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<title>Lenin: Staat und Revolution</title>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 299 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><FONT size=2><A HREF="../default.htm"><FONT color=#CC3333><= Inhaltsverzeichnis W. I. Lenin</A></TD>
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<h3>
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W.I. Lenin</h3>
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<h3>
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Gedruckt nachzulesen in: Lenin Werke, Band 25, Seite 393 - 507, Dietz Verlag Berlin, 1972</h3>
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<hr>
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<h1>
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Staat und Revolution Teil 3</h1></center>
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<h2>
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III. Kapitel</h2></center>
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<center>Staat und Revolution
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<p>Die Erfahrungen der Pariser Kommune vom Jahre 1871. Die Analyse von
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Marx</center>
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<p>1. Worin bestand der Heroismus des Versuchs der Kommunarden?
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<p>Es ist bekannt, daß Marx einige Monate vor der Kommune, im Herbst
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1870, die Pariser Arbeiter warnte und nachwies, daß der Versuch,
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die Regierung zu stürzen, eine verzweifelte Torheit wäre. Als
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aber im März 1871 den Arbeitern der Entscheidungskampf AUFGEZWUNGEN
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wurde und sie ihn aufnahmen, als der Aufstand zur Tatsache geworden war,
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begrüßte Marx, trotz der schlimmen Vorzeichen, die proletarische
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Revolution mit der größten Begeisterung. Marx versteifte sich
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nicht auf eine pedantische Verurteilung der "unzeitgemäßen"
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Bewegung, wie das der zu trauriger Berühmtheit gelangte russische
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Renegat des Marxismus, Plechanow, tat, der im November 1905 so schrieb,
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daß er die Arbeiter und Bauern zum Kampf ermunterte, nach dem Dezember
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1905 aber wie ein Liberaler zeterte: "Man hätte nicht zu den Waffen
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greifen sollen."
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<p>Marx begnügte sich jedoch nicht damit, den Heroismus der, wie er
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sich ausdrückte, "himmelstürmenden" Kommunarden Begeisterung
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zu zollen. Er sah in der revolutionären Massenbewegung, obwohl sie
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ihr Ziel nicht erreichte, einen historischen Versuch von ungeheurer Tragweite,
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einen gewissen Schritt vorwärts in der proletarischen Weltrevolution,
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einen praktischen Schritt, der wichtiger ist als Hunderte von Programmen
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und Auseinandersetzungen. Diesen Versuch zu analysieren, aus ihm Lehren
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für die Taktik zu ziehen, auf Grund dieses Versuchs seine eigene Theorie
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zu überprüfen - das war die Aufgabe, die sich Marx stellte.
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<p>Die einzige "Korrektur", die Marx am "Kommunistischen Manifest" vorzunehmen
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für notwendig erachtete, machte er auf Grund der revolutionären
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Erfahrungen der Pariser Kommunarden.
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<p>Die letzte Vorrede zur neuen deutschen Auflage des "Kommunistischen
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Manifests", die von seinen beiden Verfassern unterzeichnet ist, datiert
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vom 24. Juni 1872. In dieser Vorrede erklären die Verfasser, Karl
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Marx und Friedrich Engels, daß das Programm des Kommunistischen Manifests
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"heute stellenweise veraltet" sei.
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<p>"Namentlich", fahren sie fort, "hat die Kommune den Beweis geliefert,
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daß 'die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach
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in Besitz nehmen und sie für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen
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kann'." (15)
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<p>Die in einfache Anführungszeichen (') gesetzten Worte dieses Zitats
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haben seine Verfasser der Marxschen Schrift "Der Bürgerkrieg in Frankreich"
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entnommen.
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<p>Somit maßen Marx und Engels der einen Haupt- und Grundlehre der
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Pariser Kommune eine so ungeheure Bedeutung bei, daß sie sie als
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wesentliche Korrektur zum "Kommunistischen Manifest" hinzufügten.
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<p>Es ist überaus bezeichnend, daß gerade diese wesentliche
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Korrektur von den Opportunisten entstellt worden ist und daß ihr
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eigentlicher Sinn sicherlich neun von zehn, wenn nicht gar neunundneunzig
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von hundert Lesern des "Kommunistischen Manifests" unbekannt ist. Ausführlicher
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sprechen wir von dieser Entstellung weiter unten in dem Kapitel, das sich
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speziell mit den Entstellungen befaßt. Vorläufig mag der Hinweis
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genügen, daß die landläufige, vulgäre "Auffassung"
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des von uns zitierten berühmten Ausspruchs von Marx darin besteht,
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daß Marx hier angeblich die Idee der allmählichen Entwicklung
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im Gegensatz zur Ergreifung der Macht unterstreiche und dergleichen mehr.
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<p>In Wirklichkeit ist es GERADE UMGEKEHRT. Der Marxsche Gedanke besteht
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gerade darin, daß die Arbeiterklasse "die fertige Staatsmaschine"
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ZERSCHLAGEN, ZERBRECHEN muß und sich nicht einfach auf ihre Besitzergreifung
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beschränken darf.
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<p>Am 12. April 1871, d.h. gerade während der Kommune, schrieb Marx
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an Kugelmann:
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<p>"Wenn Du das letzte Kapitel meines 'Achtzehnten Brumaire' nachsiehst,
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wirst Du finden, daß ich als nächsten Versuch der französischen
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Revolution ausspreche, nicht mehr wie bisher die bürokratisch-militärische
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Maschinerie aus einer Hand in die andere zu übertragen, sondern sie
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zu ZERBRECHEN" (hervorgehoben von Marx), "und dies ist die Vorbedingung
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jeder wirklichen Volksrevolution auf dem Kontinent. Dies ist auch der Versuch
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unserer heroischen Pariser Parteigenossen." (S. 709, "Neue Zeit", XX, 1,
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1901/1902.) (16) (Die Briefe von Marx an Kugelmann sind in russischer Sprache
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in mindestens zwei Ausgaben erschienen, eine davon unter meiner Redaktion
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und mit einem Vorwort von mir.) (17)
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<p>In diesen Worten: "die bürokratisch-militärische Maschinerie
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zu zerbrechen", ist, kurz ausgedrückt, die Hauptlehre des Marxismus
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von den Aufgaben des Proletariats in der Revolution gegenüber dem
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Staat enthalten. Und gerade diese Lehre ist nicht nur völlig vergessen,
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sondern durch die herrschende, kautskyanische "Auslegung" des Marxismus
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geradezu entstellt worden!
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<p>Was den Hinweis von Marx auf den "Achtzehnten Brumaire" anbelangt, so
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haben wir die betreffende Stelle weiter oben vollständig zitiert.
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Es ist von Interesse, zwei Stellen aus der angeführten Betrachtung
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von Marx besonders hervorzuheben. Erstens beschränkt er seine Schlußfolgerung
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auf den Kontinent. Das war 1871 verständlich, als England noch das
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Muster eines rein kapitalistischen Landes war, aber eines Landes ohne Militarismus
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und in hohem Grade ohne Bürokratie. Marx schloß daher England
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aus, wo eine Revolution und selbst eine Volksrevolution OHNE die Vorbedingung
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der Zerstörung der "fertigen Staatsmaschine" damals möglich zu
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sein schien und möglich war.
