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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 9. Kapitel</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="lu05_107.htm"><FONT SIZE=2>8. Kapitel</FONT></A><FONT SIZE=1> | </FONT><A HREF="lu05_005.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="lu05_138.htm"><FONT SIZE=2>10. Kapitel</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Rosa Luxemburg - Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut f&uuml;r Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 5. Berlin/DDR. 1975. "Die Akkumulation des Kapitals", S. 123-137.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 20.10.1998</P>
<HR>
</FONT><FONT SIZE=5><P ALIGN="CENTER">Neuntes Kapitel</P>
<I><P ALIGN="CENTER">Die Schwierigkeit unter dem Gesichtswinkel des Zirkulationsprozesses</P>
</I></FONT><B><P><A NAME="S123">&lt;123&gt;</A></B> Die Analyse litt u.E. darunter, da&szlig; Marx das Problem unter der schiefen Form der Frage nach "Geldquellen" zu beantworten suchte. Es handelt sich aber in Wirklichkeit um tats&auml;chliche Nachfrage, um Verwendung f&uuml;r Waren, nicht um Geldquellen zu ihrer Bezahlung. In bezug auf Geld als Medium der Zirkulation m&uuml;ssen wir hier, bei der Betrachtung des Reproduktionsprozesses im ganzen, annehmen, da&szlig; die kapitalistische Gesellschaft stets die zu ihrem Zirkulationsproze&szlig; erforderliche Geldmenge zur Verf&uuml;gung hat oder sich daf&uuml;r Surrogate zu beschaffen wei&szlig;. Was zu erkl&auml;ren ist, sind die gro&szlig;en gesellschaftlichen Austauschakte, die durch reale &ouml;konomische Bed&uuml;rfnisse hervorgerufen werden. Da&szlig; der kapitalistische Mehrwert, bevor er akkumuliert werden kann, unbedingt die Geldform passieren mu&szlig;, darf nicht au&szlig;er acht gelassen werden. Dennoch suchen wir aber die &ouml;konomische Nachfrage nach dem Mehrprodukt ausfindig zu machen, ohne uns weiter um die Herkunft des Geldes zu k&uuml;mmern. Denn, wie Marx selbst an einer anderen Stelle sagt: "Das Geld auf der einen Seite ruft dann die erweiterte Reproduktion auf der andern ins Leben, weil deren M&ouml;glichkeit <I>ohne</I> das Geld da ist, denn Geld an sich selbst ist kein Element der wirklichen Reproduktion."<A NAME="ZF1"><A HREF="lu05_123.htm#F1">(1)</A></A></P>
<P>Da&szlig; die Frage nach der "Geldquelle" zur Akkumulation eine ganz sterile Formulierung des Problems der Akkumulation ist, zeigt sich bei Marx selbst in einem anderen Zusammenhang.</P>
<P>Dieselbe Schwierigkeit besch&auml;ftigte ihn n&auml;mlich schon einmal im zweiten Bande des "Kapitals" bei der Untersuchung des Zirkulationsprozesses. Schon bei der Betrachtung der einfachen Reproduktion stellt er bei der Zirkulation des Mehrwerts die Frage:</P>
<P>"Aber das Warenkapital, vor seiner R&uuml;ckverwandlung in produktives Kapital und vor der Verausgabung des in ihm steckenden Mehrwerts, mu&szlig; versilbert werden. Wo kommt das Geld dazu her? Diese Frage erscheint auf den ersten Blick schwierig, und weder Tooke noch ein andrer hat sie bisher beantwortet."<A NAME="ZF2"><A HREF="lu05_123.htm#F2">(2)</A></A></P>
<P>Und er geht mit aller R&uuml;cksichtslosigkeit der Sache auf den Grund:</P>
<P>"Das in der Form von Geldkapital vorgescho&szlig;ne zirkulierende Kapital <A NAME="S124"><B>&lt;124&gt;</A></B> von 500 Pfd.St., welches immer seine Umschlagsperiode, sei das zirkulierende Gesamtkapital der Gesellschaft, d.h. der Kapitalistenklasse. Der Mehrwert sei 100 Pfd.St. Wie kann nun die ganze Kapitalistenklasse best&auml;ndig 600 Pfd.St. aus der Zirkulation herausziehn, wenn sie best&auml;ndig nur 500 Pfd.St. hineinwirft?"</P>
<P>Wir sind hier wohlgemerkt bei der einfachen Reproduktion, wo der gesamte Mehrwert von der Kapitalistenklasse zu pers&ouml;nlicher Konsumtion verwendet wird. Die Frage m&uuml;&szlig;te also von vornherein pr&auml;ziser so gefa&szlig;t werden: Wie k&ouml;nnen die Kapitalisten, nachdem sie f&uuml;r konstantes und variables Kapital im ganzen 500 Pfund Sterling in Geld in Umlauf setzen, ihrer Konsummittel im Betrage des Mehrwerts = 100 Pfund Sterling habhaft werden? Es ist dann sofort klar, da&szlig; jene 500 Pfund Sterling, die als Kapital st&auml;ndig zum Ankauf von Produktionsmitteln und zur Entlohnung der Arbeiter dienen, nicht zugleich zur Deckung der pers&ouml;nlichen Konsumtion der Kapitalisten dienen k&ouml;nnen. Wo kommt also das zusch&uuml;ssige Geld von 100 Pfund Sterling her, das die Kapitalisten zur Realisierung ihres eigenen Mehrwerts brauchen? Marx lehnt sofort alle theoretischen Ausfl&uuml;chte ab, die etwa zur Beantwortung der Frage versucht werden k&ouml;nnten.</P>
<P>"Man mu&szlig; nun die Schwierigkeit nicht durch plausible Ausfl&uuml;chte zu umgehn suchen.</P>
<P>Zum Beispiel: Was das konstante zirkulierende Kapital betrifft, so ist klar, da&szlig; nicht alle es gleichzeitig auslegen. W&auml;hrend Kapitalist A seine Ware verkauft, also f&uuml;r ihn vorgescho&szlig;nes Kapital Geldform annimmt, nimmt f&uuml;r den K&auml;ufer B umgekehrt sein in Geldform vorhandnes Kapital die Form seiner Produktionsmittel an, die gerade A produziert. Durch denselben Akt, wodurch A seinem produzierten Warenkapital die Geldform wiedergibt, gibt B dem seinigen die produktive Form wieder, verwandelt es aus Geldform in Produktionsmittel und Arbeitskraft; dieselbe Geldsumme fungiert in dem doppelseitigen Proze&szlig; wie in jedem einfachen Kauf W - G. Andrerseits, wenn A das Geld wieder in Produktionsmittel verwandelt, kauft er von C, und dieser zahlt damit B etc. So w&auml;re dann der Hergang erkl&auml;rt. Aber:</P>
