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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx - Der orientalische Krieg</TITLE>
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</I><FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 10, S. 20-30<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961</FONT> </P>
<H2>Karl Marx</H2>
<H1>[Der orientalische Krieg]</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["Zuid Afrikaan" vom 6. M&auml;rz 1854]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S20">&lt;20&gt;</A></B> London, 14. Januar 1854.</P>
<P>Endlich scheint die schon so lange schwebende "orientalische Frage" einen Punkt erreicht zu haben, an dem die Diplomatie nicht l&auml;nger mehr imstande sein wird, mit ihrer immer sich &auml;ndernden und ewig resultatlosen T&auml;tigkeit dieses Feld zu beherrschen. Am 3. d.M. sind die franz&ouml;sische und die britische Flotte in das Schwarze Meer vorgedrungen, um Angriffe des russischen Geschwaders auf die t&uuml;rkische Flotte oder die t&uuml;rkische K&uuml;ste zu verhindern. Zar Nikolaus hat schon einmal erkl&auml;rt, da&szlig; ein solcher Schritt f&uuml;r ihn das Signal zu einer Kriegserkl&auml;rung w&auml;re. Wird er ihn nun ruhig hinnehmen? Ein Bericht von heute meldet, da&szlig; die vereinigten franz&ouml;sischen und englischen Flotten zusammen mit der ersten Division der t&uuml;rkischen Flotte 17.000 T&uuml;rken nach Batum bringen. Wenn das stimmt, so ist das geradesogut eine Kriegshandlung, als wenn sie einen direkten Angriff auf Sewastopol untern&auml;hmen, und der Zar kann nicht umhin, sofort den Krieg zu erkl&auml;ren.</P>
<P>Wird aber Ru&szlig;land alleinstehen? Wessen Partei w&uuml;rden &Ouml;sterreich und Preu&szlig;en in einem allgemeinen Krieg ergreifen?</P>
<P>Man sagt, Louis Bonaparte habe der &ouml;sterreichischen Regierung zu verstehen gegeben, da&szlig; die franz&ouml;sische Regierung - falls es zu einem Konflikt mit Ru&szlig;land komme und &Ouml;sterreich dessen Partei ergreifen sollte - sich die aufst&auml;ndischen Elemente zunutze machen werde, die in Italien und Polen nur eines Funkens bed&uuml;rften, um wieder zur verheerenden Flamme angefacht zu werden, und da&szlig; Frankreich alsdann die Wiederherstellung der italienischen und polnischen Nation anstreben werde. Die &ouml;sterreichische Regierung jedoch, dessen k&ouml;nnen wir sicher sein, wird sich mehr durch ihre <A NAME="S21"><B>&lt;21&gt;</A></B> eigenen finanziellen Schwierigkeiten als durch die Drohungen Bonapartes beeinflussen lassen.</P>
<P>Auf den Zustand der &ouml;sterreichischen Staatskasse kann man schlie&szlig;en aus der j&uuml;ngsten Zunahme der entwerteten Banknoten und aus dem neuen Ausweg der Regierung, eine Abwertung des von ihr selbst ausgegebenen Papiergeldes um 15 p.c. anzuordnen. Dieser Kunstgriff, der eine Entwertung des eigenen Papiergeldes bewirkt, bringt die Findigkeit, Steuern zu ersinnen, wahrscheinlich zu h&ouml;chster Vollendung - er besteuert die Zahlung von Steuern. Den deutschen Zeitungen zufolge wird das &ouml;sterreichische Budget f&uuml;r 1854 ein Defizit von 45.000.000 Gulden im ordentlichen Haushalt und von 50.000.000 Gulden im au&szlig;erordentlichen Haushalt aufweisen. Zum hundertsten Male geht &Ouml;sterreich einer Anleihe entgegen, aber in einer Weise, die keinen Erfolg verspricht. Man beabsichtigt jetzt, eine Anleihe von 50.000.000 Gulden zu dem h&ouml;chst offenkundigen Zweck aufzunehmen, f&auml;llige Zinsen zu zahlen und einigen anderen dringenden Forderungen nachzukommen.</P>