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<p>Jetzt, im Jahre 1917, in der Epoche des ersten großen imperialistischen
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Krieges, fällt diese Einschränkung von Marx fort. Sowohl England
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als auch Amerika, die im Sinne des Nichtvorhandenseins von Militarismus
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und Bürokratismus größten und letzten Vertreter angelsächsischer
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"Freiheit" in der ganzen Welt, sind vollständig in den allgemeinen
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europäischen, schmutzigen, blutigen Sumpf der bürokratisch-militärischen
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Institutionen hinabgesunken, die sich alles unterordnen, die alles erdrücken.
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Jetzt bildet sowohl für England als auch für Amerika das ZERBRECHEN,
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das ZERSTÖREN der "fertigen Staatsmaschine" (die dort in den Jahren
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1914 - 1917 die "europäische", allgemein-imperialistische Vollkommenheit
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erreicht hat) die "Vorbedingung jeder wirklichen Volksrevolution".
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<p>Zweitens verdient die außerordentlich tiefe Bemerkung von Marx
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besondere Beachtung, daß die Zerstörung der bürokratisch-militärischen
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Staatsmaschinerie "die Vorbedingung jeder wirklichen VOLKSrevolution" ist.
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Dieser Begriff der "Volks"revolution mutet im Munde von Marx sonderbar
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an, und die russischen Plechanowleute und Menschewiki, diese Nachfolger
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Struves, die als Marxisten gelten möchten, könnten am Ende diesen
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Ausdruck von Marx als "falschen Zungenschlag" hinstellen. Sie haben den
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Marxismus zu einem so armselig-liberalen Zerrbild herabgewürdigt,
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daß für sie außer der Gegenüberstellung von bürgerlicher
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und proletarischer Revolution nichts anderes existiert, und selbst diese
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Gegenüberstellung wird von ihnen unglaublich starr aufgefaßt.
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Nimmt man als Beispiel die Revolutionen des 20. Jahrhunderts, so wird man
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natürlich sowohl die portugiesische als auch die türkische Revolution
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als bürgerliche auffassen müssen. Aber weder die eine noch die
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andere ist eine "Volks"revolution, denn die Volksmasse, die ungeheure Mehrheit
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des Volkes, ist weder in der einen noch in der anderen Revolution aktiv,
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selbständig, mit ihren eigenen wirtschaftlichen und politischen Forderungen
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sichtbar hervorgetreten. Dagegen war die russische bürgerliche Revolution
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von 1905 bis 1907, obgleich ihr so "glänzende" Erfolge versagt blieben,
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wie sie zeitweilig der portugiesischen und der türkischen Revolution
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beschieden waren, zweifellos eine "wirkliche Volks"revolution, denn die
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Masse des Volkes, seine Mehrheit, die "untersten" Gesellschaftsschichten,
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zermürbt durch Unterjochung und Ausbeutung, erhoben sich selbständig
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und drückten dem ganzen Verlauf der Revolution den Stempel IHRER Forderungen
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auf, IHRER Versuche, auf eigene Art eine neue Gesellschaft an Stelle der
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zu zerstörenden alten aufzubauen.
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<p>Auf dem europäischen Kontinent bildete 1871 das Proletariat in
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keinem Lande die Mehrheit des Volkes. Eine "Volks"revolution, die tatsächlich
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die Mehrheit des Volkes in die Bewegung einbezieht, konnte nur dann eine
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solche sein, wenn sie sowohl das Proletariat als auch die Bauernschaft
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erfaßte. Diese beiden Klassen bildeten damals eben das "Volk". Beide
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Klassen sind dadurch vereint, daß die "bürokratisch-militärische
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Staatsmaschinerie" sie knechtet, bedrückt und ausbeutet. Diese Maschinerie
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zu ZERSCHLAGEN, die zu ZERBRECHEN - das verlangt das wirkliche Interesse
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des "Volkes", seiner Mehrheit, der Arbeiter und der Mehrzahl der Bauern,
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das ist die "Vorbedingung" für ein freies Bündnis der armen Bauern
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mit den Proletariern, ohne dieses Bündnis aber ist die Demokratie
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nicht von Dauer und die sozialistische Umgestaltung unmöglich.
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<p>Zu einem solchen Bündnis bahnte sich bekanntlich denn auch die
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Pariser Kommune den Weg, die aus einer Anzahl innerer und äußerer
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Gründe ihr Ziel nicht erreichte.
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<p>Folglich hat Marx, als er von einer "wirklichen Volksrevolution" sprach,
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ohne die Eigentümlichkeiten des Kleinbürgertums im geringsten
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zu vergessen (er sprach viel und oft davon), das tatsächliche Kräfteverhältnis
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der Klassen in den meisten Staaten des europäischen Kontinents im
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Jahre 1871 ganz genau berücksichtigt. Anderseits aber konstatierte
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er, daß das "Zerschlagen" der Staatsmaschinerie im Interesse sowohl
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der Arbeiter als auch der Bauern notwendig ist, sie einigt, sie vor die
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gemeinsame Aufgabe stellt, den "Schmarotzer" zu beseitigen und ihn durch
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etwas Neues zu ersetzen.
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<p>Und zwar wodurch?
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<p>2. Wodurch ist die zerschlagene Staatsmaschinerie zu ersetzen?
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<p>Auf diese Frage gab Marx 1847 im "Kommunistischen Manifest" eine noch
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völlig abstrakte Antwort, richtiger: eine Antwort, die die Aufgaben,
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aber nicht die Methoden ihrer Lösung zeigte. Sie ist zu ersetzen durch
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die "Organisation des Proletariats als herrschende Klasse", durch die "Erkämpfung
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der Demokratie" - das war die Antwort des "Kommunistischen Manifests".
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<p>Ohne sich auf Utopien einzulassen, erwartete Marx von den ERFAHRUNGEN
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der Massenbewegung eine Antwort auf die Frage, welche konkreten Formen
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diese Organisation des Proletariats als herrschende Klasse annehmen wird,
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in welcher Weise sich diese Organisation vereinen lassen wird mit der möglichst
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vollständigen und folgerichtigen "Erkämpfung der Demokratie".
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<p>Die Erfahrungen der Kommune, so gering sie auch waren, unterzieht Marx
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in seinem "Bürgerkrieg in Frankreich" der genauesten Analyse. Wir
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führen hier die wichtigsten Stellen aus dieser Schrift an:
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<p>Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die aus dem Mittelalter stammende
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"... zentralisierte Staatsmacht, mit ihren allgegenwärtigen Organen
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- stehende Armee, Polizei, Bürokratie, Geistlichkeit, Richterstand
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...". Mit der Entwicklung des Klassengegensatzes zwischen Kapital und Arbeit
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"... erhielt die Staatsmacht mehr und mehr den Charakter einer öffentlichen
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Gewalt zur Unterdrückung der Arbeiterklasse, einer Maschine der Klassenherrschaft.
