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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Friedrich Engels - Zwei vorbildliche Stadtr&auml;te</TITLE>
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<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><FONT size="2" color="#006600">MLWerke</A></FONT></TD>
<TD ALIGN="center" width="200" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A href="../default.htm"><FONT size=2 color="#006600">Marx/Engels - Werke</A></TD>
<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="../me_ak81.htm"><FONT size=2 color="#006600">Artikel und Korrespondenzen 1881</A></TD>
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<TD valign="top"><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: </SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 19, 4. Auflage 1973, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 266-269.</SMALL></TD>
</TR>
<TR>
<TD><SMALL>Korrektur:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>1</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Erstellt:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>18.07.1999</SMALL></TD>
</TR>
</TABLE>
<H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Zwei vorbildliche Stadtr&auml;te</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben in der zweiten Junih&auml;lfte 1881.<BR>
Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR size="1" align="center"></P>
<FONT SIZE=2><P>["The Labour Standard" Nr. 8 vom 25. Juni 1881, Leitartikel]</P>
</FONT><B><P>|266|</B> Wir haben unseren Lesern versprochen, sie &uuml;ber die Arbeiterbewegung sowohl im Ausland als auch zu Hause unterrichtet zu halten. Wir konnten hier und da einige Nachrichten aus Amerika bringen, und heute sind wir in der Lage, einige Tatsachen aus Frankreich zu berichten - Tatsachen von solcher Wichtigkeit, da&szlig; sie wohl verdienen, in unserem Leitartikel erw&auml;hnt zu werden,</P>
<P>In Frankreich sind die zahlreichen Systeme &ouml;ffentlicher Abstimmung, wie sie hierzulande noch in Gebrauch sind, unbekannt. Statt einer Form des Stimmrechts und des Wahlmodus f&uuml;r die Parlamentswahlen, einer anderen f&uuml;r st&auml;dtische Kommunalwahlen, einer dritten f&uuml;r Gemeindewahlen und so fort, ist &uuml;berall das gew&ouml;hnliche allgemeine Stimmrecht und die geheime Wahl mit Stimmzettel die Regel. Bei der Gr&uuml;ndung der Sozialistischen Arbeiterpartei in Frankreich wurde beschlossen, Arbeiterkandidaten nicht nur f&uuml;r die Kammer, sondern auch f&uuml;r alle Kommunalwahlen aufzustellen; und tats&auml;chlich siegte bei der letzten Neuwahl der Stadtr&auml;te in Frankreich, die am 9. Januar dieses Jahres stattfand, die junge Partei in einer gro&szlig;en Zahl von Industriest&auml;dten und l&auml;ndlichen, besonders Bergarbeitergemeinden. Es gelang ihr nicht nur, einzelne Kandidaten durchzubringen, sondern in einigen Orten erlangte sie sogar die Majorit&auml;t im Rat, und mindestens ein Stadtrat wurde, wie wir sehen werden, nur aus Arbeitern gebildet.</P>
<P>Kurz vor der Gr&uuml;ndung des "Labour Standard" fand ein Streik der Fabrikarbeiter in Roubaix, dicht an der belgischen Grenze, statt. Die Regierung schickte sofort Truppen hin, um die Stadt zu besetzen und unter dem Vorwand, die Ordnung aufrechterhalten zu wollen (die niemals bedroht war), zu versuchen, die Streikenden zu Handlungen zu provozieren, <A NAME="S267"><B>|267|</A></B> die als Vorwand f&uuml;r das Eingreifen der Truppen dienen konnten. Aber die Bev&ouml;lkerung verhielt sich ruhig, und eine der Hauptursachen, die sie allen Provokationen