<P>Als in Wien die Nachricht von der bevorstehenden Einfahrt des vereinigten Geschwaders in das Schwarze Meer eintraf, hatten die Geldwechsler vollauf zu tun, um Papiergeld gegen Silberm&uuml;nzen einzutauschen. Die Besitzer von 100- und 200-Gulden-Scheinen str&ouml;mten zu ihren Kontoren, um ihre gef&auml;hrdeten Sch&auml;tze in Sicherheit zu bringen. Dennoch wird im entscheidenden Moment der Einflu&szlig; St. Petersburgs auf Wien den Ausschlag geben und &Ouml;sterreich auf Ru&szlig;lands Seite in den kommenden Krieg verwickeln. Preu&szlig;en wiederum versucht das Spiel von 1780, 1800 und 1805 zu wiederholen, d.h. einen Bund neutraler baltischer oder norddeutscher Staaten zu bilden, an dessen Spitze es eine nicht unbedeutende Rolle spielen und sich auf jene Seite schlagen k&ouml;nnte, die ihm die gr&ouml;&szlig;ten Vorteile bietet.</P>
<P>Da&szlig; die t&uuml;rkisch-europ&auml;ischen Flotten Sewastopol zerst&ouml;ren und die russische Schwarzmeerflotte vernichten, da&szlig; sie die Krim nehmen und halten k&ouml;nnen, Odessa besetzen, das Asowsche Meer blockieren und die Bergbewohner des Kaukasus entfesseln k&ouml;nnen, daran ist nicht zu zweifeln. Die Ma&szlig;nahmen, die in der Ostsee ergriffen werden m&uuml;ssen, liegen ebenso auf der Hand wie die im Schwarzen Meer: eine Allianz um jeden Preis mit Schweden; eine Einsch&uuml;chterung D&auml;nemarks, falls es notwendig sein sollte; ein Aufstand in Finnland, der ausbrechen w&uuml;rde, wenn gen&uuml;gend Truppen landeten, und eine Garantie, da&szlig; kein Frieden geschlossen werden darf ohne die Bedingung, da&szlig; diese Provinz wieder mit Schweden vereinigt wird. Die in Finnland gelandeten Truppen w&uuml;rden Petersburg bedrohen, w&auml;hrend die Flotte Kronstadt beschie&szlig;t.</P>
<B><P><A NAME="S22">&lt;22&gt;</A></B> Das Ganze wird von dem entschlossenen und energischen Vorgehen der Seem&auml;chte Europas abh&auml;ngen.</P>
<P>Die "Neue Preu&szlig;ische Zeitung" vom 29. v.M. best&auml;tigt die Nachricht, da&szlig; der Kaiser von Ru&szlig;land die Mobilmachung f&uuml;r s&auml;mtliche Truppen seines Reiches befohlen habe. Er hat nicht nur seine Einlagen von den englischen und franz&ouml;sischen Banken zur&uuml;ckgezogen, sondern auch eine freiwillige Spendensammlung unter dem Adel angeordnet sowie verf&uuml;gt, den Eisenbahnbau einzustellen, um Menschen und Geld, die f&uuml;r diese Arbeiten erforderlich sind, f&uuml;r den Krieg einzusetzen.</P>
<P>Andrerseits schreiten die R&uuml;stungen in Frankreich energischer denn je voran; die zweite H&auml;lfte des 80.000-Mann-Kontingents von 1852 ist einberufen worden. Auch in Frankreich hat man seit langem eine Anleihe von 200.000.000 Francs (ungef&auml;hr 8.000.000 Pfd.St.) in Erw&auml;gung gezogen, doch die Lebensmittelteuerung, der ungen&uuml;gende Ertrag der Weinernte und der Seidengewinnung, die allgemeine Stagnation in Handel und Industrie, die gro&szlig;en Bef&uuml;rchtungen wegen der Ende Februar zu leistenden Zahlungen, die fallende Tendenz der Staatspapiere und Eisenbahnaktien - all das ist keineswegs geeignet, ein solches Unternehmen zu erleichtern.</P>
<P>Die britische Regierung hat die Absicht, wie die "Times" meldet, die Zahl der Matrosen und Seesoldaten f&uuml;r das laufende Jahr auf 53.000 Mann zu erh&ouml;hen, was die im vorigen Jahr bewilligte Zahl um etwa 8.000 und die unter der Regierung Lord Derbys einberufene Zahl um weitere 5.000 &uuml;bersteigt. Insgesamt kann man daher die Verst&auml;rkung der Kriegsflotte seit 1852 mit ungef&auml;hr 13.000 Mann annehmen. Die Mannschaften der Flotte sollen jetzt 38.000 Matrosen und Schiffsjungen und 15.000 Seesoldaten umfassen.</P>
<P>Endlich ist die Wahrheit &uuml;ber die Aff&auml;re von Sinope heraus. Angaben zufolge, die &uuml;ber das Verh&auml;ltnis der St&auml;rke Ru&szlig;lands und der T&uuml;rkei bei Sinope ver&ouml;ffentlicht wurden, hatten die Russen drei Dampf-Zweidecker, einen Dreidecker und 680 Kanonen mehr als die t&uuml;rkischen Streitkr&auml;fte. So betrachtet, hat Sinope Ru&szlig;lands Macht um nichts vergr&ouml;&szlig;ert und die der T&uuml;rkei um nichts vermindert, ganz im Gegenteil. Hier stehen wir vor einer Tatsache, die selbst in den Annalen der britischen Flotte nicht ihresgleichen findet - Fregatten, die sich Bord an Bord an Linienschiffe legen, und Kapit&auml;ne, die die Fackel in