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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 31. Kapitel</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="lu05_365.htm"><FONT SIZE=2>30. Kapitel</FONT></A><FONT SIZE=1> | </FONT><A HREF="lu05_005.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="lu05_398.htm"><FONT SIZE=2>32. Kapitel</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Rosa Luxemburg - Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut f&uuml;r Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 5. Berlin/DDR. 1975. "Die Akkumulation des Kapitals", S. 391-398.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 20.10.1998</P>
<HR>
</FONT><FONT SIZE=5><P ALIGN="CENTER">Einunddrei&szlig;igstes Kapitel</P>
<I><P ALIGN="CENTER">Schutzzoll und Akkumulation</P>
</I></FONT><B><P><A NAME="S391">&lt;391&gt;</A></B> Der Imperialismus ist der politische Ausdruck des Prozesses der Kapitalakkumulation in ihrem Konkurrenzkampf um die Reste des noch nicht mit Beschlag belegten nichtkapitalistischen Weltmilieus. Geographisch umfa&szlig;t dieses Milieu heute noch die weitesten Gebiete der Erde. Gemessen jedoch an der gewaltigen Masse des bereits akkumulierten Kapitals der alten kapitalistischen L&auml;nder, das um die Absatzm&ouml;glichkeiten f&uuml;r sein Mehrprodukt wie um Kapitalisierungsm&ouml;glichkeiten f&uuml;r seinen Mehrwert ringt, gemessen ferner an der Rapidit&auml;t, mit der heute Gebiete vorkapitalistischer Kulturen in kapitalistische verwandelt werden, mit anderen Worten gemessen an dem bereits erreichten hohen Grad der Entfaltung der Produktivkr&auml;fte des Kapitals, erscheint das seiner Expansion noch verbleibende Feld als ein geringer Rest. Demgem&auml;&szlig; gestaltet sich das internationale Vorgehen des Kapitals auf der Weltb&uuml;hne. Bei der hohen Entwicklung und der immer heftigeren Konkurrenz der kapitalistischen L&auml;nder um die Erwerbung nichtkapitalistischer Gebiete nimmt der Imperialismus an Energie und an Gewaltt&auml;tigkeit zu, sowohl in seinem aggressiven Vorgehen gegen die nichtkapitalistische Welt wie in der Versch&auml;rfung der Gegens&auml;tze zwischen den konkurrierenden kapitalistischen L&auml;ndern. Je gewaltt&auml;tiger, energischer und gr&uuml;ndlicher der Imperialismus aber den Untergang nichtkapitalistischer Kulturen besorgt, um so rascher entzieht er der Kapitalakkumulation den Boden unter den F&uuml;&szlig;en. Der Imperialismus ist ebensosehr eine geschichtliche Methode der Existenzverl&auml;ngerung des Kapitals wie das sicherste Mittel, dessen Existenz auf k&uuml;rzestem Wege objektiv ein Ziel zu setzen. Damit ist nicht gesagt, da&szlig; dieser Endpunkt pedantisch erreicht werden mu&szlig;. Schon die Tendenz zu diesem Endziel <A NAME="S392"><B>&lt;392&gt;</A></B> der kapitalistischen Entwicklung &auml;u&szlig;ert sich in Formen, die die Schlu&szlig;phase des Kapitalismus zu einer Periode der Katastrophen gestalten.</P>