<P>Alle in bezug auf das Quantum des zirkulierenden Geldes bei der Warenzirkulation (Buch I, Kap. III) aufgestellten Gesetze werden in keiner Art durch den kapitalistischen Charakter des Produktionsprozesses ge&auml;ndert.</P>
<P>Wenn also gesagt wird, das in Geldform vorzuschie&szlig;ende zirkulierende <A NAME="S125"><B>&lt;125&gt;</A></B> Kapital der Gesellschaft betr&auml;gt 500 Pfd.St., so ist dabei schon in Berechnung gebracht, da&szlig; dies einerseits die Summe ist, die gleichzeitig vorgeschossen war, da&szlig; aber andrerseits diese Summe mehr produktives Kapital in Bewegung setzt als 500 Pfd.St., weil sie abwechselnd als Geldfonds verschiedner produktiver Kapitale dient. Diese Erkl&auml;rungsweise setzt also schon das Geld als vorhanden voraus, dessen Dasein sie erkl&auml;ren soll. -</P>
<P>Es k&ouml;nnte ferner gesagt werden: Kapitalist A produziert Artikel, die Kapitalist B individuell, unproduktiv konsumiert. Das Geld von B versilbert also das Warenkapital von A, und so dient dieselbe Geldsumme zur Versilbrung des Mehrwerts von B und des zirkulierenden konstanten Kapitals von A. Hier ist aber die L&ouml;sung der Frage, die beantwortet werden soll, noch direkter unterstellt. N&auml;mlich, wo kriegt B dies Geld zur Bestreitung seiner Revenue her? Wie hat er selbst diesen Mehrwertteil seines Produkts versilbert? -</P>
<P>Ferner k&ouml;nnte gesagt werden, der Teil des zirkulierenden variablen Kapitals, den A seinen Arbeitern best&auml;ndig vorschie&szlig;t, str&ouml;mt ihm best&auml;ndig aus der Zirkulation zur&uuml;ck; und nur ein abwechselnder Teil davon liegt best&auml;ndig bei ihm selbst zur Zahlung des Arbeitslohns fest. Zwischen der Ausgabe und dem R&uuml;ckstrom verflie&szlig;t jedoch eine gewisse Zeit, w&auml;hrend deren das in Arbeitslohn ausgezahlte Geld unter andrem auch zur Versilberung von Mehrwert dienen kann. - Aber wir wissen erstens, da&szlig;, je gr&ouml;&szlig;er diese Zeit, um so gr&ouml;&szlig;er auch die Masse des Geldvorrats sein mu&szlig;, die der Kapitalist A best&auml;ndig in petto halten mu&szlig;. Zweitens gibt der Arbeiter das Geld aus, kauft Waren damit, versilbert daher den in diesen Waren steckenden Mehrwert pro tanto. Also dient dasselbe Geld, das in der Form des variablen Kapitals vorgeschossen wird, pro tanto auch dazu, Mehrwert zu versilbern. Ohne hier noch tiefer auf diese Frage einzugehn, hier nur so viel: da&szlig; die Konsumtion der ganzen Kapitalistenklasse und der von ihr abh&auml;ngigen unproduktiven Personen gleichzeitig Schritt h&auml;lt mit der f&uuml;r die Arbeiterklasse; also gleichzeitig mit dem von den Arbeitern in Zirkulation geworfnen Geld, von den Kapitalisten Geld in die Zirkulation geworfen werden mu&szlig;, um ihren Mehrwert als Revenue zu verausgaben; also f&uuml;r denselben der Zirkulation Geld entzogen sein mu&szlig;. Die eben gegebne Erkl&auml;rung w&uuml;rde nur das so n&ouml;tige Quantum verringern, nicht beseitigen. -</P>
<P>Endlich k&ouml;nnte gesagt werden: Es wird doch best&auml;ndig ein gro&szlig;es Quantum Geld in Zirkulation geworfen bei der ersten Anlage des fixen Kapitals, das der Zirkulation nur allm&auml;hlich, st&uuml;ckweis, im Lauf von Jahren, von dem wieder entzogen wird, der es hineinwarf. Kann diese Summe <A NAME="S126"><B>&lt;126&gt;</A></B> nicht hinreichen, um den Mehrwert zu versilbern? - Hierauf ist zu antworten, da&szlig; vielleicht in der Summe von 500 Pfd.St. (die auch Schatzbildung f&uuml;r n&ouml;tige Reservefonds einschlie&szlig;t) schon die Anwendung dieser Summe als fixes Kapital, wenn nicht durch den, der sie hineinwarf, so doch durch jemand anders, einbegriffen ist. Au&szlig;erdem ist bei der Summe, die f&uuml;r Beschaffung der als fixes Kapital dienenden Produkte ausgegeben wird, schon unterstellt, da&szlig; auch der in diesen Waren steckende Mehrwert gezahlt ist, und es fragt sich eben, wo dies Geld herkommt."</P>
<P>Auf diesen letzten Punkt m&uuml;ssen wir nebenbei besondere Aufmerksamkeit lenken. Denn hier lehnt es Marx ab, die Schatzbildung f&uuml;r die periodische Erneuerung des fixen Kapitals zur Erkl&auml;rung der Realisierung des Mehrwerts selbst bei einfacher Reproduktion heranzuziehen. Sp&auml;ter, wo es sich um die viel schwierigere Realisierung des Mehrwertes bei der Akkumulation handelt, greift er, wie wir gesehen, versuchsweise mehrfach auf dieselbe von ihm als "plausible Ausflucht" abgetane Erkl&auml;rung zur&uuml;ck.</P>
<P>Dann folgt die L&ouml;sung, die etwas unerwartet klingt:</P>
<P>"Die allgemeine Antwort ist bereits gegeben: Wenn eine Warenmasse von x <20> 1.000 Pfd.St. zu zirkulieren, so &auml;ndert es absolut nichts am Quantum der zu dieser Zirkulation n&ouml;tigen Geldsumme, ob der Wert dieser Warenmasse Mehrwert enth&auml;lt oder nicht, ob die Warenmasse kapitalistisch produziert ist oder nicht. Das Problem selbst existiert also nicht. Bei sonst gegebnen Bedingungen, Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes etc., ist eine bestimmte Geldsumme erheischt, um den Warenwert von x <20> 1.000 Pfd.St. zu zirkulieren, ganz unabh&auml;ngig von dem Umstand, wie viel oder wie wenig von diesem Wert den unmittelbaren Produzenten dieser Waren zuf&auml;llt. Soweit hier ein Problem existiert, f&auml;llt es zusammen mit dem allgemeinen Problem: woher die zur Zirkulation der Waren in einem Lande n&ouml;tige Geldsumme kommt."<A NAME="ZF3"><A HREF="lu05_123.htm#F3">(3)</A></A></P>