das Pulvermagazin werfen und sich selbst als Brandopfer auf dem Altar des Vaterlandes darbringen. Die eigentliche Seestreitmacht der T&uuml;rkei ist unangetastet; nicht ein Linienschiff, nicht ein Dampfer ging verloren. Doch damit nicht genug. Nach den letzten Nachrichten wurde einer der besten Dreidecker der russischen Flotte, die "Rostislaw", ein <A NAME="S23"><B>&lt;23&gt;</A></B> Schiff mit 120 Kanonen, von den T&uuml;rken versenkt. Dieser Verlust, der bislang unter dem passenden Vorwand verschwiegen wurde, die "Rostislaw" sei nicht w&auml;hrend des Kampfes, sondern unmittelbar danach gesunken, wird jetzt von den Russen zugegeben und bildet einen guten Ausgleich f&uuml;r die Verluste der t&uuml;rkischen Flotte. Wenn tats&auml;chlich ein Dreidecker versenkt wurde, so k&ouml;nnen wir annehmen, da&szlig; auch die anderen russischen Schiffe wirklich sehr ernsthafte Besch&auml;digungen w&auml;hrend des Kampfes erlitten haben, so da&szlig; im Grunde genommen der Sieg bei Sinope die russische Flotte mehr geschw&auml;cht haben d&uuml;rfte als die t&uuml;rkische. Als der Pascha von &Auml;gypten von der Katastrophe bei Sinope erfuhr, befahl er, sogleich 6 Fregatten, 5 Korvetten und 3 Briggs auszur&uuml;sten, um die L&uuml;cken in der t&uuml;rkischen Flotte wieder zu schlie&szlig;en.</P>
<P>Die &auml;gyptische Dampffregatte "Pervas-Bahri", die von der weit gr&ouml;&szlig;eren russischen Dampffregatte "Wladimir" au&szlig;er Gefecht gesetzt und nach nahezu f&uuml;nfst&uuml;ndigem Kampf genommen wurde, war von Einschl&auml;gen derart durchl&ouml;chert, da&szlig; sie nur mit M&uuml;he nach Sewastopol gebracht werden konnte, wo sie sofort sank. Die "Pervas-Bahri" wurde in den Hafen von Sewastopol nur mit Hilfe ihres ersten Maschinisten, des Engl&auml;nders Bell, gesteuert, dem der Admiral Kornilow sofortige Freilassung versprochen hatte, wenn es ihm gel&auml;nge, das Schiff dorthin in Sicherheit zu bringen. Statt aber nach der Ankunft in Sewastopol freigelassen zu werden, wurden Herr Bell und die ihm unterstellten Maschinisten und Heizer in strenge Haft genommen und auf die k&auml;rgliche Ration von 3 Pence pro Tag gesetzt; au&szlig;erdem gab man ihnen zu verstehen, da&szlig; sie in dieser rauhen Jahreszeit 80 Meilen zu Fu&szlig; ins Landinnere marschieren m&uuml;&szlig;ten. Der Zar und seine Minister billigten das Vorgehen F&uuml;rst Menschikows, des Befehlshabers von Sewastopol, und stellten sich taub gegen&uuml;ber den Einw&auml;nden des britischen Konsuls in Odessa und des britischen Gesandten in St. Petersburg. Es ist bereits bekannt, da&szlig; bei der Schlacht von Sinope zwei englische Handelsschiffe, die in eigenen Gesch&auml;ften unterwegs waren, ohne jeden Anla&szlig; erbarmungslos in die allgemeine Vernichtung einbezogen wurden. Das Folgende ist die einfache Schilderung von der Zerst&ouml;rung eines der beiden Schiffe, wie sie ein franz&ouml;sisches Blatt bringt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Am 30. November hatte die Brigantine 'Howard' aus Bideford, einem Seehafen in S&uuml;dengland, eine Ladung Kohlen f&uuml;r den &ouml;sterreichischen Konsul in Sinope, Herrn Pirentz, gel&ouml;scht und lag vor Anker, um Ballast zu laden und dann nach Fatsa zu segeln, wo sie eine Ladung Getreide &uuml;bernehmen und nach England bringen sollte, als pl&ouml;tzlich die russische Flotte auftauchte und, ohne den fremden Schiffen ein Zeichen oder irgendeine M&ouml;glichkeit zu geben, sich au&szlig;er Gefahr zu bringen, ein schweres <A NAME="S24"><B>&lt;24&gt;</A></B> Kugel- und Bombenfeuer auf die vor Anker liegende t&uuml;rkische Flotte er&ouml;ffnete und binnen weniger Minuten die 'Howard' und andere Handelsschiffe im Hafen vollst&auml;ndig zerst&ouml;rte."</P>
