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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Friedrich Engels - Die Strategie des Krieges</TITLE>
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<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 13, 7. Auflage 1971, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 361-364.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 04.08.1998</P>
</FONT><H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Die Strategie des Krieges</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben am 30. Mai 1859.<BR>
Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 5663 vom 15. Juni 1859, Leitartikel]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S361">&lt;361&gt;</A></B> Wir haben unseren letzten Betrachtungen &uuml;ber das Treffen von Montebello sehr wenig hinzuzuf&uuml;gen. Aus dem offiziellen &ouml;sterreichischen Bericht, der schlie&szlig;lich doch noch auftauchte und gestern unsere Spalten zierte, ist zu ersehen, da&szlig; Teile der drei Brigaden, mit denen General Stadion auf Montebello marschierte, zur&uuml;ckgelassen wurden, um die Flanken der Marschroute zu decken. Der Rest erreichte Casteggio, das von der Brigade des Prinzen von Hessen erobert wurde; diese Brigade hielt die Stadt besetzt, w&auml;hrend die zwei anderen (unvollst&auml;ndigen) Brigaden vorstie&szlig;en und Montebello und Genestrello einnahmen. Sie widerstanden dem heftigen Angriff der ganzen Division Forey und der beiden Kavallerieregimenter des Generals de Sonnaz (k&ouml;niglich-piemontesische und monferratische Regimenter). Als sie schlie&szlig;lich in Richtung Casteggio zur&uuml;ckgedr&auml;ngt wurden, scheint sie die Brigade des Prinzen von Hessen so wirkungsvoll unterst&uuml;tzt zu haben, da&szlig; der Gegner keinen Angriff wagte und die &Ouml;sterreicher sich in tadelloser Ordnung und unbehindert zur&uuml;ckziehen konnten. Nach den &ouml;sterreichischen Berichten, die uns erreichten, befand sich anscheinend gegen Ende des Gefechts mindestens das ganze Korps des Marschalls Baraguay d'Hilliers im Kampf. Dieses Korps hat drei Infanteriedivisionen und eine Kavalleriedivision - insgesamt zw&ouml;lf Infanterieregimenter, drei J&auml;gerbataillone, vier Regimenter oder zwanzig Eskadronen Kavallerie und entsprechende Artillerie. Das stimmt &uuml;berein mit den Meldungen der &Ouml;sterreicher &uuml;ber die Aussagen franz&ouml;sischer Gefangener, da&szlig; zw&ouml;lf franz&ouml;sische Infanterieregimenter beteiligt waren, und mit zwei Berichten aus Turin, von denen der erste besagt; da&szlig; Vinoys Division, und <A NAME="S362"><B>&lt;362&gt;</A></B> der zweite, da&szlig; Bazaines Division Forey unterst&uuml;tzte. Diese drei Divisionen bilden zusammen die gesamte Infanterie Baraguays. &lt;Die Division Vinoy geh&ouml;rte zum f&uuml;nften Korps unter General Niel, w&auml;hrend das Korps Baraguay d'Hilliers noch die Division Ladmirault umfa&szlig;te.&gt; Es wird auch davon gesprochen, da&szlig; franz&ouml;sische Kavallerie und piemontesische Infanterie dabei gewesen sein sollen; das scheint aber weniger authentisch. Somit kommen wir zu folgendem Ergebnis: Die &Ouml;sterreicher, die kein anderes Ziel haben konnten, als zu rekognoszieren (sonst w&auml;re es heller Wahnsinn gewesen, mit drei schwachen Brigaden anzugreifen), erreichten dies v&ouml;llig, indem sie Baraguay zwangen, seine gesamten Kr&auml;fte zu zeigen. Im Gefecht k&auml;mpften sie genausogut wie ihre Gegner; als sie aus Montebello hinausgeworfen wurden, mu&szlig;ten sie einer &Uuml;bermacht weichen, und die Verfolgung endete vor Casteggio, wo die &Ouml;sterreicher sich sogar den Verfolgern entgegenstellten und sie so energisch zur&uuml;cktrieben, da&szlig; sie die &Ouml;sterreicher nicht mehr bel&auml;stigten, obwohl die Franzosen inzwischen beinahe