<P>Die Antwort ist vollkommen richtig. Die Frage: Woher kommt das Geld zur Zirkulation des Mehrwerts? ist mit beantwortet bei der allgemeinen Frage: Wo kommt das Geld her, um eine gewisse Warenmasse im Lande in Zirkulation zu setzen? Die Einteilung der Wertmasse dieser Waren in konstantes Kapital, variables Kapital und Mehrwert existiert gar nicht vom Standpunkte der Geldzirkulation als solcher und hat von diesem Standpunkt keinen Sinn. Also nur unter dem Gesichtswinkel der Geldzirkulation oder der einfachen Warenzirkulation "existiert das Pro- <A NAME="S127"><B>&lt;127&gt;</A></B> blem nicht". Das Problem existiert aber wohl vom Standpunkte der gesellschaftlichen Reproduktion im ganzen, nur darf es nicht so schief formuliert werden, da&szlig; uns die Antwort in die einfache Warenzirkulation zur&uuml;ckbringt, wo das Problem nicht existiert. Die Frage lautet also nicht: Wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu realisieren?, sondern sie mu&szlig; lauten: Wo sind die Konsumenten f&uuml;r den Mehrwert? Da&szlig; das Geld in der Hand dieser Konsumenten sich befinden und von ihnen in die Zirkulation geworfen werden mu&szlig;, versteht sich dann von selbst. Marx selbst kehrt denn auch zu dem Problem, obwohl er es soeben f&uuml;r nicht existierend erkl&auml;rt hat, immer wieder zur&uuml;ck:</P>
<P>"Nun aber existieren nur zwei Ausgangspunkte: der Kapitalist und der Arbeiter. Alle dritten Personenrubriken m&uuml;ssen entweder f&uuml;r Dienstleistungen Geld von diesen beiden Klassen erhalten, oder soweit sie es ohne Gegenleistung erhalten, sind sie Mitbesitzer des Mehrwerts in der Form von Rente, Zins etc. Da&szlig; der Mehrwert nicht ganz in der Tasche es industriellen Kapitalisten bleibt, sondern von ihm mit andern Personen geteilt werden mu&szlig;, hat mit der vorliegenden Frage nichts zu tun. Es ragt sich, wie er seinen Mehrwert versilbert, nicht wie das daf&uuml;r gel&ouml;ste Silber sich sp&auml;ter verteilt. Es ist also f&uuml;r unsern Fall der Kapitalist noch als einziger Besitzer des Mehrwerts zu betrachten. Was aber den Arbeiter betrifft, so ist bereits gesagt, da&szlig; er nur sekund&auml;rer Ausgangspunkt, der Kapitalist aber der prim&auml;re Ausgangspunkt des vom Arbeiter in die Zirkulation geworfnen Geldes ist. Das zuerst als variables Kapital vorgescho&szlig;ne Geld vollzieht bereits seinen zweiten Umlauf, wenn der Arbeiter es zur Zahlung von Lebensmitteln ausgibt.</P>
<P>Die Kapitalistenklasse bleibt also der einzige Ausgangspunkt der Geldzirkulation. Wenn sie zur Zahlung von Produktionsmitteln 400 Pfd.St., zur Zahlung der Arbeitskraft 100 Pfd.St. braucht, so wirft sie 500 Pfd.St. in Zirkulation. Aber der in dem Produkt steckende Mehrwert, bei Mehrwertsrate von 100%, ist gleich einem Wert von 100 Pfd.St. Wie kann sie 600 Pfd.St. aus der Zirkulation best&auml;ndig herausziehn, wenn sie best&auml;ndig nur 500 Pfd.St. hineinwirft? Aus nichts wird nichts. Die Gesamtklasse der Kapitalisten kann nichts aus der Zirkulation herausziehn, was nicht vorher hineingeworfen war."</P>
<P>Weiter weist Marx noch eine Ausflucht zur&uuml;ck, die zur Erkl&auml;rung des Problems etwa versucht werden k&ouml;nnte, n&auml;mlich die Heranziehung der Geschwindigkeit im Umlauf des Geldes, die es erlaubt, mit weniger Geld <A NAME="S128"><B>&lt;128&gt;</A></B> eine gr&ouml;&szlig;ere Wertmasse in Zirkulation zu bringen. Die Ausflucht f&uuml;hrt nat&uuml;rlich zu nichts, denn die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes ist bereits mit in Berechnung gezogen, wenn man annimmt, da&szlig; zur Zirkulation der Warenmasse soundso viel Pfund Sterling erforderlich sind. Darauf kommt endlich die Aufl&ouml;sung des Problems:</P>
<P>"In der Tat, so paradox es auf den ersten Blick scheint, die Kapitalistenklasse selbst wirft das Geld in die Zirkulation, das zur Realisierung des in den Waren steckenden Mehrwerts dient. Aber notabene: sie wirft es hinein nicht als vorgescho&szlig;nes Geld, also nicht als Kapital. Sie verausgabt es als Kaufmittel f&uuml;r ihre individuelle Konsumtion. Es ist also nicht von ihr vorgeschossen, obgleich sie der Ausgangspunkt seiner Zirkulation ist."<A NAME="ZF4"><A HREF="lu05_123.htm#F4">(4)</A></A></P>