</FONT><P>Mit dieser abscheulichen Verletzung des V&ouml;lkerrechts wurde in dem Odessaer Tagesbericht geprahlt, w&auml;hrend die russischen Zeitungen gleichzeitig in h&ouml;hnischen Worten meldeten, da&szlig; zu einer Zeit, da die englische Flotte nicht wagte, ins Schwarze Meer einzulaufen, die englische Regierung die Benutzung ihrer Werften zur &Uuml;berholung eines russischen Kriegsschiffes nicht abzulehnen wagte.</P>
<P>Die letzte Post hat uns weitere erg&auml;nzende Nachrichten &uuml;ber die j&uuml;ngsten milit&auml;rischen Ereignisse in Asien gebracht. Anscheinend sind die T&uuml;rken gezwungen worden, den russischen Teil Armeniens g&auml;nzlich zu r&auml;umen, doch ist der genaue Ausgang der Gefechte, die diesen R&uuml;ckzug veranla&szlig;t haben, noch nicht bekannt. Ein t&uuml;rkisches Korps war auf direktem Wege von Ardagan nach Achalzych vorgedrungen, w&auml;hrend eine andere Abteilung den s&uuml;dlichen Weg von Kars &uuml;ber Alexandropol (auf georgisch Gumry) nach Tiflis eingeschlagen hatte. Beide Gruppen scheinen auf die Russen gesto&szlig;en zu sein. Nach russischen Berichten wurden die T&uuml;rken auf beiden Vormarschwegen geschlagen und verloren ungef&auml;hr 40 Kanonen. Offizielle t&uuml;rkische Berichte besitzen wir nicht; doch in Privatkorrespondenzen wird der R&uuml;ckzug mit der Notwendigkeit begr&uuml;ndet, Winterquartiere zu beziehen. Fest steht jedenfalls, da&szlig; die T&uuml;rken das russische Territorium bis auf das Fort St. Nikolaja ger&auml;umt haben, da&szlig; die Russen sie verfolgten und da&szlig; sich ihre Vorhut sogar bis auf eine Meile vor Kars wagte, wo sie zur&uuml;ckgeschlagen wurde. Wir wissen au&szlig;erdem, da&szlig; die t&uuml;rkische Armee Anatoliens, die sich aus den asiatischen Provinzen, dem Bollwerk der altmuselmanischen Barbarei, rekrutiert und in ihren Reihen eine gro&szlig;e Anzahl irregul&auml;rer Truppen hat, unzuverl&auml;ssige, wenngleich im allgemeinen tapfere Gelegenheitssoldaten, Abenteurer und kurdische Freibeuter -, da&szlig; die Armee Anatoliens nicht mit der best&auml;ndigen, disziplinierten und ausgebildeten Armee Rumeliens zu vergleichen ist, wo der Befehlshaber wei&szlig;, wie viele und welche Leute er Tag f&uuml;r Tag unter seinem Kommando hat, und wo dem Drang nach Abenteuern auf eigene Faust und eigenm&auml;chtigem Pl&uuml;ndern durch Kriegsartikel und Kriegsgerichte Einhalt geboten wird. Wir wissen, da&szlig; die Russen, denen es zu Beginn des asiatischen Feldzuges sehr an Truppen mangelte, durch die 13. Infanteriedivision (16.000 Mann) unter Generalleutnant Obrutschew II und eine Abteilung Donkosaken verst&auml;rkt wurden; wir wissen, da&szlig; es ihnen gelang, die Bergbewohner in Schranken zu halten und ihre Kommunikationen sowohl &uuml;ber den Kaukasus durch Wladikawkas als auch auf dem Seewege <A NAME="S25"><B>&lt;25&gt;</A></B> nach Odessa und Sewastopol aufrechtzuerhalten. Wenn wir diese Umst&auml;nde bedenken und ber&uuml;cksichtigen, da&szlig; der t&uuml;rkische Befehlshaber Abdi Pascha entweder ein Verr&auml;ter oder ein Dummkopf war (er ist inzwischen abberufen und Achmed Pascha an seiner Stelle ernannt worden), brauchen wir uns &uuml;berhaupt nicht zu wundern, wenn die T&uuml;rken geschlagen worden sind, obgleich kein Zweifel daran bestehen kann, da&szlig; die russischen Tagesberichte gew&ouml;hnlich &uuml;bertreiben.</P>
<P>An der Donau haben die Russen vor kurzem Matschin, eine an einem Donauarm gelegene Festung, angegriffen. Ein Dampfer und zwei Kanonenboote kreuzten auf; sie wurden von heftigem Feuer empfangen. Es hei&szlig;t, die Kanonenboote seien zum Sinken gebracht und der Dampfer so stark besch&auml;digt worden, da&szlig; er eilends umkehren mu&szlig;te. Drei oder vier Scharm&uuml;tzel ereigneten sich teils zwischen den Vorposten bei Kalafat, teils zwischen den russischen Posten an der Donau und kleinen t&uuml;rkischen Abteilungen, die &uuml;ber den Strom setzten, um sie zu &uuml;berrumpeln. Die T&uuml;rken behaupten, in allen Gefechten die Oberhand behalten zu haben. Es ist zu bedauern, da&szlig; den t&uuml;rkischen irregul&auml;ren Truppen, die sich ganz besonders f&uuml;r solche Aktionen eignen, nicht schon l&auml;ngst der Befehl gegeben wurde, diesen Kleinkrieg mit gr&ouml;&szlig;ter Aktivit&auml;t zu f&uuml;hren. Sie w&auml;ren den Kosaken &uuml;berlegen gewesen, h&auml;tten das Vorpostensystem des Gegners, das notwendig unzul&auml;nglich ist, weil es sich &uuml;ber eine L&auml;nge von 300 Meilen erstreckt, desorganisiert; sie h&auml;tten die russischen Pl&auml;ne gest&ouml;rt, genaue Kenntnis von den Bewegungen des Gegners erlangt und w&auml;ren bei entsprechend vorsichtigem und k&uuml;hnem Vorgehen in jedem Gefecht siegreich geblieben.</P>