widerstehen lie&szlig;, war das Vorgehen des Stadtrats. Dieser bestand in seiner Mehrheit aus Arbeitern. Die Gr&uuml;nde f&uuml;r den Streik wurden ihm vorgetragen und ausf&uuml;hrlich er&ouml;rtert. Das Ergebnis war, da&szlig; der Rat nicht nur erkl&auml;rte, die Streikenden seien im Recht, sondern da&szlig; er auch einen Betrag von 50.000 frs. oder 2.000 Pfd. St. zur Unterst&uuml;tzung der Streikenden votierte. Diese Hilfsgelder konnten nicht ausgezahlt werden, da nach franz&ouml;sischem Recht der Pr&auml;fekt des Departements befugt ist, jeden Beschlu&szlig; der Stadtr&auml;te zu annullieren, den er als eine &Uuml;berschreitung ihrer Befugnisse ansieht. Nichtsdestoweniger war aber die starke moralische Unterst&uuml;tzung, die dem Streik so durch die offizielle Vertretung der Stadt zuteil wurde, f&uuml;r die Arbeiter von gr&ouml;&szlig;tem Wert.</P>
<P>Am 8. Juni entlie&szlig; die Bergwerksgesellschaft von Commentry im Zentrum Frankreichs (Departement Allier) 152 Leute, die es ablehnten, sich neuen und ung&uuml;nstigeren Bedingungen zu unterwerfen. Da dies Teil eines bereits seit l&auml;ngerem angewandten Systems war, um allm&auml;hlich schlechtere Arbeitsbedingungen einzuf&uuml;hren, streikte die Gesamtheit der etwa 1.600 Bergarbeiter. Die Regierung schickte sofort die &uuml;blichen Truppen, um die Streikenden einzusch&uuml;chtern bzw. zu provozieren. Aber auch hier setzte sich der Stadtrat sofort f&uuml;r die Arbeiter ein. In seiner Versammlung vom 12. Juni (&uuml;berdies einem Sonntag) fa&szlig;te er folgende Beschl&uuml;sse:</P>
<FONT SIZE=2><P>1. Nachdem es Pflicht der Gesellschaft ist, die Existenz derjenigen zu sichern, die durch ihre Arbeit die Existenz aller erm&ouml;glichen, und da die Gemeinden gehalten sind, dies zu tun, wenn der Staat es ablehnt, diese Pflicht zu erf&uuml;llen, beschlie&szlig;t dieser Rat, mit Einwilligung der h&ouml;chstbesteuerten B&uuml;rger, eine Anleihe von 25.000 frs. (1.000 Pfd. St.) aufzunehmen, zum Nutzen der Bergleute, welche die ungerechtfertigte Entlassung von 152 Mann aus ihrer Mitte gezwungen hat, in den Streik zu treten.</P>
</FONT><P>Einm&uuml;tig gegen das alleinige Veto des B&uuml;rgermeisters angenommen.</P>
<FONT SIZE=2><P>2. Nachdem der Staat durch den Verkauf des wertvollen Nationaleigentums, der Bergwerke von Commentry, an eine Aktiengesellschaft die dort besch&auml;ftigten Arbeiter der Gnade besagter Gesellschaft ausgeliefert hat; und da der Staat infolgedessen verpflichtet ist, darauf zu achten, da&szlig; der durch die Gesellschaft auf die Bergarbeiter ausge&uuml;bte Druck nicht einen Grad erreicht, der geradezu ihre Existenz bedroht; nachdem der Staat, indem er der Gesellschaft w&auml;hrend des gegenw&auml;rtigen Streiks Truppen zur Verf&uuml;gung stellt, jedoch nicht einmal Neutralit&auml;t bewahrt, sondern f&uuml;r die Bergwerksgesellschaft Partei ergriffen hat,</P>
<P>fordert dieser Rat im Namen der Interessen der Arbeiterklasse, die zu sch&uuml;tzen seine Pflicht ist, den Unterpr&auml;fekten des Bezirks auf:</P>
<B><P><A NAME="S268">|268|</A></B> 1) sofort die Truppen zur&uuml;ckzurufen, deren v&ouml;llig unangebrachte Anwesenheit nichts als eine Provokation darstellt, und</P>
<P>2) bei dem Verwalter der Bergwerksgesellschaft vorstellig zu werden und dahin zu wirken, da&szlig; die Ma&szlig;nahme r&uuml;ckg&auml;ngig gemacht wird, die den Streik hervorgerufen hat.</P>
</FONT><P>Einstimmig angenommen.</P>