<P>Diese deutliche und ersch&ouml;pfende L&ouml;sung beweist am besten, da&szlig; das Problem kein scheinbares war. Sie beruht auch nicht darauf, da&szlig; wir eine neue "Geldquelle" entdeckt haben, um den Mehrwert zu realisieren, sondern da&szlig; wir die Konsumenten dieses Mehrwerts gefunden haben. Wir stehen noch hier nach Marxscher Voraussetzung auf dem Boden der einfachen Reproduktion. Das bedeutet, da&szlig; die Kapitalistenklasse ihren ganzen Mehrwert zur pers&ouml;nlichen Konsumtion verwendet. Da die Kapitalisten Konsumenten des Mehrwerts sind, so ist es nicht sowohl paradox als vielmehr selbstverst&auml;ndlich, da&szlig; sie das Geld in der Tasche haben m&uuml;ssen, um sich die Naturalgestalt des Mehrwerts, die Konsumgegenst&auml;nde, anzueignen. Der Zirkulationsakt des Austausches ergibt sich als eine Notwendigkeit aus der Tatsache, da&szlig; die Einzelkapitalisten nicht ihren individuellen Mehrwert - resp. das individuelle Mehrprodukt, wie der Sklavenhalter - direkt verzehren k&ouml;nnen. Seine sachliche Naturalgestalt schlie&szlig;t vielmehr in der Regel diesen Verbrauch aus. Der Gesamtmehrwert aller Kapitalisten befindet sich aber - unter der Voraussetzung der einfachen Reproduktion - im gesellschaftlichen Gesamtprodukt in einer entsprechenden Menge von Konsummitteln f&uuml;r die Kapitalistenklasse ausgedr&uuml;ckt, wie der Gesamtsumme der variablen Kapitale eine wertgleiche Menge von Lebensmitteln f&uuml;r die Arbeiterklasse entspricht und wie dem konstanten Kapital aller Einzelkapitalisten zusammen eine wertgleiche Menge von sachlichen Produktionsmitteln entspricht. Um den individuellen ungenie&szlig;baren Mehrwert gegen die entsprechende Menge Lebensmittel einzutauschen, ist ein doppelter Akt der Warenzirkulation n&ouml;tig: der Verkauf des eigenen Mehrprodukts und der Einkauf der Lebensmittel aus dem gesellschaftlichen Mehrprodukt. Da diese zwei Akte ausschlie&szlig;lich innerhalb <A NAME="S129"><B>&lt;129&gt;</A></B> der Kapitalistenklasse vor sich gehen, unter einzelnen Kapitalisten stattfinden, so geht auch das vermittelnde Geldmedium hierbei nur aus einer Hand der Kapitalisten in die andere und bleibt immer in der Tasche der Kapitalistenklasse h&auml;ngen. Da die einfache Reproduktion stets dieselben Mengen Werte zum Ausrausch bringt, so dient zur Zirkulation des Mehrwert jedes Jahr dieselbe Geldmenge, und man k&ouml;nnte h&ouml;chstens, bei ausnahmsweiser Gr&uuml;ndlichkeit, etwa die Frage stellen: Wo kam diese zur Vermittelung der eigenen Konsumtion der Kapitalisten dienende Geldmenge einst in die Taschen der Kapitalisten her? Aber diese Frage l&ouml;st sich in die andere allgemeinere Frage auf: Wo kam &uuml;berhaupt das erste Geldkapital einst in die H&auml;nde der Kapitalisten her, jenes Geldkapital, von dem sie neben der Verwendung f&uuml;r produktive Anlagen einen gewissen Teil stets in der Tasche behalten mu&szlig;ten f&uuml;r die Zwecke der pers&ouml;nlichen Konsumtion.? Die so gestellte Frage schl&auml;gt aber in das Kapitel der sogenannten "primitiven Akkumulation", d.h. der geschichtlichen Genesis des Kapitals, und f&auml;llt aus dem Rahmen der Analyse sowohl des Zirkulations- wie des Reproduktionsprozesses.</P>
<P>So ist die Sache klar und unzweideutig - wohlgemerkt: solange wir auf dem Boden der einfachen Reproduktion stehen. Hier wird das Problem der Realisierung des Mehrwertes durch die Voraussetzungen selbst gel&ouml;st, es ist eigentlich schon antizipiert im Begriff der einfachen Reproduktion. Diese beruht eben darauf, da&szlig; der ganze Mehrwert von der Kapitalistenklasse konsumiert wird, und damit ist gesagt, da&szlig; er von ihr auch gekauft, d.h. von den Einzelkapitalisten einander abgekauft werden mu&szlig;.</P>
<P>"In diesem Fall", sagt Marx selbst, "war angenommen, da&szlig; die Geldsumme, die der Kapitalist bis zum ersten R&uuml;ckflu&szlig; seines Kapitals zur Bestreitung seiner individuellen Konsumtion in Zirkulation wirft, exakt gleich ist dem von ihm produzierten und daher zu versilbernden Mehrwert. Dies ist offenbar, mit Bezug auf den einzelnen Kapitalisten, eine willk&uuml;rliche Annahme. Aber sie mu&szlig; richtig sein f&uuml;r die gesamte Kapitalistenklasse, bei Unterstellung einfacher Reproduktion. Sie dr&uuml;ckt nur dasselbe aus, was diese Unterstellung besagt, n&auml;mlich da&szlig; der ganze Mehrwert, aber auch nur dieser, also kein Bruchteil des urspr&uuml;nglichen Kapitalstocks, unproduktiv verzehrt wird."<A NAME="ZF5"><A HREF="lu05_123.htm#F5">(5)</A></A></P>
<P>Aber die einfache Reproduktion auf kapitalistischer Basis ist in der theoretischen &Ouml;konomie eine imagin&auml;re Gr&ouml;&szlig;e, eine wissenschaftlich so berechtigte und unentbehrliche imagin&auml;re Gr&ouml;&szlig;e wie <IMG SRC="lu05_129.gif" WIDTH=27 HEIGHT=17>in der Mathe- <A NAME="S130"><B>&lt;130&gt;</A></B> matik. jedoch das Problem der Realisierung des Mehrwertes ist damit f&uuml;r die Wirklichkeit, d.h. f&uuml;r die erweiterte Reproduktion oder Akkumulation, durchaus nicht gel&ouml;st. Und das best&auml;tigt Marx selbst zum zweitenmal, sobald er seine Analyse fortsetzt.</P>
<P>Wo kommt das Geld zur Realisierung des Mehrwerts her unter Voraussetzung der Akkumulation, d.h. des Nichtverzehrs, der Kapitalisierung eines Teils des Mehrwerts? Die erste Antwort, die Marx gibt, lautet:</P>
<P>"Was zun&auml;chst das zusch&uuml;ssige Geldkapital betrifft, erheischt zur Funktion des wachsenden produktiven Kapitals, so wird es geliefert durch den Teil des realisierten Mehrwerts, der als Geldkapital, statt als Geldform der Revenue, von den Kapitalisten in Zirkulation geworfen wird. Das Geld ist bereits in der Hand der Kapitalisten. Blo&szlig; seine Anwendung ist verschieden."</P>
