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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx/Friedrich Engels - Die grossen Maenner des Exils</TITLE>
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 8, 3. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 304-312</SMALL>
<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me08_299.htm"><FONT SIZE=2>X.</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me08_233.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me08_312.htm"><FONT SIZE=2>XII.</FONT></A></P>
<P ALIGN="CENTER">XI</P>
<B><P><A NAME="S304">&lt;304&gt;</A></B> "Die Kraft des wahren Verlaufs", um in einer der durchschlagend sch&ouml;nen Formen unsres Arnold zu sprechen, verlief sich nun wie folgt. Ruge hatte sich und die deutsche Emigration am 24. Februar vor d. Ausland kompromittiert. Die wenigen Emigranten, die noch allenfalls Lust hatten, mit ihm zusammenzugehn, f&uuml;hlten sich so unsicher und ohne R&uuml;ckhalt. Arnold schob alles auf die Spaltungen unter der Emigration und drang mehr als je auf Vereinigung. Kompromittiert, wie er war, haschte er lebhaft nach einem Anla&szlig;, um sich v. neuem zu kompromittieren.</P>
<P>Der <I>Jahrestag der Wiener M&auml;rzrevolution </I>wurde daher zur Veranstaltung eines deutschen Banketts benutzt. Der ritterliche Willich lehnte ab; da er dem "B&uuml;rger" Louis Blanc geh&ouml;re, k&ouml;nne er nicht mit dem "B&uuml;rger" Ruge zusammengehn, der dem "B&uuml;rger" Ledru geh&ouml;re. Auch die Exdeputierten Reichenbach, Schramm, Bucher pp. flohen Arnolds N&auml;he. Es erschienen Mazzini, Ruge, Struve, Tausenau, Haug, Ronge, Kinkel, welche alle sprachen - die stummen G&auml;ste ungerechnet.</P>
<P>Ruge trat auf als der "unendlich Dumme", wie selbst seine Freunde behaupten. Das anwesende deutsche Publikum sollte indes noch gr&ouml;&szlig;eres erleben. Die Harlekinaden Tausenaus, die Kr&auml;chzereien Struves, die Faseleien Haugs, die Litaneien Ronges versteinerten das Auditorium, so da&szlig; der gr&ouml;&szlig;ere Teil sich verlief, bevor die f&uuml;r d. Dessert aufgesparte Rednerblume Jeremias-Kinkel zu Worte kam. Gottfried sprach als M&auml;rtyrer "im Namen der M&auml;rtyrer" f. d. M&auml;rtyrer ein wehm&uuml;tiges Wort der Vers&ouml;hnung an alle "vom einfachen Verfassungsk&auml;mpfer bis zum roten Republikaner". W&auml;hrend sie wieder alle als Republikaner und stellenweise, wie Kinkel, sogar als rote Republikaner &auml;chzten, krochen sie zugleich in dem&uuml;tiger Bewunderung vor der englischen Verfassung, ein Widerspruch, worauf sie der "Morning Chronicle" am andern Morgen aufmerksam zu machen geruhte.</P>
<B><P><A NAME="S305">&lt;305&gt;</A></B> Am selben Abend erreichte Ruge jedoch das Ziel seiner W&uuml;nsche, wie aus einem Aufruf erhellt, dessen Glanzstellen hier folgen</P>
<FONT SIZE=2><P>"<I>An die Deutschen!</P>
</I><P>Br&uuml;der und Freunde im Vaterlande! Wir, die Unterzeichneten, bilden gegenw&auml;rtig und bis ihr ein Weiteres beschlie&szlig;t, <I>den </I>Ausschu&szlig; f&uuml;r <I>die </I>deutschen Angelegenheiten" (einerlei welche).</P>
<P>"Das Zentralkomitee der europ&auml;ischen Demokratie hat uns Arnold <I>Ruge</I>, die badische Revolution Gustav <I>Struve</I>, die Wiener Revolution Ernst <I>Haug</I>, die religi&ouml;se Bewegung Johannes <I>Ronge</I>, das Gef&auml;ngnis hat uns Gottfried <I>Kinkel </I>gesendet; wir haben die sozial-demokratischen Arbeiter aufgefordert, einen Vertreter in unsre Mitte zu senden.</P>