<P>In einem dritten Beschlu&szlig;, der ebenfalls einstimmig angenommen wurde, er&ouml;ffnet der Rat - der bef&uuml;rchtet, da&szlig; durch die Armut der Gemeinde diese bewilligte Anleihe nicht realisierbar sei - eine &ouml;ffentliche Subskription zur Unterst&uuml;tzung der Streikenden und forderte alle anderen Gemeinder&auml;te in Frankreich auf, f&uuml;r den gleichen Zweck Hilfsgelder zu schicken.</P>
<P>Hier haben wir also einen schlagenden Beweis daf&uuml;r, was die Anwesenheit von Arbeitern nicht nur im Parlament, sondern auch in kommunalen und allen anderen K&ouml;rperschaften bedeutet. Wie anders w&uuml;rde manch ein Streik in England enden, wenn die M&auml;nner den Stadtrat des Ortes hinter sich h&auml;tten! Die englischen Stadtr&auml;te und die &ouml;rtlichen Aussch&uuml;sse, die zum gro&szlig;en Teil von Arbeitern gew&auml;hlt werden, bestehen zur Zeit fast ausschlie&szlig;lich aus Unternehmern, ihren direkten und indirekten Agenten (Advokaten etc.) und im besten Falle aus Ladeninhabern. Sobald ein Streik oder eine Aussperrung erfolgt, wird die ganze moralische und materielle Macht der Ortsbeh&ouml;rden zugunsten der Herren und gegen die Arbeiter angewandt; selbst die Polizei, mit dem Geld der Arbeiter bezahlt, wird genau so eingesetzt wie in Frankreich die Truppen, um die Arbeiter zu illegalen Handlungen zu provozieren und sie dann zur Strecke zu bringen. Die Armenbeh&ouml;rden verweigern in den meisten F&auml;llen Unterst&uuml;tzung f&uuml;r die M&auml;nner, die ihrer Meinung nach arbeiten k&ouml;nnten, wenn sie wollten. Und das ist ganz nat&uuml;rlich. In den Augen dieser Art Leute, die mit Einwilligung der Arbeiter die Ortsbeh&ouml;rden bilden, ist der Streik eine offene Rebellion gegen die Gesellschaftsordnung, eine Emp&ouml;rung gegen die geheiligten Rechte des Eigentums. Daher wird auch bei jedem Streik und bei jeder Aussperrung das ganze ungeheure moralische und physische Gewicht der Ortsbeh&ouml;rden in die Waagschale der Herren geworfen, solange die Arbeiterklasse damit einverstanden ist, da&szlig; die Herren und die Vertreter der Herren in lokale Wahlk&ouml;rperschaften entsandt werden.</P>
<P>Wir hoffen, da&szlig; die Handlungsweise der beiden franz&ouml;sischen Stadtr&auml;te vielen die Augen &ouml;ffnen wird. Es sei ein f&uuml;r allemal auch den englischen Arbeitern gesagt, da&szlig; "sie in Frankreich diese Dinge besser besorgen". Die englische Arbeiterklasse, mit ihrer alten und m&auml;chtigen Organisation, ihren uralten politischen Freiheiten, ihrer langen Erfahrung in politischer Bet&auml;tigung, hat gegen&uuml;ber jedem Lande auf dem Kontinent gewaltige Vorteile. <A NAME="S269"><B>|269|</A></B> Dennoch konnten die Deutschen zw&ouml;lf Vertreter der Arbeiterklasse in den Reichstag entsenden, und sowohl in Deutschland als auch in Frankreich besitzen Vertreter der Arbeiterklasse in zahlreichen Stadtr&auml;ten die Mehrheit. Gewi&szlig;, in England ist das Wahlrecht eingeschr&auml;nkt; aber selbst jetzt bildet die Arbeiterklasse in allen gro&szlig;en St&auml;dten und in den Industriebezirken die Mehrheit. Sie braucht es nur zu wollen, und diese potentielle Majorit&auml;t wird sofort eine wirkliche, eine Macht im Staate, eine Macht in allen Orten, wo die arbeitende Bev&ouml;lkerung konzentriert ist. Und wenn erst einmal Arbeiter im Parlament, in den Stadtr&auml;ten und lokalen F&uuml;rsorge&auml;mtern etc. sind, wie lange wird es dann dauern, bis ihr auch in den Beh&ouml;rden Vertreter der Arbeiterklasse habt, die f&auml;hig sind, einen Kn&uuml;ppel zwischen die Beine jener Dogberries zu werfen, die jetzt so h&auml;ufig r&uuml;cksichtslos auf dem Volk herumtrampeln?</P>
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