<P>Diese Erkl&auml;rung ist uns schon bekannt aus der Untersuchung des Reproduktionsprozesses und ebenso ihre Unzul&auml;nglichkeit. Die Antwort st&uuml;tzt sich n&auml;mlich ausschlie&szlig;lich auf den Moment des ersten &Uuml;bergangs von einfacher Reproduktion zur Akkumulation: Eben erst, gestern, verzehrten die Kapitalisten ihren ganzen Mehrwert, hatten also auch die entsprechende Geldmenge zu dessen Zirkulation in der Tasche. Heute entschlie&szlig;en sie sich, einen Teil des Mehrwerts zu "sparen" und produktiv anzulegen, statt ihn zu verjubeln. Sie brauchen dazu - vorausgesetzt, da&szlig; sachliche Produktionsmittel statt Luxus produziert worden sind - nur einen Teil ihres pers&ouml;nlichen Geldfonds anders zu verwenden. Aber der &Uuml;bergang von einfacher zur erweiterten Produktion ist ebenso theoretische Fiktion wie die einfache Reproduktion des Kapitals selbst. Marx geht denn auch sogleich weiter:</P>
<P>"Nun wird aber infolge des zusch&uuml;ssigen produktiven Kapitals, als sein Produkt, eine zusch&uuml;ssige Warenmasse in Zirkulation geworfen. Mit dieser zusch&uuml;ssigen Warenmasse wurde zugleich ein Teil des zu ihrer Realisation n&ouml;tigen zusch&uuml;ssigen Geldes in Zirkulation geworfen, soweit n&auml;mlich der Wert dieser Warenmasse gleich ist dem Wert des in ihrer Produktion verzehrten produktiven Kapitals. Diese zusch&uuml;ssige Geldmasse ist gerade als zusch&uuml;ssiges Geldkapital vorgeschossen worden und flie&szlig;t daher zum Kapitalisten zur&uuml;ck durch den Umschlag seines Kapitals. Hier tritt wieder dieselbe Frage auf wie oben. Wo kommt das zusch&uuml;ssige Geld her, um den jetzt in Warenform vorhandnen zusch&uuml;ssigen Mehrwert zu realisieren?"</P>
<B><P><A NAME="S131">&lt;131&gt;</A></B> Nun aber, wo das Problem in aller Sch&auml;rfe wieder gestellt ist, bekommen wir statt einer L&ouml;sung die folgende unerwartete Antwort:</P>
<P>"Die allgemeine Antwort ist wieder dieselbe. Die Preissumme der zirkulierenden Warenmasse ist vermehrt, nicht, weil die Preise einer gegebnen Warenmasse gestiegen, sondern, weil die Masse der jetzt zirkulierenden Waren gr&ouml;&szlig;er ist als die der fr&uuml;her zirkulierenden Waren, ohne da&szlig; dies durch einen Fall der Preise ausgeglichen w&auml;re. Das zur Zirkulation dieser gr&ouml;&szlig;ern Warenmasse von gr&ouml;&szlig;tem Wert erforderte zusch&uuml;ssige Geld mu&szlig; beschafft werden entweder durch erh&ouml;hte &Ouml;konomisierung der zirkulierenden Geldmasse - sei es durch Ausgleichung der Zahlungen etc., sei es durch Mittel, welche den Umlauf derselben Geldst&uuml;cke beschleunigen - oder aber durch Verwandlung von Geld aus der Schatzform in die zirkulierende Form."<A NAME="ZF6"><A HREF="lu05_123.htm#F6">(6)</A></A></P>
<P>Diese L&ouml;sung geht auf die folgende Erkl&auml;rung hinaus: Die kapitalistische Reproduktion wirft unter den Bedingungen einer im Flu&szlig; befindlichen und wachsenden Akkumulation eine immer gr&ouml;&szlig;ere Masse Warenwert auf den Markt. Um diese im Wert wachsende Warenmasse in Zirkulation zu bringen, ist eine immer gr&ouml;&szlig;ere Geldmenge notwendig. Diese wachsende Geldmenge mu&szlig; eben - beschafft werden. Das ist alles unzweifelhaft richtig und einleuchtend, aber das Problem, um das es sich handelte, ist damit nicht gel&ouml;st, sondern verschwunden.</P>
<P>Eins von beiden. Entweder betrachtet man das gesellschaftliche Gesamtprodukt (der kapitalistischen Wirtschaft) einfach als eine Warenmasse von bestimmtem Wert, als einen "Warenbrei", und sieht, bei Bedingungen der Akkumulation, nur ein Anwachsen dieses unterschiedslosen Warenbreis und dessen Wertmasse. Dann wird nur zu konstatieren sein, da&szlig; zur Zirkulation dieser Wertmasse eine entsprechende Geldmenge notwendig ist, da&szlig; diese Geldmenge wachsen mu&szlig;, wenn die Wertmasse w&auml;chst - falls die Beschleunigung des Verkehrs und seine &Ouml;konomisierung den Wertzuwachs nicht aufwiegen. Und etwa auf eine letzte Frage, woher denn schlie&szlig;lich alles Geld komme, kann man mit Marx die Antwort geben: aus den Goldgruben. Das ist <I>auch</I> ein Standpunkt, n&auml;mlich der Standpunkt der einfachen Warenzirkulation. Aber dann braucht man nicht Begriffe wie konstantes und variables Kapital und Mehrwert hineinzubringen, die nicht zur einfachen Warenzirkulation, sondern zur Kapitalzirkulation und zur gesellschaftlichen Reproduktion geh&ouml;ren, und man braucht dann nicht die Frage zu stellen: Wo kommt das Geld her, um den <A NAME="S132"><B>&lt;132&gt;</A></B> gesellschaftlichen Mehrwert, und zwar 1. sub einfacher Reproduktion, 2. sub erweiterter Reproduktion zu realisieren? Solche Fragen haben vom Standpunkte der einfachen Waren- und Geldzirkulation gar keinen Sinn und Inhalt. Hat man aber einmal diese Fragen gestellt und die Untersuchung auf das Geleise der Kapitalzirkulation und der gesellschaftlichen Reproduktion eingestellt, dann darf man nicht die Antwort im Bereiche der einfachen Warenzirkulation suchen, um - da hier das Problem nicht existiert und nicht beantwortet werden kann - hinterher zu erkl&auml;ren: das Problem sei schon l&auml;ngst beantwortet, es existiere &uuml;berhaupt nicht.</P>