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Nach jeder Revolution, die einen Fortschritt des Klassenkampfs bezeichnet,
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tritt der rein unterdrückende Charakter der Staatsmacht offener und
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offener hervor." Die Staatsmacht wird nach der Revolution von 1848/1849
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"... das nationale Kriegswerkzeug des Kapitals gegen die Arbeit". Das zweite
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Kaiserreich festigt dieses.
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<p>"Der gerade Gegensatz des Kaisertums war die Kommune." "Die Kommune
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war die bestimmte Form ..." "... einer Republik, die nicht nur die monarchische
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Form der Klassenherrschaft beseitigen sollte, sondern die Klassenherrschaft
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selbst."
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<p>Worin bestand nun diese "bestimmte" Form der proletarischen, sozialistischen
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Republik? Wie war der Staat beschaffen, den sie aufzubauen begonnen hatte?
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<p>"Das erste Dekret der Kommune war ... die Unterdrückung des stehenden
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Heeres und seine Ersetzung durch das bewaffnete Volk."
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<p>Diese Forderung steht heute in den Programmen aller Parteien, die als
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sozialistische gelten wollen. Aber was ihre Programme wert sind, erkennt
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man am besten aus dem Verhalten unserer Sozialrevolutionäre und Menschewiki,
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die gerade nach der Revolution vom 27. Februar auf die Verwirklichung dieser
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Forderung in der Praxis verzichtet haben!
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<p>"Die Kommune bildete sich aus den durch allgemeines Stimmrecht in den
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verschiedenen Bezirken von Paris gewählten Stadträten. Sie waren
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verantwortlich und jederzeit absetzbar. Ihre Mehrzahl bestand selbstredend
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aus Arbeitern oder anerkannten Vertretern der Arbeiterklasse ...
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<p>Die Polizei, bisher das Werkzeug der Staatsregierung, wurde sofort aller
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ihrer politischen Eigenschaften entkleidet und in das verantwortliche und
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jederzeit absetzbare Werkzeug der Kommune verwandelt. Ebenso die Beamten
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aller andern Verwaltungszweige. Von den Mitgliedern der Kommune an abwärts,
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mußte der öffentliche Dienst für ARBEITERLOHN besorgt werden.
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Die erworbnen Anrechte und die Repräsentationsgelder der hohen Staatswürdenträger
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verschwanden mit diesen Würdenträgern selbst ... Das stehende
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Heer und die Polizei, die Werkzeuge der materiellen Macht der alten Regierung
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einmal beseitigt, ging die Kommune sofort darauf aus, das geistliche Unterdrückungswerkzeug,
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die Pfaffenmacht, zu brechen ... Die richterlichen Beamten verloren jede
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scheinbare Unabhängigkeit, ... sie sollten ... fernerhin gewählt,
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verantwortlich und absetzbar sein." (18)
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<p>Die zerschlagene Staatsmaschinerie wurde also von der Kommune scheinbar
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"nur" durch eine vollständigere Demokratie ersetzt: Beseitigung des
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stehenden Heeres, vollkommene Wählbarkeit und Absetzbarkeit aller
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Amtspersonen. In Wirklichkeit jedoch bedeutet dieses "nur", daß im
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riesigen Ausmaß die einen Institutionen durch Institutionen prinzipiell
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anderer Art ersetzt wurden. Hier ist gerade einer der Fälle des "Umschlagens
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von Quantität in Qualität" wahrzunehmen: Die mit dieser denkbar
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größten Vollständigkeit und Folgerichtigkeit durchgeführte
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Demokratie verwandelt sich aus der bürgerlichen Demokratie in die
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proletarische, aus dem Staat (= einer besonderen Gewalt zur Unterdrückung
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einer bestimmten Klasse) in etwas, was eigentlich kein Staat mehr ist.
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<p>Es ist immer noch notwendig, die Bourgeoisie und ihren Widerstand niederzuhalten.
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Für die Kommune war das ganz besonders notwendig, und eine der Ursachen
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ihrer Niederlage bestand darin, daß sie das nicht entschlossen genug
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getan hat. Aber das unterdrückende Organ ist hier schon die Mehrheit
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und nicht, wie dies bisher immer, sei es unter der Sklaverei, der Leibeigenschaft
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oder der Lohnsklaverei der Fall war, die Minderheit der Bevölkerung.
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Wenn aber die Mehrheit des Volkes SELBST ihre Bedrücker unterdrückt,
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so ist eine "besondre Repressionsgewalt" SCHON NICHT MEHR NÖTIG! In
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diesem Sinne BEGINNT der Staat ABZUSTERBEN. An Stelle besonderer Institutionen
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einer bevorzugten Minderheit (privilegiertes Beamtentum, Offizierskorps
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des stehenden Heeres) kann das die Mehrheit selbst unmittelbar besorgen,
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und je größeren Anteil das gesamte Volk an der Ausübung
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der Funktionen der Staatsmacht hat, um so weniger bedarf es dieser Macht.
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<p>Besonders bemerkenswert ist in dieser Beziehung eine von Marx hervorgehobene
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Maßnahme der Kommune: die Beseitigung der Repräsentationsgelder
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jeder Art, aller finanziellen Privilegien der Beamten, die Reduzierung
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der Gehälter ALLER Amtspersonen im Staat auf das Niveau des "ARBEITERLOHNES".
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Hier gerade kommt am klarsten der UMSCHWUNG zum Ausdruck - von der bürgerlichen
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Demokratie zur proletarischen, von der Unterdrückerdemokratie zur
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Demokratie der unterdrückten Klassen, vom Staat als "BESONDRER GEWALT"
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zur Niederhaltung einer bestimmten Klasse, zur Niederhaltung der Unterdrücker
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durch die ALLGEMEINE GEWALT der Mehrheit des Volkes, der Arbeiter und Bauern.
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Und gerade in diesem, besonders anschaulichen und, was den Staat betrifft,
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|
wohl wichtigsten Punkt hat man die Marxschen Lehren am gründlichsten
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vergessen! In den populären Kommentaren, deren Zahl Legion ist, wird
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davon nicht gesprochen. Es ist "üblich", darüber zu schweigen,
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als handelte es sich um eine überlebte "Naivität", ungefähr
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so, wie die Christen die "Naivitäten" des Urchristentums mit seinem
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demokratisch-revolutionären Geiste "vergaßen", nachdem das Christentum
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zur Staatsreligion erhoben worden war.
