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<TITLE>Franz Mehring: Karl Marx - Vorwort</TITLE>
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<!--Hier war ein falsch terminierter Kommentar -->
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<TD ALIGN="center" width="24%" height=20 valign=middle><A HREF="fm03_000.htm"><SMALL>Inhalt</SMALL></A></TD>
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Kapitel</SMALL></A></TD>
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Mehring</SMALL></A></TD>
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<P><SMALL>Seitenzahlen nach: Franz Mehring - Gesammelte Schriften, Band 3. Berlin/DDR,
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1960, S. 3-6.<BR>
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1. Korrektur<BR>
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Erstellt am 07.11.1999</SMALL></P>
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<H2>Franz Mehring: Karl Marx - Geschichte seines Lebens</H2>
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<H1>Vorwort</H1>
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<P><B>|3|</B> Dies Buch hat seine kleine Geschichte. Als es sich darum handelte,
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den Briefwechsel zwischen Marx und Engels herauszugeben, machte Frau Laura Lafargue
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ihre Zustimmung, soweit sie notwendig war, davon abhängig, daß ich
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als ihr Vertrauensmann an der Redaktion teilnähme; in einer, aus Draveil
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vom 10. November 1910 datierten Vollmacht beauftragte sie mich, die Bemerkungen,
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Erläuterungen und Streichungen vorzunehmen, die ich für unerläßlich
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hielte.</P>
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<P>Von dieser Vollmacht habe ich jedoch keinen praktischen Gebrauch gemacht. Zwischen
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den Herausgebern oder vielmehr dem Herausgeber Bernstein - denn Bebel gab nur
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den Namen dazu her - und mir ergaben sich keine wesentlichen Meinungsverschiedenheiten,
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und ihm ohne zwingenden oder mindestens dringenden Grund ins Handwerk zu pfuschen,
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hatte ich, im Sinne meiner Auftraggeberin, keinen Anlaß, kein Recht und
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selbstverständlich auch keine Neigung.</P>
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<P>Dagegen rundete sich mir in der langen Arbeit an diesem Briefwechsel das Bild
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ab, das ich aus jahrzehntelangen Studien von Karl Marx gewonnen hatte, und so
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erwuchs mir unwillkürlich der Wunsch, diesem Bilde einen biographischen Rahmen
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zu geben, zumal da ich wußte, daß Frau Lafargue daran ihre große
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Freude haben würde. Ich hatte mir ihre Freundschaft und ihr Vertrauen erworben,
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nicht etwa weil sie mich unter den Schülern ihres Vaters für den gelehrtesten
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oder scharfsinnigsten, sondern nur für denjenigen hielt, der in sein menschliches
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Wesen am tiefsten eingedrungen sei und es am treffendsten darzustellen wisse.
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Brieflich wie mündlich hat sie mir oft versichert, wie so manche halbverklungene
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Erinnerung aus ihrem elterlichen Hause durch die Schilderung in meiner Parteigeschichte
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und namentlich in meiner Nachlaßausgabe ihr wieder frisch und lebendig,
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wie mancher, von ihren Eltern oft gehörter Name ihr erst durch mich aus einem
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bloßen Schatten zu einer greifbaren Gestalt geworden sei.</P>
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<P>Leider starb die edle Frau, lange ehe der Briefwechsel ihres Vaters mit <B>|4|</B><A name="S4"></A>
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Engels herausgegeben werden konnte. Wenige Stunden, ehe sie in den Freitod ging,
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sandte sie mir noch ein herzliches Wort des Grußes. Sie hatte den großen Sinn
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ihres Vaters geerbt, und ich danke es ihr noch im Grabe, daß sie mir manchen Schatz
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aus seinem Nachlaß zur Herausgabe anvertraut hat, ohne auch nur den leisesten
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Versuch, mein kritisches Urteil darüber zu beeinflussen. So erhielt ich von ihr