<P>Die Fragestellung selbst ist also bei Marx die ganze Zeit schief gewesen. Es hat keinen ersichtlichen Zweck zu fragen: Wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu realisieren? Sondern die Frage mu&szlig; lauten: Wo kommt die Nachfrage her, wo ist das zahlungsf&auml;hige Bed&uuml;rfnis f&uuml;r den Mehrwert? War die Frage von Anfang an so gestellt, so h&auml;tte es nicht so langwieriger Umwege bedurft, um ihre L&ouml;sbarkeit respektive Unl&ouml;sbarkeit klar hervortreten zu lassen. Unter der Annahme der einfachen Reproduktion ist die Sache einfach genug: Da der ganze Mehrwert von den Kapitalisten verzehrt wird, so sind sie eben selbst die Abnehmer, die Nachfrage f&uuml;r den gesellschaftlichen Mehrwert in seinem ganzen Umfang, m&uuml;ssen also auch das zur Zirkulation des Mehrwerts n&ouml;tige Kleingeld in der Tasche haben. Aber gerade aus derselben Tatsache ergibt sich mit Evidenz, da&szlig; unter der Bedingung der Akkumulation, d.h. der Kapitalisierung eines Teils des Mehrwerts, die Kapitalistenklasse selbst unm&ouml;glich ihren ganzen Mehrwert abkaufen, realisieren kann. Es stimmt schon, da&szlig; genug Geld beschafft werden mu&szlig;, um den kapitalisierten Mehrwert zu realisieren - wenn er &uuml;berhaupt realisiert werden soll. Aber dieses Geld kann unm&ouml;glich aus der Tasche der Kapitalisten selbst kommen. Sie sind vielmehr gerade durch Annahme der Akkumulation <I>Nichtabnehmer</I> ihres Mehrwerts, auch wenn sie - abstrakt genommen - hierf&uuml;r Geld genug in der Tasche h&auml;tten. Wer kann aber sonst die Nachfrage nach den Waren darstellen, in denen der kapitalisierte Mehrwert steckt?</P>
<P>"Au&szlig;er dieser Klasse (der Kapitalisten - <I>R. L.</I>) gibt es nach unsrer Unterstellung - allgemeine und ausschlie&szlig;liche Herrschaft der kapitalistischen Produktion - &uuml;berhaupt keine andre Klasse als die Arbeiterklasse. Alles, was die Arbeiterklasse kauft, ist gleich der Summe ihres Arbeitslohns gleich der Summe des von der gesamten Kapitalistenklasse vorgescho&szlig;nen variablen Kapitals."</P>
<B><P><A NAME="S133">&lt;133&gt;</A></B> Die Arbeiter k&ouml;nnen also den kapitalisierten Mehrwert noch weniger realisieren als die Kapitalistenklasse. Aber irgend jemand mu&szlig; ihn doch abkaufen, sollen die Kapitalisten das vorgeschossene akkumulierte Kapital immer wieder in die H&auml;nde kriegen. Und doch ist au&szlig;er Kapitalisten und Arbeitern kein Abnehmer denkbar. "Wie soll da also die gesamte Kapitalistenklasse Geld akkumulieren?"<A NAME="ZF7"><A HREF="lu05_123.htm#F7">(7)</A></A> Die Realisierung des Mehrwerts au&szlig;erhalb der beiden einzig existierenden Klassen der Gesellschaft scheint ebenso notwendig wie unm&ouml;glich. Die Akkumulation des Kapitals ist in einen fehlerhaften Zirkel geraten. Im zweiten Bande des "Kapitals" finden wir jedenfalls keine L&ouml;sung des Problems.</P>
<P>Wenn man nun fragen wollte, weshalb die L&ouml;sung dieses wichtigen Problems der kapitalistischen Akkumulation in dem Marxschen "Kapital" nicht zu finden ist, so mu&szlig; vor allem der Umstand in Betracht gezogen werden, da&szlig; der zweite Band des "Kapitals" kein abgeschlossenes Werk, sondern Manuskript war, das mitten im Wort abgebrochen wurde.</P>
<P>Schon die &auml;u&szlig;ere Form namentlich der letzten Kapitel dieses Bandes zeigt, da&szlig; es mehr Aufzeichnungen zur Selbstverst&auml;ndigung des Denkers sind als fertige Ergebnisse, bestimmt zur Aufkl&auml;rung des Lesers. Diese Tatsache best&auml;tigt uns zur Gen&uuml;ge der berufenste Zeuge - n&auml;mlich der Herausgeber des zweiten Bandes, Friedrich Engels. In seinem Vorwort zum zweiten Band berichtet er &uuml;ber den Stand der von Marx hinterlassenen Vorarbeiten und Manuskripte, die als Grundlage f&uuml;r diesen Band dienen sollten, in folgender eingehender Weise:</P>
<P>"Die blo&szlig;e Aufz&auml;hlung des von Marx hinterla&szlig;nen handschriftlichen Materials zu Buch II beweist, mit welcher Gewissenhaftigkeit ohnegleichen, mit welcher strengen Selbstkritik er seine gro&szlig;en &ouml;konomischen Entdeckungen bis zur &auml;u&szlig;ersten Vollendung auszuarbeiten strebte, ehe er sie ver&ouml;ffentlichte; eine Selbstkritik, die ihn nur selten dazu kommen lie&szlig;, die Darstellung nach Inhalt und Form seinem stets durch neue Studien sich erweiternden Gesichtskreis anzupassen. Dies Material besteht nun aus folgendem.</P>
<P>Zuerst ein Manuskript 'Zur Kritik der politischen Oekonomie', 1.472 Quartseiten in 23 Heften, geschrieben August 1861 bis Juni 1863. Es ist die Fortsetzung des 1859 in Berlin erschienenen ersten Hefts desselben Titels ... So wertvoll dies Manuskript, so wenig war es f&uuml;r die gegenw&auml;rtige Ausgabe des Buch II zu benutzen.</P>
<P>Das dem Datum nach jetzt folgende Manuskript ist das von Buch III ...</P>
<B><P><A NAME="S134">&lt;134&gt;</A></B> Aus der n&auml;chsten Periode - nach Erscheinen des Buch I - liegt vor f&uuml;r Buch II eine Sammlung von vier Manuskripten in Folio, von Marx selbst I-IV numeriert. Davon ist Manuskript I (150 Seiten), vermutlich von 1865 oder 1867 datierend, die erste selbst&auml;ndige, aber mehr oder weniger fragmentarische Bearbeitung von Buch II in seiner gegenw&auml;rtigen Einteilung. Auch hiervon war nichts benutzbar. Manuskript III besteht teils aus einer Zusammenstellung von Zitaten und Hinweisen auf Marx' Auszugshefte - meist auf den ersten Abschnitt des Buch II bez&uuml;glich -, teils aus Bearbeitungen einzelner Punkte, namentlich der Kritik der A. Smithschen S&auml;tze &uuml;ber fixes und zirkulierendes Kapital und &uuml;ber die Quelle des Profits; ferner eine Darstellung des Verh&auml;ltnisses der Mehrwertsrate zur Profitrate, die in