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<p>Die Herabsetzung der Gehälter der höheren Staatsbeamten erscheint
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"einfach" als Forderung eines naiven, primitiven Demokratismus. Einer der
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"Begründer" des neuesten Opportunismus, der frühere Sozialdemokrat
|
|
Eduard Bernstein, übte sich wiederholt im Nachplappern der trivialen
|
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bürgerlichen Spötteleien über den "primitiven" Demokratismus.
|
|
Wie alle Opportunisten, wie auch die jetzigen Kautskyaner, hat er absolut
|
|
nicht begriffen, erstens, daß der Übergang vom Kapitalismus
|
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zum Sozialismus ohne eine gewisse "Rückkehr" zu "primitivem" Demokratismus
|
|
UNMÖGLICH ist (wie soll denn sonst der Übergang zur Ausübung
|
|
der staatlichen Funktionen durch die Mehrheit der Bevölkerung, ja
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|
durch die ganze Bevölkerung ohne Ausnahme erfolgen?), und zweitens,
|
|
daß "primitiver Demokratismus" auf der Basis des Kapitalismus und
|
|
der kapitalistischen Kultur etwas anderes ist als der primitive Demokratismus
|
|
der Urzeit oder der vorkapitalistischen Zeit. Die kapitalistische Kultur
|
|
hat die Großproduktion, hat Fabriken, Eisenbahnen, Post, Telefon
|
|
u.a. GESCHAFFEN, und AUF DIESER BASIS sind die meisten Funktionen der alten
|
|
"Staatsmacht" so vereinfacht worden und können auf so einfache Operationen
|
|
der Registrierung, Buchung und Kontrolle zurückgeführt werden,
|
|
daß diese Funktionen alle Leute, die des Lesens und Schreibens kundig
|
|
sind, ausüben können, so daß man sie für gewöhnlichen
|
|
"Arbeiterlohn" wird leisten und ihnen jeden Schimmer eines Vorrechts, eines
|
|
"Vorgesetztenrechts" wird nehmen können (und müssen).
|
|
<p>Die uneingeschränkte Wählbarkeit und die JEDERZEITIGE Absetzbarkeit
|
|
ausnahmslos aller beamteten Personen, die Reduzierung ihrer Gehälter
|
|
auf den gewöhnlichen "Arbeiterlohn", diese einfachen und "selbstverständlichen"
|
|
demokratischen Maßnahmen, bei denen sich die Interessen der Arbeiter
|
|
völlig mit denen der Mehrheit der Bauern decken, dienen gleichzeitig
|
|
als Brücke, die vom Kapitalismus zum Sozialismus führt. Diese
|
|
Maßnahmen betreffen die staatliche, rein politische Umgestaltung
|
|
der Gesellschaft, aber sie bekommen vollen Sinn und Bedeutung selbstverständlich
|
|
erst im Zusammenhang mit der in Verwirklichung oder Vorbereitung begriffenen
|
|
"Expropriation der Expropriateure", d.h. mit dem Übergang des kapitalistischen
|
|
Privateigentums an den Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum.
|
|
<p>"Die Kommune", schrieb Marx, "machte das Stichwort aller Bourgeoisrevolutionen
|
|
- wohlfeile Regierung - zur Wahrheit, indem sie die beiden größten
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|
Ausgabequellen, die Armee und das Beamtentum, aufhob."
|
|
<p>Aus der Bauernschaft wie auch aus den anderen Schichten des Kleinbürgertums
|
|
gelangt nur eine geringfügige Minderheit "nach oben", "bringt es zu
|
|
etwas" im bürgerlichen Sinne, d.h. wird entweder zu wohlhabenden Leuten,
|
|
zu Bourgeois, oder zu gut versorgten, privilegierten Beamten. Die gewaltige
|
|
Mehrheit der Bauernschaft wird in jedem kapitalistischen Land, in dem es
|
|
überhaupt Bauern gibt (was in den meisten kapitalistischen Ländern
|
|
der Fall ist), von der Regierung unterdrückt und sehnt deren Sturz,
|
|
sehnt eine "wohlfeile" Regierung herbei. Verwirklichen kann das NUR das
|
|
Proletariat, und indem es das verwirklicht, macht es zugleich einen Schritt
|
|
zur sozialistischen Umgestaltung des Staates.
|
|
<p>3. Aufhebung des Parlamentarismus
|
|
<p>"Die Kommune", schrieb Marx, "sollte nicht eine parlamentarische, sondern
|
|
eine arbeitende Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu
|
|
gleicher Zeit ...
|
|
<p>Statt einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied
|
|
der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll,
|
|
sollte das allgemeine Stimmrecht dem in Kommunen konstituierten Volk dienen,
|
|
wie das individuelle Stimmrecht jedem andern Arbeitgeber dazu dient, Arbeiter,
|
|
Aufseher und Buchhalter in seinem Geschäft auszusuchen."
|
|
<p>Diese bemerkenswerte Kritik am Parlamentarismus, die aus dem Jahre 1871
|
|
stammt, gehört jetzt infolge des herrschenden Sozialchauvinismus und
|
|
Opportunismus ebenfalls zu den "vergessenen Werten" des Marxismus. Die
|
|
Minister und Berufsparlamentarier, die Verräter am Proletariat und
|
|
"Geschäfts"sozialisten unserer Tage überließen die Kritik
|
|
am Parlamentarismus gänzlich den Anarchisten und verschrien aus diesem
|
|
erstaunlich klugen Grunde JEDE Kritik am Parlamentarismus als "Anarchismus"!!
|
|
Es ist durchaus nicht verwunderlich, daß das Proletariat der "fortgeschrittenen"
|
|
parlamentarischen Länder, angeekelt durch den Anblick solcher "Sozialisten"
|
|
wie der Scheidemann, David, Legien, Sembat, Renaudel, Henderson, Vandervelde,
|
|
Stauning, Branting, Bissolati, und Co., seine Sympathien immer öfter
|
|
dem Anarchosyndikalismus zuwandte, obwohl dieser der leibliche Bruder des
|
|
Opportunismus ist.
|
|
<p>Doch für Marx war die revolutionäre Dialektik nie jenes leere
|
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Modewort, jene Kinderklapper, zu der sie Plechanow, Kautsky und andere
|
|
gemacht haben. Marx verstand es, mit den Anarchisten rücksichtslos
|
|
zu brechen, weil diese es nicht vermochten, auch nur den "Saustall" des
|
|
bürgerlichen Parlamentarismus auszunutzen, besonders in Zeiten, da
|
|
offensichtlich keine revolutionäre Situation vorhanden ist; gleichzeitig
|
|
verstand er aber auch, eine wahrhaft revolutionär-proletarische Kritik
|
|
am Parlamentarismus zu üben.
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<p>Einmal in mehreren Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden
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Klasse das Volk im Parlament niederhalten und zertreten soll - das ist
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das wirkliche Wesen des bürgerlichen Parlamentarismus, nicht nur in
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den parlamentarisch-konstitutionellen Monarchien, sondern auch in den allerdemokratischsten
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Republiken.
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<p>Wirft man aber die Frage des Staates auf, betrachtet man den Parlamentarismus
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als eine der Institutionen des Staates unter dem Gesichtspunkt der Aufgaben
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des Proletariats auf DIESEM Gebiet, wo ist dann der Ausweg aus dem Parlamentarismus?
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Wie soll man da ohne ihn auskommen? Wieder und immer wieder muß man
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sagen: Die auf dem Studium der Kommune begründeten Marxschen Lehren
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sind so gründlich vergessen worden, daß dem heutigen "Sozialdemokraten"
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(lies: dem heutigen Verräter am Sozialismus) eine andere Kritik am
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Parlamentarismus als eine anarchistische oder reaktionäre einfach
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unverständlich ist. Der Ausweg aus dem Parlamentarismus ist natürlich
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nicht in der Aufhebung der Vertretungskörperschaften und der Wählbarkeit
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zu suchen, sondern in der Umwandlung der Vertretungskörperschaften
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aus Schwatzbuden in "arbeitende" Körperschaften. "Die Kommune sollte
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nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft
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sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit."