<P>Deutsche Br&uuml;der! Die Ereignisse haben euch der Freiheit beraubt ... wir wissen, da&szlig; ihr nicht f&auml;hig seid, eure Freiheit f&uuml;r immer verloren zu geben, und wir selbst haben nichts" (an Komitees u. Manifesten) "unterlassen" (teste &lt;nach dem Zeugnis von&gt; Arnold), "um ihre Wiedereroberung zu beschleunigen.</P>
<P>Als wir ... als wir der Mazzinischen Anleihe unsre Unterst&uuml;tzung und unsre Garantie gew&auml;hrten, als wir ... als wir ... die heilige Allianz der V&ouml;lker gegen die unheilige Allianz ihrer Unterdr&uuml;cker einleiteten, taten wir nur, wir wissen es, was ihr von ganzer Seele getan zu sehn w&uuml;nschtet ... Der gro&szlig;e Proze&szlig; der Freiheit gegen die Tyrannen ist vor dem Weltgericht der Menschheit anh&auml;ngig" (solange Arnold Staatsanwalt ist, k&ouml;nnen die "Tyrannen" ruhig schlafen) "... Brand, Mord, Verw&uuml;stung, Hunger und Bankerott werden in kurzem eine allgemeine deutsche Errungenschaft sein.</P>
<P>Von euch seht nach Frankreich - der Ingrimm durchgl&uuml;ht es, es ist einiger als je, sich zu befreien" (wer Teufel konnte auch den 2. Dezember vorhersehn!) -"seht nach Ungarn, selbst die Kroaten sind bekehrt" (durch den "Deutschen Zuschauer" und Ruges R&ouml;cke aus S&auml;gesp&auml;nen) - "und glaubt uns, denn wir wissen es, Polen ist unsterblich." (Dies hat ihnen Herr Darasz unter dem Siegel der Verschwiegenheit vertraut.)</P>
<P>"Die Gewalt gegen die Gewalt, das ist die Justiz - sie bereitet sich vor. Und wir wollen nichts unterlassen, um ein <I>wirksameres Provisorium</I>" (aha!) "als das Vorparlament und eine m&auml;chtigere Volksgewalt als die Nationalversammlung herbeizuf&uuml;hren" (siehe unten, was die Herren herbeigef&uuml;hrt haben, indem sie einander an der Nase zu f&uuml;hren gedachten).</P>
<P>"Unsre Entw&uuml;rfe &uuml;ber die Finanzen und die Presse" (Dekret Nr. 1 und 2 des starken Provisoriums - der Verwalter des Zolles, Christian M&uuml;ller, ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt) "werden wir euch besonders vorlegen. Sie haben ein mehr gesch&auml;ftliches Interesse. Nur soviel f&uuml;r die &Ouml;ffentlichkeit, da&szlig; jeder Ankauf der italienischen Anleihe unmittelbar unserm Ausschusse und unsrer Sache zugute kommt und da&szlig; ihr f&uuml;r den Augenblick vorz&uuml;glich durch den <I>reichlichen Zuflu&szlig; der Geldmittel </I>praktisch wirken k&ouml;nnt. Das Geld werden wir dann <I>in &ouml;ffentliche</I> <A NAME="S306"><B>&lt;306&gt;</A></B> <I>Meinung und in &ouml;ffentliche Gewalt zu &uuml;bersetzen wissen</I>" (Arnold meldet sich als &Uuml;bersetzer) "... wir sagen zu euch: <I>Zeichnet zehn Millionen Franken, und wir befreien den Kontinent!</P>
</I><P>Deutsche, erinnert euch daran ... "(da&szlig; ihr den Bariton singt und Feuer auf den Bergen anz&uuml;ndet) "... leiht euren Gedanken" (danach ist augenblicklich sehr viel Nachfrage, beinahe soviel wie nach Geld), "eure B&ouml;rse" (d. verge&szlig;t ja nicht) "und euren Arm! Wir erwarten, da&szlig; sich euer Eifer mit eurer Unterdr&uuml;ckung steigert und da&szlig; der Ausschu&szlig; f&uuml;r die Stunde der Entscheidung durch eure gegenw&auml;rtige Mitwirkung hinl&auml;nglich gest&auml;rkt wird." (Wo nicht, m&uuml;&szlig;te man zu Spirituosen greifen, was gegen Gustavs Gewissen w&auml;re.)</P>