Buch III geh&ouml;rt. Die Hinweise lieferten wenig neue Ausbeute, die Ausarbeitungen waren sowohl f&uuml;r Buch II wie Buch III durch sp&auml;tere Redaktionen &uuml;berholt, mu&szlig;ten also auch meist beiseitegelegt werden. - Manuskript IV ist eine druckfertige Bearbeitung des ersten und der ersten Kapitel des zweiten Abschnitts von Buch II und ist da, wo es an die Reihe kommt, auch benutzt worden. Obwohl sich herausstellte, da&szlig; es fr&uuml;her abgefa&szlig;t ist als Manuskript II, so konnte es doch, weil vollendeter in der Form, f&uuml;r den betreffenden Teil des Buchs mit Vorteil benutzt werden; es gen&uuml;gte, aus Manuskript II einige Zus&auml;tze zu machen. - Dies letztre Manuskript ist die einzige einigerma&szlig;en fertig vorliegende Bearbeitung des Buch II und datiert von 1870. Die gleich zu erw&auml;hnenden Notizen f&uuml;r die schlie&szlig;liche Redaktion sagen ausdr&uuml;cklich: 'Die zweite Bearbeitung mu&szlig; zugrunde gelegt werden.'</P>
<P>Nach 1870 trat wieder eine Pause ein, bedingt haupts&auml;chlich durch Krankheitszust&auml;nde. Wie gew&ouml;hnlich f&uuml;llte Marx diese Zeit durch Studien aus; Agronomie, amerikanische und namentlich russische l&auml;ndliche Verh&auml;ltnisse, Geldmarkt und Bankwesen, endlich Naturwissenschaften: Geologie und Physiologie, und namentlich selbst&auml;ndige mathematische Arbeiten bilden den Inhalt der zahlreichen Auszugshefte aus dieser Zeit. Anfang 1877 f&uuml;hlte er sich soweit hergestellt, da&szlig; er wieder an seine eigentliche Arbeit gehn konnte. Von Ende M&auml;rz 1877 datieren Hinweise und Notizen aus obigen vier Manuskripten als Grundlage einer Neubearbeitung von Buch II, deren Anfang in Manuskript V (56 Seiten Folio) vorliegt. Es umfa&szlig;t die ersten vier Kapitel und ist noch wenig ausgearbeitet; wesentliche Punkte werden in Noten unter dem Text behandelt; der Stoff ist mehr gesammelt als gesichtet, aber es ist die letzte vollst&auml;ndige Darstellung dieses wichtigsten Teils des ersten Abschnitts. - Ein erster Versuch, hieraus ein druckfertiges Manuskript zu machen, liegt vor in <A NAME="S135"><B>&lt;135&gt;</A></B> Manuskript VI (nach Oktober 1877 und vor Juli 1878); nur 17 Quartseiten, den gr&ouml;&szlig;ten Teil des ersten Kapitels umfassend, ein zweiter - der letzte - in Manuskript VII, '2. Juli 1878', nur 7 Folioseiten.</P>
<P>Um diese Zeit scheint Marx sich dar&uuml;ber klar geworden zu sein, da&szlig; ohne eine vollst&auml;ndige Revolution seines Gesundheitszustandes er nie dahin kommen werde, eine ihm selbst gen&uuml;gende Bearbeitung des zweiten und dritten Buchs zu vollenden. In der Tat tragen die Manuskripte V bis VIII die Spuren gewaltsamen Ank&auml;mpfens gegen niederdr&uuml;ckende Krankheitszust&auml;nde nur zu oft an sich. Das schwierigste St&uuml;ck des ersten Abschnitts war in Manuskript V neu bearbeitet; der Rest des ersten und der ganze zweite Abschnitt (mit Ausnahme des siebzehnten Kapitels) boten keine bedeutenden theoretischen Schwierigkeiten; der dritte Abschnitt dagegen, die Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Kapitals, schien ihm einer Umarbeitung dringend bed&uuml;rftig. In Manuskript II war n&auml;mlich die Reproduktion behandelt zuerst ohne Ber&uuml;cksichtigung der sie vermittelnden Geldzirkulation und sodann nochmals mit R&uuml;cksicht auf diese. Dies sollte beseitigt und der ganze Abschnitt &uuml;berhaupt so umgearbeitet werden, da&szlig; er dem erweiterten Gesichtskreis des Verfassers entsprach. So entstand Manuskript VIII, ein Heft von nur 70 Quartseiten; was Marx aber auf diesen Raum zusammenzudr&auml;ngen verstand, beweist die Vergleichung von Abschnitt III im Druck, nach Abzug der aus Manuskript II eingeschobenen St&uuml;cke.</P>
<P>Auch dies Manuskript ist nur eine vorl&auml;ufige Behandlung des Gegenstands, bei der es vor allem darauf ankam, die gewonnenen neuen Gesichtspunkte gegen&uuml;ber Manuskript II festzustellen und zu entwickeln, unter Vernachl&auml;ssigung der Punkte, &uuml;ber die nichts Neues zu sagen war. Auch ein wesentliches St&uuml;ck von Kapitel XVII des zweiten Abschnitts, das ohnehin einigerma&szlig;en in den dritten Abschnitt &uuml;bergreift, wird wieder hineingezogen und erweitert. Die logische Folge wird &ouml;fters unterbrochen, die Behandlung ist stellenweise l&uuml;ckenhaft und namentlich am Schlu&szlig; ganz fragmentarisch. Aber was Marx sagen wollte, ist in dieser oder jener Weise darin gesagt.</P>
<P>Das ist das Material zu Buch II, woraus, nach einer &Auml;u&szlig;erung von Marx zu seiner Tochter Eleanor kurz vor seinem Tode, ich 'etwas machen' sollte." </P>
<P>Man mu&szlig; dies "etwas" bewundern. das Engels aus einem so beschaffenen Material zu machen verstanden hat. Aus seinem genauen Bericht geht <A NAME="S136"><B>&lt;136&gt;</A></B> aber f&uuml;r die uns interessierende Frage mit aller Deutlichkeit hervor, da&szlig; von den drei Abschnitten, die den Band II bilden, f&uuml;r die ersten zwei: &uuml;ber den Kreislauf des Geld- und Warenkapitals sowie die Zirkulationskosten und &uuml;ber den Umschlag des Kapitals, das von Marx hinterlassene Manuskript am ehesten druckreif war. Hingegen stellte der dritte Abschnitt, der die Reproduktion des Gesamtkapitals behandelt, nur eine Sammlung von Fragmenten dar, die Marx selbst einer Umarbeitung "dringend bed&uuml;rftig" schienen. Von diesem Abschnitt ist aber das letzte einundzwanzigste Kapitel, auf das es gerade ankommt: die Akkumulation und erweiterte Reproduktion, am unfertigsten vom ganzen Buch geblieben. Es umfa&szlig;t alles in allem blo&szlig; 35 Druckseiten und bricht mitten in der Analyse ab.</P>