<P>Die Hoffnung auf eine friedliche Entwicklung der Kapitalakkumulation, auf den "Handel und Gewerbe, die nur bei Frieden gedeihen", die ganze offizi&ouml;se manchesterliche Ideologie der Interessenharmonie zwischen den Handelsnationen der Welt - die andere Seite der Interessenharmonie zwischen Kapital und Arbeit - stammt aus der Sturm-und-Drang-Periode der klassischen National&ouml;konomie und schien eine praktische Best&auml;tigung zu finden in der kurzen Freihandels&auml;ra in Europa in den 60er und 70er Jahren. Sie hat zur Grundlage das falsche Dogma der englischen Freihandelsschule, als sei der Warenaustausch die einzige Voraussetzung und Bedingung der Kapitalakkumulation, als sei diese mit der Warenwirtschaft identisch. Die ganze Ricardoschule identifizierte, wie wir sahen, die Kapitalakkumulation und ihre Reproduktionsbedingungen mit der einfachen Warenproduktion und mit den Bedingungen der einfachen Warenzirkulation. Noch mehr tritt dies sp&auml;ter bei dem praktischen Freih&auml;ndler vulgaris zutage. Die ganze Beweisf&uuml;hrung der Cobden-Liga war zugeschnitten auf die besonderen Interessen der exportierenden Baumwollfabrikanten von Lancashire. Ihr Hauptaugenmerk war darauf gerichtet, K&auml;ufer zu gewinnen, und ihr Glaubensartikel lautete: Wir m&uuml;ssen dem Auslande abkaufen, damit wir wiederum als Verk&auml;ufer der Industrieprodukte, will sagen: der Baumwollwaren, Abnehmer finden. Der Konsument, in dessen Interesse Cobden und Bright den Freihandel, namentlich die Verbilligung der Nahrungsmittel, forderten, war nicht der Arbeiter, der das Brot verzehrt, sondern der Kapitalist, der die Arbeitskraft verzehrt.</P>
<P>Dieses Evangelium war nie der wirkliche Ausdruck der Interessen der Kapitalakkumulation im ganzen. In England selbst wurde es schon in den 40er Jahren durch die Opiumkriege L&uuml;gen gestraft, die mit Kanonendonner die Interessenharmonie der Handelsnationen in Ostasien proklamierten, um mit der Annexion von Hongkong in das Gegenteil, in das System der "Interessensph&auml;ren" umzuschlagen<A NAME="ZF1"><A HREF="lu05_391.htm#F1">.(1)</A></A> Auf dem europ&auml;ischen Kontinent war der Freihandel der 60er Jahre schon aus dem Grunde kein Ausdruck der Interessen des industriellen Kapitals, weil die f&uuml;hrenden Freihandels- <A NAME="S393"><B>&lt;393&gt;</A></B> l&auml;nder des Kontinents in jener Zeit noch vorwiegend agrarische L&auml;nder, ihre Gro&szlig;industrie noch verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig schwach entwickelt war. Das Freihandelssystem wurde vielmehr als Ma&szlig;nahme der politischen Konstituierung der mitteleurop&auml;ischen Staaten durchgesetzt. In Deutschland war es in der Manteuffelschen und Bismarckschen Politik ein spezifisch preu&szlig;isches Mittel, &Ouml;sterreich aus dem Bund und dem Zollverein herauszudr&auml;ngen und das neue Deutsche Reich unter Preu&szlig;ens F&uuml;hrung zu konstituieren. &Ouml;konomisch st&uuml;tzte sich der Freihandel hier nur auf die Interessen des Kaufmannskapitals namentlich des am Welthandel interessierten Kapitals der Hansast&auml;dte, und auf agrarische Konsumenteninteressen; von der eigentlichen Industrie lie&szlig; sich die Eisenproduktion nur mit M&uuml;he um die Konzession der Abschaffung der Rheinz&ouml;lle f&uuml;r den Freihandel gewinnen, die s&uuml;ddeutsche Baumwollindustrie aber blieb unvers&ouml;hnlich in der schutzz&ouml;llnerischen Opposition. In Frankreich waren die Meistbeg&uuml;nstigungsvertr&auml;ge, die die Grundlage f&uuml;r das Freihandelssystem in ganz Europa gelegt haben, von Napoleon III. ohne und gegen die kompakte schutz&ouml;llnerische Mehrheit des Parlaments aus Industriellen und Agrariern abgeschlossen. Der Weg der Handelsvertr&auml;ge selbst wurde von der Regierung des Zweiten Kaiserreichs nur als ein Notbehelf eingeschlagen und von England als solcher akzeptiert, um die parlamentarische Opposition Frankreichs zu umgehen und hinter dem R&uuml;cken der gesetzgebenden K&ouml;rperschaft auf internationalem Wege den Freihandel durchzusetzen. Mit dem ersten grundlegenden Vertrag zwischen Frankreich und England wurde die &ouml;ffentliche Meinung in Frankreich einfach &uuml;berrumpelt.