufsucht ... wüsteste Träume ... Erzeugnisse
|
|
des Wahnwitzes. ... Der unsäglich alberne Fourier«, dieses »Kinderköpfchen«,
|
|
dieser »Idiot« ist dabei nicht einmal ein Sozialist; sein Phalanstère
|
|
ist durchaus kein Stück rationeller Sozialismus, sondern »ein nach der
|
|
Schablone des gewöhnlichen Verkehrs konstruiertes Mißgebilde«.</SMALL></P>
|
|
<P><B><A NAME="S30">|30|</A></b> und endlich:</P>
|
|
<P><SMALL>»Wem diese Auslassungen« (Fouriers über Newton) » ... nicht genügen,
|
|
um sich zu überzeugen, daß in Fouriers Namen und am ganzen Fourierismus
|
|
nur die erste Silbe« (fou = verrückt) »etwas Wahres besagt, der dürfte
|
|
<I>selbst unter irgendeiner Kategorie von Idioten einzureihen sein</I>.«</SMALL></P>
|
|
<P>Endlich, Robert Owen</P>
|
|
<P><SMALL>»hatte matte und dürftige Ideen ... sein im Punkte der Moral so rohes
|
|
Denken ... einige ins Verschrobene ausgeartete Gemeinplätze ... widersinnige
|
|
und rohe Anschauungsweise ... Owens Vorstellungslauf ist kaum wert, daß
|
|
man eine ernstere Kritik zur Geltung bringe ... seine Eitelkeit« usw.</SMALL></P>
|
|
<P>Wenn also Herr Dühring die Utopisten nach ihren Namen äußerst
|
|
geistreich folgendermaßen kennzeichnet: Saint-Simon - saint (heilig),
|
|
Fourier - fou (verrückt), Enfantin - enfant (kindisch), so fehlt nur noch,
|
|
daß er hinzusetzt: Owen - o weh! und eine ganz bedeutende Periode der
|
|
Geschichte des Sozialismus ist mit vier Worten einfach - verdonnert, und wer
|
|
daran zweifelt, der »dürfte selbst unter irgendeine Kategorie von Idioten
|
|
einzureihen sein«.</P>
|
|
<P>von den Dühringschen Urteilen über die spätern Sozialisten nehmen
|
|
wir der Kürze halber nur noch die über Lassalle und Marx heraus:</P>
|
|
<P><SMALL><I>Lassalle</i></SMALL><SMALL>: »Pedantisch-klaubende Popularisierungsversuche
|
|
... überwuchernde Scholastik ... ungeheuerliches Gemisch von allgemeiner
|
|
Theorie und kleinlichem Quark ... sinn- und formlose Hegel-Superstition ...
|
|
abschreckendes Beispiel ... eigne Beschränktheit ... Wichtigtuerei mit
|
|
dem gleichgültigsten Kleinkram ... unser jüdischer Held ... Pamphletschreiber
|
|
... ordinär ... innere Haltungslosigkeit der Lebens- und Weltanschauung.«</SMALL></P>
|
|
<P><SMALL><I>Marx</i>: »Beengtheit der Auffassung ... seine Arbeiten und Leistungen
|
|
sind an und für sich, d.h. rein theoretisch betrachtet, für unser
|
|
Gebiet« (die kritische Geschichte des Sozialismus) »ohne dauernde Bedeutung
|
|
und für die allgemeine Geschichte der geistigen Strömung höchstens
|
|
als Symptome der Einwirkung eines Zweigs der neueren Sektenscholastik anzuführen
|
|
... Ohnmacht der konzentrierenden und ordnenden Fähigkeiten ... Unförmlichkeit
|
|
der Gedanken und des Stils, würdelose Allüren der Sprache ... englisierte
|
|
Eitelkeit ... Düpierung ... wüste Konzeptionen, die in der Tat nur
|
|
Bastarde historischer und logischer Phantastik sind ... trügerische Wendung
|
|
... persönliche Eitelkeit ... schnöde Manierchen ... schnoddrig ...