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die Briefe Lassalles an ihren Vater, obgleich sie aus meiner Parteigeschichte
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wußte, wie entschieden und wie oft ich das Recht Lassalles gegen ihren Vater vertreten
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hatte. Nicht ein Äderchen von dem Wesen dieser großherzigen Frau verrieten dagegen
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zwei Zionswächter des Marxismus, die, als ich nunmehr zur Ausführung meines biographischen
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Vorhabens schritt, in das Horn der sittlichen Entrüstung stießen, weil ich in
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der »Neuen Zeit« einige Bemerkungen über Lassalles und Bakunins Beziehungen zu
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Marx geäußert hatte, ohne dabei den gebührenden Kotau vor der offiziellen Parteilegende
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zu machen. Zuerst zieh mich K. Kautsky der »Marxfeindschaft« im allgemeinen und
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eines angeblich an Frau Lafargue begangenen Vertrauensbruchs« im besonderen, und
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als ich gleichwohl auf meiner Absicht beharrte, die Biographie von Marx zu schreiben,
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opferte er von dem bekanntlich sehr kostbaren Raum der »Neuen Zeit« nicht weniger
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als einige sechzig Seiten einem Pamphlet, worin mich N. Rjasanow - unter einer
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Flut von Beschuldigungen, deren Gewissenlosigkeit etwa auf gleicher Höhe mit ihrer
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Sinnlosigkeit stand - des schnödesten Verrats an Marx überführen wollte. Ich habe
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diesen Leuten das letzte Wort gegönnt, aus einer Empfindung heraus, die ich aus
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Gründen der Höflichkeit nicht beim richtigen Namen nennen will, schulde aber mir
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selbst festzustellen, daß ich ihrem Gesinnungsterrorismus nicht um Haaresbreite
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nachgegeben, sondern auf den nachfolgenden Blättern die Beziehungen Lassalles
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und Bakunins zu Marx, unter gänzlicher Mißachtung der Parteilegende, nach den
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Geboten der geschichtlichen Wahrheit dargestellt habe. Natürlich habe ich dabei
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wieder von jeder Polemik abgesehen, jedoch in den Anmerkungen einige Hauptanklagen
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der Kautsky und Rjasanow gegen mich ein wenig niedriger gehängt, zu Nutz und Frommen
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jüngerer Arbeiter auf diesem Gebiet, denen das Gefühl absoluter Wurstigkeit gegen
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die Anfälle des Marxpfaffentums nicht früh genug eingeimpft werden kann. Wäre
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Marx in der Tat der langweilige Musterknabe gewesen, den die Marxpfaffen in ihm
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bewundern, so hätte es mich nie gereizt, seine Biographie zu schreiben. Meine
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Bewunderung wie meine Kritik - und zu einer guten Biographie gehört die eine wie
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die andere in gleichem <B><A NAME="S5">|5|</A></B> Maße - gilt dem großen
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|
Menschen, der nichts häufiger und nichts lieber von sich bekannte, als daß
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ihm nichts Menschliches fremd sei. Ihn in seiner mächtig-rauhen Größe
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nachzuschaffen, war die Aufgabe, die ich mir gestellt hatte.</P>
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<P>Das Ziel bestimmte dann auch schon den Weg zum Ziele. Alle Geschichtsschreibung
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ist zugleich Kunst und Wissenschaft, und zumal die biographische Darstellung.
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Ich weiß im Augenblick nicht, welcher trockene Hecht den famosen Gedanken
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geboren hat, daß ästhetische Gesichtspunkte in den Hallen der historischen
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Wissenschaft nichts zu suchen hätten. Aber ich muß, vielleicht zu meiner
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Schande, offen gestehen, daß ich die bürgerliche Gesellschaft nicht
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so gründlich hasse wie jene strengeren Denker, die, um dem guten Voltaire
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eins auszuwischen, die langweilige Schreibweise für die einzig erlaubte erklären.