<P>"Alle Demokraten sind mit der Bekanntmachung unsres Aufrufs <I>beauftragt</I>" (der Verwalter des Zolles, Christian M&uuml;ller, wird das &uuml;brige tun).</P>
<P>"London, 13. M&auml;rz 1851</P>
<P ALIGN="RIGHT">Der Ausschu&szlig; f&uuml;r die deutschen Angelegenheiten<BR>
<I>Arnold Ruge, Gustav Struve, Ernst Haug,<BR>
Johannes Ronge, Gottfried Kinkel</I>"</P>
</FONT><P>Unsre Leser kennen Gottfried, sie kennen Gustav; die "wiederholte Erscheinung" Arnolds hat sich ebenfalls schon hinreichend oft wiederholt. Es bleiben also nur noch zwei Mitglieder des "wirksamen Provisoriums" zu betrachten.</P>
<P>Johannes <I>Ronge</I>, oder wie er sich im vertrauten Zirkel zu nennen liebt, Johannes Kurzweg, hat jedenfalls die Apokalypse nicht geschrieben. An ihm ist nichts Mysteri&ouml;ses, er ist platt, gemeinpl&auml;tzlich, fad wie Wasser, namentlich wie lauwarmes Sp&uuml;lwasser. Johannes wurde bekanntlich ein ber&uuml;hmter Mann, weil er nicht wollte, da&szlig; der heilige Rock in Trier f&uuml;r ihn bitte, obwohl es wahrlich ganz einerlei ist, wer f&uuml;r Johannes bittet. Als Johannes auftrat, bedauerte der alte Paulus, da&szlig; Hegel tot sei, da dieser ihn <I>jetzt </I>doch gewi&szlig; nicht mehr f&uuml;r seicht erkl&auml;ren k&ouml;nne, und der selige Krug war froh, gestorben und damit der Gefahr &uuml;berhoben zu sein, in den Ruf des Tiefsinns zu kommen. Johannes geh&ouml;rt zu jenen in der Geschichte h&auml;ufig vorkommenden Erscheinungen, die mehrere Jahrhunderte, nachdem eine Bewegung entstanden und wieder abgestorben ist, den Inhalt dieser Bewegung in der blassesten, mattesten Weise einer gewissen Abart des Philisteriums sowie Kindern von acht Jahren als das Neueste vortragen. Ein solches Handwerk h&auml;lt sich nat&uuml;rlich nicht lange, und so fand sich unser Johannes auch sehr bald in Deutschland in einer t&auml;glich unangenehmer werdenden Lage. Sein seichter Absp&uuml;licht des deutschen Aufkl&auml;richt kam au&szlig;er Begehr, und Johannes pilgerte nach England, wo wir ihn als Konkurrenten des Padre Gavazzi nicht mit besonderm Gl&uuml;ck auftreten sehn. Der unbeh&uuml;lfliche, fahle, <A NAME="S307"><B>&lt;307&gt;</A></B> langweilige Dorfpfarrer erblich nat&uuml;rlich vor dem hitzigen, kulissenrei&szlig;enden italienischen M&ouml;nch, und die Engl&auml;nder wetteten gro&szlig;e Summen, da&szlig; dieser ennuyante Johannes nicht der Mann sein k&ouml;nne, der die tiefdenkende deutsche Nation in Bewegung gesetzt hatte. Daf&uuml;r aber tr&ouml;stete ihn Arnold Ruge, der in dem Deutschkathohzismus unsres Johannes eine frappante Familien&auml;hnlichkeit mit seinem eignen Atheismus entdeckte.</P>
<P>Ludwig von Hauck, ehemaliger kaiserlich-&ouml;streichischer Ingenieurhauptmann, sp&auml;ter 1848 Mitredakteur der "Constitution" in Wien, dann Bataillonschef der Wiener Nationalgarde, verteidigte das Burgtor am 30. Oktober mit L&ouml;wenmut gegen die Kaiserlichen und verlie&szlig; den Posten erst, nachdem alles verloren war. Er rettete sich nach Ungarn, kam zur Armee Bems in Siebenb&uuml;rgen, wo er infolge seiner Bravour bis zum Obersten im Generalstab avancierte. Nach der Waffenstreckung G&ouml;rgeys zu Vilagos wurde Ludwig Hauck gefangen und starb wie ein Held an einem d. Galgen, die