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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Franz Mehring: Karl Marx - Der Sch&uuml;ler Hegels</TITLE>
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Kapitel</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
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Kapitel</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="../default.htm"><SMALL>Franz
Mehring</SMALL></A></TD>
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<HR size="1">
<P><SMALL>Seitenzahlen nach: Franz Mehring - Gesammelte Schriften, Band 3. Berlin/DDR,
1960, S. <!-- #BeginEditable "Seitenzahlen" -->15-63<!-- #EndEditable -->.<BR>
1. Korrektur<BR>
Erstellt am 30.10.1999</SMALL></P>
<H2>Franz Mehring: Karl Marx - Geschichte seines Lebens</H2>
<H1><!-- #BeginEditable "Titel" -->Zweites Kapitel: Der Sch&uuml;ler Hegels<!-- #EndEditable --></H1>
<hr size="1">
<!-- #BeginEditable "Text" -->
<H3 ALIGN="CENTER">1. Das erste Jahr in Berlin<A name="Kap_1"></A></H3>
<P><B>|15|</B> Schon ehe Karl Marx sich verlobte, hatte sein Vater bestimmt, da&szlig;
er seine Studien in Berlin fortsetzen solle; vom 1. Juli 1836 ist der noch erhaltene
Schein datiert, worin Heinrich Marx nicht nur die Erlaubnis erteilt, sondern es
auch f&uuml;r seinen Willen erkl&auml;rt, da&szlig; sein Sohn Karl im n&auml;chsten
Semester die Universit&auml;t Berlin beziehe, um die in Bonn angefangenen Studien
der Rechts- und Kameralwissenschaft fortzusetzen.</P>
<P>Die Verlobung selbst wird diesen Entschlu&szlig; des Vaters eher best&auml;rkt
als geschw&auml;cht haben; bei ihren langen Aussichten hat sein bed&auml;chtiges
Wesen vorl&auml;ufig wohl eine weite Trennung der Liebenden als ratsam erwogen.
Sonst mag er bei der Wahl Berlins durch seinen preu&szlig;ischen Patriotismus
bestimmt worden sein und auch dadurch, da&szlig; die Berliner Universit&auml;t
die alte Burschenherrlichkeit nicht kannte, die Karl Marx nach der vorsorglichen
Meinung des Alten gen&uuml;gend in Bonn ausgekostet hatte; &raquo;wahre Kneipen sind
andere Universit&auml;ten gegen das hiesige Arbeitshaus&laquo;, meinte Ludwig Feuerbach.</P>
<P>Keinesfalls hat der junge Student selbst sich f&uuml;r Berlin entschieden.
Karl Marx liebte seine sonnige Heimat, und die preu&szlig;ische Hauptstadt ist
ihm all sein Lebtag widrig gewesen. Am wenigsten konnte ihn die Philosophie Hegels
anziehen, die nach dem Tode ihres Stifters die Berliner Universit&auml;t noch
unumschr&auml;nkter beherrschte als schon bei dessen Lebzeiten, denn sie war ihm
vollkommen fremd. Dazu kam die weite Entfernung von der Geliebten. Er hatte zwar
versprochen, sich mit ihrem Jawort f&uuml;r die Zukunft zu begn&uuml;gen und allen
&auml;u&szlig;eren Liebeszeichen f&uuml;r die Gegenwart zu entsagen. Aber selbst
unter ihresgleichen genie&szlig;en solche Schw&uuml;re der Liebenden den besonderen
Vorzug, ins Wasser geschrieben zu sein; seinen Kindern hat Karl Marx sp&auml;ter
erz&auml;hlt, er sei damals in der Liebe zu ihrer Mutter ein wahrer rasender Roland
gewesen, und so ruhte das junge gl&uuml;hende Herz nicht eher, bis ihm gestattet
wurde, Briefe mit seiner Braut zu wechseln.</P>
<P>Allein den ersten Brief von ihr erhielt er doch erst, als er bereits ein Jahr
in Berlin geweilt hatte, und &uuml;ber dies Jahr sind wir in gewisser <A NAME="S16"></A><B>|16|</B>
Beziehung genauer unterrichtet, als &uuml;ber irgendeines seiner fr&uuml;heren
oder sp&auml;teren Lebensjahre: durch einen umfangreichen Brief, den er am 10.
November 1837 an seine Eltern richtete, um ihnen &raquo;am Schlusse eines hier verlebten
Jahres einen Blick auf die Zust&auml;nde desselben&laquo; zu gew&auml;hren. Die merkw&uuml;rdige
Urkunde zeigt uns im J&uuml;ngling schon den ganzen Mann, der bis zur v&ouml;lligen
Ersch&ouml;pfung seiner geistigen und k&ouml;rperlichen Kr&auml;fte um die Wahrheit
ringt: seinen uners&auml;ttlichen Wissensdurst, seine unersch&ouml;pfliche Arbeitskraft,
seine unerbittliche Selbstkritik und jenen k&auml;mpfenden Geist, der das Herz,
wo es geirrt zu haben schien, doch nur &uuml;bert&auml;ubte.</P>
<P>Am 22. Oktober 1836 war Karl Marx immatrikuliert worden. Um die akademischen
Vorlesungen hat er sich nicht viel gek&uuml;mmert; in neun Semestern hat er ihrer
nicht mehr als zw&ouml;lf belegt, haupts&auml;chlich juristische Pflichtkollegien,
und selbst von ihnen vermutlich wenige geh&ouml;rt. Von den offiziellen Universit&auml;tslehrern
hat wohl nur Eduard Gans einigen Einflu&szlig; auf seine geistige Entwicklung
gehabt. Er h&ouml;rte bei Gans Kriminalrecht und Preu&szlig;isches Landrecht,
und Gans selbst hat den &raquo;ausgezeichneten Flei&szlig;&laquo; bezeugt, womit Karl Marx
die beiden Vorlesungen besucht habe. Beweiskr&auml;ftiger als solche Zeugnisse,
bei denen es sehr menschlich herzugehen pflegt, ist die schonungslose Polemik,
die Marx in seinen ersten Schriften gegen die Historische Rechtsschule f&uuml;hrte,
gegen deren Enge und Dumpfheit, gegen deren sch&auml;dlichen Einflu&szlig; auf
Gesetzgebung und Rechtsentwicklung der philosophisch gebildete Jurist Gans seine
beredte Stimme erhoben hatte.</P>
<P>Jedoch betrieb Marx nach seiner eigenen Angabe das Fachstudium der Jurisprudenz
nur als untergeordnete Disziplin neben Geschichte und Philosophie, und in diesen
beiden F&auml;chern hat sich Marx &uuml;berhaupt um keine Vorlesungen gek&uuml;mmert,
sondern nur das &uuml;bliche Pflichtkolleg &uuml;ber Logik wenigstens belegt,
bei Gabler, dem offiziellen Nachfolger Hegels, aber dem mittelm&auml;&szlig;igsten
unter dessen mittelm&auml;&szlig;igen Nachbetern. Als denkender Kopf hat Marx
schon auf der Universit&auml;t selbst&auml;ndig gearbeitet, und in zwei Semestern
einen Wissensstoff bew&auml;ltigt, den in der langsamen Stallf&uuml;tterung der
akademischen Vorlesungen zu verarbeiten nicht zwanzig Semester gen&uuml;gt haben
w&uuml;rden.</P>
<P>Nach seiner Ankunft in Berlin verlangte zun&auml;chst die &raquo;neue Welt der Liebe&laquo;
ihr Recht. &raquo;Sehnsuchtstrunken und hoffnungsleer&laquo; entlud sie sich in drei Heften
Gedichte, die alle &raquo;meiner teuren, ewig geliebten Jenny von Westphalen&laquo; gewidmet
wurden. In deren H&auml;nden waren sie schon im Dezember 1836, mit &raquo;Tr&auml;nen
der Wonne und des Schmerzes begr&uuml;&szlig;t&laquo;, wie Schwester Sophie nach Berlin
meldete. Der Dichter selbst <A NAME="S17"></A><B>|17|</B> urteilte ein Jahr sp&auml;ter,
in dem gro&szlig;en Briefe an die Eltern, sehr respektlos &uuml;ber diese Kinder
seiner Muse. &raquo;Breit und formlos geschlagenes Gef&uuml;hl, nichts Naturhaftes,
alles aus dem Mond konstruiert, der v&ouml;llige Gegensatz von dem, was da ist
und dem, was sein soll, rhetorische Reflektionen statt poetischer Gedanken&laquo;: dies
ganze S&uuml;ndenregister entrollte der junge Dichter selbst, und wenn er &raquo;vielleicht
auch eine gewisse W&auml;rme der Empfindung und Ringen nach Schwung&laquo; als mildernden
Umstand geltend machen m&ouml;chte, so trafen diese l&ouml;blicheren Eigenschaften
doch nur etwa in dem Sinn und Umfange zu wie bei den Lauraliedern Schillers.</P>
<P>Im allgemeinen atmen seine jugendlichen Gedichte eine triviale Romantik, durch
die selten ein echter Ton klingt. Dabei ist die Technik des Verses so unbeholfen
und ungelenk, wie sie eigentlich nicht mehr sein durfte, nachdem Heine und Platen
gesungen hatten. Auf so seltsamen Irrwegen begann sich das k&uuml;nstlerische
Verm&ouml;gen zu entwickeln, das Marx in reichem Ma&szlig;e besa&szlig; und gerade
auch in seinen wissenschaftlichen Werken bekundete. Wie er in der Bildkraft seiner
Sprache an die ersten Meister der deutschen Literatur heranreichte, so legte er
hohen Wert auf das &auml;sthetische Gleichma&szlig; seiner Schriften, ungleich
den d&uuml;rftigen Geistern, denen lederne Langeweile die erste B&uuml;rgschaft
gelehrten Schaffens ist. Aber unter den mannigfachen Spenden, die ihm die Musen
in seine Wiege gelegt hatten, befand sich doch nicht die Gabe der gebundenen Rede.</P>
<P>Allein, wie er seinen Eltern in dem gro&szlig;en Briefe vom 10. November 1837
schrieb: die Poesie durfte nur Begleitung sein; er mu&szlig;te Jurisprudenz studieren
und f&uuml;hlte vor allem Drang, mit der Philosophie zu ringen. Er nahm Heineccius,
Thibaut und die Quellen durch, &uuml;bersetzte die beiden ersten Pandektenb&uuml;cher
ins Deutsche und suchte eine Rechtsphilosophie auf dem Gebiete des Rechts zu begr&uuml;nden.
Dies &raquo;ungl&uuml;ckliche Opus&laquo; wollte er bis auf beinahe dreihundert Bogen gef&uuml;hrt
haben, was vielleicht doch nur auf einem Schreibfehler beruht. Am Schlusse sah
er die &raquo;Falschheit des Ganzen&laquo; ein und warf sich der Philosophie in die Arme,
um ein neues metaphysisches System zu entwerfen, an dessen Schlusse er abermals
seiner bisherigen Bestrebungen Verkehrtheit einzusehen gezwungen war. Daneben
hatte er die Gewohnheit, sich Ausz&uuml;ge aus allen B&uuml;chern zu machen, die
er las, so aus Lessings &raquo;Laokoon&laquo;, Solgers &raquo;Erwin&laquo;, Winckelmanns &raquo;Kunstgeschichte&laquo;,
Ludens &raquo;Deutscher Geschichte&laquo;, und so nebenbei Reflektionen niederzukritzeln.
Zugleich &uuml;bersetzte er die &raquo;Germania&laquo; des Tacitus, die &raquo;Trauerges&auml;nge&laquo;
des Ovid und fing privatim, das hei&szlig;t aus Grammatiken, Englisch und Italienisch
zu <A NAME="S18"></A><B>|18|</B> lernen an, worin er noch nichts erreichte, las
Kleins &raquo;Kriminalrecht&laquo; und seine Annalen und alles Neueste der Literatur, doch
dies nur nebenhin. Den Schlu&szlig; des Semesters bildeten dann wieder &raquo;Musent&auml;nze
und Satyrmusik&laquo;, wobei ihm pl&ouml;tzlich das Reich der wahren Poesie wie ein
ferner Feenpalast entgegenblitzte und alle seine Sch&ouml;pfungen in nichts zerfielen.</P>
<P>Danach war das Ergebnis dieses ersten Semesters, da&szlig; &raquo;viele N&auml;chte
durchwacht, viele K&auml;mpfe durchstritten, viele innere und &auml;u&szlig;ere
Anregung erduldet&laquo;, aber doch nicht viel gewonnen, Natur, Kunst, Welt vernachl&auml;ssigt
und Freunde abgesto&szlig;en worden waren. Auch litt der jugendliche K&ouml;rper
unter der &Uuml;beranstrengung, und auf &auml;rztlichen Rat siedelte Marx nach
Stralau &uuml;ber, das damals noch ein ruhiges Fischerdorf war. Hier erholte er
sich schnell, und nun begann das geistige Ringen von neuem. Auch im zweiten Semester
wurden Massen des verschiedenartigsten Wissensstoffes durchgenommen, jedoch immer
deutlicher zeichnete sich Hegels Philosophie als der ruhende Pol in der Flucht
der Erscheinungen ab. Als Marx sie zuerst in Fragmenten kennenlernte, wollte ihm
ihre &raquo;groteske Felsenmelodie&laquo; nicht behagen, aber w&auml;hrend einer neuen Erkrankung
studierte er sie von Anfang bis zu Ende und geriet zudem in einen &raquo;Doktorklub&laquo;
von jungen Hegelianern, wo er sich im Streite der Meinungen immer fester &raquo;an die
jetzige Weltphilosophie&raquo; kettete, freilich nicht ohne da&szlig; alles Klangreiche
in ihm verstummte und ihn &raquo;eine wahre Ironiewut nach so viel Negiertem&laquo; befiel.</P>
<P>Alles das offenbarte Karl Marx seinen Eltern und schlo&szlig; mit der Bitte,
sofort - und nicht erst zu Ostern des n&auml;chsten Jahres, wie ihm der Vater
schon erlaubt hatte - nach Hause kommen zu d&uuml;rfen. Er wollte sich mit dem
Vater aussprechen &uuml;ber die &raquo;vielfach hin- und hergeworfene Gestaltung&laquo; seines
Gem&uuml;ts; nur in der &raquo;lieben N&auml;he&laquo; der Eltern w&uuml;rde er die &raquo;aufgeregten
Gespenster&laquo; bes&auml;nftigen k&ouml;nnen.</P>
<P>So wertvoll uns heute dieser Brief ist als ein Spiegel, worin wir den jungen
Marx leibhaftig erblicken, so schlecht wurde er in dem elterlichen Hause empfangen.
Der schon kr&auml;nkelnde Vater sah den &raquo;D&auml;mon&laquo; vor sich, den er immer in
dem Sohne gef&uuml;rchtet hatte, den er doppelt f&uuml;rchtete, seitdem er eine
&raquo;gewisse Person&laquo; wie sein eigenes Kind liebte, seitdem eine sehr ehrw&uuml;rdige
Familie veranla&szlig;t war, ein Verh&auml;ltnis gutzuhei&szlig;en, das anscheinend
und nach dem gew&ouml;hnlichen Weltenlauf f&uuml;r dieses geliebte Kind voller
Gefahren und tr&uuml;ber Aussichten war. Er war nie so eigensinnig gewesen, dem
Sohne den Lebensweg vorzuschreiben,&#9;wenn es anders nur ein Weg war, der dazu
f&uuml;hren konnte, &raquo;heilige Verpflichtungen&laquo; zu erf&uuml;llen; aber was er nun
vor sich sah, war eine st&uuml;rmisch bewegte See ohne jeden sicheren Ankergrund.</P>
<P><B><A NAME="S19">|19|</A></B> So entschlo&szlig; er sich, trotz seiner &raquo;Schw&auml;che&laquo;,
die er selbst am besten kannte, &raquo;einmal hart&laquo; zu sein, und wurde in seiner Antwort
vom 1. [bei Mehring: 9.] Dezember &raquo;hart&laquo; nach seiner Weise, ma&szlig;los &uuml;bertreibend
und dazwischen wehm&uuml;tig seufzend. Er fragte, wie der Sohn seine Aufgabe gel&ouml;st
habe, und antwortete selbst: &raquo;Das sei Gott geklagt!!! Ordnungslosigkeit, dumpfes
Herumschweben in allen Teilen des Wissens, dumpfes Br&uuml;ten bei der d&uuml;steren
&Ouml;llampe; Verwilderung im gelehrten Schlafrock und ungek&auml;mmten Haaren
statt der Verwilderung bei dem Bierglase; zur&uuml;ckscheuchende Ungeselligkeit
mit Hintansetzung alles Anstandes und selbst aller R&uuml;cksicht gegen den Vater
- die Kunst, mit der Welt zu verkehren, auf die schmutzige Stube beschr&auml;nkt,
wo vielleicht in der klassischen Unordnung die Liebesbriefe einer Jenny und &#9;die
wohlgemeinten, und vielleicht mit Tr&auml;nen geschriebenen Ermahnungen des Vaters
zum Fidibus verwandt werden, was &uuml;brigens besser &#9;w&auml;re, als wenn
sie durch noch unverantwortlichere Unordnung in die H&auml;nde Dritter k&auml;men.&laquo;
Dann &uuml;bermannt ihn die Wehmut, und er st&auml;rkt sich durch die Pillen,
die ihm der Arzt verschrieben hat, um unbarmherzig zu bleiben. Die schlechte Wirtschaft
Karls wird schwer getadelt. &raquo;Als w&auml;ren wir Goldm&auml;nnchen, verf&uuml;gt
der Herr Sohn in einem Jahre f&uuml;r beinahe 700 Taler, gegen alle Abrede, gegen
alle Gebr&auml;uche, w&auml;hrend die Reichsten keine 500 ausgeben.&laquo; Gewi&szlig;
sei Karl kein Prasser und kein Verschwender, aber wie k&ouml;nne ein Mann, der
alle acht oder vierzehn Tage neue Systeme erfinden und die alten zerrei&szlig;en
m&uuml;sse, sich mit solchen Kleinigkeiten abgeben? Jeder habe die Hand in seiner
Tasche und jeder hintergehe ihn.</P>
<P>In dieser Art ging es noch eine gute Strecke weiter, und zuletzt lehnte der
Vater unerbittlich den Besuch Karls ab. &raquo;In diesem Augenblick hierher zu kommen,
w&auml;re Unsinn. Ich wei&szlig; zwar, da&szlig; Du Dir wenig aus Vorlesungen
machst - wahrscheinlich doch bezahlst -, aber ich will wenigstens das Dekorum
beobachten. Ich bin gewi&szlig; kein Sklave der Meinung, aber ich liebe auch nicht,
da&szlig; auf meine Kosten geklatscht werde.&laquo; Zu den Osterferien d&uuml;rfe Karl
kommen, oder auch zehn Tage fr&uuml;her, denn so pedantisch wolle der Vater nicht
sein.</P>
<P>Durch alle seine Klagen klang der Vorwurf, da&szlig; es dem Sohne an Herz fehle,
und wie dieser Vorwurf wieder und wieder gegen Karl Marx erhoben worden ist, so
mag hier, wo er zum erstenmal ert&ouml;nt und noch am ehesten ert&ouml;nen durfte,
gleich das Wenige gesagt werden, was dar&uuml;ber gesagt werden kann. Mit dem
modischen Schlagwort vom &raquo;Rechte des Auslebens&laquo;, das eine verz&auml;rtelte Kultur
erfunden hat, um eine feige Eigenliebe zu besch&ouml;nigen, ist nat&uuml;rlich
nichts gesagt; und <A NAME="S20"></A><B>|20|</B> nicht viel mehr auch mit dem
&auml;lteren Worte von dem &raquo;Rechte des Genius&laquo;, der sich mehr erlauben d&uuml;rfe
als gew&ouml;hnliche Menschenkinder. Bei Karl Marx entsprang das unabl&auml;ssige
Ringen um die h&ouml;chste Erkenntnis vielmehr der tiefsten Empfindung des Herzens;
er war nicht, wie er sich einmal derb ausgedr&uuml;ckt hat, Ochse genug, um den
&raquo;Menschheitsqualen&laquo; den R&uuml;cken zu kehren, oder wie schon Hutten den gleichen
Gedanken ausgedr&uuml;ckt hat: Gott hatte ihn mit dem Gem&uuml;t beschwert, da&szlig;
ihm gemeiner Schmerz weher tue und tiefer zu Herzen gehe als anderen. Kein einzelner
hat je soviel geleistet, die Wurzeln der &raquo;Menschheitsqualen&laquo; zu zerst&ouml;ren
als Karl Marx. Wie sein Lebensschiff auf hoher See kreuzte, im Sturm und Wetter
und im ewigen Kugelregen der Feinde, so hat seine Fahne immer hoch am Maste geflattert,
aber ein behagliches Leben an Bord ist es nicht gewesen, weder f&uuml;r den Kapit&auml;n,
noch f&uuml;r die Mannschaft.</P>
<P>Deshalb war Marx nicht gef&uuml;hllos gegen die Seinen. Der k&auml;mpfende
Geist konnte die Empfindungen des Herzens wohl &uuml;bert&auml;uben, aber niemals
ersticken, und oft hat noch der reife Mann schmerzlich beklagt, da&szlig; die
ihm am n&auml;chsten standen, unter den ehernen Losen seines Lebens schwerer zu
leiden h&auml;tten als er selbst. Auch der junge Student war nicht taub gegen
die Notschreie seines Vaters; er verzichtete nicht nur auf den sofortigen Besuch
in Trier, sondern auch auf die Osterreise, zum Kummer der Mutter, aber zur gro&szlig;en
Genugtuung des Vaters, dessen Groll sich nun schnell zu bes&auml;nftigen begann.
Er hielt zwar an seinen Klagen fest, aber ihre &Uuml;bertreibungen gab er preis;
in der Kunst, abstrakt zu r&auml;sonieren, k&ouml;nne er es mit Karl doch nicht
aufnehmen, und um die Terminologie zu studieren, bevor er nun gar ins Heiligtum
eindringen k&ouml;nne, dazu sei er zu alt. Nur in einem Punkte wolle alles Transzendente
nicht helfen, und da beobachte der Sohn klugerweise ein vornehmes Schweigen, n&auml;mlich
&uuml;ber das lumpige Geld, dessen Wert f&uuml;r einen Familienvater er immer
noch nicht zu kennen scheine. Aber aus M&uuml;digkeit wollte der Vater die Waffen
niederlegen, und das Wort hatte einen ernsteren Sinn, als es nach dem leisen Humor
zu haben schien, der schon wieder durch die Zeilen dieses Briefes spielte.</P>
<P>Er ist vom 10. Februar 1838 datiert, als Heinrich Marx sich eben von einem
f&uuml;nfw&ouml;chigen Krankenlager erhoben hatte. Es war keine dauernde Besserung;
die Krankheit, anscheinend ein Leberleiden, kehrte wieder und nahm zu, bis gerade
ein Vierteljahr sp&auml;ter, am 10. Mai 1838, der Tod eintrat. Er kam zur rechten
Zeit, um diesem Vaterherzen die Entt&auml;uschungen zu ersparen, an denen es St&uuml;ck
f&uuml;r St&uuml;ck zerbrochen w&auml;re.</P>
<P><B><A NAME="S21">|21|</A></B> Karl Marx aber hat immer dankbar empfunden, was
ihm sein Vater gewesen war. Wie dieser ihn im Innersten des Herzens getragen hatte,
so trug er ein Bild des Vaters auf seinem Herzen, bis er es mit ins eigene Grab
nahm.</P>
<H3 ALIGN="CENTER">2. Die Junghegelianer<A name="Kap_2"></A></H3>
<P>Vom Fr&uuml;hjahr 1838, wo er den Vater verlor, hat Karl Marx noch drei Jahre
in Berlin verlebt, in dem Kreise des Doktorklubs, dessen geistiges Leben ihm die
Geheimnisse der Hegelschen Philosophie erschlossen hatte.</P>
<P>Diese Philosophie galt damals noch als preu&szlig;ische Staatsphilosophie.