<A NAME="ZF2"><A HREF="lu05_391.htm#F2">(2)</A></A> Das alte Schutzzollsystem Frankreichs wurde von 1853 bis 1862 durch 32 kaiserliche Dekrete abgetragen, die dann 1863 in l&auml;ssiger Beobachtung <A NAME="S394"><B>&lt;394&gt;</A></B> der Form insgesamt "auf gesetzgeberischem Wege" best&auml;tigt wurden. In Italien war der Freihandel ein Requisit der Cavourschen Politik und ihres Anlehnungsbed&uuml;rfnisses an Frankreich. Schon 1870 wurde unter dem Dr&auml;ngen der &ouml;ffentlichen Meinung eine Enquete er&ouml;ffnet, die den Mangel an R&uuml;ckhalt f&uuml;r die freih&auml;ndlerische Politik in den Interessentenkreisen blo&szlig;gelegt hat. Endlich in Ru&szlig;land war die freih&auml;ndlerische Tendenz der 60er Jahre nur erst eine Einleitung zur Schaffung einer breiten Grundlage f&uuml;r die Warenwirtschaft und die Gro&szlig;industrie: begleitete sie doch erst die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Herstellung eines Eisenbahnnetzes.<A NAME="ZF3"><A HREF="lu05_391.htm#F3">(3)</A></A></P>
<P>So konnte der Freihandel als internationales System von vornherein nicht mehr als eine Episode in der Geschichte der Kapitalakkumulation bleiben. Schon aus diesem Grunde ist es verkehrt, die allgemeine Umkehr zum Schutzzoll seit Ende der 70er Jahre lediglich als eine Abwehrma&szlig;regel gegen den englischen Freihandel erkl&auml;ren zu wollen.<A NAME="ZF4"><A HREF="lu05_391.htm#ZF4">(4)</A></A></P>
<B><P><A NAME="S395">&lt;395&gt;</A></B> Gegen diese Erkl&auml;rung sprechen die Tatsachen, da&szlig; in Deutschland wie in Frankreich und Italien bei der Umkehr zum Schutzzoll die f&uuml;hrende Rolle den agrarischen Interessen zufiel, die sich nicht gegen die Konkurrenz Englands, sondern gegen die der Vereinigten Staaten richteten, da&szlig; im &uuml;brigen das Schutzbed&uuml;rfnis f&uuml;r die aufkommende einheimische Industrie in Ru&szlig;land sich z.B. viel st&auml;rker gegen Deutschland, in Italien aber gegen Frankreich richtete als gegen England. Die allgemeine dauernde Depression auf dem Weltmarkt, die sich seit der Krise der 70er Jahre hinzog und die Stimmung f&uuml;r den Schutzzoll vorbereitet hatte, war ebensowenig mit Englands Monopol verbunden. Die allgemeine Ursache der schutzz&ouml;llnerischen Front&auml;nderung lag denn auch tiefer. Der reine Standpunkt des Warenaustausches, dem die freih&auml;ndlerische Illusion der Interessenharmonie auf dem Weltmarkt entstammte, ist aufgegeben worden, sobald das gro&szlig;industrielle Kapital in den wichtigsten L&auml;ndern des europ&auml;ischen Kontinents so weit Fu&szlig; gefa&szlig;t hatte, um sich auf seine Akkumulationsbedingungen zu besinnen. Diese aber schoben gegen&uuml;ber der Gegenseitigkeit der Interessen der kapitalistischen Staaten ihren Antagonismus und die Konkurrenz im Kampfe um das nichtkapitalistische Milieu in den Vordergrund.</P>