d. &Ouml;streicher als Rache f. ihre wiederholten Niederlagen und aus Wut &uuml;ber die ihnen unertr&auml;glich gewordene russische Protektion so zahlreich in Ungarn aufschlugen. Haug passierte in London lange f&uuml;r den gefangenen Hauck (Offizier, der sich r&uuml;hmlich ausgezeichnet hat im ungarischen Feldzug). Soviel scheint jetzt festzustehn, da&szlig; er nicht der verstorbene Hauck ist. Wie er sich gefallen lassen mu&szlig;te, nach dem Falle Roms von Mazzini zum General, konnte er es nicht vermeiden, von Arnold zum Repr&auml;sentanten der Wiener Revolution und Mitglied des starken Provisoriums improvisiert zu werden. Sp&auml;ter hielt er &auml;sthetische Vorlesungen &uuml;ber die &ouml;konomische Grundlage der weltgeschichtlichen Kosmogonie vom geologischen Standpunkt und mit musikalischer Begleitung. Unter der Emigration ist dieser schwerm&uuml;tige Mensch bekannt unter dem sobriquet &lt;Spitznamen&gt;: das arme Tier, oder wie die Franzosen sagen: la honne b&ecirc;te &lt;der gutm&uuml;tige Bl&ouml;dian&gt;.</P>
<P>Arnold sah seine W&uuml;nsche &uuml;bertroffen. Ein Manifest, ein starkes Provisorium, eine Anleihe von zehn Millionen Franken und dazu noch ein Wochenblatt-Homunkulus unter dem bescheidenen Titel: Das <I>"Kosmos"</I>, redigiert von General Haug.</P>
<P>Das Manifest ging spurlos und ungelesen vor&uuml;ber. Das <I>"Kosmos" </I>starb bei der dritten Nummer an der Auszehrung, das Geld kam nicht ein, das starke Provisorium l&ouml;ste sich in seine Bestandteile wieder auf.</P>
<P>Das "Kosmos" enthielt zun&auml;chst Reklamen f&uuml;r Kinkels Vorlesungen, f&uuml;r d. wackeren Willichs schleswig-holsteinische Fl&uuml;chtlings- Geldsammlungen und f&uuml;r G&ouml;hringers Bierstube. Es enthielt ferner u.a. eine Pasquinade von <A NAME="S308"><B>&lt;308&gt;</A></B> Arnold. Der alte Schalksnarr simuliert sich einen gewissen Gastfreund M&uuml;ller in Deutschland, als dessen Schulze er sich hinstellt. M&uuml;ller wundert sich &uuml;ber alles, was er von englischer Gastfreundschaft in den Zeitungen liest, und f&uuml;rchtet, dieser "Sybaritismus" m&ouml;ge Schulze an seinen "Staatsgesch&auml;ften" verhindern - doch sei ihm dies zu g&ouml;nnen, da Schulze bei seiner R&uuml;ckkehr nach Deutschland vor lauter Staatsgesch&auml;ften dem Genu&szlig; der M&uuml;llerschen Gastfreundschaft werde entsagen m&uuml;ssen. Schlie&szlig;lich ruft M&uuml;ller aus:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Nicht der Verr&auml;ter Radowitz, sondern Mazzini, Ledru-Rollin, B&uuml;rger Willich, Kinkel und Sie selbst" (Arnold Ruge) "waren wohl in Windsor &lt;im k&ouml;niglichen Schlo&szlig;&gt; eingeladen?"</P>
</FONT><P>Wenn nun das "Kosmos" danach bei der dritten Nummer entschlief, lag dies gewi&szlig; nicht am Vertrieb, denn in allen beliebigen englischen Meetings wird es den Rednern zugesteckt mit der Bitte, es zu empfehlen, da es ganz speziell ihre Prinzipien vertrete.</P>
<P>Kaum war die Aufforderung zu der Anleihe von zehn Millionen erschienen, als pl&ouml;tzlich das Ger&uuml;cht lief, in der City zirkuliere eine Liste zu Geldbeitr&auml;gen f&uuml;r Spedierung Struves (nebst Amalien) nach Amerika.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Als das Komitee beschlo&szlig;, eine teutsche Wochenschrift erscheinen zu lassen und Haug die Redaktion zu geben, protestierte Struve, der selbst die Redaktion haben und das Blatt: 'Deutscher Zuschauer' nennen wollte, und beschlo&szlig; darauf, nach Amerika zu gehn."</P>