Der Kultusminister Altenstein und sein Geheimrat Johannes Schulze hatten sie unter
ihren besonderen Schutz genommen. Hegel verherrlichte den Staat als die Wirklichkeit
der sittlichen Idee, als das absolut Vern&uuml;nftige und den absoluten Selbstzweck,
daher als das h&ouml;chste Recht gegen die einzelnen, deren h&ouml;chste Pflicht
es sei, Mitglieder des Staats zu sein. Diese Lehre vom Staat schmeichelte sich
der preu&szlig;ischen B&uuml;rokratie ausnehmend ein; warf sie doch einen verkl&auml;renden
Schein selbst auf die S&uuml;nden der Demagogenjagd!</P>
<P>Hegel beging mit ihr auch keineswegs eine Heuchelei, denn es erkl&auml;rte
sich aus seiner politischen Entwicklung, da&szlig; ihm die Monarchie, in der die
Staatsdiener das Beste tun m&uuml;&szlig;ten, als die idealste Staatsform galt;
allenfalls eine gewisse mittelbare Mitherrschaft der herrschenden Klassen hielt
er daneben f&uuml;r notwendig, doch nur in st&auml;ndischer Beschr&auml;nkung;
von einer allgemeinen Volksvertretung im modern-konstitutionellen Sinne wollte
er so wenig wissen wie der preu&szlig;ische K&ouml;nig und dessen Orakel Metternich.</P>
<P>Aber das System, das sich Hegel f&uuml;r seine Person zurechtgemacht hatte,
stand in unvers&ouml;hnlichem Widerspruch mit der dialektischen Methode, die er
als Philosoph vertrat. Mit dem Begriffe des Seins ist auch der Begriff des Nichts
gegeben, und aus dem Kampfe beider entsteht der h&ouml;here Begriff des Werdens.
Alles ist und ist zugleich nicht, denn alles flie&szlig;t, ist in steter Ver&auml;nderung,
in stetem Werden und Vergehen begriffen. So war die Geschichte ein in ewiger Umw&auml;lzung
begriffener, von Niederem zu H&ouml;herem aufsteigender Entwicklungsproze&szlig;,
den Hegel mit seiner universalen Bildung in den verschiedensten F&auml;chern der
historischen Wissenschaft nachzuweisen unternahm, wenn auch nur in der seiner
idealistischen Anschauung entsprechenden Form, da&szlig; sich <A NAME="S22"></A><B>|22|</B>
in allem geschichtlichen Geschehen die absolute Idee auswirke, die Hegel f&uuml;r
die belebende Seele der ganzen Welt erkl&auml;rte, ohne sonst etwas von ihr auszusagen.</P>
<P>Danach konnte das B&uuml;ndnis zwischen der Philosophie Hegels und dem Staat
der Friedrich Wilhelme nur eine Vernunftehe sein, die gerade so lange w&auml;hrte,
wie sich beide Teile gegenseitig ihre Vernunft bescheinigten. Das ging etwa an
in den Tagen der Karlsbader Beschl&uuml;sse und der Demagogenverfolgungen, aber
schon die Julirevolution von 1830 gab der europ&auml;ischen Entwicklung einen
so starken Sto&szlig; nach vorw&auml;rts, da&szlig; Hegels Methode sich ungleich
waschechter erwies als sein System. Sobald die immerhin noch schwachen Wirkungen
der Julirevolution auf Deutschland erstickt worden waren und die Ruhe des Kirchhofs
wieder &uuml;ber dem Volke der Dichter und Denker lag, beeilte sich das preu&szlig;ische
Junkertum, den alten verschlissenen Kram der mittelalterlichen Romantik nochmals
gegen die moderne Philosophie auszuspielen. Das wurde ihm um so leichter, als
die Bewunderung Hegels weniger seine Sache, als die Sache der halbwegs aufgekl&auml;rten
B&uuml;rokratie gewesen war, und Hegel, bei aller Verherrlichung des Beamtenstaats,
doch gar nichts dazu getan hatte, dem Volke die Religion zu erhalten, was nun
einmal das A und O der feudalen &Uuml;berlieferung war und im letzten Grunde aller
ausbeutenden Klassen ist.</P>
<P>Auf religi&ouml;sem Gebiete erfolgte dann auch der erste Zusammensto&szlig;.
Hatte Hegel gemeint, die heiligen Geschichten der Bibel seien wie profane zu betrachten,
den Glauben gehe das Wissen gemeiner, wirklicher Geschichten nichts an, so machte
David Strau&szlig;, ein junger Schwabe, nun vollen Ernst mit dem Worte des Meisters.
Er forderte, da&szlig; die evangelische Geschichte der historischen Kritik preiszugeben
sei, und bewies die Berechtigung seiner Forderung durch sein &raquo;Leben Jesu&laquo;, das
1835 erschien und ungeheures Aufsehen erregte. Strau&szlig; kn&uuml;pfte damit
an die b&uuml;rgerliche Aufkl&auml;rung an, &uuml;ber deren &raquo;Aufkl&auml;richt&laquo;
sich Hegel allzu ver&auml;chtlich ausgesprochen hatte. Aber die Gabe des dialektischen
Denkens gestattete ihm die Frage ungleich tiefer zu fassen als der alte Reimarus,
der &raquo;Ungenannte&laquo; Lessings, sie gefa&szlig;t hatte. Strau&szlig; sah nicht mehr
in der christlichen Religion ein Produkt des Betruges oder in den Aposteln eine
Rotte von Gaunern, sondern erkl&auml;rte die mythischen Bestandteile der Evangelien
aus dem bewu&szlig;tlosen Schaffen der ersten christlichen Gemeinden. Vieles aber
aus den Evangelien erkannte er noch als geschichtlichen Bericht &uuml;ber das
Leben Jesu und Jesus selbst als geschichtliche Person an, wie er &uuml;berhaupt
in den wichtigsten Punkten immer noch einen geschichtlichen Kern voraussetzte.</P>
<P><B><A NAME="S23">|23|</A></B> Politisch war Strau&szlig; vollkommen harmlos
und ist es all sein Lebtag geblieben. Ein wenig sch&auml;rfer klang die politische
Note in den &raquo;Hallischen Jahrb&uuml;chern&laquo; an, die Arnold Ruge und Theodor Echtermeyer
im Jahre 1838 als Organ der Junghegelianer gr&uuml;ndeten. Sie gingen zwar auch
von der Literatur und Philosophie aus und wollten zun&auml;chst nicht mehr sein
als ein Gegengewicht gegen die Berliner Jahrb&uuml;cher f&uuml;r wissenschaftliche
Kritik, das eingerostete Organ der Althegelianer. Aber Arnold Ruge, hinter den
der fr&uuml;h verstorbene Echtermeyer bald zur&uuml;cktrat, hatte doch schon in
der Burschenschaft mitgetan und den Wahnsinn der Demagogenjagd mit sechsj&auml;hrigem
Gef&auml;ngnis in K&ouml;penick und Kolberg geb&uuml;&szlig;t. Er hatte dies Schicksal
freilich nicht tragisch genommen und sich als Privatdozent in Halle durch gl&uuml;ckliche
Heiraten eine behagliche Existenz geschaffen, die ihn das preu&szlig;ische Staatswesen
trotz alledem f&uuml;r frei und gerecht erkl&auml;ren lie&szlig;. Er h&auml;tte
nichts dagegen einzuwenden gehabt, wenn sich an ihm die boshafte Rede der altpreu&szlig;ischen
Mandarinen erf&uuml;llt h&auml;tte, wonach im Preu&szlig;ischen niemand eine so
schnelle Karriere mache wie ein bekehrter Demagoge. Jedoch eben hieran haperte
es.</P>
<P>Ruge war kein selbst&auml;ndiger Denker und am wenigsten ein revolution&auml;rer
Geist, aber er besa&szlig; gerade genug Bildung, Ehrgeiz, Flei&szlig; und Kampflust,
um eine wissenschaftliche Zeitung gut zu leiten. Er selbst hat sich einmal nicht
unzutreffend einen Gro&szlig;kaufmann des Geistes genannt. Er machte aus seinen
&raquo;Hallischen Jahrb&uuml;chern&laquo; einen Sammelplatz aller unruhigen Geister, die nun
einmal den - im Interesse aller staatlichen Ordnung leidigen - Vorzug besitzen,
das meiste Leben in die Bude der Presse zu bringen. David Strau&szlig; fesselte
als Mitarbeiter ungleich mehr, als s&auml;mtliche Theologen, die mit Spie&szlig;en
und Stangen f&uuml;r die gottgegebene Unfehlbarkeit der Evangelien fochten, die
Leser h&auml;tten fesseln k&ouml;nnen. Zwar versicherte Ruge, seine Jahrb&uuml;cher
blieben &raquo;Hegelsche Christen und Hegelsche Preu&szlig;en&laquo;, aber der Kultusminister
Altenstein, der ohnehin schon von der romantischen Reaktion arg an die Wand gedr&uuml;ckt
wurde, traute dem Frieden nicht und lie&szlig; sich auf die flehentliche Bitte
Ruges um eine staatliche Anstellung als Anerkennung seiner Leistungen nicht ein.
So d&auml;mmerte den &raquo;Hallischen Jahrb&uuml;chern&laquo; die Erkenntnis auf, da&szlig;
die Bande gel&ouml;st werden m&uuml;&szlig;ten, die die preu&szlig;ische Freiheit
und Gerechtigkeit gefangen hielten.</P>
<P>Zu den Mitarbeitern der &raquo;Hallischen Jahrb&uuml;cher&laquo; geh&ouml;rten nun auch
die Berliner Junghegelianer, in deren Mitte Karl Marx drei Jugendjahre verlebt
hat. Der Doktorklub bestand aus Dozenten, Lehrern, Schriftstellern in der ersten
Bl&uuml;te des Mannesalters. Rutenberg, den <A NAME="S24"></A><B>|24|</B> Karl
Marx anfangs in einem Briefe an seinen Vater den &raquo;intimsten&laquo; seiner Berliner Freunde
nannte, hatte am Berliner Kadettenkorps in Geographie unterrichtet, war aber entlassen
worden, angeblich weil er eines Morgens betrunken im Rinnstein gelegen hatte,
tats&auml;chlich weil er in den Verdacht geraten war, &raquo;b&ouml;swillige&laquo; Artikel
in Hamburger oder Leipziger Zeitungen ver&ouml;ffentlicht zu haben. Eduard Meyen
war an einer kurzlebigen Zeitschrift beteiligt, in der Marx zwei seiner Gedichte
ver&ouml;ffentlicht hat, die einzigen gl&uuml;cklicherweise, die je das Licht
der Welt erblickt haben. Ob Max Stirner, der an einer M&auml;dchenschule unterrichtete,
schon zur Zeit, wo Marx in Berlin studierte, diesem Verein angeh&ouml;rt hat,
l&auml;&szlig;t sich nicht sicher feststellen; ein Beweis daf&uuml;r, da&szlig;
beide sich pers&ouml;nlich gekannt haben, liegt nicht vor. Auch entbehrt die Frage
eines tieferen Interesses, da irgendwelche geistigen Zusammenh&auml;nge zwischen
Marx und Stirner nicht bestanden haben. Um so st&auml;rker ist der Einflu&szlig;
gewesen, den die geistig hervorragendsten Mitglieder des Doktorklubs auf Marx
gehabt haben: Bruno Bauer, der Privatdozent an der Berliner Universit&auml;t,
und Karl Friedrich K&ouml;ppen, der Lehrer an der Dorotheenst&auml;dtischen Realschule
war.</P>
<P>Karl Marx z&auml;hlte kaum zwanzig Jahre, als er sich dem Doktorklub anschlo&szlig;,
aber wie so oft in seinem sp&auml;teren Leben, wenn er in einen neuen Kreis eintrat,
wurde er der belebende Mittelpunkt. Auch Bauer und K&ouml;ppen, die ihm um etwa
zehn Lebensjahre voraus waren, haben in ihm fr&uuml;h die geistig &uuml;berlegene
Kraft erkannt und sich keinen lieberen Kampfgef&auml;hrten ersehnt als diesen
J&uuml;ngling, der doch noch viel von ihnen lernen konnte und auch gelernt hat.
&raquo;Seinem Freunde Karl Heinrich Marx aus Trier&laquo; widmete K&ouml;ppen die ungest&uuml;me
Kampfschrift, die er im Jahre 1840 zum hundertsten Geburtstage des K&ouml;nigs
Friedrich von Preu&szlig;en ver&ouml;ffentlichte.</P>
<P>K&ouml;ppen besa&szlig; historisches Talent in ungew&ouml;hnlich hohem Ma&szlig;e,
wovon heute noch seine Beitr&auml;ge in den &raquo;Hallischen Jahrb&uuml;chern&laquo; zeugen;
ihm verdanken wir die erste wirklich geschichtliche W&uuml;rdigung der roten Schreckenszeit
in der gro&szlig;en franz&ouml;sischen Revolution. Er wu&szlig;te die Tr&auml;ger
der zeitgen&ouml;ssischen Geschichtsschreibung, die Leo, Ranke, Raumer, Schlosser,
der gl&uuml;cklichsten und treffendsten Kritik zu unterziehen. Er selbst hat sich
auf den mannigfachsten Gebieten geschichtlicher Forschung versucht, von einer
Literarischen Einleitung in die nordische Mythologie, die sich neben die Forschungen
Jacob Grimms und Ludwig Uhlands stellen durfte, bis zu einem gro&szlig;en Werk
&uuml;ber Buddha, das selbst die Anerkennung Schopenhauers fand, der dem alten
Hegelianer sonst nicht gr&uuml;n war. Wenn nun ein Kopf wie K&ouml;ppen, den &auml;rgsten
<A NAME="S25"></A><B>|25|</B> Despoten der preu&szlig;ischen Geschichte als &raquo;wiedergeborenen
Geist&laquo; herbeiw&uuml;nschte, um &raquo;alle Widersacher, die uns den Eintritt ins Land
der Verhei&szlig;ung verwehren, mit flammendem Schwerte zu vertilgen&laquo;, so wird
man dadurch am schnellsten in die eigent&uuml;mliche Umwelt versetzt, in der diese
Berliner Junghegelianer lebten.</P>
<P>Man darf dabei gewi&szlig; zweierlei nicht &uuml;bersehen. Die romantische
Reaktion und alles was ihr anhing, arbeitete mit aller Kraft daran, das Andenken
des alten Fritz anzuschw&auml;rzen. Es war, wie K&ouml;ppen meinte, eine &raquo;greuliche
Katzenmusik: alt- und neutestamentliche Trompeten, moralische Maultrommeln, erbauliche
Dudels&auml;cke, historische Sackpfeifen und andere Schnurrpfeifereien, dazwischen
Freiheitshymnen, gebr&uuml;llt in urteutonischem Bierba&szlig;&laquo;. Ferner aber gab
es noch keine kritisch-wissenschaftliche Untersuchung, die dem Leben und den Taten
des preu&szlig;ischen K&ouml;nigs einigerma&szlig;en gerecht geworden w&auml;re,
und konnte es noch nicht geben, da die entscheidend wichtigen Quellen zu seiner
Geschichte noch nicht er&ouml;ffnet waren. Er stand in dem Rufe einer &raquo;Aufkl&auml;rung&laquo;,
um derentwillen ihn die einen ha&szlig;ten und die andern bewunderten.</P>
<P>In der Tat wollte K&ouml;ppen mit seiner Schrift wieder der Aufkl&auml;rung
des achtzehnten Jahrhunderts aufhelfen; Ruge sagte von Bauer, K&ouml;ppen und
Marx, ihr Kennzeichen sei die Ankn&uuml;pfung an die b&uuml;rgerliche Aufkl&auml;rung;
sie schrieben, eine philosophische Bergpartei, das Mene Mene Tekel Upharsin an
den deutschen Gewitterhimmel. K&ouml;ppen wies die &raquo;schalen Deklamationen&laquo; gegen
die Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts zur&uuml;ck; trotz ihrer Langweiligkeit
verdankten wir den deutschen Aufkl&auml;rern sehr viel; ihr Mangel sei nur gewesen,
da&szlig; sie nicht aufgekl&auml;rt genug gewesen seien. Das gab K&ouml;ppen vornehmlich
den gedankenlosen Nachbetern Hegels zu bedenken, &raquo;den einsamen B&uuml;&szlig;ern
des Begriffs&laquo;, den &raquo;alten Brahmanen der Logik&laquo;, die, mit untergeschlagenen Beinen
in ewiger Ruhe dasitzend, mit eint&ouml;nigem Geschnarr die heiligen drei Vedas
wieder und wieder l&auml;sen und nur dann und wann einen l&uuml;sternen Blick
hin&uuml;berw&uuml;rfen in die tanzende Bajaderenwelt. In dem Organ der Althegelianer
wies denn auch Varnhagen die Schrift K&ouml;ppens als &raquo;ekelhaft&laquo; und &raquo;widerw&auml;rtig&laquo;
zur&uuml;ck; er mochte sich noch besonders getroffen f&uuml;hlen durch die derben
Worte K&ouml;ppens &uuml;ber die &raquo;Kr&ouml;ten des Sumpfs&laquo;, jenes Gew&uuml;rm ohne
Religion, ohne Vaterland, ohne &Uuml;berzeugung, ohne Gewissen, ohne Herz, ohne
W&auml;rme und K&auml;lte, ohne Freude und Schmerz, ohne Liebe und Ha&szlig;,
ohne Gott und Teufel, jene Elenden, die vor den Toren der H&ouml;lle umherirrten
und selbst f&uuml;r diese zu schlecht seien.</P>
<P><B><A NAME="S26">|26|</A></B> K&ouml;ppen feierte den &raquo;gro&szlig;en K&ouml;nig&laquo;
nur als &raquo;gro&szlig;en Philosophen&laquo;. Allein dabei geriet er doch tiefer in die
Br&uuml;che, als selbst nach dem Stande der damaligen Erkenntnis erlaubt war.
Er meinte: &raquo;Friedrich hatte nicht wie Kant, eine doppelte Vernunft, eine theoretische,
die ziemlich aufrichtig und keck mit ihren Bedenklichkeiten und Zweifeln und Negationen
hervortritt, und eine praktische, vormundschaftliche, &ouml;ffentlich angestellte,
die wieder gut macht, was jene ges&uuml;ndigt hat und deren Studentenstreiche
vertuscht. Nur die sch&uuml;lerhafteste Unreife kann behaupten, da&szlig; seine
philosophisch-theoretische Vernunft der k&ouml;niglich-praktischen gegen&uuml;ber
als sehr transzendent erscheine, und da&szlig; der alte Fritz sich oft des Einsiedlers
von Sanssouci wenig erinnert habe. Nie ist vielmehr in ihm der K&ouml;nig hinter
dem Philosophen zur&uuml;ckgeblieben.&laquo; Heute w&uuml;rde jeder, der diese Behauptung
K&ouml;ppens zu wiederholen wagte, sich selbst bei der preu&szlig;ischen Geschichtsschreibung
den Vorwurf der sch&uuml;lerhaftesten Unreife zuziehen, aber auch f&uuml;r das
Jahr 1840 war es doch schon ein starkes St&uuml;ck, das aufkl&auml;rende Lebenswerk
eines Mannes wie Kant, unter die aufkl&auml;rerischen Scherze zu stellen, die
der borussische Despot mit den franz&ouml;sischen Sch&ouml;ngeistern getrieben
hatte, die sich zu seinen Hofnarren hergaben.</P>
<P>Was sich darin kundgab, war die absonderliche D&uuml;rftigkeit und Leere des
Berliner Lebens, die den dortigen Junghegelianern &uuml;berhaupt verh&auml;ngnisvoll
geworden ist. Gerade an K&ouml;ppen, der sich ihrer schlie&szlig;lich noch am
ehesten erwehren sollte, trat sie am auffallendsten hervor, zumal in einer Kampfschrift,
die mit dem ganzen Herzen geschrieben war. In Berlin fehlte noch der kr&auml;ftige
R&uuml;ckhalt, den die schon reich entwickelte Industrie der Rheinlande dem b&uuml;rgerlichen
Selbstbewu&szlig;tsein bot, aber nicht nur hinter K&ouml;ln, sondern auch hinter
Leipzig und selbst K&ouml;nigsberg trat die preu&szlig;ische Hauptstadt zur&uuml;ck,
sobald der Kampf der Zeit praktisch zu werden begann. &raquo;Sie glauben ungeheuer frei
zu sein&laquo;, schrieb der Ostpreu&szlig;e Walesrode von den damaligen Berlinern, &raquo;wenn
sie Cerf, die Hagen, den K&ouml;nig, die Tagesereignisse usw. usw., in den Kaffeeh&auml;usern
bewitzeln, auf Eckenstehermanier, in der bekannten Tonart.&laquo; Berlin war erst eine
Milit&auml;r- und Residenzstadt, deren kleinb&uuml;rgerliche Bev&ouml;lkerung
sich durch ein boshaft-kleinliches Mundwerk f&uuml;r die feige Unterw&uuml;rfigkeit
entsch&auml;digte, die sie &ouml;ffentlich vor jeder Hofequipage bekundete. Eine
rechte St&auml;tte dieser Opposition war der Klatschsalon desselben Varnhagen,
der sich schon vor der friderizianischen Aufkl&auml;rung bekreuzigte, so wie K&ouml;ppen
sie verstand.</P>
<P>Es liegt kein Grund vor, daran zu zweifeln, da&szlig; der junge Marx die Auffassungen
der Schrift geteilt hat, die seinen Namen der &Ouml;ffentlichkeit <A NAME="S27"></A><B>|27|*</B>
zuerst in ehrenvoller Weise nannte. Er stand mit K&ouml;ppen im n&auml;chsten
Verkehr und hat viel von der schriftstellerischen Art des &auml;lteren Kameraden
&uuml;bernommen. Auch sind sie gute Freunde geblieben, obgleich sich ihre Lebenswege
schnell trennten; als Marx zwanzig Jahre sp&auml;ter einen Besuch in Berlin abstattete,
fand er in K&ouml;ppen &raquo;ganz den alten&laquo;, und sie feierten frohe Stunden eines
ungetr&uuml;bten Wiedersehens. Nicht lange darauf, im Jahre 1863, ist K&ouml;ppen
gestorben.</P>
<H3 ALIGN="CENTER">3. Die Philosophie des Selbstbewu&szlig;tseins<A name="Kap_3"></A></H3>
<P>Das eigentliche Haupt der Berliner Junghegelianer war jedoch nicht K&ouml;ppen,
sondern Bruno Bauer. Als berufener Sch&uuml;ler des Meisters wurde er auch anerkannt,
zumal als er sich mit spekulativem Hochmut gegen das schw&auml;bische &raquo;Leben Jesu&laquo;
erkl&auml;rt und sich von Strau&szlig; eine derbe Abfuhr geholt hatte. Der Kultusminister
Altenstein hielt seine sch&uuml;tzende Hand &uuml;ber dieser hoffnungsvollen Kraft.