<P>Aus soeben empfangenen telegraphischen Nachrichten geht hervor, da&szlig;</P>
<FONT SIZE=2><P>"am 6. d.M. eine 15.000 Mann starke t&uuml;rkische Division mit 15 Kanonen die verschanzte Stellung bei Cetate, unweit von Kalafat, angriff und im Sturm nahm; die Russen verloren 2.500 Mann; eine Verst&auml;rkung von 18.000 Russen, die von Karakal anr&uuml;ckte, wurde zum R&uuml;ckzug gezwungen und verlor dabei 250 Mann".</P>
</FONT><P>Einem anderen Bericht zufolge hat sich die gro&szlig;e Mehrheit der Bev&ouml;lkerung der Kleinen Walachei gegen die Russen erhoben, und diese haben Krajowa belagert.</P>
<P>Unterdessen ersch&ouml;pfte sich Ru&szlig;land in Bem&uuml;hungen, &uuml;berall in der Welt, an den Grenzen Britisch-Indiens, in Persien, Serbien, Schweden, D&auml;nemark etc., K&ouml;der auszuwerfen oder Furcht einzufl&ouml;&szlig;en. In Persien war es zu einer Differenz zwischen dem britischen Gesandten und der Regierung des Schahs gekommen. Als der Schah schon nachgeben wollte, mischte sich der russische Gesandte in der Absicht ein, den Schah nicht nur gegen England <A NAME="S26"><B>&lt;26&gt;</A></B> aufzuhetzen, sondern ihn au&szlig;erdem zu offener Feindschaft mit der Pforte und zu einer Kriegserkl&auml;rung an die T&uuml;rken zu dr&auml;ngen. Dieses R&auml;nkespiel soll jedoch vereitelt worden sein durch die Drohung des britischen Gesch&auml;ftstr&auml;gers Thompson, aus Teheran abzureisen, sowie durch die Gefahr eines schlagartig ausbrechenden Unwillens des persischen Volkes gegen Ru&szlig;land und durch das Eintreffen einer afghanischen Gesandtschaft, die mit einem Einfall der Afghanen in persisches Gebiet drohte, falls Persien ein B&uuml;ndnis mit Ru&szlig;land einginge.</P>
<P>Zur gleichen Zeit wurde Serbien von einer Unmenge russischer Agenten &uuml;berschwemmt; sie erkundeten Orte und forschten nach Personen, von denen fr&uuml;her bekannt gewesen, da&szlig; sie der verbannten Dynastie der Obrenovi ergeben waren, sprachen mit dem einen &uuml;ber den jungen F&uuml;rsten Michael - mit den andren &uuml;ber seinen alten Vater Milos, n&auml;hrten bald die Hoffnung in ihnen auf Ausdehnung der Grenzen Serbiens unter dem Schutz Ru&szlig;lands, auf die Bildung eines neuen K&ouml;nigreichs Illyrien, das alle serbisch sprechenden Menschen vereinigen soll, die sich gegenw&auml;rtig unter der Herrschaft der T&uuml;rkei und &Ouml;sterreichs befinden - bald drohten sie ihnen mit unz&auml;hligen Armeen und v&ouml;lliger Unterjochung, falls sie sich widersetzten. Trotz dieser in verschiedenen Richtungen unausgesetzt betriebenen Intrigen ist es Ru&szlig;land nicht gelungen, die Bande zwischen den Serben und dem Sultan zu zerrei&szlig;en; im Gegenteil, man erwartete in Belgrad zwei Fermane aus Konstantinopel, von denen der eine alle bestehenden Verbindungen zwischen Serbien und Ru&szlig;land beseitigen und der andere alle dem serbischen Volk im Laufe der Zeit zugestandenen Privilegien best&auml;tigen sollte. Ferner hat die russische Regierung eifrig Verhandlungen in Stockholm und Kopenhagen betrieben, mit dem Ziel, die Regierungen Schwedens und D&auml;nemarks zu bewegen, in dem nahenden europ&auml;ischen Konflikt sich auf Ru&szlig;lands Seite zu stellen. Der Hauptzweck, den es mit einem solchen B&uuml;ndnis verfolgt, ist, zu erreichen, da&szlig; der Sund und der Belt f&uuml;r die westlichen M&auml;chte gesperrt werden. Alles, was