<P>Als die Freihandels&auml;ra anhub, wurde Ostasien erst durch die Chinakriege erschlossen, in &Auml;gypten stellte das europ&auml;ische Kapital die ersten Schritte. In den 80er Jahren setzt parallel mit dem Schutzzoll die Expanionspolitik mit zunehmender Energie ein: Die Okkupation &Auml;gyptens durch England, die deutschen Kolonialeroberungen in Afrika, die franz&ouml;sische Okkupation von Tunis und die Expedition nach Tonking, die <A NAME="S396"><B>&lt;396&gt;</A></B> Vorst&ouml;&szlig;e Italiens in Assab und Massaua, der abessinische Krieg und die Bildung Eritreas, die englischen Eroberungen in S&uuml;dafrika-, alle diese Schritte folgten sich in einer ununterbrochenen Kette die 80er Jahre hindurch. Der Konflikt zwischen Italien und Frankreich wegen der Interessensph&auml;re in Tunis war das charakteristische Vorspiel zu dem franko-italienischen Zollkrieg sieben Jahre sp&auml;ter, der als drastischer Epilog die freih&auml;ndlerische Interessenharmonie auf dem europ&auml;ischen Kontinent abgeschlossen hat. Die Monopolisierung der nichtkapitalistischen Expansionsgebiete im Innern der alten kapitalistischen Staaten wie drau&szlig;en in den &uuml;berseeischen L&auml;ndern wurde zur Losung des Kapitals, w&auml;hrend der Freihandel, die Politik der "offenen T&uuml;r" zur spezifischen Form der Schutzlosigkeit nichtkapitalistischer L&auml;nder gegen&uuml;ber dem internationalen Kapital und des Gleichgewichts dieses konkurrierenden Kapitals geworden ist, zum Vorstadium ihrer partiellen oder g&auml;nzlichen Okkupation als Kolonien oder Interessenssph&auml;ren. Wenn England allein bisher dem Freihandel treu geblieben ist, so h&auml;ngt das in erster Linie damit zusammen, da&szlig; es als &auml;ltestes Kolonialteich in seinem gewaltigen Besitz an nichtkapitalistischen Gebieten von Anfang an eine Operationsbasis fand, die seiner Kapitalakkumulation bis in die j&uuml;ngste Zeit fast schrankenlose Aussichten bot und es tats&auml;chlich au&szlig;erhalb der Konkurrenz anderer kapitalistischen L&auml;nder stellte. Daher der allgemeine Drang der kapitalistischen L&auml;nder, sich voneinander durch Schutzz&ouml;lle abzusperren, obwohl sie zugleich f&uuml;reinander in immer h&ouml;herem Ma&szlig;e Warenabnehmer, aufeinander bei der Erneuerung ihrer sachlichen Reproduktionsbedingungen immer mehr angewiesen sind und obwohl die Schutzz&ouml;lle heute, vom Standpunkte der technischen Entwicklung der Produktivkr&auml;fte, v&ouml;llig entbehrlich geworden sind, ja vielfach umgekehrt zur k&uuml;nstlichen Konservierung veralteter Produktionsweisen f&uuml;hren. Der innere Widerspruch der internationalen Schutzzollpolitik ist, gleich dem widerspruchsvollen Charakter des internationalen Anleihesystems, blo&szlig; ein Reflex des geschichtlichen Widerspruchs, in den <A NAME="S397"><B>&lt;397&gt;</A></B> die Interessen der Akkumulation, d.h. der Realisierung und Kapitalisierung des Mehrwerts, der Expansion, zu den reinen Standpunkten des Warenaustausches geraten sind.</P>
<P>Letzteres findet namentlich darin seinen handgreiflichen Ausdruck, da&szlig; das moderne Hochschutzzollsystem - entsprechend der kolonialen Expansion und den versch&auml;rften Gegens&auml;tzen innerhalb des kapitalistischen Milieus - wesentlich auch als Grundlage der verst&auml;rkten Milit&auml;rr&uuml;stungen inauguriert wurde. In Deutschland wie in Frankreich, Italien und Ru&szlig;land wurde die Umkehr zum Schutzzoll Hand in Hand mit Heeresvergr&ouml;&szlig;erungen und in deren Dienste durchgef&uuml;hrt, als Basis des gleichzeitig begonnenen Systems des europ&auml;ischen Wettr&uuml;stens erst zu Lande und dann auch zu Wasser. Der europ&auml;ische Freihandel, dem das kontinentale Milit&auml;rsystem mit dem Schwerpunkt im Landheer entsprach, hat dem Schutzzoll als der Basis und Erg&auml;nzung des imperialistischen Milit&auml;rsystems, bei dem der Schwerpunkt immer mehr in der Flotte liegt, den Platz ger&auml;umt.</P>