Bei alledem war Bruno Bauer kein Streber, und Strau&szlig; hatte schlecht prophezeit,
als er ihn bei der &raquo;verkn&ouml;cherten Scholastik&laquo; des orthodoxen H&auml;uptlings
Hengstenberg landen sah. Vielmehr geriet Bauer im Sommer 1839 mit Hengstenberg,
der den alttestamentarischen Gott der Rache und des Zornes zum Gotte des Christentums
erheben wollte, in eine literarische Fehde, die sich zwar noch in den Grenzen
einer akademischen Streitfrage hielt, aber doch den altersschwachen und schwer
ge&auml;ngstigten Altenstein veranla&szlig;te, seinen Sch&uuml;tzling den argw&ouml;hnischen
Blicken der so rachs&uuml;chtigen wie rechtgl&auml;ubigen Orthodoxie zu entziehen.
Er sandte Bruno Bauer im Herbst 1839 an die Universit&auml;t Bonn, zun&auml;chst
als Privatdozenten, aber mit der Absicht, ihn binnen Jahresfrist als Professor
anzustellen.</P>
<P>Um diese Zeit war Bruno Bauer aber schon, wie namentlich aus seinen Briefen
an Marx hervorgeht, mitten in einer geistigen Entwicklung, die ihn weit &uuml;ber
Strau&szlig; hinausf&uuml;hren sollte. Er begann eine &raquo;Evangelienkritik&laquo;, die
ihn dazu f&uuml;hrte, mit den letzten Tr&uuml;mmern aufzur&auml;umen, die Strau&szlig;
noch erhalten hatte. Bruno Bauer wies nach, da&szlig; auch nicht ein einziges
geschichtliches Atom in den Evangelien enthalten, da&szlig; alles in ihnen freie
schriftstellerische T&auml;tigkeit der Evangelisten sei; er wies nach, da&szlig;
die christliche Religion als Weltreligion der antiken, der griechisch-r&ouml;mischen
Welt nicht aufgedr&auml;ngt worden, sondern das eigenste Produkt dieser Welt sei.
Er schlug damit den einzigen Weg ein, <A NAME="S28"></A><B>|28|</B> auf dem die
Entstehung des Christentums wissenschaftlich erforscht werden konnte. Es hat schon
seinen guten Sinn, wenn der Hof-, Mode- und Salontheologe Harnack, der gegenw&auml;rtig
im Interesse der herrschenden Klassen die Evangelien zurechtmacht, k&uuml;rzlich
das Fortschreiten auf dem Wege, den Bruno Bauer er&ouml;ffnet hat, als &raquo;miserabel&laquo;
zu beschimpfen suchte.</P>
<P>W&auml;hrend diese Gedanken in Bruno Bauer zu reifen begannen, war Karl Marx
sein unzertrennlicher Gef&auml;hrte, und Bauer selbst sah in dem um neun Jahre
j&uuml;ngeren Freunde den f&auml;higsten Kampfgenossen. Er war kaum in Bonn warm
geworden, als er Marx durch sehns&uuml;chtige Briefe nachzulocken suchte. Ein
Professorenklub in Bonn sei die &raquo;reine Philisterei&laquo; gegen&uuml;ber dem Berliner
Doktorklub, durch den doch immer ein geistiges Interesse gegangen sei; er lache
auch viel in Bonn, was man so lachen nenne, aber so habe er noch nie wieder gelacht
wie in Berlin, wenn er mit Marx nur &uuml;ber die Stra&szlig;e gegangen sei. Marx
m&ouml;ge doch nur mit dem &raquo;lumpigen Examen&laquo; fertig werden, f&uuml;r das nur Aristoteles,
Spinoza, Leibniz und weiter nichts erforderlich sei; er solle doch aufh&ouml;ren,
einen solchen Unsinn, eine blo&szlig;e Farce saumselig zu behandeln. Mit den Bonner
Philosophen werde er leichtes Spiel haben; unaufschiebbar sei aber vor allem eine
radikale Zeitschrift, die sie gemeinsam herausgeben m&uuml;&szlig;ten. Das Berliner
Gew&auml;sch und die Mattigkeit der &raquo;Hallischen Jahrb&uuml;cher&laquo; seien nicht mehr
zu ertragen; Ruge tue ihm leid, aber weshalb jage er das Gew&uuml;rm nicht aus
seinem Blatt heraus?</P>
<P>Es klingt manchmal revolution&auml;r genug aus diesen Briefen, doch war immer
nur eine philosophische Revolution gemeint, bei der Bauer weit eher auf die Hilfe
als auf den Widerstand der Staatsgewalt z&auml;hlte. Kaum hatte er an Marx im
Dezember 1839 geschrieben, da&szlig; Preu&szlig;en dazu bestimmt scheine, nur
durch eine Jenaer Schlacht vorw&auml;rtszukommen, die ja freilich nicht gerade
auf einem Leichenfelde ausgefochten werden m&uuml;sse, als er wenige Monate sp&auml;ter
- zur Zeit, wo sein Besch&uuml;tzer Altenstein und der alte K&ouml;nig ziemlich
gleichzeitig gestorben waren - die h&ouml;chste Idee unseres Staatslebens beschwor,
den Familiengeist des f&uuml;rstlichen Hauses Hohenzollern, der seit vier Jahrhunderten
seine besten Kr&auml;fte daran gesetzt habe, das Verh&auml;ltnis von Kirche und
Staat zu ordnen. Zugleich verhie&szlig; Bauer, da&szlig; die Wissenschaft nicht
erm&uuml;den werde, die Idee des Staates gegen die Anma&szlig;ungen der Kirche
zu verteidigen; der Staat k&ouml;nne sich wohl einmal irren, gegen die Wissenschaft
argw&ouml;hnisch werden und zu Zwangsma&szlig;regeln greifen, aber die Vernunft
geh&ouml;re ihm zu innig an, als da&szlig; er lange irren k&ouml;nne. Auf <A NAME="S29"></A><B>|29|</B>
diese Huldigung antwortete der neue K&ouml;nig damit, als Nachfolger Altensteins
den orthodoxen Reaktion&auml;r Eichhorn zu ernennen, der sich bem&uuml;hte, die
Freiheit der Wissenschaft, soweit sie mit der Idee des Staates verkn&uuml;pft
war, das hei&szlig;t die akademische Lehrfreiheit, den Anma&szlig;ungen der Kirche
zu opfern.</P>
<P>Die politische Haltlosigkeit war bei Bauer viel gr&ouml;&szlig;er als bei K&ouml;ppen,
der sich wohl an einem einzelnen Hohenzollern irren konnte, der das Familienma&szlig;
&uuml;bertraf, aber nicht an dem &raquo;Familiengeist&laquo; dieses f&uuml;rstlichen Hauses.
K&ouml;ppen war lange nicht so tief in der Hegelschen Ideologie untergetaucht
wie Bauer. Aber man darf nicht &uuml;bersehen, da&szlig; dessen politische Kurzsichtigkeit
doch eben nur die Kehrseite seines philosophischen Scharfblickes war. Er hatte
in den Evangelien den geistigen Niederschlag der Zeit entdeckt, worin sie entstanden
waren, und so meinte er vom rein ideologischen Standpunkt aus nicht so uneben,
wenn es schon der christlichen Religion mit ihrer tr&uuml;ben G&auml;rung griechisch-r&ouml;mischer
Philosophie m&ouml;glich gewesen sei, die antike Bildung zu &uuml;berwinden, so
werde es der freien und klaren Kritik der modernen Dialektik um so leichter gelingen,
den Alp der christlich-germanischen Bildung abzusch&uuml;tteln.</P>
<P>Was ihm diese imponierende Sicherheit gab, war die Philosophie des Selbstbewu&szlig;tseins.
Unter ihrem Namen hatten sich einst die griechischen Philosophenschulen zusammengefa&szlig;t,
die aus dem nationalen Verfall des griechischen Lebens entstanden waren und am
meisten dazu beigetragen hatten, die christliche Religion zu befruchten, die Skeptiker,
die Epikureer und die Stoiker. Sie konnten sich an spekulativer Tiefe weder mit
Plato noch an universalem Wissen mit Aristoteles messen, und waren von Hegel ziemlich
ver&auml;chtlich behandelt worden. Ihr gemeinsames Ziel war, den einzelnen Menschen,
der durch einen furchtbaren Zusammenbruch von allem getrennt war, was ihn bis
dahin gebunden und getragen hatte, nun auch von allem &Auml;u&szlig;eren unabh&auml;ngig
zu machen und auf sein inneres Leben zur&uuml;ckzuf&uuml;hren, sein Gl&uuml;ck
zu suchen in der Ruhe des Geistes und Gem&uuml;ts, die unersch&uuml;tterlich widerstehe,
auch wenn eine Welt &uuml;ber ihr zusammenst&uuml;rze.</P>
<P>Aber auf den Tr&uuml;mmern einer untergegangenen Welt habe, so f&uuml;hrte
Bauer aus, dem ausgemergelten Ich als einzige Macht vor sich selber gegraut; es
habe sein Selbstbewu&szlig;tsein entfremdet und ver&auml;u&szlig;ert, indem es
seine allgemeine Macht als eine fremde sich gegen&uuml;bergestellt, dem Weltherrn
in Rom, der alle Rechte in sich verschlossen halte, der Leben und Tod auf seinen
Lippen trage, in dem Herrn der evangelischen Geschichte, der mit einem Hauche
seines Mundes den Widerstand <A NAME="S30"></A><B>|30|*</B> der Natur bezwinge
oder seine Feinde niederschlage, der sich schon auf Erden als den Weltherrn und
Weltrichter ank&uuml;ndige, einen feindlichen Bruder zwar, aber doch einen Bruder
geschaffen habe. Unter der Knechtschaft der christlichen Religion sei jedoch die
Menschheit erzogen worden, damit sie um so gr&uuml;ndlicher die Freiheit vorbereite
und sie um so inniger umfasse, wenn sie endlich gewonnen sei; das zu sich selbst
gekommene, das sich selbst verstehende, das sein Wesen erfassende unendliche Selbstbewu&szlig;tsein
habe die Macht &uuml;ber die Gesch&ouml;pfe seiner Selbstent&auml;u&szlig;erung.</P>
<DL>
<DT>Verzichtet man auf die Einkleidung der damaligen Philosophensprache, so l&auml;&szlig;t
sich einfacher und verst&auml;ndlicher sagen, was Bauer, K&ouml;ppen und Marx
an die griechische Philosophie des Selbstbewu&szlig;tseins fesselte. Im Grunde
kn&uuml;pften sie auch damit an die b&uuml;rgerliche Aufkl&auml;rung an. Die altgriechischen
Schulen des Selbstbewu&szlig;tseins hatten nicht entfernt so geniale Tr&auml;ger
aufzuweisen wie die &auml;lteren Naturphilosophen in Demokrit und Heraklit oder
die sp&auml;teren Begriffsphilosophen in Plato und Aristoteles, aber sie hatten
doch eine gro&szlig;e geschichtliche Existenz gehabt. Sie hatten dem menschlichen
Geiste neue Fernsichten er&ouml;ffnet, die nationale Schranke des Hellenentums
und die soziale Schranke der Sklaverei zerbrochen, worin Plato und Aristoteles
noch ganz befangen gewesen waren; sie hatten das Urchristentum entscheidend befruchtet,
die Religion der Leidenden und Unterdr&uuml;ckten, die erst als ausbeutende und
unterdr&uuml;ckende Herrscherkirche zu Plato und Aristoteles &uuml;berging. Wie
unwirsch Hegel sonst &uuml;ber die Philosophie des Selbstbewu&szlig;tseins abgesprochen
hatte, so hatte doch auch er nachdr&uuml;cklich darauf hingewiesen, was die innere
Freiheit des Subjekts bedeutet habe in dem vollkommenen Ungl&uuml;ck des r&ouml;mischen
Weltreichs, wo alles Edle und Sch&ouml;ne der geistigen Individualit&auml;t mit
rauher Hand verwischt worden sei. So hatte denn auch schon die b&uuml;rgerliche
Aufkl&auml;rung des achtzehnten Jahrhunderts die griechischen Philosophen des
Selbstbewu&szlig;tseins mobil gemacht, den Zweifel der Skeptiker, den Religionsha&szlig;
der Epikureer, die republikanische Gesinnung der Stoiker.</DT>
</DL>
<P>K&ouml;ppen schlug dieselbe Note an, wenn er in seiner Schrift &uuml;ber seinen
Helden der Aufkl&auml;rung, &uuml;ber K&ouml;nig Friedrich sagte: &raquo;Epikureismus,
Stoizismus und Skepsis sind die Nervenmuskeln und Eingeweidesysteme des antiken
Organismus, deren unmittelbare, nat&uuml;rliche Einheit die Sch&ouml;nheit und
Sittlichkeit des Altertums bedingte und die beim Absterben desselben auseinanderfielen.
Alle drei hat Friedrich mit wunderbarer Kraft in sich aufgenommen und durchgef&uuml;hrt.
Sie sind Hauptmomente seiner Weltanschauung, seines Charakters, seines Lebens
geworden <A NAME="S31"></A><B> |31|*</B>.&laquo; Wenigstens was K&ouml;ppen in diesen
S&auml;tzen &uuml;ber den Zusammenhang der drei Systeme mit dem griechischen Leben
sagt, hat Marx als eine tiefere Bedeutung&laquo; anerkannt.</P>
<P>Er selbst freilich griff das Problem, das ihn nicht minder besch&auml;ftigte
als die &auml;lteren Freunde, anders an als sie. Er suchte das menschliche Selbstbewu&szlig;tsein
als &raquo;oberste Gottheit&laquo;, neben der keiner sein solle, weder in dem verzerrenden
Hohlspiegel der Religion zu erkennen, noch indem philosophischen M&uuml;&szlig;iggange
eines Despoten, sondern er ging auf die geschichtlichen Quellen dieser Philosophie
zur&uuml;ck, deren Systeme auch f&uuml;r ihn die Schl&uuml;ssel zur wahren Geschichte
des griechischen Geistes waren.</P>
<H3 ALIGN="CENTER">4. Die Doktordissertation<A name="Kap_4"></A></H3>
<P>Als Bruno Bauer im Herbst 1839 auf Marx einsprach, dieser m&ouml;ge doch endlich
das &raquo;lumpige Examen&laquo; abmachen, hatte er insofern einigen Grund zur Ungeduld, als
Marx bereits acht Semester hinter sich hatte. Aber eine Examenangst im leidigen
Sinne des Wortes hat er bei Marx gleichwohl nicht vorausgesetzt, sonst h&auml;tte
er ihm nicht zugetraut, die Bonner Philosophieprofessoren gleich beim ersten Anlauf
&uuml;ber den Haufen zu rennen.</P>
<P>Es war einmal die Art von Marx, und sie ist es bis an sein Lebensende geblieben,
da&szlig; sein uners&auml;ttlicher Wissensdrang ihn ebenso zwang, die schwierigsten
Probleme schnell aufzugreifen, wie seine unerbittliche Selbstkritik ihn hinderte,
gleich schnell mit ihnen abzuschlie&szlig;en. Nach der Art seines Arbeitens wird
er sich in die grauesten Tiefen der griechischen Philosophie eingelassen haben,
und die Darstellung auch nur jener drei Systeme des Selbstbewu&szlig;tseins war
keine Sache, die sich in ein paar Semestern erledigen lie&szlig;. Daf&uuml;r hatte
Bauer, der ungemein schnell produzierte, viel zu schnell f&uuml;r die Dauer seiner
Werke, nur ein geringes Verst&auml;ndnis, ein viel geringeres als sp&auml;ter
Friedrich Engels, der doch auch manches Mal ungeduldig wurde, wenn Marx kein Ma&szlig;
und Ziel seiner Selbstkritik finden konnte.</P>
<P>Das &raquo;lumpige Examen&laquo; hatte aber auch sonst seine Haken, wenn nicht f&uuml;r
Bauer, so doch f&uuml;r Marx. Er hatte sich schon bei Lebzeiten seines Vaters
f&uuml;r die akademische Laufbahn entschieden, ohne da&szlig; jedoch die Wahl
eines praktischen Berufs deshalb v&ouml;llig im Hintergrunde verschwunden w&auml;re.
Nun aber begann mit dem Tode Altensteins die lockendste Seite des &raquo;Professorierens&laquo;
zu verschwinden, die am ehesten <A NAME="S32"></A><B>|32|</B> &uuml;ber seine
mannigfachen Schattenseiten hinweghelfen konnte: die verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ige
Freiheit, die dem Philosophieren auf den Kathedern der Universit&auml;ten gestattet
war. Wie wenig sich sonst mit den akademischen Per&uuml;cken anfangen lie&szlig;,
wu&szlig;te ja Bauer aus Bonn nicht beweglich genug zu schildern.</P>
<P>Alsbald hatte Bauer selbst die erste Erfahrung zu machen, da&szlig; es mit
der wissenschaftlichen Forschung des preu&szlig;ischen Professors sein besonderes
Bewenden habe. Nach Altensteins Tode im Mai 1840 verwaltete der Ministerialdirektor
Ladenberg einige Monate das Kultusministerium, und er besa&szlig; Piet&auml;t
genug f&uuml;r das Andenken seines alten Vorgesetzten, um dessen Versprechen einzul&ouml;sen
und Bauers &raquo;Fixierung&laquo; in Bonn zu versuchen. Aber sobald Eichhorn zum Kultusminister
ernannt worden war, lehnte die theologische Fakult&auml;t in Bonn die Ernennung
Bauers zum Professor ab, angeblich, weil er ihre Einigkeit st&ouml;ren w&uuml;rde,
tats&auml;chlich mit jenem Heldenmut, den der deutsche Professor stets bew&auml;hrt,
wenn er der heimlichen Zustimmung seiner hohen Oberen sicher sein darf.</P>
<P>Bauer erhielt die Entscheidung, als er eben aus den Herbstferien, die er in
Berlin verlebt hatte, nach Bonn zur&uuml;ckkehren wollte. Im Kreise seiner Freunde
wurde nun &uuml;berlegt, ob nicht schon ein unheilbarer Bruch zwischen der religi&ouml;sen
und der wissenschaftlichen Richtung bestehe, ob ein Anh&auml;nger dieser Richtung
es noch mit seinem Gewissen vereinbaren k&ouml;nne, der theologischen Fakult&auml;t
anzugeh&ouml;ren. Aber Bauer selbst beharrte bei seiner optimistischen Auffassung
des preu&szlig;ischen Staatswesens und lehnte auch den offizi&ouml;sen Vorschlag
ab, sich mit schriftstellerischen Arbeiten zu besch&auml;ftigen, wobei er aus
staatlichen Mitteln unterst&uuml;tzt werden sollte. Er kehrte voll Kampfeslust
nach Bonn zur&uuml;ck, wo er gemeinsam mit Marx, der ihm bald nachfolgen sollte,
die Krisis in ihren wichtigsten Momenten herbeizuf&uuml;hren hoffte.</P>
<P>An dem Plane einer radikalen Zeitschrift, die beide herausgeben wollten, hielten
sie fest, aber mit der akademischen Laufbahn an der rheinischen Universit&auml;t
sah es f&uuml;r Marx nunmehr sehr &uuml;bel aus. Als Freund und Helfer Bauers
hatte er auf den feindseligsten Empfang durch den Bonner Professorenkl&uuml;ngel
zu rechnen, und nichts lag ihm ferner, als sich bei Eichhorn oder Ladenberg einzuschmeicheln,
wie Bauer ihm riet, in der an sich durchaus wahrscheinlichen Erwartung, da&szlig;
dann in Bonn &raquo;alles kaduk&laquo; sein werde. In solchen Dingen hat Marx stets mit &auml;u&szlig;erster
Strenge gedacht. Aber selbst wenn er geneigt gewesen w&auml;re, sich auf diesen
schl&uuml;pfrigen Pfad zu begeben, so war mit Sicherheit vorauszusehen, da&szlig;
er darauf ausgleiten w&uuml;rde. Denn Eichhorn fackelte <A NAME="S33"></A><B>|33|</B>
nicht lange, um zu zeigen, wes Geistes Kind er war. Er berief den alten Schelling,
der offenbarungsgl&auml;ubig geworden war, an die Berliner Universit&auml;t, um
die altersschwache Schar der verkn&ouml;cherten Hegelianer noch extra totzuschlagen
und lie&szlig; die Halleschen Studenten ma&szlig;regeln, die in einer ehrerbietigen
Eingabe an den K&ouml;nig als ihren Rektor um Berufung Strau&szlig;ens nach Halle
gebeten hatten.</P>
<P>Unter solchen Aussichten hat Marx mit seinen junghegelianischen Anschauungen
&uuml;berhaupt darauf verzichtet, ein preu&szlig;isches Examen zu machen. Wenn
es ihn aber nicht gel&uuml;stete, sich von den willigen Helfern eines Eichhorn
hudeln zu lassen, so wich er deshalb nicht dem Kampfe aus. Im Gegenteil! Er entschlo&szlig;
sich, an einer kleinen Universit&auml;t den Doktorhut zu erwerben, gleichzeitig
seine Dissertation als einen Beweis seiner F&auml;higkeiten und seines Flei&szlig;es
mit einem herausfordernd k&uuml;hnen Vorwort zu ver&ouml;ffentlichen, dann aber
sich in Bonn niederzulassen, um mit Bauer die geplante Zeitschrift herauszugeben.