es bisher erreicht hat, ist der Abschlu&szlig; eines Vertrages zwischen Schweden, D&auml;nemark und Preu&szlig;en &uuml;ber eine bewaffnete Neutralit&auml;t und sind R&uuml;stungsvorbereitungen, die sich offenkundig gegen Ru&szlig;land selbst richten. Privatkorrespondenzen aus Schweden frohlocken &uuml;ber die M&ouml;glichkeit, das Herzogtum Finnland, das von Ru&szlig;land ohne Kriegserkl&auml;rung so sch&auml;ndlich in Besitz genommen wurde, dem Skandinavischen K&ouml;nigreich wieder einzuverleiben. In D&auml;nemark ist die Haltung des Hofes, nicht des Volkes, fragw&uuml;rdiger. Es geht sogar das Ger&uuml;cht, der jetzige d&auml;nische Minister des Ausw&auml;rtigen werde zur&uuml;cktreten, und seinen Platz werde Graf Reventlow-Criminil einnehmen, ein Mann, der f&uuml;r seine engen Beziehungen <A NAME="S27"><B>&lt;27&gt;</A></B> zum St. Petersburger Hof bekannt ist. In Frankreich hatte die "Fusion" der Orleanisten und Legitimisten dank Ru&szlig;lands Einwirken einigen Erfolg; unterdessen setzt dieselbe Macht Himmel und H&ouml;lle in Bewegung, um die Entente cordiale zwischen den Regierungen Englands und Frankreichs zu untergraben und Zwietracht zwischen ihnen zu s&auml;en. Einige Pariser Zeitungen, die von Kisselew bezahlt werden, versuchen Mi&szlig;trauen gegen die Aufrichtigkeit der englischen Regierung zu wecken, und wie wir sehen, stellt auch in England eine Zeitung, die von Brunnow bezahlt wird, ihrerseits die Aufrichtigkeit der franz&ouml;sischen Regierung in Zweifel. Ein weiterer Schlag, der sich haupts&auml;chlich gegen die Westm&auml;chte richtet, ist das russische Verbot &uuml;ber die Ausfuhr von polnischem Getreide.</P>
<P>Indessen waren die Schritte der westlichen Diplomatie keinesfalls ru&szlig;landfeindlich, sondern zeigten im Gegenteil eher eine allzu eifrige Neigung, der Gerechtigkeit aus dem Weg und mit dem Verbrechen zusammenzugehen. Es leuchtet jetzt jedem ein, da&szlig; diese Schritte falsch und verh&auml;ngnisvoll gewesen sind. Die Wiedergeburt der Wiener Konferenz und das dort am 5. v.M. abgefa&szlig;te Protokoll, das Schreiben des franz&ouml;sischen und des britischen Gesandten in Konstantinopel an Reschid Pascha, die gemeinsame Note der vier Gro&szlig;m&auml;chte, die am 15. v.M. der Pforte &uuml;berreicht und am 31. vom Sultan angenommen wurde, das Zirkular von Drouyn de Lhuys vom 30. v.M. an die franz&ouml;sischen diplomatischen Vertreter, worin die Einfahrt der vereinigten Flotten ins Schwarze Meer angezeigt wird - dies sind die wesentlichen Ereignisse aus der diplomatischen Geschichte der letzten sechs Wochen. &Uuml;ber den Inhalt des Protokolls der Wiener Konferenz werden Ihre Leser schon fr&uuml;her unterrichtet worden sein. Kann es etwas L&auml;cherlicheres geben als die darin enthaltene Behauptung,</P>
<FONT SIZE=2><P>"die zu wiederholten Malen vom Kaiser von Ru&szlig;land gegebenen Versicherungen schlossen den Gedanken aus, da&szlig; dieser erlauchte Souver&auml;n irgendwelche Absichten eines Angriffs auf die Integrit&auml;t des Ottomanischen Reiches habe".</P>
</FONT><P>Kann es etwas Gemeineres geben, als der T&uuml;rkei es f&uuml;r angemessen zu empfehlen, in einen Waffenstillstand von drei Monaten einzuwilligen? Am 5. v.M., zwei Tage, nachdem die Berichte von dem sch&auml;ndlichen Gemetzel bei Sinope in Konstantinopel eingetroffen waren, richtete Reschid Pascha ein Schreiben an Lord Stratford de Redcliffe und General Baraguay d'Hilliers, worin er ihnen die Nachrichten aus Sinope mitteilte und darum bat, die Flotten ins Schwarze Meer einlaufen zu lassen. Am 12., eine Woche nach Reschid Paschas Note, gaben ihm die beiden Gesandten in einer recht unbestimmten Antwort zu verstehen, da&szlig; </P>
<B><FONT SIZE=2><P><A NAME="S28">&lt;28&gt;</A></B> "die Anwesenheit des Vereinigten Geschwaders <I>'politische </I>Bedeutung' hat, folglich keine <I>milit&auml;rische</I>, und da&szlig; sie eine <I>'moralische </I>Unterst&uuml;tzung' ist, folglich keine <I>milit&auml;rische</I>".</P>