|
|
schöngeistige Plätzchen und Mätzchen ... Chinesengelehrsamkeit
|
|
... philosophische und wissenschaftliche Rückständigkeit.«</SMALL></P>
|
|
<P>Und so weiter, und so weiter - denn auch dies ist nur eine kleine oberflächliche
|
|
Blumenlese aus dem Dühringschen Rosengarten. Wohlverstanden, vorderhand
|
|
geht es uns noch gar nichts an, ob diese liebenswürdigen <A NAME="S31"></A><B>|31|</B>
|
|
Schimpfereien, die es Herrn Dühring, bei einiger Bildung, verbieten sollten,
|
|
irgend etwas schnöde und schnoddrig zu finden, ebenfalls endgültige
|
|
Wahrheiten letzter Instanz sind. Auch werden wir uns - jetzt noch - hüten,
|
|
irgendeinen Zweifel an ihrer Wurzelhaftigkeit laut werden zu lassen, da man
|
|
uns sonst vielleicht sogar verbieten dürfte, die Kategorie von Idioten
|
|
auszusuchen, zu der wir gehören. Wir haben es nur für unsre Schuldigkeit
|
|
gehalten, einerseits ein Beispiel davon zu geben, was Herr Dühring</P>
|
|
<P><SMALL>»das Gewählte der rücksichtsvollen und im echten Sinn des Worts bescheidnen
|
|
Ausdrucksart«</SMALL></P>
|
|
<P>nennt, und andrerseits festzustellen, daß bei Herrn Dühring die
|
|
Verwerflichkeit seiner Vorgänger nicht minder feststeht, als seine eigne
|
|
Unfehlbarkeit. Hiernach ersterben wir in tiefster Ehrerbietung vor dem gewaltigsten
|
|
Genius aller Zeiten - wenn sich das alles nämlich so verhält.</P>
|
|
<P ALIGN="CENTER">
|
|
<HR size="1">
|
|
<p></P>
|
|
<P>Textvarianten</P>
|
|
<P><SPAN class="top"><A NAME="T1">{1}</A></SPAN> Im ersten Entwurf der »Einleitung« wird diese
|
|
Stelle in folgender Fassung gebracht: »Der <I>moderne Sozialismus,</I> sosehr
|
|
er auch der Sache nach entstanden ist aus der Anschauung der in der vorgefundenen
|
|
Gesellschaft bestehenden Klassengegensätze von Besitzenden und Besitzlosen,
|
|
Arbeitern und Ausbeutern, erscheint doch in seiner theoretischen Form zunächst
|
|
als eine konsequentere, weitergetriebne Fortführung der von den großen
|
|
französischen Aufklärern des 18. Jahrhunderts aufgestellten Grundsätze,
|
|
wie denn seine ersten Vertreter. Morelly und Mably, auch zu diesen gehörten.«
|
|
<A HREF="me20_016.htm#ZT1"><=</A></P>
|
|
<P><SPAN class="top"><A NAME="T2">{2}</A></SPAN> Im ersten Entwurf der »Einleitung« lautet diese
|
|
Stelle: »Die alten griechischen Philosophen waren alle geborne, naturwüchsige
|
|
Dialektiker, und Aristoteles, der Hegel der alten Welt, hat auch bereits die
|
|
wesentlichsten Formen des dialektischen Denkens untersucht.« <A HREF="me20_016.htm#ZT2"><=</A></P>
|
|
<P><SPAN class="top"><A NAME="T3">{3}</A></SPAN> Im ersten Entwurf der »Einleitung« wird die
|
|
Hegelsche Philosophie so charakterisiert: »Das Hegelsche System war die letzte,
|
|
vollendetste Form der Philosophie, insofern diese als besondre, allen andren
|
|
Wissenschaften überlegne besondre Wissenschaft vorgestellt wird. Mit ihm
|
|
scheiterte die ganze Philosophie. Was aber blieb, war die dialektische Denkweise
|
|
und die Auffassung der natürlichen, geschichtlichen und intellektuellen
|
|
Welt als einer sich ohne Ende bewegenden, umbildenden, in stetem Prozeß
|
|
von Werden und Vergehen begriffenen. Nicht nur an die Philosophie, an <I>alle</I>
|
|
Wissenschaften war jetzt die Forderung gestellt, die Bewegungsgesetze dieses
|
|
steten Umbildungsprozesses auf ihrem besondern Gebiet aufzuweisen. Und dies
|
|
war das Erbteil, das die Hegelsche Philosophie ihren Nachfolgern hinterließ.«
|
|
<A HREF="me20_016.htm#ZT3"><=</A></P>
|
|
<P><SPAN class="top"><A NAME="T4">{4}</A></SPAN> Im ersten Entwurf der »Einleitung« heißt
|
|
es weiter: »In Frankreich hatte die Lyoner Insurrektion von 1834 ebenfalls den
|
|
Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie proklamiert. Die englischen und
|
|
französischen sozialistischen Theorien bekamen historische Bedeutung und
|
|
mußten auch in Deutschland Widerhall und Kritik hervorrufen, obwohl dort
|
|
die Produktion eben erst anfing, sich aus dem Kleinbetrieb herauszuarbeiten.
|
|
Der theoretische Sozialismus, wie er sich jetzt nicht so sehr in Deutschland
|
|
als unter Deutschen bildete, hatte also sein ganzes Material zu importieren
|
|
...« <A HREF="me20_016.htm#ZT4"><=</A></P>
|
|
<HR size="1" align="left" width="200">
|
|
<P><SMALL>Pfad: »../me/me20«</SMALL></P>
|
|
<HR size="1">
|
|
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
|
|
<TR>
|
|
<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
|
|
<TD ALIGN="center"><B>|</B></TD>
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