Auch die Universit&auml;t war ihm dann nicht v&ouml;llig verschlossen; nach ihren
Statuten wenigstens brauchte er als Doctor promotus einer &raquo;ausl&auml;ndischen&laquo;
Universit&auml;t nur noch einige Formalit&auml;ten zu erf&uuml;llen, um als Privatdozent
zugelassen zu werden.</P>
<P>Diesen Plan hat Marx ausgef&uuml;hrt; am 15. April 1841 ist er in Jena abwesend
zum Doktor ernannt worden, auf Grund einer Abhandlung, die sich mit der Differenz
der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie besch&auml;ftigte. Es war
ein vorweggenommener Teil der gr&ouml;&szlig;eren Schrift, in der Marx den gesamten
Zyklus der epikureischen, stoischen und skeptischen Philosophie in deren Zusammenhange
mit der ganzen griechischen Spekulation darstellen wollte. Zun&auml;chst sollte
nur an einem Beispiel dies Verh&auml;ltnis entwickelt werden, und auch nur in
Beziehung auf die &auml;ltere Spekulation.</P>
<P>Unter den &auml;lteren Naturphilosophen Griechenlands hatte Demokrit den Materialismus
am strengsten durchgef&uuml;hrt. Aus Nichts wird Nichts; Nichts, was ist, kann
vernichtet werden. Alle Ver&auml;nderung ist nur Verbindung und Trennung von Teilen.
Nichts geschieht zuf&auml;llig, sondern alles aus einem Grunde und mit Notwendigkeit.
Nichts existiert als die Atome und der leere Raum, alles andere ist Meinung. Die
Atome sind unendlich an Zahl und von unendlicher Verschiedenheit der Form. In
ewiger Fallbewegung durch den unendlichen Raum prallen die gr&ouml;&szlig;eren,
die schneller fallen, auf die kleineren; die dadurch entstehenden Seitenbewegungen
und Wirbel sind der Anfang der Weltbildung. Unz&auml;hlige Welten bilden sich
und vergehen wieder, nebeneinander und nacheinander.</P>
<P><B><A NAME="S34">|34|</A></B> Epikur hatte nun diese Naturauffassung Demokrits
&uuml;bernommen, aber mit gewissen &Auml;nderungen. Die berufenste dieser &Auml;nderungen
bestand in der sogenannten &raquo;Deklination der Atome&laquo;; Epikur behauptete, da&szlig;
die Atome im Fall &raquo;deklinierten&laquo;, das hei&szlig;t, nicht senkrecht fielen, sondern
ein wenig von der geraden Linie abwichen. Er ist wegen dieser physikalischen Unm&ouml;glichkeit
weidlich verspottet worden, von Cicero und Plutarch bis auf Leibniz und Kant:
als ein Nachbeter Demokrits, der sein Vorbild nur zu verschlechtern verstanden
habe. Daneben ging aber eine andere Str&ouml;mung, die in Epikurs Philosophie
das vollendetste materialistische System des Altertums erblickte, dank dem Umstande,
da&szlig; sie in dem Lehrgedichte des Lukrez erhalten geblieben ist, w&auml;hrend
sich von der Philosophie Demokrits nur geringe Tr&uuml;mmer aus dem Strom und
Sturm der Jahrhunderte gerettet haben. Derselbe Kant, der die Deklination der
Atome als eine &raquo;unversch&auml;mte&laquo; Erfindung abfertigte, sah in Epikur gleichwohl
den vornehmsten Philosophen der Sinnlichkeit, im Gegensatze zu Plato, dem vornehmsten
Philosophen des Intellektuellen.</P>
<P>Marx bestritt nun keineswegs die physikalische Unvernunft Epikurs; er gab dessen
&raquo;grenzenlose Fahrl&auml;ssigkeit in der Erkl&auml;rung physischer Ph&auml;nomene&laquo;
zu; er f&uuml;hrte aus, da&szlig; f&uuml;r Epikur die sinnliche Wahrnehmung der
einzige Pr&uuml;fstein der Wahrheit gewesen sei; die Sonne habe er f&uuml;r zwei
Fu&szlig; gro&szlig; gehalten, weil sie zwei Fu&szlig; gro&szlig; zu sein scheine.
Aber Marx lie&szlig; sich nicht daran gen&uuml;gen, diese handgreiflichen Torheiten
mit irgendeinem Ehrentitel zu erledigen; er sp&uuml;rte vielmehr der philosophischen
Vernunft in der physikalischen Unvernunft nach. Er verfuhr dem sch&ouml;nen Worte
gem&auml;&szlig;, das er in einer Anmerkung seiner Abhandlung zu Ehren seines
Meisters Hegel &auml;u&szlig;erte, da&szlig; n&auml;mlich die Schule eines Philosophen,
der eine Akkommodation begangen habe, nicht den Lehrer verd&auml;chtigen, sondern
seine Akkommodation aus der Unzul&auml;nglichkeit des Prinzips, worin sie wurzeln
m&uuml;sse, erkl&auml;ren und somit zu einem Fortschritt des Wissens machen solle,
was als Fortschritt des Gewissens erscheine.</P>
<P>Was f&uuml;r Demokrit der Zweck war, das war f&uuml;r Epikur nur das Mittel
zum Zweck. Ihm war es nicht um die Erkenntnis der Natur zu tun, sondern um eine
Ansicht der Natur, die sein philosophisches System st&uuml;tzen konnte. Wenn die
Philosophie des Selbstbewu&szlig;tseins, so wie sie das Altertum gekannt hatte,
in drei Schulen zerfallen war, so vertraten nach Hegel die Epikureer das abstrakt-einzelne
und die Stoiker das abstrakt-allgemeine Selbstbewu&szlig;tsein, beide als einseitige
Dogmatismen, denen um dieser Einseitigkeit willen sogleich der Skeptizismus entgegengetreten
<A NAME="S35"></A><B>|35|*</B> sei. Oder wie ein neuerer Historiker der griechischen
Philosophie denselben Zusammenhang ausgedr&uuml;ckt hat: im Stoizismus und Epikureismus
traten sich die individuelle und die allgemeine Seite des subjektiven Geistes,
die atomistische Isolierung des Individuums und seine pantheistische Hingebung
an das Ganze, mit gleichen Anspr&uuml;chen unvers&ouml;hnt gegen&uuml;ber, w&auml;hrend
sich dieser Gegensatz im Skeptizismus zur Neutralit&auml;t aufgehoben habe.</P>
<P>Trotz ihres gemeinsamen Zieles wurden Epikureer und Stoiker durch die Verschiedenheit
ihrer Ausgangspunkte weit auseinandergef&uuml;hrt. Ihre Hingebung an das Ganze
machte die Stoiker philosophisch zu Deterministen, denen die Notwendigkeit alles
Geschehens sich von selbst verstand, und politisch zu entschiedenen Republikanern,
w&auml;hrend sie auf religi&ouml;sem Gebiete sich nicht von einer abergl&auml;ubischen
und unfreien Mystik befreien konnten. Sie lehnten sich an Heraklit, f&uuml;r den
die Hingebung an das Ganze die Form des schroffsten Selbstbewu&szlig;tseins angenommen
hatte, und mit dem sie &uuml;brigens ebenso ungeniert umsprangen wie die Epikureer
mit Demokrit. Dagegen die Epikureer machte ihr Prinzip des isolierten Individuums
philosophisch zu Indeterministen, zu Bekennern der Willensfreiheit f&uuml;r jeden
Einzelnen, und politisch zu leidsamen Duldern - der Bibelspruch: Seid untertan
der Obrigkeit, die Gewalt &uuml;ber euch hat, ist ein Erbe Epikurs -, w&auml;hrend
es sie von allen Banden der Religion befreite.</P>
<P>In einer Reihe feiner Untersuchungen legte nun Marx dar, wie sich die &raquo;Differenz
zwischen der demokritischen und der epikureischen Naturphilosophie&laquo; erkl&auml;re.
F&uuml;r Demokrit handle es sich nur um die materielle Existenz des Atoms, dagegen
habe Epikur daneben den Begriff des Atoms geltend gemacht, neben seiner Materie
auch seine Form, neben seiner Existenz auch sein Wesen; er habe in dem Atom nicht
nur die materielle Grundlage der Erscheinungswelt, sondern auch das Sinnbild des
isolierten Individuums, das formale Prinzip des abstrakt-einzelnen Selbstbewu&szlig;tseins
erblickt. Folgerte Demokrit aus dem senkrechten Fall der Atome die Notwendigkeit
alles Geschehens, so lie&szlig; Epikur sie ein wenig von der geraden Linie abweichen,
denn wo bliebe sonst - wie Lukrez, der berufenste Ausleger der epikureischen Philosophie,
in seinem Lehrgedicht sagt - der freie Wille, der dem Schicksal entrissene Wille
der lebenden Wesen? Dieser Widerspruch zwischen dem Atom als Erscheinung und als
Wesen zieht sich durch die ganze Philosophie Epikurs und treibt sie zu jener grenzenlos-willk&uuml;rlichen
Erkl&auml;rung der physischen Ph&auml;nomene, die schon in den Tagen des Altertums
verspottet wurde. Erst in den Himmelsk&ouml;rpern l&ouml;sen sich alle Widerspr&uuml;che
der <A NAME="S36"></A><B>|36|</B> epikureischen Naturphilosophie, aber an ihrer
allgemeinen und ewigen Existenz scheitert auch das Prinzip des abstrakt-einzelnen
Selbstbewu&szlig;tseins. So wirft es alle materielle Vermummung von sich und als
&raquo;gr&ouml;&szlig;ter griechischer Aufkl&auml;rer&laquo;, wie Marx ihn nennt, k&auml;mpft
Epikur gegen die Religion, die mit dr&auml;uendem Blick aus den H&ouml;hen des
Himmels die sterblichen Menschen schrecke.</P>
<P>In seiner ersten Schrift offenbarte sich Marx schon als sch&ouml;pferischer
Geist, auch dann und gerade dann, wenn man seine Auslegung Epikurs im einzelnen
bestreiten sollte. Denn dieser Einspruch k&ouml;nnte sich nur dagegen richten,
da&szlig; Marx das Grundprinzip Epikurs sch&auml;rfer durchdacht und klarere Schl&uuml;sse
aus ihm gezogen habe als Epikur selbst. Hegel hatte die epikureische Philosophie
die Gedankenlosigkeit im Prinzip genannt, und sicherlich hat ihr Urheber, der
als Autodidakt immer gro&szlig;es Gewicht auf die gew&ouml;hnliche Sprache des
Lebens legte, sie nicht in den spekulativen Wendungen der Hegelschen Philosophie
begr&uuml;ndet, mit denen Marx sie erl&auml;uterte. Es ist das Zeugnis der Reife,
das sich der Sch&uuml;ler Hegels in dieser Abhandlung selbst ausgestellt hat;
mit sicherer Hand beherrscht er die dialektische Methode, und die Sprache bekundet
jene markige Kraft, die dem Meister Hegel trotz alledem eigen, aber dem Tro&szlig;
seiner J&uuml;nger l&auml;ngst abhanden gekommen war.</P>
<P>Jedoch steht Marx in dieser Schrift auch noch ganz auf dem idealistischen Boden
der Hegelschen Philosophie. Was den heutigen Leser auf den ersten Blick am meisten
befremdet, ist ihr ung&uuml;nstiges Urteil &uuml;ber Demokrit. Von ihm wird gesagt,
da&szlig; er nur eine Hypothese aufgestellt habe, die das Ergebnis der Erfahrung,
nicht ihr energisches Prinzip sei, die daher ebensowohl ohne Verwirklichung bleibe,
wie die reale Naturforschung nicht weiter von ihr bestimmt werde. Im Gegensatz
zu Demokrit wird von Epikur ger&uuml;hmt, da&szlig; er die Wissenschaft der Atomistik
geschaffen habe, trotz seiner Willk&uuml;r in der Erkl&auml;rung der Naturerscheinungen
und trotz seines abstrakt-einzelnen Selbstbewu&szlig;tseins, das, wie Marx selbst
einr&auml;umt, alle wahre und wirkliche Wissenschaft insoweit aufhebe, als nicht
die Einzelheit in der Natur der Dinge selbst herrsche.</P>
<P>Heute braucht nicht noch erst bewiesen zu werden, da&szlig;, soweit es eine
Wissenschaft der Atomistik gibt, soweit die Lehre von den Elementark&ouml;rperchen
und der Entstehung aller Erscheinungen durch ihre Bewegung zur Grundlage der modernen
Naturforschung geworden ist, aus ihr die Gesetze des Schalles, des Lichtes, der
W&auml;rme, der chemischen und physikalischen Ver&auml;nderungen in den Dingen
erkl&auml;rt worden sind, Demokrit ihr erster Bahnbrecher gewesen ist, nicht aber
Epikur. Allein f&uuml;r den damaligen Marx war die Philosophie oder genauer die
Begriffsphilosophie <A NAME="S37"></A><B>|37|*</B> noch derma&szlig;en die Wissenschaft,
da&szlig; er zu einer Auffassung kommen konnte, die wir heute kaum noch verstehen
w&uuml;rden, wenn sich in ihr nicht auch seines Wesens Wesenheit offenbart h&auml;tte.</P>
<P>Leben hie&szlig; ihm immer Arbeiten, und Arbeiten hie&szlig; ihm immer K&auml;mpfen.
Was ihn von Demokrit entfernte, war der Mangel eines &raquo;energischen Prinzips&laquo;, war,
wie er es sp&auml;ter ausdr&uuml;ckte, der &raquo;Hauptmangel alles bisherigen Materialismus&laquo;<A name="ZT1"></A><A href="fm03_015.htm#Z1"><SPAN class="top">[1]</SPAN></A>,
da&szlig; der Gegenstand, die Wirklichkeit, die Sinnlichkeit nur unter der Form
des Objekts oder der Anschauung gefa&szlig;t werde, nicht subjektiv, nicht als
Praxis, nicht als menschlich-sinnliche T&auml;tigkeit. Was ihn an Epikur anzog,
war das &raquo;energische Prinzip&laquo;, womit sich dieser Philosoph gegen die lastende Wucht
der Religion erhob und ihr zu trotzen wagte,</P>
<DL>
<DD>Weder von Blitzen geschreckt, noch durch das Geraune von G&ouml;ttern,<BR>
Oder des Himmels murrenden Groll ...</DD>
</DL>
<P>Prachtvoll lodert eine unb&auml;ndige Kampflust in der Vorrede auf, mit der
Marx seine Abhandlung zu ver&ouml;ffentlichen und seinem Schwiegervater zu widmen
gedachte. &raquo;Die Philosophie, solange noch ein Blutstropfen in ihrem weltbezwingenden,
absolut freien Herzen pulsiert, wird stets den Gegnern mit Epikur zurufen: Gottlos
ist nicht, wer die G&ouml;tter der Menge verachtet, sondern wer den Meinungen
der Menge von den G&ouml;ttern anh&auml;ngt.&laquo;<A name="ZT2"></A><A href="fm03_015.htm#Z2"><SPAN class="top">[2]</SPAN></A> Die Philosophie verheimlicht nicht
das Bekenntnis des Prometheus:</P>
<DL>
<DD>Mit schlichtem Wort, den G&ouml;ttern allen heg' ich Ha&szlig;.</DD>
</DL>
<P>Denen aber, die &uuml;ber ihre anscheinend verschlechterte b&uuml;rgerliche
Stellung klagen, erwidert sie, was Prometheus dem G&ouml;tterbedienten Hermes
erwiderte:</P>
<DL>
<DD>F&uuml;r deinen Frondienst g&auml;b' ich mein unselig Los, <BR>
Das sei versichert, nimmermehr zum Tausche dar.</DD>
</DL>
<P>Prometheus ist der vornehmste Heilige und M&auml;rtyrer im philosophischen
Kalender: so schlo&szlig; Marx dies trotzige Vorwort, das selbst seinen Freund
Bauer erschreckte. Was diesen &raquo;ein &uuml;berfl&uuml;ssiger Mutwille&laquo; d&uuml;nkte,
war jedoch nur ein schlichtes Bekenntnis des Mannes, der ein anderer Prometheus
werden sollte, im K&auml;mpfen wie im Leiden.</P>
<H3 ALIGN="CENTER">5. &raquo;Anekdota&laquo; und &raquo;Rheinische Zeitung&laquo;<A name="Kap_5"></A></H3>
<DL>
<DT><A NAME="S38"><B>|38|</B></A> Kaum hatte Marx das Diplom seiner neuen W&uuml;rde
in der Tasche, als die Lebenspl&auml;ne, die er daran gekn&uuml;pft hatte, durch
neue Gewaltakte der romantischen Reaktion zusammenfielen.</DT>
</DL>
<P>Zun&auml;chst bot Eichhorn im Sommer 1841 die theologischen Fakult&auml;ten
zu einem schm&auml;hlichen Kesseltreiben gegen Bruno Bauer auf, wegen dessen Evangelienkritik;
mit Ausnahme von Halle und K&ouml;nigsberg verrieten alle das Prinzip der protestantischen
Lehrfreiheit, und Bauer mu&szlig;te weichen. Damit war aber auch f&uuml;r Marx
jede Aussicht genommen, an der Bonner Universit&auml;t festen Fu&szlig; zu fassen.</P>
<P>Zugleich fiel der Plan einer radikalen Zeitschrift ins Wasser. Der neue K&ouml;nig
war ein Freund der Pre&szlig;freiheit, und er lie&szlig; eine gemilderte Zensurinstruktion
ausarbeiten, die am Ende des Jahres 1841 auch wirklich das Licht der Welt erblickte.
Aber er stellte dabei die Bedingung, da&szlig; die Pre&szlig;freiheit sich begn&uuml;ge,
im Rahmen einer romantischen Laune zu bleiben. Wie er die Sache verstand, zeigte
er, ebenfalls im Sommer 1841, in einer Kabinettsorder, durch die Ruge angewiesen
wurde, seine bei Wigand in Leipzig verlegten und gedruckten Jahrb&uuml;cher unter
preu&szlig;ischer Zensur zu redigieren oder sich ihres Verbots in den preu&szlig;ischen
Staaten gew&auml;rtig zu halten. Dadurch wurde Ruge &uuml;ber sein &raquo;freies und
gerechtes Preu&szlig;en&laquo; gen&uuml;gend aufgekl&auml;rt, um nach Dresden &uuml;berzusiedeln,
wo er vom 1. Juli 1841 ab seine Zeitschrift als &raquo;Deutsche Jahrb&uuml;cher&laquo; herausgab.
Er schlug nun von selbst jene sch&auml;rferen T&ouml;ne an, die Bauer und Marx
bisher an ihm vermi&szlig;t hatten, und beide entschlossen sich, seine Mitarbeiter
zu werden, statt eine eigene Zeitschrift zu gr&uuml;nden.</P>
<P>Seine Doktorschrift hat Marx nicht ver&ouml;ffentlicht. Ihr unmittelbarer Zweck
war hinf&auml;llig geworden und nach einer sp&auml;teren Andeutung ihres Verfassers
sollte sie nun erst ihren eigentlichen Platz abwarten in der Gesamtdarstellung
der epikureischen, stoischen und skeptischen Philosophie, an deren Ausf&uuml;hrung
ihn &raquo;politische und philosophische Besch&auml;ftigungen ganz anderer Art&laquo; nicht
denken lie&szlig;en.</P>
<P>Zu diesen Besch&auml;ftigungen geh&ouml;rte in erster Reihe der Nachweis, da&szlig;
nicht nur der alte Epikur, sondern auch der alte Hegel ein ausb&uuml;ndiger Atheist
gewesen sei. Im November 1841 erschien bei Wigand ein &raquo;Ultimatum&laquo; unter dem Titel:
Die Posaune des j&uuml;ngsten Gerichts &uuml;ber Hegel den Atheisten und Antichristen.
Unter der Maske eines rechtgl&auml;ubigen Verfassers jammerte dies anonyme Pamphlet
in biblischen Prophetenton &uuml;ber Hegels Atheismus, wies diesen Atheismus aber
aus Hegels Werken in &uuml;berzeugendster Weise nach. Das Ding machte gro&szlig;es
Aufsehen <A NAME="S39"></A><B>|39|*</B>, zumal da die orthodoxe Maske anfangs
nicht durchschaut wurde, selbst von Ruge nicht. Tats&auml;chlich war die &raquo;Posaune&laquo;
von Bruno Bauer verfa&szlig;t, der sie nun, gemeinsam mit Marx, fortzusetzen gedachte,
um auch an Hegels &Auml;sthetik, Rechtsphilosophie usw. den Nachweis zu f&uuml;hren,
da&szlig; nicht die Alt-, sondern die Junghegelianer den wahren Geist des Meisters
geerbt h&auml;tten.</P>
<P>Inzwischen war die &raquo;Posaune&laquo; verboten worden, und Wigand machte Schwierigkeiten
wegen der Fortsetzung; dazu erkrankte Marx, und sein Schwiegervater lag drei Monate
auf dem Krankenbette, bis er am 3. M&auml;rz 1842 starb. So war es f&uuml;r Marx
&raquo;unm&ouml;glich, was Rechtes zu tun&laquo;. Einen &raquo;kleinen Beitrag&laquo; sandte er aber doch
am 10. Februar 1842 an Ruge und stellte sich, soviel er nach seinen Kr&auml;ften
verm&ouml;ge, zur Verf&uuml;gung der &raquo;Deutschen Jahrb&uuml;cher&laquo;. Der Beitrag
besch&auml;ftigte sich mit der neuesten Zensurinstruktion, worin der K&ouml;nig
eine mildere Handhabung der Zensur angeordnet hatte. Mit diesem Artikel begann
Marx seine politische Laufbahn; mit einschneidender Kritik deckte er Punkt f&uuml;r
Punkt den logischen Widersinn auf, den die Instruktion unter romantisch verschwommener
H&uuml;lle barg, im schroffsten Gegensatz zu dem Jubel der &raquo;scheinliberalen&laquo; Philister
und selbst mancher Junghegelianer, die schon &raquo;die Sonne hoch am Himmel stehen
sahen&laquo;, wegen der &raquo;k&ouml;niglichen Gesinnung&laquo;, die sich in der Instruktion ausspr&auml;che.</P>
<P>In seinem Begleitschreiben bat Marx um Beschleunigung des Druckes, &raquo;wenn nicht
die Zensur meine Zensur zensiert&laquo;, und die bange Ahnung trog ihn nicht. Ruge antwortete
am 25. Februar, die schwerste Zensurnot sei &uuml;ber die &raquo;Deutschen Jahrb&uuml;cher&laquo;
hereingebrochen; &raquo;Ihr Aufsatz ist eine Unm&ouml;glichkeit geworden&laquo;. An zur&uuml;ckgewiesenen
Aufs&auml;tzen habe er &raquo;so eine Elite h&uuml;bscher und pikanter Sachen&laquo; zusammen,
die er als &raquo;Anecdota philosophica&laquo; in der Schweiz ver&ouml;ffentlichen m&ouml;chte.