<P>Die kapitalistische Akkumulation hat somit als Ganzes, als konkreter geschichtlicher Proze&szlig;, zwei verschiedene Seiten. Die eine vollzieht sich in der Produktionsst&auml;tte des Mehrwerts - in der Fabrik, im Bergwerk, auf dem landwirtschaftlichen Gut - und auf dem Warenmarkt. Die Akkumulation ist, von dieser Seite allein betrachtet, ein rein &ouml;konomischer Proze&szlig;, dessen wichtigste Phase zwischen dem Kapitalisten und dem Lohnarbeiter sich abspielt, der sich aber in beiden Phasen: im Fabrikraum wie auf dem Markt, ausschlie&szlig;lich in den Schranken des Warenaustausches, des Austausches von &Auml;quivalenten bewegt. Friede, Eigentum und Gleichheit herrschen hier als Form, und es bedurfte der scharfen Dialektik einer wissenschaftlichen Analyse, um zu enth&uuml;llen, wie bei der Akkumulation Eigentumsrecht in Aneignung fremden Eigentums, Warenaustausch in Ausbeutung, Gleichheit in Klassenherrschaft umschlagen.</P>
<P>Die andere Seite der Kapitalakkumulation vollzieht sich zwischen dem Kapital und nichtkapitalistischen Produktionsformen. Ihr Schauplatz ist die Weltb&uuml;hne. Hier herrschen als Methoden Kolonialpolitik, internationales Anleihesystem, Politik der Interessensph&auml;ren, Kriege. Hier treten ganz unverh&uuml;llt und offen Gewalt, Betrug, Bedr&uuml;ckung, Pl&uuml;nderung zutage, und es kostet M&uuml;he, unter diesem Wust der politischen Gewaltakte und Kraftproben die strengen Gesetze des &ouml;konomischen Prozesses aufzufinden.</P>
<P>Die b&uuml;rgerlich-liberale Theorie fa&szlig;t nur die eine Seite: die Dom&auml;ne des "friedlichen Wettbewerbs", der technischen Wunderwerke und des reinen <A NAME="S398"><B>&lt;398&gt;</A></B> Warenhandels, ins Auge, um die andere Seite, das Gebiet der ger&auml;uschvollen Gewaltstreiche des Kapitals, als mehr oder minder zuf&auml;llige &Auml;u&szlig;erungen der "ausw&auml;rtigen Politik" von der &ouml;konomischen Dom&auml;ne des Kapitals zu trennen.</P>
<P>In Wirklichkeit ist die politische Gewalt auch hier nur das Vehikel des &ouml;konomischen Prozesses, die beiden Seiten der Kapitalakkumulation sind durch die Reproduktionsbedingungen des Kapitals selbst organisch miteinander verkn&uuml;pft, erst zusammen ergeben sie die geschichtliche Laufbahn des Kapitals. Dieses kommt nicht blo&szlig; "von Kopf bis Zeh, aus allen Poren blut- und schmutztriefend" zur Welt, sondern es setzt sich auch so Schritt f&uuml;r Schritt in der Welt durch und bereitet so, unter immer heftigeren konvulsivischen Zuckungen, seinen eigenen Untergang vor.</P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten von Rosa Luxemburg</P>