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<p>"Nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft"
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- das ist den modernen Parlamentariern und parlamentarischen "Schoßhündchen"
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der Sozialdemokratie direkt ins Stammbuch geschrieben! Man sehe sich ein
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beliebiges parlamentarisch regiertes Land an, von Amerika bis zur Schweiz,
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von Frankreich bis England, Norwegen u.a.: die eigentlichen "Staats"geschäfte
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werden hinter den Kulissen abgewickelt und von den Departements, Kanzleien
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und Stäben verrichtet. In den Parlamenten wird nur geschwatzt, speziell
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zu dem Zweck, das "niedere Volk" hinters Licht zu führen. Das ist
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so wahr, daß sich selbst in der russischen Republik, in der bürgerlich-demokratischen
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Republik sofort, noch bevor sie Zeit fand, ein richtiges Parlament zu schaffen,
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alle diese Sünden des Parlamentarismus geltend machten. Solche Helden
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des modrigen Spießbürgertums wie die Skobelew und Zereteli,
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Tschernow und Awksentjew haben es zuwege gebracht, auch die Sowjets nach
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dem Vorbild des schäbigsten bürgerlichen Parlamentarismus zu
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versauen, sie in bloße Schwatzbuden zu verwandeln. In den Sowjets
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hauen die Herren "sozialistischen" Minister die vertrauensseligen Bäuerlein
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mit Phrasen und Resolutionen übers Ohr. In der Regierung wird ein
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ewiger Tanz aufgeführt, einerseits, um der Reihe nach möglichst
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viele Sozialrevolutionäre und Menschewiki "an die Krippe" gut bezahlter
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und ehrenvoller Posten zu setzen, und anderseits, um die "Aufmerksamkeit"
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des Volkes "zu beschäftigen". In den Kanzleien, in den Stäben
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wird inzwischen "Staats"arbeit "geleistet"! "Delo Naroda", das Organ der
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an der Regierung beteiligten Partei der "Sozialrevolutionäre", erklärte
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kürzlich in einem redaktionellen Leitartikel mit der unnachahmlichen
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Offenherzigkeit der Menschen aus der "guten Gesellschaft", in der "alle"
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politische Prostitution treiben, daß selbst in den von (mit Verlaub
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zu sagen!) "Sozialisten" geleiteten Ministerien, daß selbst hier
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der gesamte Beamtenapparat im Grunde der alte bleibt, auf diese alte Weise
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funktioniert und jedes revolutionäre Beginnen ganz "frei" sabotiert!
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Ja selbst wenn dieses Eingeständnis nicht vorläge, ist denn der
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tatsächliche Verlauf der Beteiligung der Sozialrevolutionäre
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und Menschewiki an der Regierung nicht Beweis genug? Bezeichnend ist hier
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nur, daß die Herren Tschernow, Russanow, Sensinow und sonstigen Redakteure
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des "Delo Naroda", die sich in ministerieller Gemeinschaft mit den Kadetten
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befinden, dermaßen jede Scham verloren haben, daß sie sich
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nicht scheuen - als handle es sich um eine Bagatelle -, öffentlich
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zu erzählen, ohne zu erröten, daß "bei ihnen" in den Ministerien
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alles beim alten ist!! Revolutionär-demokratische Phrasen zur Betörung
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der einfältigen Bauern und bürokratische Verschleppung aller
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Angelegenheiten zur "Zufriedenstellung" der Kapitalisten - das ist das
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WESEN der "ehrlichen" Koalition.
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<p>Den korrupten und verfaulten Parlamentarismus in bürgerlicher Gesellschaft
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ersetzt die Kommune durch Körperschaften, in denen die Freiheit des
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Urteils und der Beratung nicht in Betrug ausartet, denn die Parlamentarier
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müssen selbst arbeiten, selbst ihre Gesetze ausführen, selbst
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kontrollieren, was bei der Durchführung herauskommt, selbst unmittelbar
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vor ihren Wählern die Verantwortung tragen. Die Vertretungskörperschaften
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bleiben, aber den Parlamentarismus als besonderes System, als Trennung
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der gesetzgebenden von der vollziehenden Tätigkeit, als Vorzugsstellung
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für Abgeordnete gibt es hier NICHT. Ohne Vertretungskörperschaften
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können wir uns eine Demokratie nicht denken, auch die proletarische
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Demokratie nicht; ohne Parlamentarismus können und MÜSSEN wir
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sie uns denken, soll die Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft für
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uns nicht ein leeres Gerede sein, soll das Streben nach dem Sturz der Herrschaft
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der Bourgeoisie aufrichtig und ernst gemeint und nicht eine "Wahl"parole
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sein, um Arbeiterstimmen zu fangen, wie es bei den Menschewiki und Sozialrevolutionären,
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den Scheidemann und Legien, den Sembat und Vandervelde der Fall ist.
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<p>Es ist äußerst lehrreich, daß Marx da, wo er auf die
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Funktion JENER Beamtenschaft zu sprechen kommt, die auch die Kommune und
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die proletarische Demokratie braucht, zum Vergleich die Angestellten eines
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"jeden andern Arbeitgebers" heranzieht, d.h. ein gewöhnliches kapitalistisches
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Unternehmen mit "Arbeitern, Aufsehern und Buchhaltern".
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<p>Bei Marx findet man auch nicht die Spur von Utopismus in dem Sinne,
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daß er sich die "neue" Gesellschaft erdichtet, zusammenphantasiert.
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Nein, er studiert - wie einen naturgeschichtlichen Prozeß - die GEBURT
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der neuen Gesellschaft AUS der alten, studiert die Übergangsformen
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von der alten zur neuen. Er hält sich an die tatsächlichen Erfahrungen
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der proletarischen Massenbewegung und ist bemüht, aus ihr praktische
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Lehren zu ziehen. Er "lernt" von der Kommune, wie alle großen revolutionären
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Denker sich nicht gescheut haben, aus den Erfahrungen der großen
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Bewegungen der unterdrückten Klassen zu lernen, ohne jemals pedantische
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"Moralpredigten" an sie zu richten (in der Art von Plechanow: "Man hätte
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nicht zu den Waffen greifen sollen" oder Zereteli: "Eine Klasse muß
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sich Selbstbeschränkung auferlegen").
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<p>Von einer Vernichtung des Beamtentums mit einem Schlag, überall,
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restlos, kann keine Rede sein. Das wäre eine Utopie. Aber mit einem
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Schlag die alte Beamtenmaschinerie ZERBRECHEN und sofort mit dem Aufbau
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einer neuen beginnen, die allmählich jegliches Beamtentum überflüssig
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macht und aufhebt - das ist KEINE Utopie, das lehrt die Erfahrung der Kommune,
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das ist die direkte, nächstliegende Aufgabe des revolutionären
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Proletariats.
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<p>Der Kapitalismus vereinfacht die Funktionen der "Staats"verwaltung,
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er macht es möglich, das "Vorgesetztenwesen" zu beseitigen und das
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Ganze auf die Organisation der Proletarier (als herrschende Klasse) zu
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reduzieren, die im Namen der gesamten Gesellschaft "Arbeiter, Aufseher
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und Buchhalter" einstellen wird.