Auf diesen Plan ging Marx am 5. M&auml;rz mit gro&szlig;em Eifer ein. &raquo;Bei der
pl&ouml;tzlichen Wiedergeburt&laquo; der s&auml;chsischen Zensur werde von vornherein
der Druck seiner Abhandlung &uuml;ber christliche Kunst, die als zweiter Teil
der &raquo;Posaune&laquo; erscheinen sollte, ganz unm&ouml;glich sein. Er bot sie in ge&auml;nderter
Redaktion f&uuml;r die &raquo;Anekdota&laquo; an, ebenso eine Kritik des Hegelschen Naturrechts,
soweit es innere Verfassung betreffe, mit der Tendenz, die konstitutionelle Monarchie
als ein durch und durch sich widersprechendes und aufhebendes Zwitterding zu bek&auml;mpfen.
Ruge ging auf alles ein, aber au&szlig;er dem Aufsatze &uuml;ber die Zensurinstruktion
hat er nichts erhalten.</P>
<P>Am 20. M&auml;rz wollte Marx den Aufsatz &uuml;ber christliche Kunst aus dem
Posaunenton und der l&auml;stigen Gefangenschaft in Hegels Darstellung befreien
<A NAME="S40"></A><B>|40|*</B> und mit einer freieren, daher gr&uuml;ndlicheren
Darstellung vertauschen und versprach nun bis Mitte April fertig zu sein. Am 27.
April war er &raquo;beinahe fertig&laquo;; Ruge solle &raquo;nur wenige Tage noch verzeihen&laquo;; den
Aufsatz &uuml;ber christliche Kunst werde er nur in einem Auszuge erhalten, da
die Sache unter der Hand beinahe zu einem Buche herangewachsen sei. Dann wollte
Marx am 9. Juli den Versuch einer Entschuldigung aufgeben, wenn ihn die Ereignisse,
&raquo;unangenehme &Auml;u&szlig;erlichkeiten&laquo;, nicht entschuldigten, indessen wollte
er nichts anr&uuml;hren, bis er die Beitr&auml;ge f&uuml;r die &raquo;Anekdota&laquo; beendigt
habe. Endlich meldete Ruge am 21. Oktober, die &raquo;Anekdota&laquo; seien nun durch und
w&uuml;rden vom Literarischen Kontor in Z&uuml;rich verlegt werden; er halte noch
immer einen Platz f&uuml;r Marx offen, wenngleich ihn dieser bisher mehr mit Hoffnungen
als mit Erf&uuml;llungen begl&uuml;ckt habe; er sehe sehr wohl, wieviel Marx erf&uuml;llen
k&ouml;nne, wenn er einmal daran komme.</P>
<P>Wie Bruno Bauer und K&ouml;ppen, hatte der selbst um sechzehn Jahre &auml;ltere
Ruge die gr&ouml;&szlig;te Achtung vor dieser jungen Kraft, die seine Geduld als
Redakteur auf eine so harte Probe gestellt hatte. Ein bequemer Autor ist Marx
nie gewesen, weder f&uuml;r seine Mitarbeiter noch f&uuml;r seine Verleger, aber
keiner von ihnen hat je daran gedacht, auf Nachl&auml;ssigkeit oder Saumseligkeit
zur&uuml;ckzuf&uuml;hren, was doch nur die &uuml;berstr&ouml;mende F&uuml;lle
der Gedanken und eine Selbstkritik verschuldete, die sich nie genug tun konnte.</P>
<P>In diesem besonderen Falle kam noch ein Umstand hinzu, Marx zu rechtfertigen,
auch in den Augen Ruges; ein ungleich m&auml;chtigeres Interesse begann ihn jetzt
zu fesseln als das philosophische. Mit seinem Aufsatz &uuml;ber die Zensurinstruktion
hatte er den politischen Kampf begonnen, den er nun in der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo;
fortsetzte, statt in den &raquo;Anekdotis&laquo; den philosophischen Faden fortzuspinnen.</P>
<P>Die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; erschien seit dem 1. Januar 1842 in K&ouml;ln. In
ihrem Ursprunge war sie kein Oppositions-, eher ein Regierungsblatt. Seit den
K&ouml;lner Bischofswirren der drei&szlig;iger Jahre vertrat die &raquo;K&ouml;lnische
Zeitung&laquo; mit achttausend Abonnenten die Anspr&uuml;che der ultramontanen Partei,
die am Rhein &uuml;berm&auml;chtig war und der Gendarmenpolitik der Regierung
viel zu schaffen machte. Es geschah nicht aus heiliger Begeisterung f&uuml;r die
katholische Sache, sondern aus gesch&auml;ftlicher R&uuml;cksicht auf die Leser,
die nun einmal von den Segnungen der Berliner Vorsehung nichts wissen wollten.
Das Monopol der &raquo;K&ouml;lnischen Zeitung&laquo; war so stark, da&szlig; es ihrem Besitzer
regelm&auml;&szlig;ig gelang, alle auftauchenden Konkurrenzbl&auml;tter durch
Ankauf zu beseitigen, auch wenn sie von Berlin her gef&ouml;rdert wurden. Dasselbe
Schicksal drohte der <A NAME="S41"></A><B>|41|</B> &raquo;Rheinischen Allgemeinen Zeitung&laquo;,
die im Dezember 1839 von den Zensurministern die damals notwendige Konzession
erhalten hatte, eben um die Alleinherrschaft der K&ouml;lnischen Zeitung&laquo; zu brechen.
Jedoch im letzten Augenblick tat sich eine Gesellschaft wohlhabender B&uuml;rger
zusammen, um ein Kapital auf Aktien zur gr&uuml;ndlichen Umgestaltung des Blattes
aufzubringen. Die Regierung beg&uuml;nstigte das Vorhaben und lie&szlig; provisorisch
f&uuml;r die nunmehrige &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; die Konzession gelten, die sie ihrer
Vorl&auml;uferin erteilt hatte.</P>
<P>In der Tat war die K&ouml;lner Bourgeoisie weit davon entfernt, der preu&szlig;ischen
Herrschaft, die in den Massen der rheinischen Bev&ouml;lkerung immer noch als
Fremdherrschaft betrachtet wurde, irgendwelche Unbequemlichkeiten zu bereiten.
Da die Gesch&auml;fte gut gingen, hatte sie ihre franz&ouml;sischen Sympathien
aufgegeben, und nach Gr&uuml;ndung des Zollvereins verlangte sie geradezu die
preu&szlig;ische Vorherrschaft &uuml;ber Deutschland. Ihre politischen Anspr&uuml;che
waren &auml;u&szlig;erst gem&auml;&szlig;igt und standen hinter ihren wirtschaftlichen
Forderungen zur&uuml;ck, die auf eine Erleichterung der am Rhein schon hoch entwickelten,
kapitalistischen Produktionsweise abzielten: sparsame Verwaltung der Staatsfinanzen,
Ausbau des Eisenbahnnetzes, Erm&auml;&szlig;igung der Gerichtssporteln und Postgeb&uuml;hren,
eine gemeinsame Flagge und gemeinsame Konsuln f&uuml;r den Zollverein und was
sonst auf solchen Wunschzetteln der Bourgeoisie zu stehen pflegt.</P>
<P>Es zeigte sich nun aber, da&szlig; zwei ihrer jungen Leute, denen sie die Einrichtung
der Redaktion &uuml;berlassen hatte, der Referendar Georg Jung und der Assessor
Dagobert Oppenheim, begeisterte Junghegelianer waren und namentlich unter dem
Einflu&szlig; von Moses He&szlig; standen, ebenfalls eines rheinischen Kaufmannssohnes,
der sich neben der Hegelschen Philosophie bereits mit dem franz&ouml;sischen Sozialismus
vertraut gemacht hatte. Sie warben unter ihren Gesinnungsgenossen die Mitarbeiter
des Blattes, und namentlich auch unter den Berliner Junghegelianern, von denen
Rutenberg sogar die Redaktion des deutschen Artikels &uuml;bernahm: auf Empfehlung
von Marx, der damit keine besondere Ehre einlegen sollte.</P>
<P>Marx selbst mu&szlig; dem Unternehmen von fr&uuml;h an nahegestanden haben.
Er wollte Ende M&auml;rz von Trier nach K&ouml;ln &uuml;bersiedeln, aber das Leben
war ihm dort zu ger&auml;uschvoll; er schlug seine St&auml;tte einstweilen in
Bonn auf, von wo Bruno Bauer inzwischen verschwunden war; &raquo;es w&auml;re auch schade,
wenn niemand hier bliebe, an dem die Heiligen ein &Auml;rgernis nehmen&laquo;. Von hier
aus begann er seine Beitr&auml;ge f&uuml;r die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; zu schreiben,
durch die er bald alle anderen Mitarbeiter &uuml;berfl&uuml;geln sollte.</P>
<P><B><A NAME="S42">|42|</A></B> Wenngleich die pers&ouml;nlichen Beziehungen
Jungs und Oppenheims den ersten Ansto&szlig; dazu gegeben haben m&ouml;gen, das
Blatt zum Tummelplatz der Junghegelianer zu machen, so ist doch schwer anzunehmen,
da&szlig; diese Wendung sich ohne Billigung oder gar wider Wissen der eigentlichen
Aktion&auml;re vollzogen haben sollte. Sie werden pfiffig genug gewesen sein,
zu erkennen, da&szlig; sie f&auml;higere Geistesarbeiter in dem damaligen Deutschland
nicht finden konnten. Preu&szlig;enfreundlich waren die Junghegelianer selbst
bis zum &Uuml;berschwange, und was der K&ouml;lner Bourgeoisie sonst an deren
Treiben unverst&auml;ndlich oder verd&auml;chtig sein mochte, wird sie als unsch&auml;dliche
Schrullen betrachtet haben. Jedenfalls schritt sie nicht ein, als schon in den
ersten Wochen aus Berlin Klagen &uuml;ber die &raquo;subversive Tendenz&laquo; des Blattes
einliefen und sein Verbot f&uuml;r das Ende des ersten Quartals drohte. Namentlich
durch die Berufung Rutenbergs war die Berliner Vorsehung erschreckt worden; er
galt als f&uuml;rchterlicher Revolution&auml;r und stand unter strenger politischer
Aufsicht; noch in den M&auml;rztagen von 1848 hat Friedrich Wilhelm IV. vor ihm
als dem eigentlichen Anstifter der Revolution gezittert. Wenn der t&ouml;tende
Blitzstrahl einstweilen von dem Blatte abgelenkt wurde, so war es in erster Reihe
dem Kultusminister geschuldet; bei aller reaktion&auml;ren Gesinnung vertrat Eichhorn
die Notwendigkeit, der ultramontanen Tendenz der &raquo;K&ouml;lnischen Zeitung&laquo; entgegenzuwirken;
m&ouml;ge die Richtung der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; &raquo;fast noch bedenklicher&laquo; sein,
so spiele sie doch nur mit Ideen, die f&uuml;r keinen, der irgend festen Fu&szlig;
im Leben habe, verlockend sein k&ouml;nnten.</P>
<P>Dies war nun freilich am wenigsten der Fehler der Beitr&auml;ge, die Marx f&uuml;r
die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; lieferte, und die praktische Art, womit er die Dinge
angriff, wird die Aktion&auml;re des Blattes gr&uuml;ndlicher mit dem Junghegelianismus
vers&ouml;hnt haben als etwa die Beitr&auml;ge Bruno Bauers oder Max Stirners.
Sonst w&auml;re es nicht zu begreifen, da&szlig; sie ihn wenige Monate, nachdem
er seinen ersten Beitrag eingesandt hatte, im Oktober 1842 bereits an die Spitze
des Blattes stellten.</P>
<P>Marx bew&auml;hrte hier zum ersten Male sein unvergleichliches Geschick, an
die Dinge anzukn&uuml;pfen, wie sie nun einmal lagen, und versteinerte Zust&auml;nde
zum Tanzen zubringen, indem er ihnen ihre eigene Melodie vorsang.</P>
<H3 ALIGN="CENTER">6. Der rheinische Landtag<A name="Kap_6"></A></H3>
<P><B><A NAME="S43">|43|</A></B> In einer Reihe von f&uuml;nf gro&szlig;en Abhandlungen
unternahm Marx, die Verhandlungen des rheinischen Provinziallandtags zu beleuchten,
der gerade ein Jahr fr&uuml;her neun Wochen lang in D&uuml;sseldorf getagt hatte.
Die Provinziallandtage waren ohnm&auml;chtige Scheinvertretungen, durch deren
Einrichtung die preu&szlig;ische Krone den Bruch ihres Verfassungsversprechens
von 1815 zu verdecken gesucht hatte; sie tagten bei verschlossenen T&uuml;ren
und hatten h&ouml;chstens in kleinlichen kommunalen Angelegenheiten ein wenig
mitzureden. Seitdem im Jahre 1837 die Wirren mit der katholischen Kirche in K&ouml;ln
und Posen ausgebrochen waren, wurden sie &uuml;berhaupt nicht mehr einberufen;
vom rheinischen und vom posenschen Landtage war noch am ehesten eine Opposition
zu erwarten, wenn auch nur eine Opposition in ultramontanem Sinne.</P>
<P>Vor allen liberalen Abwandlungen waren diese w&uuml;rdigen K&ouml;rperschaften
hinl&auml;nglich dadurch gesch&uuml;tzt, da&szlig; Grundbesitz die unerl&auml;&szlig;liche
Bedingung ihrer Mitgliedschaft war, und zwar sollte der ritterschaftliche Grundbesitz
die H&auml;lfte, der st&auml;dtische ein Drittel und der b&auml;uerliche ein Sechstel
aller Mitglieder stellen. In seiner ganzen Sch&ouml;nheit lie&szlig; sich dies
erbauliche Prinzip nicht in allen Provinzen durchf&uuml;hren, und namentlich in
den neuerworbenen Rheinlanden mu&szlig;ten dem modernen Geiste einige Zugest&auml;ndnisse
gemacht werden; immer aber blieb es dabei, da&szlig; die Ritterschaft mehr als
ein Drittel aller Stimmen besa&szlig;, so da&szlig;, da die Beschl&uuml;sse mit
Zweidrittelmehrheit gefa&szlig;t werden mu&szlig;ten, nichts gegen ihren Willen
geschehen konnte. Dem st&auml;dtischen Grundbesitz war noch die Beschr&auml;nkung
auferlegt, da&szlig; er zehn Jahre in derselben Hand gewesen sein mu&szlig;te,
ehe er w&auml;hlbar machte, und zudem durfte die Regierung die Wahl jedes st&auml;dtischen
Beamten ablehnen.</P>
<P>Diese Landtage genossen die allgemeinste Verachtung, doch hatte sie Friedrich
Wilhelm IV. nach Antritt seiner Regierung wieder f&uuml;r das Jahr 1841 einberufen.
Er hatte sogar ihre Rechte ein wenig erweitert, freilich nur zu dem Zweck, den
Staatsgl&auml;ubigern, denen sich die Krone im Jahre 1820 verpflichtet hatte,
neue Darlehen nur mit Zustimmung und Garantie der k&uuml;nftigen reichsst&auml;ndischen
Versammlung aufzunehmen, ein X f&uuml;r ein U zu machen. In einer ber&uuml;hmten
Flugschrift forderte Johann Jacoby die Provinziallandtage auf, die Einl&ouml;sung
des k&ouml;niglichen Verfassungsversprechens als ihr Recht zu beanspruchen, aber
er predigte damit tauben Ohren.</P>
<P>Selbst der rheinische Landtag versagte, und gerade auch in der kirchenpolitischen
Frage, wegen deren die Regierung ihn am meisten <A NAME="S44"></A><B>|44|</B>
gef&uuml;rchtet hatte. Mit Zweidrittelmehrheit lehnte er den vom liberalen wie
vom ultramontanen Standpunkt gleich selbstverst&auml;ndlichen Antrag ab, den widerrechtlich
verhafteten Erzbischof von K&ouml;ln entweder vor die Gerichte zu stellen oder
wieder in sein Amt einzusetzen. An die Verfassungsfrage r&uuml;hrte der Landtag
&uuml;berhaupt nicht, und eine mit mehr als tausend Unterschriften bedeckte Petition,
die ihm aus K&ouml;ln zuging und freien Zutritt zu den Sitzungen des Landtages,
die t&auml;gliche und unverk&uuml;rzte Wiedergabe seiner Verhandlungen, ihre sowie
aller inneren Landesangelegenheiten freie Besprechung in den &ouml;ffentlichen
Bl&auml;ttern und endlich ein Pre&szlig;gesetz an Stelle der Zensur verlangte,
war von ihm in der k&uuml;mmerlichsten Weise erledigt worden. Er bat den K&ouml;nig
nur darum, die Namen der Redner in den Landtagsprotokollen ver&ouml;ffentlichen
zu d&uuml;rfen und beanspruchte daneben nicht ein Pre&szlig;gesetz mit Abschaffung
der Zensur, sondern nur ein den Willk&uuml;rlichkeiten der Zensoren vorbeugendes
Zensurgesetz. Gem&auml;&szlig; dem verdienten Schicksal aller Feigheit blitzte
er auch damit bei der Krone ab.</P>
<P>Lebendig wurde dieser Landtag nur, wenn es die Interessen des Grundbesitzes
zu vertreten galt. Freilich konnte er nicht daran denken, die feudale Herrlichkeit
wiederherzustellen. Alle Versuche dazu waren den Rheinl&auml;ndern so in den Tod
verha&szlig;t, da&szlig; sie darin schlechterdings keinen Spa&szlig; verstanden,
wie auch die aus den &ouml;stlichen Provinzen her&uuml;bergeschickten Beamten
nach Berlin berichteten. Insbesondere an der freien Teilbarkeit des Grund und
Bodens lie&szlig; die rheinische Bev&ouml;lkerung nicht r&uuml;tteln, weder zugunsten
des &raquo;Ritterstandes&laquo;, noch zugunsten des &raquo;Bauernstandes&laquo;, mochte die Parzellierung
des Grundbesitzes ins Unendliche auch schon zu seiner f&ouml;rmlichen Zerst&auml;ubung
gef&uuml;hrt haben, wie die Regierung nicht mit Unrecht sagte. Aber ihr Vorschlag,
der Parzellierung &raquo;zur Erhaltung eines kr&auml;ftigen Bauernstandes&laquo; gewisse Schranken
zu setzen, wurde vom Landtage, der darin einig mit der Provinz war, mit 49 gegen
8 Stimmen abgelehnt. Umsomehr erfrischte er sich an einigen Gesetzen &uuml;ber
Holzdiebstahl, Jagd-, Forst- und Feldfrevel, die ihm die Regierung vorgelegt hatte;
hier machte das Privatinteresse des Grundbesitzes die gesetzgeberische Gewalt
zu seiner feilen Dirne, ohne Gram wie ohne Scham.</P>
<P>Nach einem umfassenden Plane ging Marx mit dem Landtag ins Gericht. In der
ersten Abhandlung, die sechs lange Artikel umfa&szlig;te, behandelte er die Debatten
&uuml;ber Pre&szlig;freiheit und Ver&ouml;ffentlichung der landst&auml;ndischen
Verhandlungen. Die Erlaubnis zu dieser Ver&ouml;ffentlichung, ohne da&szlig; die
Namen der Redner genannt werden durften, war eine der kleinen Reformen gewesen,
durch die der K&ouml;nig die Landtage <A NAME="S45"></A><B>|45|</B> aufzumuntern
versucht hatte, jedoch in den Landtagen selbst stie&szlig; er damit auf heftigen
Widerstand. Soweit wie der brandenburgische und der pommersche Landtag, die sich
einfach weigerten, ihre Protokolle zu ver&ouml;ffentlichen, ging der rheinische
zwar nicht, aber auch in ihm spielte sich jene alberne Anma&szlig;ung auf, die
aus dem Gew&auml;hlten eine Art h&ouml;heren Wesens macht, das vor allem vor der
Kritik der eigenen W&auml;hler gesch&uuml;tzt werden m&uuml;sse. &raquo;Der Landtag
vertr&auml;gt den Tag nicht. In der Nacht des Privatlebens ist uns heimlicher
zumute. Wenn die ganze Provinz das Vertrauen hat, ihre Rechte einzelnen Individuen
anzuvertrauen, so versteht es sich von selbst, da&szlig; diese einzelnen Individuen
so herablassend sind, das Vertrauen der Provinz zu akzeptieren, aber es w&auml;re
wirkliche &Uuml;berspanntheit, zu verlangen, sie sollten nun Gleiches mit Gleichem
vergelten und vertrauensvoll sich selbst, ihre Leistungen, ihre Pers&ouml;nlichkeiten,
dem Urteil der Provinz hingeben, die ihnen erst ein Urteil von Konsequenz gegeben
hat.&laquo;<A name="ZT3"></A><A href="fm03_015.htm#Z3"><SPAN class="top">[3]</SPAN></A> Mit k&ouml;stlichem Humor verspottete Marx beim ersten Auftauchen schon
das, was er sp&auml;ter als &raquo;parlamentarischen Kretinismus&laquo; taufen sollte und
all sein Lebtag nicht ausstehen konnte.</P>
<P>F&uuml;r die Pre&szlig;freiheit aber schlug er eine Klinge, wie sie gleich
gl&auml;nzend und scharf weder fr&uuml;her noch sp&auml;ter geschlagen worden
ist. Neidlos gestand Ruge: &raquo;Es ist noch nichts Tieferes und es l&auml;&szlig;t
sich auch nichts Gr&uuml;ndlicheres &uuml;ber und f&uuml;r Pre&szlig;freiheit
sagen. Wir d&uuml;rfen uns Gl&uuml;ck w&uuml;nschen zu der Durchbildung, der Genialit&auml;t
und der souver&auml;nen Beherrschung ordin&auml;rer Gedankenverwirrung, welche
hiermit in unserer Publizistik auftritt.&laquo; Marx sprach in diesen Artikeln einmal
von dem freien heiteren Klima seiner Heimat, und heute noch liegt auf ihnen ein
leichter Glanz wie der Sonnenschein auf den Rebenh&uuml;geln des Rheins. Hatte
Hegel von der &raquo;elenden, alles aufl&ouml;senwollenden Subjektivit&auml;t der schlechten
Presse&laquo; gesprochen, so ging Marx auf die b&uuml;rgerliche Aufkl&auml;rung zur&uuml;ck,
wie er denn in der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; die Kantische Philosophie als die deutsche
Theorie der Franz&ouml;sischen Revolution anerkannte <A name="ZT4"></A><A href="fm03_015.htm#Z4"><SPAN class="top">[4]</SPAN></A>, aber er ging darauf zur&uuml;ck,
bereichert mit allen politischen und sozialen Fernsichten, die ihm Hegels historische
Dialektik erschlo&szlig;. Man braucht seine Artikel in der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo;
nur mit Jacobys &raquo;Vier Fragen&laquo; zu vergleichen, um zu erkennen, was damit erreicht
war; das k&ouml;nigliche Verfassungsversprechen von 1815, auf das Jacoby immer
wieder als auf das A und O der ganzen Verfassungsfrage zur&uuml;ckkam, hat Marx
nicht einmal einer beil&auml;ufigen Erw&auml;hnung f&uuml;r wert gehalten.</P>
<P>Allein so sehr er die freie Presse als das offene Auge des Volksgeistes <A NAME="S46"></A><B>|46|</B>
feierte, gegen&uuml;ber der zensierten Presse mit ihrem Grundlaster der Heuchelei,
aus dem alle ihre anderen Gebrechen, ihre, selbst &auml;sthetisch betrachtet,
ekelhaften Laster der Passivit&auml;t fl&ouml;ssen, so verkannte er doch nicht
die Gefahren, die auch der freien Presse drohten. Ein Redner aus dem St&auml;dtestande
hatte die Pre&szlig;freiheit als einen Teil der Gewerbefreiheit gefordert, worauf
Marx antwortete: &raquo;<I>Ist die Presse frei, </I>die sich zum <I>Gewerbe </I>herabw&uuml;rdigt?