viermal so viel Mann im Treffen hatten als die &Ouml;sterreicher. Wenn nun die Franzosen den Sieg f&uuml;r sich beanspruchen, weil sie schlie&szlig;lich Montebello behielten und die &Ouml;sterreicher sich nach dem Treffen zur&uuml;ckzogen, so k&ouml;nnen die &Ouml;sterreicher das gleiche von sich behaupten, weil sie die Franzosen aus Casteggio hinauswarfen und den letzten Erfolg dieses Tages errangen, und weil sie insbesondere ihr geplantes Ziel in vollem Umfange erreichten, denn sie suchten dieses Gefecht mit der Absicht, schlie&szlig;lich auf &uuml;berlegene Kr&auml;fte zu sto&szlig;en und selbstverst&auml;ndlich vor ihnen zur&uuml;ckzuweichen.</P>
<P>Seit Montebello waren das Zentrum und der rechte Fl&uuml;gel der &ouml;sterreichischen Armee in einige K&auml;mpfe verwickelt. Nach den Depeschen, die wir mit der "Fulton" erhielten und gestern ver&ouml;ffentlichten, &uuml;berschritten die Sardinier am 30. Mai die Sesia bei Vercelli. Sie nahmen einige &ouml;sterreichische Stellungen bei Palestro, Casalino und Vinzaglio im Sturm. Viktor Emanuel selbst hatte den Oberbefehl, und das Bajonett entschied den Kampf. Die Sardinier geben die Verluste der &Ouml;sterreicher als sehr hoch an. Wie wir durch die "Europa", die vor Halifax liegt, erfahren, haben die &Ouml;sterreicher zweimal versucht, Palestro wiederzunehmen, und einmal w&auml;re es ihnen beinahe gelungen, wenn nicht eine Zuaveneinheit zum Entsatz gekommen w&auml;re und die &Ouml;sterreicher zur&uuml;ckgeschlagen h&auml;tte. Die Sardinier behaupten, dabei eintausend Gefangene gemacht zu haben; es ist jedoch unm&ouml;glich, sich &uuml;ber diese Aff&auml;re ein Urteil zu bilden, denn noch fehlen jegliche pr&auml;zise Angaben. Solch einen hartn&auml;ckigen Widerstand seitens der &ouml;sterreichischen Vorposten an der Sesia hatten wir gar nicht erwartet, da sich die &Ouml;sterreicher angeblich <A NAME="S363"><B>&lt;363&gt;</A></B> in voller Flucht &uuml;ber den Ticino befinden. Auf ihrer &auml;u&szlig;ersten Rechten haben sie jedoch nicht so viel Schneid und Z&auml;higkeit bewiesen. Garibaldi, der mit seinen Alpenj&auml;gern und einigen anderen Truppen, insgesamt etwa 5.000 Mann, die &auml;u&szlig;erste Rechte der &Ouml;sterreicher umgangen hatte, &uuml;berschritt am 25. Mai den Ticino, marschierte zwischen dem Lago Maggiore und dem Comer See auf Varese und besetzte diese Stadt. Am 26. schlug er eine ihn angreifende Abteilung der &Ouml;sterreicher, nutzte den Sieg mit gro&szlig;em Nachdruck aus, schlug am 27. wiederum dieselbe (durch die Garnison von Como verst&auml;rkte) Abteilung und drang in derselben Nacht in diese Stadt ein. Die fliegenden Kolonnen des Generals Urban marschierten ihm entgegen und dr&auml;ngten ihn tats&auml;chlich in die Berge, doch unsere neuesten Depeschen, die wir gestern abend mit der "Europa" erhielten berichten, da&szlig; Garibaldi erneut vorstie&szlig;, die &Ouml;sterreicher &uuml;berraschte und Varese wieder eingenommen hat. Sein Erfolg bewirkte eine Insurrektion in den St&auml;dten am Comer See und im Valtellina oder oberen Tal der Adda, einem Bergdistrikt, der 1848 revolution&auml;rer war als die St&auml;dte der lombardischen Ebene. Die Dampfschiffe auf dem Comer See sind in den H&auml;nden der Aufst&auml;ndischen, und 800 M&auml;nner aus dem Valtellina schlossen sich Garibaldi an. Ungeachtet seines zeitweiligen Mi&szlig;erfolgs soll sich die Insurrektion in diesem Teil der Lombardei ausbreiten.</P>