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<p>Wir sind keine Utopisten. Wir "träumen" nicht davon, wie man UNVERMITTELT
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ohne jede Verwaltung, ohne jede Unterordnung auskommen könnte; diese
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anarchistischen Träumereien, die auf einem Verkennen der Aufgaben
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der Diktatur des Proletariats beruhen, sind dem Marxismus wesensfremd,
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sie dienen in Wirklichkeit nur dazu, die sozialistische Revolution auf
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die Zeit zu verschieben, da die Menschen anders geworden sein werden. Nein,
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wir wollen die sozialistische Revolution mit den Menschen, wie sie gegenwärtig
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sind, den Menschen, die ohne Unterordnung, ohne Kontrolle, ohne "Aufseher
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und Buchhalter" nicht auskommen werden.
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<p>Aber unterzuordnen hat man sich der bewaffneten Avantgarde aller Ausgebeuteten
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und Werktätigen - dem Proletariat. Die spezifische "Vorgesetztenrolle"
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der Staatsbeamten kann und muß man sofort, von heute auf morgen,
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durch die einfachen Funktionen von "Aufsehern und Buchhaltern" zu ersetzen
|
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beginnen, Funktionen, denen der heutige Städter bei seinem Entwicklungsniveau
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im allgemeinen schon vollauf gewachsen ist und die für einen "Arbeiterlohn"
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durchaus ausführbar sind.
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<p>Organisieren wir Arbeiter SELBER die Großproduktion, davon ausgehend,
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was der Kapitalismus bereits geschaffen hat, auf unsere Arbeitererfahrung
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gestützt, mit Hilfe strengster, eiserner Disziplin, die von der Staatsgewalt
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der bewaffneten Arbeiter aufrechterhalten wird; machen wir die Staatsbeamten
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zu einfachen Vollstreckern unserer Aufträge, zu verantwortlichen,
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absetzbaren, bescheiden bezahlten "Aufsehern und Buchhaltern" (dazu natürlich
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Techniker jeder Art, jeden Ranges und Grades) - das ist UNSERE proletarische
|
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Aufgabe, damit kann und muß man bei der Durchführung der proletarischen
|
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Revolution BEGINNEN. Ein solcher Anfang führt auf der Basis der Großproduktion
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von selbst zum allmählichen "Absterben" jedweden Beamtentums, zur
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allmählichen Schaffung einer Ordnung - einer Ordnung ohne Anführungszeichen,
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die mit Lohnsklaverei nichts zu tun hat -, einer Ordnung, bei der die sich
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immer mehr vereinfachenden Funktionen der Aufsicht und Rechenschaftslegung
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der Reihe nach von allen ausgeübt, später zur Gewohnheit werden
|
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und schließlich als SONDERfunktionen einer besonderen Schicht von
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Menschen in Fortfall kommen.
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<p>Ein geistreicher deutscher Sozialdemokrat der siebziger Jahre des vorigen
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Jahrhunderts bezeichnete die POST als Muster sozialistischer Wirtschaft.
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Das ist durchaus richtig. Gegenwärtig ist die Post ein Betrieb, der
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nach dem Typ des staatsKAPITALISTISCHEN Monopols organisiert ist. Der Imperialismus
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verwandelt nach und nach alle Trusts in Organisationen ähnlicher Art.
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Über den "einfachen" Werktätigen, die schuften und darben, steht
|
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hier die gleiche bürgerliche Bürokratie. Doch der Mechanismus
|
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der gesellschaftlichen Wirtschaftsführung ist hier bereits fertig
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vorhanden. Man stürze die Kapitalisten, man breche mit der eisernen
|
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Faust der bewaffneten Arbeiter den Widerstand dieser Ausbeuter, man zerschlage
|
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die bürokratische Maschinerie des modernen Staates - und wir haben
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einen von dem "Schmarotzer" befreiten technisch hochentwickelten Mechanismus
|
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vor uns, den die vereinigten Arbeiter sehr wohl selbst in Gang bringen
|
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können, indem sie Techniker, Aufseher, Buchhalter anstellen und ihrer
|
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ALLER Arbeit, wie die Arbeit ALLER "Staats"beamten überhaupt, mit
|
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dem Arbeiterlohn bezahlen. Das ist eine konkrete, praktische Aufgabe, die
|
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in bezug auf alle Trusts sofort ausführbar ist, wobei die Werktätigen
|
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von der Ausbeutung befreit und die Erfahrungen verwertet werden, die bereits
|
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die Kommune (insbesondere auf dem Gebiet des Staatsaufbaus) praktisch zu
|
|
machen begann.
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<p>Unser nächstes Ziel ist, die GESAMTE Volkswirtschaft nach dem Vorbild
|
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der Post zu organisieren, und zwar so, daß die unter der Kontrolle
|
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und Leitung des bewaffneten Proletariats stehenden Techniker, Aufseher,
|
|
Buchhalter sowie ALLE beamteten Personen ein den "Arbeiterlohn" nicht übersteigendes
|
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Gehalt beziehen. Das ist der Staat, das ist die ökonomische Grundlage
|
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des Staates, wie wir sie brauchen. Das wird uns die Beseitigung des Parlamentarismus
|
|
und das Beibehalten der Vertretungskörperschaften bringen, das wird
|
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die arbeitenden Klassen von der Prostituierung dieser Körperschaften
|
|
durch die Bourgeoisie befreien.
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<p>4. Organisierung der Einheit der Nation
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<p>"In einer kurzen Skizze der nationalen Organisation, die die Kommune
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nicht die Zeit hatte, weiter auszuarbeiten, hieß es ausdrücklich,
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daß die Kommune die politische Form selbst des kleinsten Dorfes sein
|
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... sollte." Von den Kommunen sollte auch die "Nationaldelegation" in Paris
|
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gewählt werden.
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<p>"Die wenigen, aber wichtigen Funktionen, welche dann noch für eine
|
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Zentralregierung übrigblieben, sollten nicht, wie dies absichtlich
|
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gefälscht worden, abgeschafft, sondern an kommunale, d.h. streng verantwortliche
|
|
Beamte übertragen werden.
|
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<p>Die Einheit der Nation sollte nicht gebrochen, sondern im Gegenteil
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|
organisiert werden durch die Kommunalverfassung; sie sollte eine Wirklichkeit
|
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werden durch die Vernichtung jener Staatsmacht, welche sich für die
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|
Verkörperung dieser Einheit ausgab, aber unabhängig und überlegen
|
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sein wollte gegenüber der Nation, an deren Körper sie doch nur
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ein Schmarotzerauswuchs war. Während es galt, die bloß unterdrückenden
|
|
Organe der alten Regierungsmacht abzuschneiden, sollten ihre berechtigten
|
|
Funktionen einer Gewalt, die über der Gesellschaft zu stehn beanspruchte,
|
|
entrissen und den verantwortlichen Dienern der Gesellschaft zurückgegeben
|
|
werden."