Der Schriftsteller mu&szlig; allerdings erwerben, um existieren und schreiben
zu k&ouml;nnen, aber er mu&szlig; keineswegs existieren und schreiben, um zu erwerben
... <I>Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. </I>Dem
Schriftsteller, der sie zum materiellen Mittel herabsetzt, geb&uuml;hrt als Strafe
dieser inneren Unfreiheit die &auml;u&szlig;ere, die Zensur, oder vielmehr ist
schon seine Existenz seine Strafe.&laquo;<A name="ZT5"></A><A href="fm03_015.htm#Z5"><SPAN class="top">[5]</SPAN></A> Und Marx hat durch sein ganzes Leben bekr&auml;ftigt,
was er von dem Schriftsteller fordert, seine Arbeiten m&uuml;&szlig;ten immer
Selbstzweck sein; sie seien so wenig Mittel f&uuml;r ihn selbst und f&uuml;r andere,
da&szlig; er ihrer Existenz seine Existenz opfere, wenns not tue.</P>
<P>Die zweite Abhandlung &uuml;ber den rheinischen Landtag besch&auml;ftigte sich
mit der &raquo;erzbisch&ouml;flichen Geschichte&laquo;, wie Marx an Jung schrieb. Sie ist
von der Zensur gestrichen und auch sp&auml;ter nicht ver&ouml;ffentlicht worden,
obgleich Ruge sich erbot, sie in die &raquo;Anekdota&laquo; aufzunehmen. An Ruge schrieb Marx
am 9. Juli 1842: &raquo;Glauben Sie &uuml;brigens nicht, da&szlig; wir am Rhein in einem
politischen Eldorado leben. Es geh&ouml;rt die konsequenteste Z&auml;higkeit dazu,
um eine Zeitung wie die &#155;Rheinische&#139; durchzuschlagen. Mein zweiter Artikel &uuml;ber
den Landtag, betreffend die kirchlichen Wirren, ist gestrichen. Ich habe darin
nachgewiesen, wie die Verteidiger des Staats sich auf kirchlichen und die Verteidiger
der Kirche sich auf staatlichen Standpunkt gestellt. Dieser Inzident ist der &#155;Rheinischen&#139;
um so unlieber, als die dummen k&ouml;lnischen Katholiken in die Falle gelaufen
und die Verteidigung des Erzbischofs Abonnenten gelockt h&auml;tte. Sie haben
&uuml;brigens schwerlich eine Vorstellung, wie niedertr&auml;chtig die Gewaltleute
und wie dumm zugleich sie mit dem orthodoxen Dickkopf umgesprungen sind. Aber
der Erfolg hat das Werk gekr&ouml;nt; Preu&szlig;en hat dem Papst vor aller Welt
den Pantoffel gek&uuml;&szlig;t, und unsre Regierungsmaschinen gehn &uuml;ber
die Stra&szlig;e, ohne zu err&ouml;ten.&laquo; Der Schlu&szlig;satz bezieht sich darauf,
da&szlig; Friedrich Wilhelm IV., gem&auml;&szlig; seinen romantischen Neigungen,
sich in Friedensverhandlungen mit der Kurie eingelassen hatte, die ihn zum Dank
daf&uuml;r nach allen Regeln vatikanischer Kunst &uuml;bers Ohr hieb.</P>
<P>Was Marx an Ruge &uuml;ber diesen Artikel schrieb, wird man nicht dahin mi&szlig;verstehen
d&uuml;rfen, da&szlig; er ernsthaft die Verteidigung des Erzbischofs <A NAME="S47"></A><B>|47|*</B>
gef&uuml;hrt habe, um die K&ouml;lner Katholiken in eine Falle zu locken. Er blieb
sich vielmehr durchaus konsequent, wenn er die vollkommen ungesetzliche Verhaftung
des Erzbischofs wegen kirchlicher Handlungen und die Forderung der Katholiken
nach einem gerichtlichen Verfahren gegen den widerrechtlich Verhafteten dahin
erl&auml;uterte, da&szlig; sich die Verteidiger des Staats auf kirchlichen und
die Verteidiger der Kirche auf staatlichen Boden gestellt h&auml;tten. In dieser
verkehrten Welt die richtige Stellung zu nehmen, war allerdings eine entscheidende
Frage f&uuml;r die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo;, gerade auch aus den Gr&uuml;nden, die
Marx weiterhin in seinem Brief an Ruge angab, weil die ultramontane Partei, die
von der Zeitung lebhaft bek&auml;mpft wurde, am Rhein die gef&auml;hrlichste war
und die Opposition sich zu sehr daran gew&ouml;hnt hatte, innerhalb der Kirche
zu opponieren.</P>
<P>Die dritte Abhandlung, die f&uuml;nf lange Aufs&auml;tze umfa&szlig;te, beleuchtete
die Verhandlungen, die der Landtag &uuml;ber ein Holzdiebstahlsgesetz gef&uuml;hrt
hatte. Mit ihr kam Marx auf die &raquo;ebene Erde&laquo; oder wie er ein andermal den gleichen
Gedanken ausgedr&uuml;ckt hat: er kam in die Verlegenheit, &uuml;ber materielle
Interessen sprechen zu m&uuml;ssen, die in Hegels ideologischem System nicht vorgesehen
waren. In der Tat hat er das Problem, das mit diesem Gesetze gestellt war, noch
nicht so scharf gefa&szlig;t, wie er in sp&auml;teren Jahren getan haben w&uuml;rde.
Es handelte sich um den Kampf der aufkommenden kapitalistischen &Auml;ra gegen
die letzten Reste des Gemeineigentums am Grund und Boden, um einen grausamen Enteignungskrieg
gegen die Volksmassen; von 207.478 strafgerichtlichen Untersuchungen, die 1836
im preu&szlig;ischen Staat gef&uuml;hrt wurden, bezogen sich gegen 150.000, also
nahe an drei Viertel, auf Holzdiebst&auml;hle, Forst-, Jagd- und Hutungsvergehen.</P>
<P>Bei der Beratung des Holzdiebstahlsgesetzes hatte sich im rheinischen Landtage
das ausbeuterische Interesse des privaten Grundbesitzes in der unbesch&auml;mtesten
Weise durchgesetzt, noch &uuml;ber den Entwurf der Regierung hinaus. Hiergegen
trat nun Marx mit schneidender Kritik &raquo;f&uuml;r die arme politisch und sozial
besitzlose Menge&laquo; ein, aber noch nicht mit &ouml;konomischen, sondern mit rechtlichen
Gr&uuml;nden. Er forderte f&uuml;r die bedrohten Armen die Wahrung ihrer Gewohnheitsrechte,
deren Grundlage er in dem schwankenden Charakter eines gewissen Eigentums fand,
der es nicht entschieden zum Privat-, aber auch nicht entschieden zum Gemeineigentum
stempele, in einer Mischung von Privatrecht und &ouml;ffentlichem Rechte, die
uns in allen Einrichtungen des Mittelalters entgegentrete. Der Verstand habe diese
zwitterhaften, schwankenden Bildungen des Eigentums aufgehoben, indem er die dem
r&ouml;mischen <A NAME="S48"></A><B>|48|*</B> Recht entnommenen Kategorien des
abstrakten Privatrechts auf sie anwandte, aber in den Gewohnheitsrechten der armen
Klasse lebe ein instinktm&auml;&szlig;iger Rechtssinn; ihre Wurzel sei positiv
und legitim.</P>
<P>Wenn die historische Erkenntnis dieser Abhandlung noch einen &raquo;gewissen schwankenden
Charakter&laquo; tr&auml;gt, so zeigt sie nichtsdestoweniger oder vielmehr eben dadurch,
was im letzten Grunde diesen gro&szlig;en Vork&auml;mpfer der &raquo;armen Klassen&laquo;
erweckt hat, &uuml;berall aus der Schilderung der B&uuml;bereien, durch die das
Privatinteresse der Waldeigent&uuml;mer Logik und Vernunft, Gesetz und Recht und
nicht zuletzt die Interessen des Staates zerstampfte, um sich an den Armen und
Elenden zu befriedigen, t&ouml;nt das Knirschen des ganzen inneren Menschen hervor.
&raquo;Um sich der Forstfrevler zu versichern, hat der Landtag dem Rechte nicht nur
Arme und Beine gebrochen, sondern sogar das Herz durchbohrt.&laquo;<A name="ZT6"></A><A href="fm03_015.htm#Z6"><SPAN class="top">[6]</SPAN></A> An diesem Beispiele
wollte Marx erweisen, was von einer St&auml;ndeversammlung der Sonderinteressen
zu erwarten sei, wenn sie einmal ernstlich zur Gesetzgebung berufen w&uuml;rde.</P>
<P>Dabei hielt Marx noch an der Hegelschen Rechts- und Staatsphilosophie fest.
Nicht zwar, indem er wie die wortgl&auml;ubigen Nachbeter Hegels den preu&szlig;ischen
Staat als den idealen Staat feierte, sondern indem er den preu&szlig;ischen Staat
an dem idealen Staat ma&szlig;, der sich aus den philosophischen Voraussetzungen
Hegels ergab. Marx betrachtete den Staat als den gro&szlig;en Organismus, worin
die rechtliche, sittliche und politische Freiheit ihre Verwirklichung zu erhalten
habe und der einzelne Staatsb&uuml;rger in den Staatsgesetzen nur den Naturgesetzen
seiner eigenen Vernunft, der menschlichen Vernunft gehorche. Von diesem Standpunkt
aus wurde Marx noch mit den Debatten des Landtags &uuml;ber das Holzdiebstahlgesetz
fertig, und w&auml;re auch wohl noch mit der vierten Abhandlung fertig geworden,
die ein Gesetz &uuml;ber Jagd-, Forst- und Feldfrevel behandeln, nicht aber mehr
mit der f&uuml;nften, die den ganzen Bau kr&ouml;nen und die &raquo;irdische Frage in
Lebensgr&ouml;&szlig;e&laquo;, die Parzellierungsfrage er&ouml;rtern sollte.</P>
<P>Wie das b&uuml;rgerliche Rheinland vertrat Marx die freie Teilbarkeit des Grund
und Bodens; dem Bauern die Parzellierungsfreiheit beschr&auml;nken, hie&szlig;e
seiner physischen Armut die rechtliche Armut hinzuf&uuml;gen. Aber mit diesem
rechtlichen Gesichtspunkt war die Frage nicht erledigt; der franz&ouml;sische
Sozialismus hatte l&auml;ngst darauf hingewiesen, da&szlig; die freie Teilbarkeit
des Grund und Bodens ein hilfloses Proletariat schaffe, und sie mit der atomistischen
Isolierung des Handwerks auf eine Stufe gestellt. Wollte Marx sie behandeln, so
mu&szlig;te er sich mit dem Sozialismus auseinandersetzen.</P>
<P><B><A NAME="S49">|49|</A></B> Sicherlich hatte er diese Notwendigkeit erkannt,
und er am wenigsten w&auml;re ihr ausgewichen, wenn er die geplante Reihe seiner
Abhandlungen vollendet h&auml;tte. Jedoch dazu ist es nicht gekommen. Als die
dritte Abhandlung in der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; ver&ouml;ffentlicht wurde, war
Marx schon ihr Redakteur, und nun trat das sozialistische R&auml;tsel an ihn heran,
noch ehe er es l&ouml;sen konnte.</P>
<H3 ALIGN="CENTER">7. F&uuml;nf Kampfmonate<A name="Kap_7"></A></H3>
<P>Im Laufe des Sommers hatte sich die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; ein paar kleine Streifz&uuml;ge
ins soziale Gebiet gestattet; vermutlich ist Moses He&szlig; ihr Urheber gewesen.
Einmal hatte sie einen Artikel aus einer Zeitschrift Weitlings &uuml;ber die Berliner
Familienh&auml;user als einen Beitrag zu einer &raquo;wichtigen Zeitfrage&laquo; nachgedruckt
und ihrem Bericht &uuml;ber einen Stra&szlig;burger Gelehrtenkongre&szlig;, auf
dem auch sozialistische Fragen verhandelt worden waren, die ganz nichtssagende
Bemerkung hinzugef&uuml;gt, wenn der nichtsbesitzende Stand nach den Reicht&uuml;mern
der Mittelklasse trachte, so lasse sich das mit dem Kampfe der Mittelklassen gegen
den Adel im Jahre 1789 vergleichen, aber diesmal werde sich eine friedliche L&ouml;sung
finden.</P>
<P>Die harmlosen Anl&auml;sse gen&uuml;gten der &raquo;Allgemeinen Zeitung&laquo; in Augsburg,
die &raquo;Rheinische Zeitung&raquo; auf Lieb&auml;ugeln mit dem Kommunismus anzuklagen. Sie
selbst besa&szlig; in diesem Punkte kein reines Gewissen und hatte aus der Feder
Heines viel brenzlichere Sachen &uuml;ber den franz&ouml;sischen Sozialismus und
Kommunismus ver&ouml;ffentlicht, aber sie war das einzige deutsche Blatt von nationaler
und selbst internationaler Bedeutung, und diese Stellung begann durch die &raquo;Rheinische
Zeitung&laquo; gef&auml;hrdet zu werden. So wenig erhebende Ursachen also ihr heftiger
Angriff hatte, so war er doch nicht ohne boshaftes Geschick angelegt; neben allerlei
Anspielungen auf die reichen Kaufmannss&ouml;hne, die in unschuldiger Einfalt
mit sozialistischen Ideen spielten, ohne jeden Gedanken daran, mit den K&ouml;lner
Domwerkleuten und Hafentr&auml;gern ihre Habe zu teilen, trumpfte er namentlich
darauf, da&szlig; es doch nur eine kindliche Verirrung sei, in einem &ouml;konomisch
noch so weit zur&uuml;ckgebliebenen Lande, wie Deutschland sei, der Mittelklasse,
die kaum schon frei zu atmen wage, mit dem Lose des franz&ouml;sischen Adels von
1789 zu drohen.</P>
<P>Die Abwehr des bissigen Ergusses war die erste redaktionelle Aufgabe, die Marx
zu l&ouml;sen hatte, und sie war f&uuml;r ihn unbequem genug. <A NAME="S50"></A><B>|50|</B>
Er wollte nicht Dinge decken, die er selbst als &raquo; St&uuml;mpereien&laquo; empfand, aber
er konnte auch nicht sagen, wie es ihn um den Kommunismus d&uuml;nke. So spielte
er zwar nach M&ouml;glichkeit den Krieg ins Lager der Gegnerin, indem er ihr selbst
kommunistische Gel&uuml;ste unterschob, gestand aber ehrlich ein, da&szlig; es
der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; nicht gegeben sei, mit <I>einer </I>Phrase Probleme
zu b&auml;ndigen, an deren Bezwingung <I>zwei</I> V&ouml;lker arbeiteten. Sie
werde die kommunistischen Ideen, denen sie in ihrer jetzigen Gestalt nicht einmal
theoretische Wirklichkeit zugestehen, also noch weniger ihre praktische Verwirklichung
w&uuml;nschen oder auch nur f&uuml;r m&ouml;glich halten k&ouml;nne, einer gr&uuml;ndlichen
Kritik unterwerfen, &raquo;nach langanhaltenden und tiefgehenden Studien&laquo;, denn Schriften,
wie die von Leroux, Consid&eacute;rant und vor allem das scharfsinnige Werk Proudhons
k&ouml;nnten nicht durch oberfl&auml;chliche Einf&auml;lle des Augenblicks abgetan
werden.</P>
<P>Sp&auml;ter hat Marx wohl gemeint, dieser Streit habe ihm die T&auml;tigkeit
an der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; verleidet, und er habe &raquo;begierig&laquo; die Gelegenheit
ergriffen, sich in die Studierstube zur&uuml;ckzuziehen. Dabei hat sich ihm aber,
wie es in der Erinnerung zu geschehen pflegt, Ursache und Wirkung zu unmittelbar
aneinanderger&uuml;ckt. Einstweilen war Marx noch mit Leib und Leben bei der Sache,
die ihm viel zu wichtig erschien, als da&szlig; er um ihretwillen nicht mit den
alten Berliner Genossen gebrochen h&auml;tte. Mit denen war gar kein Staat mehr
zu machen, seitdem die gemilderte Zensurinstruktion den Doktorklub, durch den
doch immer &raquo;ein geistiges Interesse ging&laquo;, in eine Gesellschaft der sogenannten
Freien gewandelt hatte, in der sich so ziemlich alle vorm&auml;rzlichen Literaten
der preu&szlig;ischen Hauptstadt zusammenfanden, um die politischen und sozialen
Revolution&auml;re in der Gestalt wild gewordener Philister zu spielen. Marx wurde
schon im Sommer durch dies Treiben beunruhigt; er sagte, ein anderes sei es, seine
Emanzipation erkl&auml;ren, was Gewissenhaftigkeit sei, ein anderes, sich im voraus
als renommistische Propaganda auszuschreien. Aber er meinte, zum Gl&uuml;ck sei
Bruno Bauer in Berlin; dieser werde daf&uuml;r sorgen, da&szlig; wenigstens keine
&raquo;Dummheiten&laquo; begangen w&uuml;rden.</P>
<P>Darin irrte Marx leider. Nach einer glaubw&uuml;rdigen Mitteilung hat sich
zwar K&ouml;ppen von dem Treiben der Freien ferngehalten, nicht aber Bruno Bauer,
der sich nicht einmal genierte, den F&auml;hnchenf&uuml;hrer bei ihren Eulenspiegeleien
zu spielen. Ihre Bettelaufz&uuml;ge in den Stra&szlig;en, ihre Skandalszenen in
Bordellen und Kneipen, ihr abgeschmacktes H&auml;nseln eines wehrlosen Geistlichen,
dem Bruno Bauer bei Stirners Trauung die messingenen Ringe seiner geh&auml;kelten
Geldb&ouml;rse mit dem Bemerken <A NAME="S51"></A><B>|51|</B> &uuml;berreichte,
als Trauringe seien sie gut genug - alles das machte die Freien zum Gegenstande
halb der Bewunderung und halb des Grauens f&uuml;r alle zahmen Philister, stellte
aber unheilbar die Sache blo&szlig;, die sie angeblich vertraten.</P>
<P>Nat&uuml;rlich wirkte dies gassenjungenhafte Treiben auch verheerend auf die
geistige Produktion der Freien, und Marx hatte mit ihren Beitr&auml;gen f&uuml;r
die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; seine liebe Not. Viele davon verfielen dem Rotstifte
des Zensors, aber - so schrieb Marx an Ruge - &raquo;ebensoviel wie der Zensor erlaubte
ich mir selbst zu annullieren, indem Meyen und Konsorten weltumw&auml;lzungsschwangre
und gedankenleere Sudeleien in saloppem Stil, mit etwas Atheismus und Kommunismus
(den die Herrn nie studiert haben) versetzt, haufenweise uns zusandten, bei Rutenbergs
g&auml;nzlichem Mangel an Kritik, Selbst&auml;ndigkeit und F&auml;higkeit sich
gew&ouml;hnt hatten, die &#155;Rh[einische] Z[eitung]&#139; als <I>ihr</I> willenloses Organ
zu betrachten, ich aber nicht weiter dies Wasserabschlagen in alter Weise gestatten
zu d&uuml;rfen glaubte&laquo;. Dies war der erste Grund zur &raquo;Verfinsterung des Berliner
Himmels&laquo;, wie Marx sagte.</P>
<DL>
<DT>Zum Bruche kam es, als im November 1842 Herwegh und Ruge einen Besuch in Berlin
machten. Herwegh befand sich damals auf seiner ber&uuml;hmten Triumphfahrt durch
Deutschland, auf der er auch mit Marx in K&ouml;ln schnelle Freundschaft geschlossen
hatte; in Dresden war er mit Ruge zusammengetroffen und mit ihm zusammen nach
Berlin gereist. Hier vermochten sie begreiflicherweise dem Unfug der Freien keinen
Geschmack abzugewinnen; Ruge kam hart mit seinem Mitarbeiter Bruno Bauer aneinander,
weil ihm dieser &raquo;die l&auml;cherlichsten Dinge auf die Nase binden&laquo; wollte, so
die Behauptung, da&szlig; Staat, Eigentum und Familie im Begriff aufgel&ouml;st
werden m&uuml;&szlig;ten, ohne da&szlig; man sich um die positive Seite der Sache
weiter zu bek&uuml;mmern habe. Ebenso geringes Wohlgefallen fand Herwegh an den
Freien, die sich f&uuml;r diese Mi&szlig;achtung daf&uuml;r r&auml;chten, da&szlig;
sie die bekannte Audienz des Dichters beim K&ouml;nig und seine Verlobung mit
einem reichen M&auml;dchen in ihrer Weise durchhechelten.</DT>
</DL>
<P>Die streitenden Teile wandten sich beide an die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo;. Herwegh,
im Einverst&auml;ndnis mit Ruge, bat um die Aufnahme einer Notiz, worin den Freien
zwar zugestanden war, da&szlig; sie einzeln meistens treffliche Leute seien, aber
hinzugef&uuml;gt wurde, da&szlig; sie, wie Herwegh und Ruge ihnen offen erkl&auml;rt
h&auml;tten, durch ihre politische Romantik, Geniesucht und Renommage die Sache
und die Partei der Freiheit kompromittierten. Marx ver&ouml;ffentlichte diese
Notiz, wurde nun aber mit <A NAME="S52"></A><B>|52|</B> groben Briefen von Meyen
&uuml;berfallen, der sich zum Sprachrohr der Freien machte.</P>
<P>Marx antwortete zun&auml;chst ganz sachlich, indem er die Mitarbeit der Freien
auf den richtigen Weg zu leiten suchte. &raquo;Ich forderte auf, weniger vages R&auml;sonnement,
gro&szlig;klingende Phrasen, selbstgef&auml;llige Bespiegelungen und mehr Bestimmtheit,
mehr Eingehn in die konkreten Zust&auml;nde, mehr Sachkenntnis an den Tag zu f&ouml;rdern.