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Marx selbst war in diesem Punkte auch des Verdachts verdächtig: mit seinen
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alten Griechen rechnete er Klio zu den neun Musen. In der Tat, die Musen schmäht
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nur, wer von ihnen verschmäht worden ist.</P>
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<P>Wenn ich danach die Zustimmung des Lesers zu der von mir gewählten Form
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voraussetzen darf, so muß ich um so mehr einige Nachsicht für den Inhalt
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erbitten. Ich stand hier von vornherein einer unerbittlichen Notwendigkeit gegenüber:
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der Notwendigkeit, den Band nicht zu sehr anschwellen zu lassen, wenn er, selbst
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für vorgeschrittene Arbeiter, noch erreichbar und verständlich bleiben
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sollte; ohnehin hat er schon das Anderthalbfache des ursprünglich geplanten
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Umfangs erreicht. Wie oft mußte ich mich mit einem Worte begnügen,
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wo ich lieber eine Zeile, mit einer Zeile, wo ich lieber eine Seite, mit einer
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Seite, wo ich lieber einen Bogen geschrieben hätte! Besonders hat unter diesem
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äußeren Zwange die Analyse der wissenschaftlichen Schriften von Marx
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gelitten. Um darüber von vornherein keinen Zweifel zu lassen, habe ich den,
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bei der Biographie eines großen Schriftstellers herkömmlichen Untertitel:
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Geschichte seines Lebens und seiner Schriften, um die zweite Hälfte gekürzt.</P>
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<P>Sicherlich beruht die unvergleichliche Größe von Marx nicht zuletzt
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darin, daß in ihm der Mann des Gedankens und der Mann der Tat unzertrennlich
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verbunden waren, daß sie sich gegenseitig ergänzten und unterstützten.
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Aber es ist doch nicht minder sicher, daß der Kämpfer in ihm allemal
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den Vortritt nahm vor dem Denker. Sie dachten darin alle gleich, unsere großen
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Bahnbrecher, wie Lassalle es einmal ausgedrückt hat: wie gerne wolle er ungeschrieben
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lassen, was er wisse, wenn nur endlich einmal die Stunde praktischen Handelns
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schlüge. Und wie recht sie damit hatten, haben wir schaudernd in unseren
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Zeitläuften <A NAME="S6"></A><B>|6|</B> erlebt, wo ernste Forscher, die drei
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oder sogar vier Jahrzehnte über jedem Komma in Marxens Werken gebrütet
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hatten, sich in einer geschichtlichen Stunde, wo sie einmal wie Marx handeln konnten
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und sollten, sich doch nur wie trillernde Wetterhähne um sich selbst zu drehen
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wußten.</P>
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<P>Verhehlen will ich deshalb aber doch nicht, daß ich mich nicht vor anderen
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berufen gefühlt hätte, alle Grenzen des ungeheuren Wissensgebiets zu
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umschreiten, das Marx beherrscht hat. Schon für die Aufgabe, im engen Rahmen
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meiner Darstellung ein durchsichtig klares Bild vom zweiten und dritten Bande
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des »Kapitals« zu geben, habe ich die Hilfe meiner Freundin Rosa Luxemburg angerufen.
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Die Leser werden es ihr ebenso danken wie ich selbst, daß sie meinem Wunsche
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bereitwillig entsprochen hat; der dritte Abschnitt des zwölften Kapitels
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ist von ihr verfaßt worden.</P>
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<P>Es macht mich glücklich, dieser Schrift ein Schmuckstück ihrer Feder
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einzuverleiben, wie es mich nicht minder glücklich macht, daß unsere
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gemeinsame Freundin Clara Zetkin-Zundel mir gestattet hat, mein Schifflein unter
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ihrem Wimpel auf die hohe See zu senden. Die Freundschaft dieser Frauen ist mir
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ein unschätzbarer Trost gewesen, in einer Zeit, in deren Stürmen so
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viele »mannhafte und unentwegte Vorkämpfer« des Sozialismus davongewirbelt
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sind wie dürre Blätter im Herbstwind.</P>
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<P>Steglitz-Berlin, im März 1918</P>
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<P ALIGN="RIGHT">FRANZ MEHRING</P>
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<HR size="1" align="left" width="200">
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<P><SMALL>Pfad: »../mh/mh03«<BR>
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Kapitel</SMALL></A></TD>
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Mehring</SMALL></A></TD>
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