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|
<p>In welchem Maße die Opportunisten der modernen Sozialdemokratie
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diese Ausführungen von Marx nicht verstanden haben - vielleicht richtiger:
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|
nicht verstehen wollten -, beweist am besten das herostratisch (19) berühmte
|
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Buch des Renegaten Bernstein "Die Voraussetzungen des Sozialismus und die
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|
Aufgaben der Sozialdemokratie". Gerade in bezug auf die zitierten Worte
|
|
von Marx schrieb Bernstein, das sei ein Programm, "das seinem politischen
|
|
Gehalt nach in allen wesentlichen Zügen die größte Ähnlichkeit
|
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aufweist mit dem Föderalismus - Proudhons ... Bei allen sonstigen
|
|
Verschiedenheiten zwischen Marx und dem 'Kleinbürger' Proudhon" (Bernstein
|
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setzt das Wort "Kleinbürger" in Anführungszeichen, die seiner
|
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Meinung nach Ironie ausdrücken sollen) "ist in diesen Punkten der
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|
Gedankengang bei ihnen so nahe wie nur möglich." Natürlich, fährt
|
|
Bernstein fort, wächst die Bedeutung der Munizipalitäten (20),
|
|
doch meint er: "Ob freilich eine solche Auflösung der modernen Staatswesen
|
|
und die völlige Umwandlung ihrer Organisation, wie Marx und Proudhon
|
|
sie schildern (die Bildung der Nationalversammlung aus Delegierten der
|
|
Provinz- bzw. Bezirksversammlungen, die ihrerseits aus Delegierten der
|
|
Kommunen zusammenzusetzen wären), das erste Werk der Demokratie zu
|
|
sein hätte, so daß also die bisherige Form der Nationalvertretungen
|
|
wegfiele, erscheint mir zweifelhaft." (Bernstein, "Voraussetzungen", S.
|
|
134 und 136 der deutschen Ausgabe von 1899.)
|
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<p>Das ist geradezu ungeheuerlich: Marx' Ansichten über die "Vernichtung
|
|
der Staatsmacht, des Schmarotzerauswuchses" mit dem Föderalismus Proudhons
|
|
in einen Topf zu werfen! Das ist aber kein Zufall, denn dem Opportunisten
|
|
kommt es nicht einmal in den Sinn, daß Marx hier gar nicht vom Föderalismus
|
|
im Gegensatz zum Zentralismus spricht, sondern von der Zerschlagung der
|
|
alten, bürgerlichen, in allen bürgerlichen Ländern bestehenden
|
|
Staatsmaschinerie.
|
|
<p>Dem Opportunisten kommt nur das in den Sinn, was er in dem Milieu kleinbürgerlichen
|
|
Spießertums und "reformistischer" Stagnation um sich herum sieht,
|
|
nämlich nur die "Munizipalitäten"! Der Opportunist hat verlernt,
|
|
an die Revolution des Proletariats auch nur zu denken.
|
|
<p>Das ist zum Lachen. Bemerkenswert ist aber, daß über diesen
|
|
Punkt mit Bernstein nicht gestritten wurde. Bernstein wurde von vielen
|
|
widerlegt, in der russischen Literatur insbesondere von Plechanow und in
|
|
der westeuropäischen von Kautsky, aber der eine wie der andere hat
|
|
über DIESE Entstellung von Marx durch Bernstein KEIN Wort verloren.
|
|
<p>Der Opportunist hat so sehr verlernt, revolutionär zu denken und
|
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sich über die Revolution Gedanken zu machen, daß er Marx "Föderalismus"
|
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zuschreibt und ihn mit Proudhon, dem Begründer des Anarchismus, in
|
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einen Topf wirft. Und die Kautsky und Plechanow, die orthodoxe Marxisten
|
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sein möchten, die die Lehre des revolutionären Marxismus verteidigen
|
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wollen, schweigen dazu! Hier liegt eine der Wurzeln jener äußersten
|
|
Vulgarisierung der Ansichten über den Unterschied zwischen Marxismus
|
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und Anarchismus, die sowohl den Kautskyanern als auch den Opportunisten
|
|
eigen ist und auf die wir noch zu sprechen kommen werden.
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|
<p>In den angeführten Betrachtungen von Marx über die Erfahrungen
|
|
der Kommune findet sich auch nicht die Spur von Föderalismus. Marx
|
|
stimmt mit Proudhon gerade in dem überein, was der Opportunismus Bernsteins
|
|
nicht sieht. Marx geht mit Proudhon gerade da auseinander, wo Bernstein
|
|
ihre Übereinstimmung sieht.
|
|
<p>Marx stimmt mit Proudhon darin überein, daß sie beide für
|
|
das "Zerschlagen" der modernen Staatsmaschinerie sind. Diese Übereinstimmung
|
|
des Marxismus mit dem Anarchismus (sowohl mit Proudhon als auch mit Bakunin)
|
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wollen weder die Opportunisten noch die Kautskyaner sehen, denn sie haben
|
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in diesem Punkt dem Marxismus den Rücken gekehrt.
|
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<p>Marx geht sowohl mit Proudhon als auch mit Bakunin gerade in der Frage
|
|
des Föderalismus auseinander (von der Diktatur des Proletariats schon
|
|
gar nicht zu reden). Aus den kleinbürgerlichen Anschauungen des Anarchismus
|
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ergibt sich prinzipiell der Föderalismus. Marx ist Zentralist. Und
|
|
in seinen hier zitierten Darlegungen ist nicht die geringste Abweichung
|
|
vom Zentralismus enthalten. Nur Leute, die vom kleinbürgerlichen "Aberglauben"
|
|
an den Staat erfüllt sind, können die Vernichtung der bürgerlichen
|
|
Staatsmaschinerie für eine Vernichtung des Zentralismus halten!
|
|
<p>Nun, wenn aber das Proletariat und die arme Bauernschaft die Staatsgewalt
|
|
in ihre Hände nehmen, sich vollkommen frei in Kommunen organisieren
|
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und das Wirken aller Kommunen VEREINIGEN, um das Kapital zu schlagen, den
|
|
Widerstand der Kapitalisten zu brechen und das Privateigentum an den Eisenbahnen,
|
|
Fabriken, an Grund und Boden usw. der GESAMTEN Nation, der gesamten Gesellschaft
|
|
zu übertragen - wird das etwa kein Zentralismus sein? Wird das nicht
|
|
der konsequenteste demokratische Zentralismus sein? Und dazu noch proletarischer
|
|
Zentralismus?
|
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<p>Bernstein kann es einfach nicht in den Sinn kommen, daß ein freiwilliger
|
|
Zentralismus, eine freiwillige Vereinigung der Kommunen zur Nation, eine
|
|
freiwillige Verschmelzung der proletarischen Kommunen zum Zweck der Zerstörung
|
|
der bürgerlichen Herrschaft und der bürgerlichen Staatsmaschine
|
|
möglich ist. Bernstein, wie jedem Philister, erscheint der Zentralismus
|
|
als etwas, das nur von oben, nur von der Beamtenschaft und dem Militärklüngel
|
|
aufgezwungen und aufrechterhalten werden kann. Marx betonte ausdrücklich,
|
|
als ob er die Möglichkeit einer Entstellung seiner Ansichten vorausgesehen
|
|
hätte, daß die gegen die Kommune erhobene Anschuldigung, sie
|
|
hätte die Einheit der Nation vernichten, die Zentralregierung abschaffen
|
|
wollen, eine bewußte Fälschung ist. Marx gebraucht absichtlich
|
|
den Ausdruck "Die Einheit der Nation sollte organisiert werden", um den
|
|
bewußten, demokratischen, proletarischen Zentralismus dem bürgerlichen,
|
|
militärischen, bürokratischen entgegenzustellen. Aber ... schlimmer
|
|
als jeder Taube ist, wer nicht hören will. Und die Opportunisten der
|
|
heutigen Sozialdemokratie wollen eben von einer Vernichtung der Staatsmacht,
|
|
von einem Abschneiden des Schmarotzerauswuchses nichts hören.