Ich erkl&auml;rte, da&szlig; ich das Einschmuggeln kommunistischer und sozialistischer
Dogmen, also einer neuen Weltanschauung, in beil&auml;ufigen Theaterkritiken etc.
f&uuml;r unpassend, ja f&uuml;r unsittlich halte und eine ganz andere und gr&uuml;ndlichere
Besprechung des Kommunismus, wenn er einmal besprochen werden solle, verlange.
Ich begehrte dann, die Religion mehr in der Kritik der politischen Zust&auml;nde,
als die politischen Zust&auml;nde in der Religion zu kritisieren, da diese Wendung
mehr dem Wesen einer Zeitung und der Bildung des Publikums entspricht, da die
Religion, an sich inhaltlos, nicht vom Himmel, sondern von der Erde lebt, und
mit der Aufl&ouml;sung der verkehrten Realit&auml;t, deren <I>Theorie </I>sie
ist, von selbst st&uuml;rzt. Endlich wollte ich, da&szlig;, wenn einmal von Philosophie
gesprochen, weniger mit der <I>Firma</I>: &#155;Atheismus&#139; get&auml;ndelt (was den
Kindern &auml;hnlich sieht, die jedem, der's h&ouml;ren will, versichern, sie
f&uuml;rchteten sich nicht vor dem Bautzenmann) als vielmehr ihr Inhalt unters
Volk gebracht w&uuml;rde.&laquo; Diese Ausf&uuml;hrungen gew&auml;hren zugleich einen
lehrreichen Blick in die Grunds&auml;tze, nach denen Marx die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo;
leitete.</P>
<P>Ehe indessen seine Ratschl&auml;ge an ihr Ziel gelangt waren, erhielt er einen
&raquo;insolenten Brief&laquo; von Meyen, worin dieser nicht mehr und nicht weniger forderte,
als die Zeitung solle nicht &raquo;temperieren&laquo;, sondern das &raquo;&Auml;u&szlig;erste tun&laquo;,
das hei&szlig;t, um der Freien willen sich unterdr&uuml;cken lassen. Nun wurde
auch Marx ungeduldig und schrieb an Ruge: &raquo;Aus alledem leuchtet eine schreckliche
Dosis Eitelkeit heraus, die nicht begreift, wie man, um ein politisches Organ
zu retten, einige Berliner Windbeuteleien preisgeben kann, die an &uuml;berhaupt
nichts denkt, als an ihre Cliquengeschichten ... Da wir nun von morgens bis abends
die schrecklichsten Zensurqu&auml;lereien, Ministerialschreibereien, Oberpr&auml;sidialbeschwerden,
Landtagsklagen, Schreien der Aktion&auml;re etc. etc. zu tragen haben und ich
blo&szlig; auf dem Posten bleibe, weil ich es f&uuml;r Pflicht halte, der Gewalt
die Verwirklichung ihrer Absichten, so viel an mir liegt, zu vereiteln, so k&ouml;nnen
Sie denken, da&szlig; ich etwas gereizt bin und dem M[eyen] ziemlich derb geantwortet
habe.&laquo; In der Tat war es der Bruch mit den Freien, die politisch alle ein mehr
oder minder trauriges <A NAME="S53"></A><B>|53|*</B> Ende genommen haben; von
Bruno Bauer, dem sp&auml;teren Mitarbeiter der &raquo;Kreuzzeitung&laquo; und der &raquo;Post&laquo;,
bis zu Eduard Meyen, der als Redakteur der &raquo;Danziger Zeitung&laquo; starb und &uuml;ber
sein verlorenes Leben mit dem kl&auml;glichen Witze quittierte, er d&uuml;rfe
nur die protestantischen Orthod-oxen verh&ouml;hnen, denn den p&auml;pstlichen
Syllabus zu kritisieren, habe ihm der liberale Besitzer des Blattes aus R&uuml;cksicht
auf die katholischen Abonnenten verboten. Andere der Freien sind bei der offizi&ouml;sen
oder gar offiziellen Presse untergekrochen wie Rutenberg, der einige Jahrzehnte
sp&auml;ter als Redakteur des &raquo;Preu&szlig;ischen Staats-Anzeigers&laquo; gestorben ist.</P>
<DL>
<DT>Damals aber, im Herbst 1842, war er noch der gef&uuml;rchtete Mann, und die
Regierung verlangte seine Entfernung. Sie hatte den Sommer &uuml;ber das Blatt
zwar durch die Zensur aufs &auml;u&szlig;erste gequ&auml;lt, aber noch sein Leben
geschont, in der Hoffnung, da&szlig; es von selbst eingehen werde; am 8. August
berichtete der rheinische Oberpr&auml;sident von Schaper nach Berlin, die Zahl
der Abonnenten beliefe sich nur auf 885. Aber am 15. Oktober hatte Marx die Redaktion
&uuml;bernommen, und am 10. November meldete Schaper, die Abonnentenzahl nehme
unaufhaltsam zu; sie habe sich von 885 auf 1.820 gehoben, und die Tendenz des
Blattes werde immer feindseliger und frecher. Dazu kam, da&szlig; der &raquo;Rheinischen
Zeitung&laquo; ein &auml;u&szlig;erst reaktion&auml;rer Ehegesetzentwurf auf den Tisch
geflogen war, dessen vorzeitige Ver&ouml;ffentlichung den K&ouml;nig um so mehr
erbitterte, als die beabsichtigte Erschwerung der Ehescheidung einen heftigen
Widerstand in der Bev&ouml;lkerung fand. Er verlangte, die Zeitung mit sofortiger
Unterdr&uuml;ckung zu bedrohen, falls sie den Einsender des Entwurfs nicht nenne,
doch wollten die Minister dem verha&szlig;ten Blatte, von dem sie wu&szlig;ten,
da&szlig; es ein so entw&uuml;rdigendes Ansinnen zur&uuml;ckweisen w&uuml;rde,
keine M&auml;rtyrerkrone flechten. Sie begn&uuml;gten sich, Rutenberg aus K&ouml;ln
zu entfernen, und bei Strafe des Verbots die Ernennung eines verantwortlichen
Redakteurs zu verlangen, der an Stelle des Verlegers Renard das Blatt zu zeichnen
habe. Zugleich wurde statt des bisherigen, wegen seiner Beschr&auml;nktheit verrufenen
Zensors Dolleschall ein Assessor Wiethaus ernannt.</DT>
</DL>
<P>Marx meldete am 30. November an Ruge: &raquo;Rutenberg, dem schon der deutsche Artikel
(an dem seine T&auml;tigkeit haupts&auml;chlich im Interpunktieren bestand) gek&uuml;ndigt,
dem nur <I>auf mein Verwenden </I>der franz&ouml;sische provisorisch &uuml;bertragen
worden, Rutenberg hatte bei der ungeheuern Dummheit unserer Staatsvorsehung das
Gl&uuml;ck, f&uuml;r gef&auml;hrlich zu gelten, obgleich er niemandem gef&auml;hrlich
war als der &#155;Rheinischen Zeitung&#139; und sich selbst. Rut[enbergs] Entfernung wurde
gewaltsam <A NAME="S54"></A><B>|54|</B> verlangt. Die preu&szlig;ische Vorstehung,
dieser despotisme prussien, le plus hypocrite, le plus fourbe, ersparte dem Geranten
[Renard] einen unangenehmen Auftritt, und der neue M&auml;rtyrer, der schon in
Physiognomie, Haltung und Sprache das M&auml;rtyrerbewu&szlig;tsein mit einiger
Virtuosit&auml;t darzustellen wei&szlig;, Rutenberg beutet diese Gelegenheit aus,
schreibt in alle Welt, schreibt nach Berlin, er sei das <I>exilierte Prinzip </I>der
&#155;Rh[einischen] Z[eitung]&#139;, die eine <I>andere Stellung </I>zur Regierung entriert.&laquo;
Marx erw&auml;hnt den Zwischenfall unter dem Gesichtspunkt, da&szlig; sein Zerw&uuml;rfnis
mit den Berliner Freien dadurch gesch&auml;rft worden sei, aber es scheint fast,
als ob er mit dem Spott &uuml;ber den &raquo;M&auml;rtyrer&laquo; Rutenberg dem armen Teufel
doch ein wenig zu viel getan habe.</P>
<P>Seine Bemerkung, da&szlig; die Entfernung Rutenbergs &raquo;gewaltsam verlangt&laquo; und
dem Verleger Renard dadurch ein &raquo;unangenehmer Auftritt&laquo; erspart worden sei, l&auml;&szlig;t
sich nicht wohl anders auslegen, als da&szlig; man sich der &raquo;Gewalt&laquo; gef&uuml;gt
und auf jeden Versuch verzichtet hat, Rutenberg zu halten. Ein solcher Versuch
w&auml;re ohne allen Zweifel aussichtslos gewesen und man hatte auch wohl Grund,
dem Verleger jeden unangenehmen Auftritt&laquo; zu ersparen, das will sagen, jede protokollarische
Vernehmung, f&uuml;r die der g&auml;nzlich unpolitische Buchh&auml;ndler nicht
taugte. Ein schriftlicher Protest gegen das angedrohte Verbot der Zeitung ist
von ihm auch nur unterzeichnet, aber wie der handschriftliche Entwurf bezeugt,
der sich im K&ouml;lner Stadtarchiv befindet, von Marx verfa&szlig;t worden.</P>
<P>Hierin wird, &raquo;der Gewalt nachgebend&laquo;, die einstweilige Entfernung Rutenbergs
zugestanden und die Anstellung eines verantwortlichen Redakteurs verhei&szlig;en.
Auch will die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; gern alles tun, um sich vor dem Untergange
zu bewahren, soweit es mit dem Beruf eines unabh&auml;ngigen Blattes vereinbar
sei. Sie will sich in der Form eine gr&ouml;&szlig;ere M&auml;&szlig;igung auferlegen
als bisher, n&auml;mlich soweit es der Inhalt gestatte. Das Schreiben ist mit
einer diplomatischen Vorsicht abgefa&szlig;t, von der sich aus dem Leben seines
Verfassers kein zweites Beispiel beibringen l&auml;&szlig;t, aber wenn es unbillig
sein w&uuml;rde, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, so w&uuml;rde es nicht
minder unbillig sein, zu sagen, da&szlig; der junge Marx darin seinen damaligen
&Uuml;berzeugungen merkliche Gewalt angetan habe. Auch nicht in dem, was er &uuml;ber
die preu&szlig;enfreundlichen Gesinnungen der Zeitung sagt. Neben ihren polemischen
Artikeln gegen die preu&szlig;enfeindlichen Bestrebungen der Augsburger &raquo;Allgemeinen
Zeitung&laquo; und neben ihrer Agitation f&uuml;r die Ausdehnung des Zollvereins auf
das nordwestliche Deutschland h&auml;tten sich ihre preu&szlig;ischen Sympathien
vor allem in ihrem steten Hinweisen auf <A NAME="S55"></A><B>|55|</B> norddeutsche
Wissenschaft im Gegensatze zu der Oberfl&auml;chlichkeit der franz&ouml;sischen
und auch der s&uuml;ddeutschen Theorien gezeigt. Die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; sei
das erste &raquo;rheinische und &uuml;berhaupt s&uuml;ddeutsche Blatt&laquo;, das hier den
norddeutschen Geist einf&uuml;hre und damit zu der geistigen Einigung der getrennten
St&auml;mme beitrage.</P>
<P>Auf diese Eingabe antwortete der Oberpr&auml;sident von Schaper ziemlich ungn&auml;dig;
selbst wenn Rutenberg sofort entlassen und ein durchaus geeigneter Redakteur namhaft
gemacht w&uuml;rde, hinge es von der weiteren Haltung des Blattes ab, ob es eine
endg&uuml;ltige Konzession erhielte. Nur f&uuml;r die Bestellung des neuen Redakteurs
wurde ein Spielraum bis zum 12. Dezember einger&auml;umt. Es ist nicht dazu gekommen,
denn in der Mitte Dezember war schon ein neuer Krieg im Gange. Zwei Korrespondenzen
der Zeitung aus Bernkastel &uuml;ber die elende Lage der Moselbauern veranla&szlig;ten
Schaper zu zwei Berichtigungen, die inhaltlich ebenso nichtig, wie formell ungezogen
waren. Die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; machte zun&auml;chst noch einmal gute Miene zum
b&ouml;sen Spiel und lobte die &raquo;ruhige W&uuml;rde&laquo; dieser Berichtigungen, die
die M&auml;nner des geheimen Polizeistaats besch&auml;me und die geeignet sei,
&raquo;das Mi&szlig;trauen ebenso zu vernichten, als das Vertrauen zu befestigen&laquo;. Aber
nachdem sie das n&ouml;tige Material gesammelt hatte, brachte sie von Mitte Januar
ab in f&uuml;nf Artikeln <A name="ZT7"></A><A href="fm03_015.htm#Z7"><SPAN class="top">[7]</SPAN></A> eine F&uuml;lle urkundlicher Beweise daf&uuml;r bei,
da&szlig; die Regierung die Notschreie der Moselbauern mit grausamer H&auml;rte
unterdr&uuml;ckt hatte. Der oberste Beamte der Rheinprovinz war dadurch bis auf
die Knochen blamiert. Jedoch wurde ihm der s&uuml;&szlig;e Trost, da&szlig; die
Unterdr&uuml;ckung der Zeitung bereits am 21. Januar 1843 durch den Ministerrat
im Beisein des K&ouml;nigs beschlossen worden war. Um die Jahreswende hatte eine
Reihe von Vorkommnissen den Zorn des K&ouml;nigs gereizt: ein sentimental-trotziger
Brief, den Herwegh aus K&ouml;nigsberg an ihn gerichtet und den die &raquo;Leipziger
Allgemeine Zeitung&laquo; ohne Wissen und wider Willen des Verfassers ver&ouml;ffentlicht
hatte, die Freisprechung Johann Jacobys von der Anklage des Hochverrats und der
Majest&auml;tsbeleidigung durch den obersten Gerichtshof, endlich auch das Neujahrsbekenntnis
der &raquo;Deutschen Jahrb&uuml;cher&laquo; &raquo;zur Demokratie mit ihren praktischen Problemen&laquo;.
Sie wurden daraufhin sofort verboten, und so auch - f&uuml;r Preu&szlig;en - die
&raquo;Leipziger Allgemeine Zeitung&laquo;; nun sollte in einem Aufwaschen auch die Hurenschwester
vom Rhein&laquo; daran, zumal da sie die Unterdr&uuml;ckung der beiden Bl&auml;tter
scharf gegei&szlig;elt hatte.</P>
<P>Zur formellen Handhabe des Verbots diente der angebliche Mangel einer Konzession
- &raquo;als wenn in Preu&szlig;en, wo kein Hund leben darf ohne seine Polizeimarke,
die &#155;Rh[einische Zeitung]&#139; auch nur einen Tag <A NAME="S56"></A><B>|56|</B> ohne
die offiziellen Lebensbedingungen h&auml;tte erscheinen k&ouml;nnen&laquo;, wie Marx
meinte - und als &raquo;sachlicher Grund&laquo; wurde der alt- wie neupreu&szlig;ische Schwatz
von der ruchlosen Tendenz angegeben - &raquo;der alte Larifari von schlechter Gesinnung,
hohler Theorie, Dideldumdey usw.&laquo;, wie Marx spottete. Aus R&uuml;cksicht auf die
Aktion&auml;re wurde das Erscheinen der Zeitung bis zum Ablauf des Vierteljahrs
gestattet. &raquo;W&auml;hrend dieser Galgenfrist hat sie Doppelzensur. Unser Zensor,
ein ehrenwerter Mann, ist unter die Zensur des hiesigen Regierungspr&auml;sidenten
von Gerlach, eines passiv gehorsamen Dummkopfs, gestellt, und zwar mu&szlig; unser
fertiges Blatt der Polizeinase zum Riechen pr&auml;sentiert werden, und wenn sie
was Unchristliches, Unpreu&szlig;isches riecht, darf die Zeitung nicht erscheinen.&laquo;
So Marx an Ruge. In der Tat war der Assessor Wieth&auml;us ehrenwert genug, auf
die Zensur zu verzichten, wof&uuml;r ihn die K&ouml;lner Liedertafel durch ein
St&auml;ndchen ehrte. An seine Stelle wurde aus Berlin der Ministerialsekret&auml;r
Saint-Paul gesandt, der den Henkersdienst so eifrig versah, da&szlig; die Doppelzensur
bereits am 18. Februar aufgehoben werden konnte.</P>
<P>Das Verbot der Zeitung wurde von der ganzen Rheinprovinz als eine ihr zugef&uuml;gte
Schmach empfunden. Die Zahl der Abonnenten schnellte auf 3.200 empor, und Petitionen,
die sich mit Tausenden von Unterschriften bedeckten, gingen nach Berlin, um den
drohenden Schlag noch abzuwenden. Auch eine Deputation von Aktion&auml;ren machte
sich auf den Weg, wurde beim K&ouml;nige aber nicht erst vorgelassen, wie denn
die Petitionen aus der Bev&ouml;lkerung spurlos in den Papierk&ouml;rben des Ministeriums
verschwunden w&auml;ren, wenn sie nicht energische R&uuml;ffel an die Beamten
veranla&szlig;t h&auml;tten, die sie unterschrieben hatten. Bedenklicher war,
da&szlig; die Aktion&auml;re durch eine schw&auml;chere Haltung des Blattes zu
erreichen suchten, was ihren beweglichen Vorstellungen nicht gelungen war; wesentlich
dieser Umstand veranla&szlig;te Marx, schon am 17. M&auml;rz die Redaktion niederzulegen,
was ihn nat&uuml;rlich nicht hinderte, der Zensur bis zum letzten Augenblick das
Leben so sauer wie m&ouml;glich zu machen.</P>
<P>Saint-Paul war ein jugendlicher Bohemien, der in Berlin mit den Freien kneipte,
wie er sich vor den K&ouml;lner Bordellen mit den Nachtw&auml;chtern pr&uuml;gelte.
Aber er war ein verschmitzter Bursche, der bald entdeckte, wo der &raquo;doktrin&auml;re
Mittelpunkt&laquo; der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; und der &raquo;lebendige Quell&laquo; ihrer Theorien
war. In seinen Berichten nach Berlin sprach er mit unwillk&uuml;rlicher Achtung
von Marx, dessen Charakter wie Geist ihm offenbar m&auml;chtig imponiert hatten,
trotz des &raquo;tiefen, spekulativen Irrtums&laquo;, den er an ihm entdeckt haben wollte.
Am <A NAME="S57"></A><B>|57|</B> 2. M&auml;rz konnte Saint-Paul nach Berlin melden,
da&szlig; Marx sich entschlossen habe, &raquo;unter den jetzigen Umst&auml;nden&laquo; jede
Verbindung mit der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; aufzugeben und Preu&szlig;en zu verlassen,
was die Berliner Neunmalweisen veranla&szlig;te, in ihren Akten zu vermerken,
es sei kein Verlust, wenn Marx auswandere, da seine &raquo;ultrademokratischen Gesinnungen
mit dem Prinzip des preu&szlig;ischen Staats in v&ouml;lligem Widerspruch st&auml;nden&laquo;,
was sich gewi&szlig; nicht bestreiten lie&szlig;. Am 18. jubelte dann der w&uuml;rdige
Zensor: &raquo;Der spiritus rector des ganzen Unternehmens, Dr. Marx, ist gestern definitiv
ausgetreten, und Oppenheim, ein wirklich im ganzen gem&auml;&szlig;igter, &uuml;brigens
unbedeutender Mann, hat die Redaktion &uuml;bernommen ... Ich befinde mich dabei
sehr wohl und habe heute kaum ein Viertel der sonstigen Zeit auf die Zensur verwandt.&laquo;
Er machte dem scheidenden Marx das schmeichelhafte Kompliment, in Berlin vorzuschlagen,
da&szlig; man nunmehr die &raquo;Rheinische Zeitung&laquo; ruhig weiter bestehen lassen solle.
Indessen &uuml;bertrafen ihn seine Auftraggeber an feiger Gesinnung; er wurde
angewiesen, den Redakteur der &raquo;K&ouml;lnischen Zeitung&laquo;, einen gewissen Hermes,
heimlich zu kaufen und den Verleger dieses Blattes einzusch&uuml;chtern, dem die
&raquo;Rheinische Zeitung&laquo; die M&ouml;glichkeit einer gef&auml;hrlichen Konkurrenz bewiesen
hatte, und dies Schelmenst&uuml;ck gelang.</P>
<P>Marx selbst aber schrieb schon am 25. Januar an Ruge, demselben Tage, an dem
das Verbot der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; nach K&ouml;ln gelangt war: &raquo;Mich hat nichts
&uuml;berrascht. Sie wissen, was ich gleich von der Zensurinstruktion hielt. Ich
sehe hier nur eine Konsequenz, ich sehe in der Unterdr&uuml;ckung der &#155;Rh[einischen]
Z[eitung]&#139; einen Fortschritt des politischen Bewu&szlig;tseins und resigniere
daher. Au&szlig;erdem war mir die Atmosph&auml;re so schw&uuml;l geworden. Es
ist schlimm, Knechtsdienste, selbst f&uuml;r die Freiheit zu verrichten und mit
Nadeln statt mit Kolben zu fechten. Ich bin der Heuchelei, der Dummheit, der rohen
Autorit&auml;t und unseres Schmiegens, Biegens, R&uuml;ckendrehens und Wortklauberei
m&uuml;de gewesen. Also die Regierung hat mich wieder in Freiheit gesetzt ...