<P><A NAME="F1">(1)</A> Und nicht nur in England. "Schon 1859 hatte eine durch ganz Deutschland verbreitete Flugschrift, als deren Verfasser man den Fabrikanten Diergardt aus Viersen bezeichnete, die eindringliche Mahnung an Deutschland gerichtet, sich des ostasiatischen Marktes rechtzeitig zu versichern. Es gab nur ein Mittel, um den Japanern, &uuml;berhaupt den Ostasiaten gegen&uuml;ber handelspolitisch etwas zu erreichen, das ist milit&auml;rische Machtentfaltung. Die aus dem Sparpfennig des Volkes erbaute deutsche Flotte war ein Jugendtraum gewesen. Sie war l&auml;ngst durch Hannibal Fischer versteigert. Preu&szlig;en hatte einige Schiffe, freilich keine imponierende Marinemacht. Man entschlo&szlig; sich aber, ein Geschwader auszur&uuml;sten, um in Ostasien Handelsvertragsverhandlungen anzukn&uuml;pfen. Die F&uuml;hrung der Mission, welche auch wissenschaftliche Zwecke verfolgte, erhielt einer der f&auml;higsten und besonnensten preu&szlig;ischen Staatsm&auml;nner, Graf zu Eulenburg. Derselbe f&uuml;hrte seinen Auftrag unter den schwierigsten Verh&auml;ltnissen mit gro&szlig;em Geschick durch. Auf den Plan, damals auch mit den Hawaiischen Inseln Vertragsbeziehungen anzukn&uuml;pfen, mu&szlig;te man verzichten. Im &uuml;brigen erreichte die Expedition ihren Zweck. Trotzdem die Berliner Presse damals alles besser wu&szlig;te und bei jeder Nachricht &uuml;ber eingetretene Schwierigkeiten erkl&auml;rte, das habe man l&auml;ngst vorausgesehen und alle solche Ausgaben f&uuml;r Flottendemonstrationen seien eine Verschwendung der Mittel der Steuerzahler, l&auml;&szlig;t sich das Ministerium der neuen &Auml;ra nicht irremachen. Den Nachfolgern wurde die Genugtuung des Erfolges zuteil." (W. Lotz: Die Ideen der deutschen Handelspolitik, S<I>. </I>80.) <A HREF="lu05_391.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F2">(2)</A> "Une n&eacute;gociation officielle fut ouverte (zwischen der franz&ouml;sischen und der englischen Regierung, nachdem Michel Chevalier mit Rich. Cobden die vorbereitenden Schritte getan hatte) au bout de peu de jours: elle fut conduite avec le plus grand myst&egrave;re. Le 5 Janvier 1860 Napol&eacute;on III annon&ccedil;a ses intentions dans une lettreprogramme adress&eacute;e au minist&egrave;re d'&Eacute;tat, M. Fould. Cette d&eacute;claration &eacute;clata comme un coup de foudre. Apr&egrave;s les incidents de l<>ann&eacute;e qui venait de finir, on comptait qu'aucune modification du r&eacute;gime douanier ne serait tent&eacute;e avant 1861. L'&eacute;motion fut g&eacute;n&eacute;rale. N&eacute;anmoins le traite fut signe le 23 Janvier." (Auguste Devers: La politique commerciale de la France depuis 1860. Schriften des Vereins f&uuml;r Sozialpolitik, LI, S. 136.) <A HREF="lu05_391.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F3">(3)</A> Die Revision des russischen Zolltarifs in liberalem Sinne 1857 und 1868, die endg&uuml;ltige Abtragung des wahnwitzigen Schutzzollsystems Kankrins, war eine Erg&auml;nzung und &Auml;u&szlig;erung des ganzen Reformwerkes, das durch das Debakel des Krimkrieges erzwungen wurde. Unmittelbar entsprach aber die Erm&auml;&szlig;igung der Z&ouml;lle vor allem den Interessen des adeligen Grundbesitzes, der sowohl als Konsument ausl&auml;ndischer Waren wie als Produzent des ins Ausland ausgef&uuml;hrten Getreides an einem ungehinderten Handelsverkehr Ru&szlig;lands mit Westeuropa interessiert war. Hat doch die Verfechterin der landwirtschaftlichen Interessen, die Freie &Ouml;konomische Gesellschaft, konstatiert: "W&auml;hrend der verflossenen 60 Jahre, von 1822 bis 1882, hat die gr&ouml;&szlig;te Produzentin Ru&szlig;lands, die Landwirtschaft, viermal unerme&szlig;lichen Schaden erleiden m&uuml;ssen, wodurch sie in eine &auml;u&szlig;erst kritische Lage gebracht wurde, und in allen vier F&auml;llen lag die unmittelbare Ursache an ma&szlig;los hohen Zolltarifen. Umgekehrt ist die 32j&auml;hrige Zeitperiode von 1845 bis 1877, w&auml;hrend der gem&auml;&szlig;igte Z&ouml;lle bestanden, ohne solche Notst&auml;nde abgelaufen, ungeachtet der drei Kriege und eines inneren B&uuml;rgerkrieges (gemeint ist der polnische Aufstand 1863 <20> <I>R. L.