<P>Mit diesem Schritt Garibaldis haben die Alliierten einen gro&szlig;en Vorteil errungen, und die &Ouml;sterreicher haben einen gro&szlig;en Fehler begangen. Die Einnahme von Varese durch Garibaldi war kein Nachteil f&uuml;r die &Ouml;sterreicher, aber Como mu&szlig;te durch eine starke Kolonne gehalten werden, mit der sich einzulassen er nicht gewagt h&auml;tte. Eine andere, nach Sesto Calende geschickte Abteilung konnte Garibaldi den R&uuml;ckzug abschneiden und ihn in dem kleinen Gebiet zwischen den Seen einschlie&szlig;en, so da&szlig; ihn ein starker Angriff gezwungen h&auml;tte, entweder seine Waffen niederzulegen oder auf neutrales Schweizer Gebiet zu gehen, wo er entwaffnet worden w&auml;re. Die &Ouml;sterreicher untersch&auml;tzten jedoch diesen Mann, den sie einen Banditenh&auml;uptling nennen; sie w&uuml;rden aber sein au&szlig;ergew&ouml;hnliches milit&auml;risches Talent, seine gro&szlig;e Furchtlosigkeit und seine hervorragenden F&auml;higkeiten erkannt haben, wenn sie sich die M&uuml;he gemacht h&auml;tten, die Belagerung von Rom und seinen Marsch von Rom nach San Marino zu studieren. So untersch&auml;tzten sie seine Vorst&ouml;&szlig;e ebenso wie 1848 die Streifz&uuml;ge von Allemandis lombardischen Freiwilligen. Sie &uuml;bersahen v&ouml;llig die Tatsache, da&szlig; Garibaldi gro&szlig;en Wert auf Disziplin legte und da&szlig; er die meisten seiner Leute seit vier Monaten unter sich hatte - lange genug um sie in den taktischen Man&ouml;vern des Kleinkrieges auszubilden. Garibaldi mag von Louis-Napoleon und Viktor Emanuel in die Lombardei geschickt worden ein, um ihn und seine Frei- <A NAME="S364"><B>&lt;364&gt;</A></B> willigen - f&uuml;r diesen dynastischen Krieg viel zu revolution&auml;re Elemente - zu vernichten, eine Annahme, die durch die Tatsache nachdr&uuml;cklich bekr&auml;ftigt wird, da&szlig; sein Vorgehen ohne die unerl&auml;&szlig;liche Unterst&uuml;tzung durchgef&uuml;hrt wurde; aber man darf nicht vergessen, da&szlig; er 1849 denselben Weg einschlug und ihm die Flucht gelang. Auf alle F&auml;lle ergriff er Besitz von der Br&uuml;cke bei Lecco und von den Dampfschiffen des Comer Sees, was ihm die M&ouml;glichkeit gab, nach dem Osten des Sees vorzusto&szlig;en. Dort liegt ein gro&szlig;er Gebirgszug, der sich im Norden bis zum Spl&uuml;gen und Stelviopa&szlig;, im Osten bis zum Gardasee, im S&uuml;den bis Bergamo und Brescia erstreckt - ein Gebiet, das sich besonders f&uuml;r den Partisanenkrieg eignet und wo es sehr schwierig sein wird, ihn zu fangen, wie Urban bereits erfahren mu&szlig;te. Wenn 6.000 bis 8.000 Mann gen&uuml;gt h&auml;tten, ihn im Vareser Gebiet aufzureiben, so d&uuml;rften heute mehr als 16.000 n&ouml;tig sein, so da&szlig; seine eine Brigade in Zukunft drei Brigaden der &Ouml;sterreicher voll besch&auml;ftigen wird. Trotz seines letzten Erfolges bei Varese sehen wir noch nicht, wie er angesichts der Streitkr&auml;fte, die sich in Tirol ansammeln (ein vollst&auml;ndiges Armeekorps ist mit der Eisenbahn von B&ouml;hmen durch Sachsen und Bayern nach Tirol gebracht worden), und der Truppen, die die Lombardei verteidigen, sich behaupten kann, wenn nicht die Alliierten einen sehr raschen und entscheidenden Sieg &uuml;ber die &Ouml;sterreicher erringen. Das wird schwierig sein. Ein anderes &ouml;sterreichisches Armeekorps, das neunte, ist in die aktive Armee eingereiht worden, so da&szlig; sie nunmehr aus sechs Korps oder mindestens 200.000 Mann besteht; und weitere Korps sind im Anmarsch. Auf Grund der Tatsache, da&szlig; Louis-Napoleon es sich nicht leisten kann, lange unt&auml;tig zu bleiben, ist bald eine Schlacht zu erwarten; und der Bericht, da&szlig; er mit seinem Hauptquartier und seiner Garde nach Voghera auf die &auml;u&szlig;erste Rechte der alliierten Position gegangen ist, d&uuml;rfte auf eine Schlacht in der Gegend von Stradella hinweisen. Wenn dies der Fall ist, werden wir h&ouml;chstwahrscheinlich sehen, da&szlig; die &Ouml;sterreicher den Engpa&szlig; der Stradella in der Front verteidigen und versuchen, &uuml;ber die Br&uuml;cke von Vaccarizza gegen die Flanke und im R&uuml;cken der Franzosen zu operieren.</P>
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