In Deutschland kann ich nichts mehr beginnen. Man verf&auml;lscht sich hier selbst.&laquo;</P>
<H3 ALIGN="CENTER">8. Ludwig Feuerbach<A name="Kap_8"></A></H3>
<P>In eben diesem Briefe best&auml;tigte Marx den Empfang der Sammlung, in die
er seinen politischen Erstling gestiftet hatte. Sie war in zwei B&auml;nden unter
dem Titel &raquo;Anekdota zur neuesten deutschen Philosophie <A NAME="S58"></A><B>|58|</B>
und Publizistik&laquo; von dem Literarischen Kontor in Z&uuml;rich, das Julius Fr&ouml;bel
als Heimst&auml;tte f&uuml;r deutsche Zensurfl&uuml;chtlinge gegr&uuml;ndet hatte,
im Anfang M&auml;rz 1843 herausgegeben worden.</P>
<P>In ihnen marschierte noch einmal die alte Garde der Junghegelianer auf, doch
schon in wankenden Reihen, und in ihrer Mitte der k&uuml;hne Denker, der die ganze
Philosophie Hegels zu den Toten warf, der den &raquo;absoluten Geist&laquo; f&uuml;r den abgeschiedenen
Geist der Theologie und somit f&uuml;r den reinen Gespensterglauben erkl&auml;rte,
der alle Geheimnisse der Philosophie gel&ouml;st sah im Anschauen der Menschen
und der Natur. Die &raquo;Vorl&auml;ufigen Thesen zur Reform der Philosophie&laquo;, die Ludwig
Feuerbach in den &raquo;Anekdotis&laquo; ver&ouml;ffentlichte, sind auch f&uuml;r Marx eine
Offenbarung gewesen.</P>
<P>In sp&auml;teren Jahren hat Engels den gro&szlig;en Einflu&szlig; Feuerbachs
auf die geistige Entwicklung des jungen Marx vom &raquo;Wesen des Christentums&laquo; datiert,
der ber&uuml;hmtesten Schrift Feuerbachs, die bereits im Jahre 1841 erschienen
war. Von der &raquo;befreienden Wirkung&laquo; dieses Buchs, die man selbst erlebt haben m&uuml;sse,
um sich eine Vorstellung davon zu machen, sagte Engels: &raquo;Die Begeisterung war
allgemein; Wir waren alle momentan Feuerbachianer.&laquo;<A name="ZT8"></A><A href="fm03_015.htm#Z8"><SPAN class="top">[8]</SPAN></A> Allein in dem, was Marx in
der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; ver&ouml;ffentlicht hat, l&auml;&szlig;t sich der Einflu&szlig;
Feuerbachs noch nicht sp&uuml;ren; &raquo;enthusiastisch begr&uuml;&szlig;t&laquo; hat Marx
die neue Auffassung, trotz aller kritischen Vorbehalte, erst in den &raquo;Deutsch-Franz&ouml;sischen
Jahrb&uuml;chern&laquo;, die im Februar 1844 erschienen und schon im Titel einen gewissen
Anklang an die Gedankeng&auml;nge Feuerbachs verrieten.</P>
<P>Nun sind die &raquo;Vorl&auml;ufigen Thesen&laquo; gewi&szlig; schon im &raquo;Wesen des Christentums&laquo;
enthalten, und insofern scheint der Irrtum, dem Engels in der Erinnerung unterlegen
ist, recht gleichg&uuml;ltig zu sein. Er ist es jedoch insofern nicht, als er
die geistigen Zusammenh&auml;nge zwischen Feuerbach und Marx verschleiert. Feuerbach
war deshalb nicht weniger ein K&auml;mpfer, weil ihm immer nur in l&auml;ndlicher
Einsamkeit wohl war. Er dachte mit Galilei, die Stadt sei gleichsam ein Gef&auml;ngnis
spekulativischer Gem&uuml;ter, hingegen das freie Landleben sei ein Buch der Natur,
das einem jeden unmittelbar vor Augen liege, der mit seinem Verstande darin zu
lesen beliebe. Mit solchen Worten hat Feuerbach sein einsames Leben in Bruckberg
stets gegen alle Anfechtungen verteidigt; er liebte die l&auml;ndliche Einsamkeit,
nicht im Sinne des alten friedseligen Wortes: wohl dem, der im Verborgenen gelebt
hat, sondern weil er aus ihr die Kraft zum Kampfe sch&ouml;pfte, in dem Bed&uuml;rfnis
des Denkers, sich zu sammeln und durch das l&auml;rmende Ger&auml;usch des Tages
sich nicht dem <A NAME="S59"></A><B>|59|</B> Anschauen der Natur entrei&szlig;en
zu lassen, die ihm der gro&szlig;e Urquell alles Lebens und seiner Geheimnisse
war.</P>
<P>Trotz seiner l&auml;ndlichen Verborgenheit k&auml;mpfte Feuerbach den gro&szlig;en
Krieg der Zeit in vorderster Reihe mit. Seine Aufs&auml;tze gaben den Zeitschriften
Ruges die sch&auml;rfste Schneide und Spitze. Im &raquo;Wesen des Christentums&laquo; wies
er nach, da&szlig; der Mensch die Religion mache, nicht aber die Religion den
Menschen, da&szlig; die h&ouml;heren Wesen, die unsere Phantasie erschaffe, nur
die phantastische R&uuml;ckspiegelung unseres eigenen Wesens seien. Gerade aber
zur Zeit, wo dies Buch erschien, wandte sich Marx dem politischen Kampfe zu, der
ihn mitten in das Get&uuml;mmel des &ouml;ffentlichen Marktes f&uuml;hrte, soweit
davon &uuml;berhaupt schon gesprochen werden konnte; f&uuml;r diesen taugten die
Waffen nicht, die Feuerbach in seiner Schrift ger&uuml;stet hatte. Nun aber, da
die Hegelsche Philosophie sich unf&auml;hig erwiesen hatte, die materiellen Fragen
zu l&ouml;sen, die ihm in der &raquo;Rheinischen Zeitung&laquo; entgegengetreten waren, erschienen
just die &raquo;Vorl&auml;ufigen Thesen&laquo; Feuerbachs zur Reform der Philosophie, die
der Hegelschen Philosophie als dem letzten Zufluchtsort, der letzten rationellen
St&uuml;tze der Theologie den Todessto&szlig; gaben. So machten sie einen tiefen
Eindruck auf Marx, wenngleich er sich sofort seine Kritik vorbehielt.</P>
<P>In seinem Briefe vom 13. M&auml;rz schrieb er an Ruge: &raquo;Feuerbachs Aphorismen
sind mir nur in dem Punkte nicht recht, da&szlig; er zu sehr auf die Natur und
zu wenig auf die Politik hinweist. Das ist aber das einzige B&uuml;ndnis, wodurch
die jetzige Philosophie eine Wahrheit werden kann. Doch wird's wohl gehen wie
im sechzehnten Jahrhundert, wo den Naturenthusiasten eine andere Reihe von Staatsenthusiasten
entsprach.&laquo; In der Tat hatte Feuerbach in seinen &raquo;Thesen&laquo; die Politik nur mit
einer sehr d&uuml;rftigen Bemerkung gestreift, die eher hinter Hegel zur&uuml;ck-,
als &uuml;ber ihn hinausging. In diesem Punkte setzte Marx ein, um Hegels Rechts-
und Staatsphilosophie so gr&uuml;ndlich zu untersuchen, wie Feuerbach die Natur-
und Religionsphilosophie des Meisters untersucht hatte.</P>
<P>Noch an einer Stelle verriet der Brief an Ruge vom 13. M&auml;rz, wie stark
Marx damals durch Feuerbach beeinflu&szlig;t wurde. Sobald er sich dar&uuml;ber
klar geworden war, da&szlig; er nicht unter preu&szlig;ischer Zensur schreiben
oder in preu&szlig;ischer Luft leben k&ouml;nne, war auch sein Entschlu&szlig;
gefa&szlig;t, Deutschland nicht ohne seine Braut zu verlassen. Er fragte schon
am 25. Januar bei Ruge an, ob er am &raquo;Deutschen Boten&laquo;, den Herwegh damals in Z&uuml;rich.
erscheinen lassen wollte, eine T&auml;tigkeit finden w&uuml;rde, doch wurde die
Absicht Herweghs, noch ehe sie ausgef&uuml;hrt werden konnte, durch seine Ausweisung
aus Z&uuml;rich zerst&ouml;rt. Ruge machte nun <A NAME="S60"></A><B>|60|</B> andere
Vorschl&auml;ge eines gemeinsamen Wirkens, unter anderem die gemeinsame Redaktion
der umgestalteten und umgetauften Jahrb&uuml;cher; Marx m&ouml;ge nach Schlu&szlig;
seiner K&ouml;lner &raquo;Redaktionsqual&laquo; zur m&uuml;ndlichen Verhandlung &uuml;ber
den &raquo;Ort unserer Wiedergeburt&laquo; nach Leipzig kommen.</P>
<P>Darauf ging Marx am 13. M&auml;rz ein, &auml;u&szlig;erte aber doch &raquo;vorl&auml;ufig&laquo;
seine &Uuml;berzeugung &uuml;ber &raquo;unseren Plan&laquo; wie folgt: &raquo;Als Paris erobert
war, schlugen einige den Sohn Napoleons mit Regentschaft, andre den Bernadotte,
andre endlich den Louis-Philippe zur Herrschaft vor. Talleyrand aber antwortete:
Louis XVIII. oder Napoleon. Das ist ein Prinzip, alles andere ist Intrige. Und
so m&ouml;chte ich auch fast alles andere au&szlig;er Stra&szlig;burg (oder h&ouml;chstens
der Schweiz) kein Prinzip, sondern eine Intrige nennen. B&uuml;cher &uuml;ber
zwanzig Bogen sind keine Schriften f&uuml;rs Volk. Das H&ouml;chste, was man da
wagen kann, sind Monatshefte. W&uuml;rden nun gar die &#155;Deutschen Jahrb&uuml;cher&#139;
wieder gestattet, so br&auml;chten wir es zum Allerh&ouml;chsten auf einen schwachen
Abklatsch der selig Entschlafenen, und das gen&uuml;gt heutzutage nicht mehr.
Dagegen &#155;Deutsch-Franz&ouml;sische Jahrb&uuml;cher&#139;, das w&auml;re ein Prinzip,
ein Ereignis von Konsequenzen, ein Unternehmen, f&uuml;r das man sich enthusiasmieren
kann.&laquo; Man sp&uuml;rt hier den Nachhall von Feuerbachs &raquo;Thesen&laquo;, in denen es hei&szlig;t,
der wahre, der mit dem Leben, dem Menschen identische Philosoph m&uuml;sse gallo-germanischen
Gebl&uuml;ts sein. Das Herz m&uuml;sse franz&ouml;sisch, der Kopf deutsch sein.
Der Kopf reformiere, aber das Herz revolutioniere. Nur wo Bewegung, Wallung, Leidenschaft,
Blut, Sinnlichkeit, da sei auch Geist. Nur der Esprit Leibnizens, sein sanguinisches,
materialistisch-idealistisches Prinzip habe zuerst die Deutschen aus ihrem Pedantismus
und Scholastizismus herausgerissen.</P>
<P>Mit diesem &raquo;gallo-germanischen Prinzip&laquo; erkl&auml;rte sich Ruge in seiner Antwort
vom 19. M&auml;rz vollkommen einverstanden, doch zog sich die gesch&auml;ftliche
Regelung der Dinge noch eine Reihe von Monaten hin.</P>
<H3 ALIGN="CENTER">9. Hochzeit und Verbannung<A name="Kap_9"></A></H3>
<P>In dem bewegten Jahre seiner ersten &ouml;ffentlichen K&auml;mpfe hat Marx
auch mit manchen h&auml;uslichen Schwierigkeiten zu ringen gehabt. Er sprach dar&uuml;ber
nicht gern und immer nur, wenn ihn eine herbe Notwendigkeit dazu zwang, im schroffsten
Gegensatze zu dem kl&auml;glichen Lose des Philisters, der &uuml;ber seinem kleinen
Kram Gott und die Welt vergi&szlig;t, <A NAME="S61"></A><B>|61|</B> war ihm gegeben,
sich an der &raquo;Menschheit gro&szlig;en Gegenst&auml;nden&laquo; auch &uuml;ber die bitterste
Not zu erheben. Sich in dieser F&auml;higkeit zu &uuml;ben, hat ihm sein Leben
nur allzu reichliche Gelegenheit geboten.</P>
<P>Gleich in der ersten &Auml;u&szlig;erung, die sich von ihm &uuml;ber seine
&raquo;Privatlumpereien&laquo; erhalten hat, spricht sich seine Auffassung solcher Dinge in
sehr bezeichnender Weise aus. Um sich bei Ruge wegen des Ausbleibens von Beitr&auml;gen
zu entschuldigen, die er f&uuml;r die &raquo;Anekdota&laquo; versprochen hatte, schrieb er
am 9. Juli 1842 nach Aufz&auml;hlung anderer Hindernisse: &raquo;Die &uuml;brige Zeit
war zerst&uuml;ckelt und verstimmt durch die allerwidrigste Familienkontroverse.
Meine Familie legte mir Schwierigkeiten in den Weg, die mich, trotz ihres Wohlstandes,
momentan den dr&uuml;ckendsten Verh&auml;ltnissen aussetzten. Ich kann Sie unm&ouml;glich
mit der Erz&auml;hlung dieser Privatlumpereien bel&auml;stigen; es ist ein wahres
Gl&uuml;ck, da&szlig; die &ouml;ffentlichen Lumpereien jede m&ouml;gliche Irritabilit&auml;t
f&uuml;r das Private einem Menschen von Charakter unm&ouml;glich machen.&laquo; Es ist
eben auch dieser Beweis einer ungew&ouml;hnlichen Charakterst&auml;rke, der die
Philister bei ihrer &raquo;Irritabilit&auml;t f&uuml;r das Private&laquo; von jeher gegen
den &raquo;herzlosen&laquo; Marx aufgebracht hat.</P>
<P>N&auml;heres &uuml;ber die &raquo;allerwidrigsten Familienkontroversen&laquo; ist sonst
nicht bekannt geworden; ganz im allgemeinen kam Marx nur noch einmal darauf zur&uuml;ck,
als es sich um die Gr&uuml;ndung der &raquo;Deutsch-Franz&ouml;sischen Jahrb&uuml;cher&laquo;
handelte. Er schrieb an Ruge, sobald der Plan feste Gestalt angenommen habe, wolle
er nach Kreuznach reisen, wo die Mutter seiner Braut seit dem Tode ihres Gatten
lebte, und dort heiraten, dann aber einige Zeit bei seiner Schwiegermutter bleiben,
&raquo;da wir doch jedenfalls, ehe wir ans Werk gehn, einige Arbeiten fertig haben m&uuml;&szlig;ten
... Ich kann Ihnen ohne alle Romantik versichern, da&szlig; ich von Kopf bis zu
Fu&szlig; und zwar allen Ernstes liebe. Ich bin schon &uuml;ber sieben Jahre verlobt,
und meine Braut hat die h&auml;rtesten, ihre Gesundheit fast untergrabenden K&auml;mpfe
f&uuml;r mich gek&auml;mpft, teils mit ihren pietistisch-aristokratischen Verwandten,
denen der &#155;Herr im Himmel&#139; und der &#155;Herr in Berlin&#139; gleiche Kultusobjekte sind,
teils mit meiner eigenen Familie, in der einige Pfaffen und andre Feinde von mir
sich eingenistet haben. Ich und meine Braut haben daher mehr unn&ouml;tige und
angreifende Konflikte jahrelang durchgek&auml;mpft, als manche andre, die dreimal
&auml;lter sind und best&auml;ndig von ihrer &#155;Lebenserfahrung&#139; sprechen.&laquo; Au&szlig;er
dieser kargen Andeutung ist auch &uuml;ber die K&auml;mpfe der Brautzeit nichts
&uuml;berliefert worden.</P>
<P>Nicht ohne M&uuml;he, aber doch verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig schnell, und
auch ohne da&szlig; Marx sich nach Leipzig begab, ist das Erscheinen der neuen
Zeitschrift <A NAME="S62"></A><B>|62|*</B> gesichert worden. Fr&ouml;bel entschlo&szlig;
sich, den Verlag zu &uuml;bernehmen, nachdem der wohlhabende Ruge sich bereit
erkl&auml;rt hatte, als Kommandit&auml;r mit 6.000 Talern in das Literarische
Kontor einzutreten. Als Redaktionsgehalt f&uuml;r Marx wurden 500 Taler ausgeworfen.
Auf diese Aussicht hin heiratete er seine Jenny am 19. Juni 1843.</P>
<P>Noch blieb der Ort zu bestimmen, wo die &raquo;Deutsch-Franz&ouml;sischen Jahrb&uuml;cher&laquo;
erscheinen sollten. Die Wahl schwankte zwischen Br&uuml;ssel, Paris und Stra&szlig;burg.
Die els&auml;ssische Stadt h&auml;tte den W&uuml;nschen des jungen Paares Marx
am meisten entsprochen, doch fiel die Entscheidung schlie&szlig;lich f&uuml;r
Paris, nachdem Fr&ouml;bel und Ruge sich dort und in Br&uuml;ssel pers&ouml;nlich
umgetan hatten. In Br&uuml;ssel hatte die Presse zwar freieren Spielraum als in
Paris mit seinen Kautionen und Septembergesetzen, aber dem deutschen Leben war
man in der franz&ouml;sischen Hauptstadt viel n&auml;her als in der belgischen.
Mit 3.000 Franken oder etwas mehr k&ouml;nne Marx in Paris leben, schrieb Ruge
ermunternd.</P>
<P>Seinem Plane gem&auml;&szlig; hatte Marx die ersten Monate seiner Ehe im Hause
seiner Schwiegermutter verlebt; im November hat er seinen jungen Hausstand nach
Paris verlegt. Als letztes Lebenszeichen in der Heimat hat sich ein Brief erhalten,
den er am 23. Oktober 1843 aus Kreuznach an Feuerbach richtete, um von ihm einen
Beitrag f&uuml;r das erste Heft der neuen Jahrb&uuml;cher zu erbitten, und zwar
eine Kritik Schellings: &raquo;Ich glaube fast aus Ihrer Vorrede zur 2. Auflage des
&#155;Wesens des Christentums&#139; schlie&szlig;en zu k&ouml;nnen, da&szlig; Sie manches
&uuml;ber diesen Windbeutel in petto h&auml;tten. Sehen Sie, das w&auml;re ein
herrliches Deb&uuml;t. Wie geschickt hat Herr Schelling die Franzosen zu k&ouml;dern
gewu&szlig;t, vorerst den schwachen, eklektischen Cousin, sp&auml;ter sogar den
genialen Leroux. Dem Pierre Leroux und seinesgleichen gilt Schelling immer noch
als der Mann, der an die Stelle des transzendenten Idealismus den vern&uuml;nftigen
Realismus, der an die Stelle des abstrakten Gedankens den Gedanken mit Fleisch
und Blut, der an die Stelle der Fachphilosophie die Weltphilosophie gesetzt hat
... Sie w&uuml;rden unserem Unternehmen, aber noch mehr der Wahrheit, daher einen
gro&szlig;en Dienst leisten, wenn Sie gleich zu dem ersten Hefte eine Charakteristik
Schellings lieferten. Sie sind gerade dazu der Mann, weil Sie der <I>umgekehrte
Schelling </I>sind. Der - wir d&uuml;rfen das Gute von unserem Gegner glauben
- der aufrichtige Jugendgedanke Schellings, zu dessen Verwirklichung er indessen
kein Zeug hatte als die Imagination, keine Energie als die Eitelkeit, keinen Treiber
als das Opium, kein Organ als die Irritabilit&auml;t eines weiblichen Rezeptionsverm&ouml;gens,
dieser aufrichtige Jugendgedanke Schellings, der bei ihm ein phantastischer Jugendtraum
<A NAME="S63"></A><B>|63|</B> geblieben ist, er ist Ihnen zur Wahrheit, zur Wirklichkeit,
zu m&auml;nnlichem Ernst geworden ... Ich halte Sie daher f&uuml;r den notwendigen,
nat&uuml;rlichen, also durch Ihre Majest&auml;ten, die Natur und die Geschichte,
berufenen Gegner Schellings.&laquo; Wie liebensw&uuml;rdig ist dieser Brief geschrieben
und wie hell leuchtet aus ihm die frohe Hoffnung eines gro&szlig;en Kampfes hervor!</P>
<P>Feuerbach aber zauderte. Er hatte schon gegen&uuml;ber Ruge das neue Unternehmen
erst gelobt, dann aber abgelehnt; auch die Berufung auf sein &raquo;gallo-germanisches
Prinzip&laquo; hatte ihn nicht bekehrt. In erster Reihe seine Schriften hatten den Zorn
der Machthaber gereizt, so da&szlig; sie mit dem Polizeistock niederschlugen,
was es in Deutschland noch an Freiheit des Philosophierens gab und die philosophische
Opposition ins Ausland fl&uuml;chten mu&szlig;te, wenn sie sich nicht feige ergeben
wollte.</P>
<P>Das Ergeben war nicht die Sache Feuerbachs, aber so war es auch nicht der kecke
Sprung in die Wogen, die um das deutsche Totenland brandeten. Der Tag, an dem
Feuerbach die feurigen Worte, womit Marx um ihn warb, voll freundlichen Interesses
zwar, aber doch ablehnend beantwortete, ist der schwarze Tag seines Lebens gewesen.
Er vereinsamte nun auch geistig.</P>
<HR size="1">
<P><A name="Z1"></A><SPAN class="top">[1]</SPAN> Karl Marx: Thesen &uuml;ber Feuerbach, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me03/me03_005.htm">Bd. 3, S. 5 ff.</A> <A href="fm03_015.htm#ZT1">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z2"></A><SPAN class="top">[2]</SPAN> Karl Marx: Doktordissertation, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me40/me40_261.htm#S262">Erg&auml;nzungsband, 1. Teil (Band 40), S. 262.</A> <A href="fm03_015.htm#ZT2">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z3"></A><SPAN class="top">[3]</SPAN> Karl Marx: Debatten &uuml;ber Pre&szlig;freiheit und Publikation der Landst&auml;ndischen Verhandlungen, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me01/me01_028.htm#S45">Bd. 1, S. 45.</A> <A href="fm03_015.htm#ZT3">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z4"></A><SPAN class="top">[4]</SPAN> Karl Marx: Das philosophische Manifest der historischen Rechtsschule, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me01/me01_078.htm#S80">Bd. 1, S. 80/81.</A> <A href="fm03_015.htm#ZT4">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z5"></A><SPAN class="top">[5]</SPAN> Karl Marx: Debatten &uuml;ber Pre&szlig;freiheit und Publikation der Landst&auml;ndischen Verhandlungen, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me01/me01_028.htm#S70">Bd. 1, S. 70/71.</A> <A href="fm03_015.htm#ZT5">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z6"></A><SPAN class="top">[6]</SPAN> Karl Marx: Debatten &uuml;ber das Holzdiebstahlsgesetz, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me01/me01_109.htm#S145">Bd. 1, S. 145.</A> <A href="fm03_015.htm#ZT6">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z7"></A><SPAN class="top">[7]</SPAN> Karl Marx: Rechtfertigung des ++-Korrespondenten von der Mosel, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me01/me01_172.htm">Bd. 1, S. 172.</A> <A href="fm03_015.htm#ZT7">&lt;=</A></P>
<P><A name="Z8"></A><SPAN class="top">[8]</SPAN> Friedrich Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, <A href="../../me/me21/me21_265.htm#S272">Bd. 21, S. 272.</A> <A href="fm03_015.htm#ZT8">&lt;=</A></P>
<!-- #EndEditable -->
<HR size="1" align="left" width="200">
<P><SMALL>Pfad: &raquo;../fm/fm03&laquo;<BR>
Verkn&uuml;pfte Dateien: &raquo;<A href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">../../css/format.css</A>&laquo;
</SMALL>
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<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
<TR>
<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="../../index.shtml.html"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
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Kapitel</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="fm03_000.htm"><SMALL>Inhalt</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "link2b" --><A HREF="fm03_064.htm"><SMALL>3.
Kapitel</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
<TD ALIGN="center"><B>|</B></TD>
<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><A HREF="../default.htm"><SMALL>Franz
Mehring</SMALL></A></TD>
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