</FONT><P>Auf diese Weise wurde die Pforte zur Annahme der ihr am 15. Dezember &uuml;berreichten gemeinsamen Note der vier M&auml;chte gezwungen. Diese Note gew&auml;hrt der Pforte nicht nur keinerlei Entsch&auml;digung f&uuml;r die Verluste, die sie durch die Piratenstreiche des Autokraten erlitten hat; sie besteht nicht nur auf der Erneuerung all der alten Vertr&auml;ge von Kainardschi, Adrianopel, Hunkiar-Iskelessi etc., die Ru&szlig;land anderthalb Jahrhundert lang als Arsenal gedient haben, dem es die Waffen zum Betrug, zur Einmischung, zum weiteren Vordringen und zur Einverleibung entnommen hat; sie gestattet dem Zaren auch, seine Absicht - das religi&ouml;se Protektorat und das administrative Diktat &uuml;ber die T&uuml;rkei - zu erreichen, wenn sie festlegt, da&szlig;</P>
<FONT SIZE=2><P>"die von der Hohen Pforte an alle ihre nicht-muselmanischen Untertanen in bezug auf die oktroyierten geistlichen Privilegien erlassenen Fermane allen M&auml;chten mitgeteilt und von <I>angemessenen</I>, jeder derselben gemachten Zusicherungen begleitet sein sollen"</P>
</FONT><P>und da&szlig; die Pforte ihrerseits den festen Entschlu&szlig; aussprechen solle, ihr Verwaltungssystem und innere Reformen wirksamer zu entwickeln.</P>
<P>Obwohl diese neuen Vorschl&auml;ge dem Buchstaben nach das gemeinsame Protektorat &uuml;ber die christlichen Untertanen der T&uuml;rkei den f&uuml;nf europ&auml;ischen M&auml;chten &uuml;bertragen, gehen sie doch in Wahrheit das Protektorat allein an Ru&szlig;land. Es soll so geregelt werden, da&szlig; Frankreich und &Ouml;sterreich als r&ouml;misch-katholische L&auml;nder &uuml;ber die r&ouml;misch-katholischen Christen in der T&uuml;rkei das Protektorat aus&uuml;ben, England und Preu&szlig;en als protestantische L&auml;nder &uuml;ber die protestantischen Untertanen des Sultans, w&auml;hrend jener Teil, der sich zum griechisch-orthodoxen Glauben bekennt, dem Protektorat Ru&szlig;lands unterstellt werden soll. Da nun aber die Katholiken keine 800.000 und die Protestanten noch nicht einmal 200.000, die sich zur griechisch-orthodoxen Religion Bekennenden aber nahezu 10.000.000 z&auml;hlen, ist es klar, da&szlig; tats&auml;chlich der Zar das Protektorat &uuml;ber die christlichen Untertanen in der T&uuml;rkei erlangen w&uuml;rde. Diese Vorschl&auml;ge der vier M&auml;chte wurden von der Pforte erst am 19. v.M. angenommen, als Riza Pascha und Halil Pascha ins Kabinett eintraten und damit den Erfolg der Friedens- oder russischen Partei sicherten.</P>
<P>Als bekannt wurde, da&szlig; der Ministerrat die vier Gesandten &uuml;ber die Annahme der von ihnen angeregten Vorschl&auml;ge in Kenntnis gesetzt hatte, versammelten sich am 21. v.M. die Softas (Studenten), um eine Petition gegen <A NAME="S29"><B>&lt;29&gt;</A></B> den Beschlu&szlig; der Regierung einzureichen, und nur die Verhaftung der Anf&uuml;hrer verhinderte den Ausbruch von Unruhen. Die in Konstantinopel herrschende Erbitterung war so gro&szlig;, da&szlig; es der Sultan den folgenden Tag weder wagte, sich in den Diwan zu begeben, noch wie gew&ouml;hnlich unter Kanonendonner und Hurrageschrei der Besatzungen ausl&auml;ndischer Kriegsschiffe zur Moschee von Top-hane zu ziehen, und Reschid Pascha aus seinem eigenen Palast in Stambul floh und in dem an die Residenz des Sultans angrenzenden Palast Zuflucht suchte. Am n&auml;chsten Tag wurde die &Ouml;ffentlichkeit etwas beruhigt durch eine Erkl&auml;rung des Sultans, da&szlig; die milit&auml;rischen Operationen nicht eingestellt w&uuml;rden.</P>