<P>Au&szlig;er diesem &auml;u&szlig;eren Umstand war u.E. noch ein anderes Moment von gro&szlig;em Einflu&szlig;. Die Untersuchung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses nimmt bei Marx. wie wir gesehen, ihren Ausgangspunkt von der Ad. Smithschen Analyse, die u.a. an dem falschen Satz von der Preiszusammensetzung aller Waren aus v + m gescheitert ist. Die Auseinandersetzung mit diesem Dogma beherrscht nun die ganze Analyse des Reproduktionsprozesses bei Marx. Der Beweisf&uuml;hrung, da&szlig; das gesellschaftliche Gesamtprodukt nicht blo&szlig; der Konsumtion im Betrage der verschiedenen Einkommensquellen, sondern auch der Erneuerung des konstanten Kapitals dienen mu&szlig;, widmet Marx seine ganze Aufmerksamkeit. Da aber f&uuml;r diese Beweisf&uuml;hrung die theoretisch reinste Form nicht bei der erweiterten, sondern bei der einfachen Reproduktion gegeben ist, so betrachtet Marx vorwiegend die Reproduktion unter einem der Akkumulation gerade entgegengesetzten Gesichtswinkel: unter der Annahme, da&szlig; der ganze Mehrwert von den Kapitalisten verzehrt wird. Wie sehr die Polemik gegen Smith die Marxsche Analyse beherrschte, daf&uuml;r zeugt, da&szlig; er zu dieser Polemik im Verlaufe seiner ganzen Arbeit unz&auml;hlige Male von verschiedensten Seiten zur&uuml;ckkehrt. So sind ihr gewidmet gleich im ersten Band 7. Abschnitt, 22. Kapitel, S. 551-554, im zweiten Band S. 335-370, S. 383, S. 409-412, S.451-453. Im Band III/2 nimmt Marx das Problem der Gesamtreproduktion wieder auf, st&uuml;rzt sich aber dabei wieder sofort in das von Smith aufgegebene R&auml;tsel und widmet ihm das ganze 49. Kapitel (S. 367-388) und eigentlich auch noch das ganze 50. Kapitel (S. 388 bis 413). Endlich in den "Theorien &uuml;ber den Mehrwert" finden wir wieder ausf&uuml;hrliche Polemiken gegen das Smithsche Dogma in Band I, S.164-253, Band II/2, S. 92, 95 126, 233-262. Wiederholt betont und unterstreicht Marx selbst, da&szlig; er gerade in dem Problem des Ersatzes des konstanten <A NAME="S137"><B>&lt;137&gt;</A></B> Kapitals aus dem gesellschaftlichen Gesamtprodukt die schwierigste und wichtigste Frage der Reproduktion erblickte.<A NAME="ZF8"><A HREF="lu05_123.htm#F8">(8)</A></A> So wurde das andere Problem, das der Akkumulation, n&auml;mlich die Realisierung des Mehrwerts zu Zwecken der Kapitalisierung, in den Hintergrund gedr&auml;ngt und ist schlie&szlig;lich von Marx kaum angeschnitten worden.</P>
<P>Bei der gro&szlig;en Bedeutung dieses Problems f&uuml;r die kapitalistische Wirtschaft ist es kein Wunder, da&szlig; es die b&uuml;rgerliche &Ouml;konomie immer und immer wieder besch&auml;ftigte. Die Versuche, mit der Lebensfrage der kapitalistischen Wirtschaft, n&auml;mlich mit der Frage, ob die Kapitalakkumulation praktisch m&ouml;glich sei, fertig zu werden, tauchen im Verlaufe der Geschichte der &Ouml;konomie immer wieder auf. Zu diesen geschichtlichen Versuchen vor wie nach Marx, die Frage zu l&ouml;sen, wollen wir uns jetzt wenden.</P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten von Rosa Luxemburg</P>
<P><A NAME="F1">(1)</A> Das Kapital, Bd. II, S. 466. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../../me/me24/me24_485.htm#S486">Bd. 24, S. 486</A>.] <A HREF="lu05_123.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F2">(2)</A> Das Kapital, Bd. II, S. 304. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../../me/me24/me24_321.htm#S332">Bd. 24, S. 332</A>.] <A HREF="lu05_123.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F3">(3)</A> Das Kapital, Bd. II, S. 306. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../../me/me24/me24_321.htm#S334">Bd. 24, S. 334</A>.] <A HREF="lu05_123.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F4">(4)</A> Das Kapital, Bd. II, S. 308. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../../me/me24/me24_321.htm#S335">Bd. 24, S. 335</A>.] <A HREF="lu05_123.htm#ZF4">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F5">(5)</A> Das Kapital, Bd. II, S. 309. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../../me/me24/me24_321.htm#S337">Bd. 24, S. 337</A>.] <A HREF="lu05_123.htm#ZF5">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F6">(6)</A> Das Kapital, Bd. II, S. 318. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../../me/me24/me24_321.htm#S346">Bd. 24, S. 346</A>.] <A HREF="lu05_123.htm#ZF6">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F7">(7)</A> Das Kapital, Bd. II, S. 322. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../../me/me24/me24_321.htm#S349">Bd. 24, S. 349</A>.] <A HREF="lu05_123.htm#ZF7">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F8">(8)</A> Siehe z.B. Das Kapital, Bd. II, S. 343, 424 u. 431. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, <A HREF="../../me/me24/me24_359.htm#S369">S. 369</A>, <A HREF="../../me/me24/me24_391.htm#S445">445/446</A> u. <A HREF="../../me/me24/me24_391.htm#S452">452</A>.] <A HREF="lu05_123.htm#ZF8">&lt;=</A></P></BODY>
</HTML>