</I>), von denen jeder eine gr&ouml;&szlig;ere oder geringere Anspannung der Finanzkr&auml;fte des Staates bewirkte." (Memorandum der Kaiserl. Freien &Ouml;konomischen Gesellschaft in Sachen der Revision des russischen Zolltarifs, Petersburg 1890, S. 148.) Wie wenig in Ru&szlig;land bis in die j&uuml;ngste Zeit die Verfechter des Freihandels oder wenigstens eines gem&auml;&szlig;igten Schutzzolls als die Vertreter der Interessen des Industriekapitals betrachtet werden d&uuml;rfen, beweist schon die Tatsache, da&szlig; die wissenschaftliche St&uuml;tze dieser freih&auml;ndlerischen Bewegung, die genannte Freie &Ouml;konomische Gesellschaft, noch in den 90er Jahren gegen den Schutzzoll gerade als gegen ein Mittel der "k&uuml;nstlichen Verpflanzung" der kapitalistischen Industrie nach Ru&szlig;land eiferte und im Geiste reaktion&auml;rer "Volkst&uuml;mler" den Kapitalismus als die Brutst&auml;tte des modernen Proletariats denunzierte, "jener Massen milit&auml;rdienstuntauglicher, besitzloser und heimatloser Menschen, die nichts zu verlieren haben und die seit langer Zeit keinen guten Ruf genie&szlig;en ...". (l.c., S. 171.) Vgl. auch K. Lodyshenski: Geschichte des russischen Zolltarifs, Petersburg 1886, S. 239-258. <A HREF="lu05_391.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F4">(4)</A> Auch Fr. Engels teilte diese Auffassung. In einem seiner Briefe an Nikolai-on schreibt er am 18. Mai 1892: "Englische Interessen vertretende Schriftsteller k&ouml;nnen es nicht verstehen, da&szlig; alle Welt es ablehnt, ihr Freihandelsbeispiel zu befolgen, und statt dessen Schutzz&ouml;lle eingef&uuml;hrt hat. Nat&uuml;rlich <I>wagen </I>sie nicht zu sehen, da&szlig; dieses jetzt fast allgemeine Zollsystem ein <20> mehr oder weniger kluges und in manchen F&auml;llen absolut dummes - Mittel der Selbstverteidigung gegen ebendenselben englischen Freihandel ist, der das englische Industriemonopol zu seiner h&ouml;chsten Vollendung gef&uuml;hrt hat. (Dumm z.B. im Falle Deutschlands, das unterm Freihandel ein gro&szlig;es Industrieland geworden ist und wo der Schutzzoll auf landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe ausgedehnt wird, was die Kosten der industriellen Produktion erh&ouml;ht!) Ich betrachte dieses allgemeine Zur&uuml;ckgreifen auf den Schutzzoll nicht als einen blo&szlig;en Zufall, sondern als Reaktion gegen das untragbare Industriemonopol Englands; die <I>Form </I>dieser Reaktion mag, wie gesagt, unzutr&auml;glich sogar noch schlechter sein, aber die historische Notwendigkeit einer solchen Reaktion scheint mir klar und offensichtlich." (Briefe usw., S. 71.) [Friedrich Engels an Nikolai Franzewitsch Danielson in Petersburg, 18. Juni 1892. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 38. S. 365.] <A HREF="lu05_391.htm#ZF4">&lt;=</A></P></BODY>
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