<P>Diese verworrenen, kleinm&uuml;tigen und unbegreiflichen Schritte der westlichen Diplomatie, die w&auml;hrend der d&uuml;steren Geschichte der letzten neun Monate die Geduld der &Ouml;ffentlichkeit nahezu ersch&ouml;pften, haben Zweifel an der Aufrichtigkeit der britischen Regierung aufkommen lassen. Da die &Ouml;ffentlichkeit die Beweggr&uuml;nde f&uuml;r die Langmut der westlichen M&auml;chte nicht verstehen kann, spricht man von geheimen Einfl&uuml;ssen, und es werden eifrig Ger&uuml;chte verbreitet, da&szlig; sich Prinz Albert, der Gemahl der K&ouml;nigin, in die Gesch&auml;fte der Exekutive einmische; da&szlig; er nicht nur bei den Beratungen der Herrscherin mit ihrem Geheimen Rat zugegen sei, sondern auch seinen Einflu&szlig; zur Kontrolle der Ansichten der verantwortlichen Ratgeber ausnutze, und da&szlig;, w&auml;hrend er die Gelegenheit wahrnimmt, den Zusammenk&uuml;nften der K&ouml;nigin mit ihren Ministern beizuwohnen, er auch in st&auml;ndiger und direkter Verbindung mit ausl&auml;ndischen H&ouml;fen stehe, einschlie&szlig;lich des russischen, den franz&ouml;sischen allerdings ausgenommen. Anderen Ger&uuml;chten zufolge soll die "Fusion" der Orleans und der &auml;lteren Linie der Bourbonen, des einstigen franz&ouml;sischen K&ouml;nigshauses, fast ebensoviel Unterst&uuml;tzung vom britischen Hof erhalten wie vom russischen, und zum Beweise dessen verweist man auf den Besuch des Herzogs von Nemours am Hofe K&ouml;nigin Victorias, der unmittelbar nach dem Treffen mit "Heinrich dem F&uuml;nften" erfolgte. Ein viertes Ger&uuml;cht, nach dem die Verhandlungen &uuml;ber die orientalische Frage mit Zustimmung Ru&szlig;lands ausschlie&szlig;lich Graf Buol-Schauenstein, dem Schwager des Grafen Meyendorf, &uuml;bertragen worden seien, wird als Beweis daf&uuml;r angef&uuml;hrt, da&szlig; die englische Regierung niemals selbst&auml;ndige oder wirksame Verhandlungen gew&uuml;nscht, sondern von Anfang an versucht habe, die Pl&auml;ne Ru&szlig;lands und seiner Alliierten zu unterst&uuml;tzen, w&auml;hrend sie den Anschein erweckte, da&szlig; sie gegen Ru&szlig;land sei. Es gilt als ziemlich sicher, da&szlig; Roebuck die gesamte Frage des coburgischen Einflusses vor das Unterhaus bringen wird, w&auml;hrend Lord Brougham beabsichtigt, sie vor das Oberhaus zu bringen. Ohne Zweifel bildet der coburgische Einflu&szlig; gegenw&auml;rtig <A NAME="S30"><B>&lt;30&gt;</A></B> das fast ausschlie&szlig;liche Gespr&auml;chsthema der Hauptstadt. Das Parlament wird am 31. d.M. wieder zusammentreten.</P>
<P>Seit 1809 hat es keinen so strengen Winter gegeben wie den jetzigen. Die gro&szlig;e K&auml;lte ist noch nicht das &Auml;rgste; weit schlimmer ist der st&auml;ndige Temperaturwechsel und Wetterumschlag. Der Zugverkehr wurde nur unter gr&ouml;&szlig;ten Schwierigkeiten aufrechterhalten; in einigen Gebieten scheint der Verkehr ganz abgeschnitten zu sein, und mit dem Zustand seiner Verkehrsmittel ist England in l&auml;ngst vergessene Zeiten zur&uuml;ckgeworfen. Um die Beschwerlichkeiten beim &Uuml;bersenden von Gesch&auml;ftspapieren, die durch Schneeverwehungen aufgehalten worden sind, zu mildern und Wechselproteste bei unerkl&auml;rter Nichteinl&ouml;sung zu vermeiden, hat man sich des elektrischen Telegraphen bedient. Dennoch veranschaulichen mehr als 500 Wechselproteste in London das durch die ungew&ouml;hnlich rauhe Jahreszeit hervorgerufene allgemeine Durcheinander. Die Zeitungen sind voller Meldungen von furchtbaren, durch Schneest&uuml;rme und Sturmwinde verursachten Schiffskatastrophen, besonders an der Ostk&uuml;ste. Obgleich die k&uuml;rzlich ver&ouml;ffentlichten Tabellen &uuml;ber Handel, Schiffahrt und Staatseink&uuml;nfte ein Anhalten jener Prosperit&auml;t anzeigen, mit der das Jahr 1853 begonnen hatte, wirken sich der harte Winter und Hand in Hand mit ihm die Teuerung der wichtigsten Bedarfsg&uuml;ter, besonders bei Getreide, Kohlen und Fett, sehr schwer auf die Lage der unteren Klassen aus. Zahlreiche F&auml;lle von Hungertod sind vorgekommen. Brotunruhen im Westen bilden jetzt eine Begleiterscheinung zu den Aussperrungen im Norden.</P>
<P>Zeitmangel zwingt uns jedoch, einen ausf&uuml;hrlichen Bericht &uuml;ber Handel und Gewerbe auf einen folgenden Brief zu verschieben.</P>
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