|
|
<p>5. Vernichtung des Schmarotzers Staat
|
|
<p>Wir haben bereits die entsprechenden Stellen aus Marx angeführt,
|
|
wir müssen sie aber noch ergänzen.
|
|
<p>"Es ist das gewöhnliche Schicksal neuer geschichtlicher Schöpfungen",
|
|
schrieb Marx, "für das Seitenstück älterer und selbst verlebter
|
|
Formen des gesellschaftlichen Lebens versehn zu werden, denen sie einigermaßen
|
|
ähnlich sehn. So ist diese neue Kommune, die die moderne Staatsmacht
|
|
bricht, angesehn worden für eine Wiederbelebung der mittelalterlichen
|
|
Kommunen ... einen Bund kleiner Staaten, wie Montesquieu und die Girondins
|
|
in träumten ... für eine übertriebne Form des alten Kampfes
|
|
gegen Überzentralisation ...
|
|
<p>Die Kommunalverfassung würde im Gegenteil dem gesellschaftlichen
|
|
Körper alle die Kräfte zurückgegeben haben, die bisher der
|
|
Schmarotzerauswuchs "Staat", der von der Gesellschaft sich nährt und
|
|
ihre freie Bewegung hemmt, aufgezehrt hat. Durch diese Tat allein würde
|
|
sie die Wiedergeburt Frankreichs in Gang gesetzt haben ...
|
|
<p>In Wirklichkeit aber hätte die Kommunalverfassung die ländlichen
|
|
Produzenten unter die geistige Führung der Bezirkshauptstädte
|
|
gebracht und ihnen dort, in den städtischen Arbeitern, die natürlichen
|
|
Vertreter ihrer Interessen gesichert. - Das bloße Bestehn der Kommune
|
|
führte, als etwas Selbstverständliches, die lokale Selbstregierung
|
|
mit sich, aber nun nicht mehr als Gegengewicht gegen die, jetzt überflüssig
|
|
gemachte, Staatsmacht."
|
|
<p>"Vernichtung der Staatsmacht", die ein "Schmarotzerauswuchs" war, ihre
|
|
"Abschneidung", ihre "Zerstörung", "die jetzt überflüssig
|
|
gemachte Staatsmacht" - das sind die Ausdrücke, in denen Marx vom
|
|
Staat sprach, als er die Erfahrungen der Kommune beurteilte und analysierte.
|
|
<p>Dies alles ist vor nahezu einem halben Jahrhundert geschrieben worden,
|
|
und heute muß man gewissermaßen Ausgrabungen machen, um dem
|
|
Bewußtsein der breiten Massen den unverfälschten Marxismus nahezubringen.
|
|
Die Schlußfolgerungen aus den Beobachtungen der letzten von Marx
|
|
erlebten großen Revolution vergaß man gerade dann, als die
|
|
Zeit der folgenden großen Revolutionen des Proletariats kam.
|
|
<p>"Die Mannigfaltigkeit der Deutungen, denen die Kommune unterlag, und
|
|
die Mannigfaltigkeit der Interessen, die sich in ihr ausgedrückt fanden,
|
|
beweisen, daß sie eine durch und durch ausdehnungsfähige politische
|
|
Form war, während alle früheren Regierungsformen wesentlich unterdrückend
|
|
gewesen waren. Ihr wahres Geheimnis war dies: Sie war wesentlich eine REGIERUNG
|
|
DER ARBEITERKLASSE, das Resultat des Kampfes der hervorbringenden gegen
|
|
die aneignende Klasse, die endlich entdeckte politische Form, unter der
|
|
die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte.
|
|
<p>Ohne diese letzte Bedingung war die Kommunalverfassung eine Unmöglichkeit
|
|
und eine Täuschung."
|
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<p>Die Utopisten befaßten sich mit der "Entdeckung" politischer Formen,
|
|
unter denen die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft vor sich gehen
|
|
sollte. Die Anarchisten wollten von der Frage nach den politischen Formen
|
|
überhaupt nichts wissen. Die Opportunisten der heutigen Sozialdemokratie
|
|
betrachteten die bürgerlichen politischen Formen des parlamentarischen
|
|
demokratischen Staates als die unüberschreitbare Grenze, sie schlugen
|
|
sich beim Anbeten dieses "Vorbilds" die Stirnen wund und erklärten
|
|
jedes Bestreben, diese Formen zu BRECHEN, als Anarchismus.
|
|
<p>Marx hat aus der ganzen Geschichte des Sozialismus und des politischen
|
|
Kampfes gefolgert, daß der Staat verschwinden muß, daß
|
|
die Übergangsform seines Verschwindens (der Übergang vom Staat
|
|
zum Nichtstaat) das "als herrschende Klasse organisierte Proletariat" sein
|
|
wird. Marx unternahm es aber nicht, die politischen FORMEN dieser Zukunft
|
|
zu ENTDECKEN. Er beschränkte sich auf eine genaue Beobachtung der
|
|
französischen Geschichte, analysierte sie und zog die Schlußfolgerung,
|
|
die sich aus dem Jahr 1851 ergab: Die ZERTRÜMMERUNG der bürgerlichen
|
|
Staatsmaschinerie wird auf die Tagesordnung gesetzt.
|
|
<p>Und als die revolutionäre Massenbewegung des Proletariats ausgebrochen
|
|
war, begann Marx, trotz des Mißerfolgs dieser Bewegung, trotz ihrer
|
|
kurzen Dauer und augenfälligen Schwäche, zu forschen, welche
|
|
Formen sie ENTDECKT hat.
|
|
<p>Die Kommune ist die von der proletarischen Revolution "endlich entdeckte"
|
|
Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen
|
|
kann.
|
|
<p>Die Kommune ist der erste Versuch der proletarischen Revolution, die
|
|
bürgerliche Staatsmaschinerie zu ZERSCHLAGEN, ist die "endlich entdeckte"
|
|
politische Form, durch die man das Zerschlagene ERSETZEN kann und muß.
|
|
<p>Wir werden in der weiteren Darlegung sehen, daß die russischen
|
|
Revolutionen von 1905 und 1917 in einer anderen Situation, unter anderen
|
|
Umständen, das Werk der Kommune fortsetzen und die geniale historische
|
|
Analyse von Marx bestätigen.
|
|
<center>
|
|
<p><a href="le25_446.htm">nächster Teil</a></center>
|
|
|
|
<p>
|
|
<hr>
|
|
|
|
|
|
<p>
|
|
<hr>
|
|
</body>
|
|
</html> |