</FONT><P>So berichtet die N.Y. "Deutsche Schnellpost". Sie verschweigt, und Heinzen hatte seine Gr&uuml;nde, da&szlig; Mazzini unsern Gustav als Mitarbeiter an der herzoglich-braunschweigischen "Deutschen Londoner Ztg." von der Liste des deutschen Komitees ganz strich. Gustav akklimatisierte sofort seinen "Deutschen Zuschauer" in New York. Aber bald darauf kam die Depesche &uuml;ber den Ozean: "Gustavs 'Zuschauer' ist tot." Wie er sagt, nicht aus Mangel an zeichnenden Abonnenten, auch nicht, weil er keine Mu&szlig;e zum Schreiben hat, sondern einzig aus Mangel an <I>zahlenden </I>Abonnenten; es sei aber jetzt die demokratische Bearbeitung von Rottecks "Weltgeschichte" ein nicht l&auml;nger aufzuschiebendes Bed&uuml;rfnis, und da er sie schon vor 15 Jahren begonnen, so wolle er den Abonnenten die entsprechende Bogenzahl statt in "Deutschen Zuschauern" in "Weltgeschichte" liefern; er m&uuml;sse aber Pr&auml;numeration verlangen, was man ihm unter diesen Umst&auml;nden nicht ver&uuml;beln k&ouml;nne. Solange sich Gustav diesseits des Ozeans befunden, stellte ihn Heinzen nebst Ruge als gr&ouml;&szlig;ten Mann Europas hin. Kaum war er her&uuml;ber, als zwischen beiden ein gewaltiger Spektakel entstand.</P>
<B><P><A NAME="S309">&lt;309&gt;</A></B> Gustav schreibt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Als Heinzen in Karlsruhe am 6. Juni sah, da&szlig; Kanonen aufgefahren wurden, floh er in weiblicher Begleitung nach Stra&szlig;burg."</P>
</FONT><P>Heinzen erkl&auml;rt Gustav f&uuml;r einen "Wahrsager".</P>
<P>Das <I>"Kosmos" </I>ging grade unter, als Arnold es mit Emphase in dem Blatt des starkgl&auml;ubigen Heinzen ausposaunte, und das starke Provisorium l&ouml;ste sich auf zur selben Zeit, wo Rodomonte-Heinzen in seinem Journal ihm "milit&auml;rischen Gehorsam" ank&uuml;ndigte. Man kennt Heinzens Vorliebe f&uuml;r das Milit&auml;rfach in Friedenszeiten.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Kurz nach Struves Abreise trat auch <I>Kinkel </I>aus dem Komitee, das damit ohne Wirksamkeit blieb. (N.Y. "D[eutsche] Schnellpost", Nr. 23.)</P>
</FONT><P>So war das starke Provisorium reduziert auf d. Herren Ruge, Ronge und Haug. Selbst Arnold sah ein, da&szlig; mit dieser Dreieinigkeit nicht nur keine Welt &lt;Wortspiel mit "Kosmos"&gt;, sondern &uuml;berhaupt nichts zu schaffen war; indes blieb sie bei allen Permutationen, Variationen und Kombinationen der Kern seiner sp&auml;teren Komiteebildungen. Der Unerm&uuml;dliche gab sein Spiel noch keineswegs verloren; es handelte sich f&uuml;r ihn ja nur darum, da&szlig; &uuml;berhaupt etwas getan und getrieben werde, was ihm den Schein der Gesch&auml;ftigkeit, tiefer politischer Kombinationen und vor allem Stoff zu wichtigtuendem Hin- und Herreden, zu wiederholter Erscheinung und zu selbstgef&auml;lligem Klatsch g&auml;be.</P>
<P>Was nun Gottfried betrifft, so erlaubten ihm einmal seine dramatischen Vorlesungen f&uuml;r respektable city-merchants &lt;Citykaufleuten&gt; durchaus nicht, sich zu kompromittieren. Andrerseits lag es zu sehr auf der Hand, da&szlig; das Manifest vom 13. M&auml;rz keinen andern Zweck hatte, als der usurpierten Stellung des Herrn Arnold im Europ&auml;ischen Zentralkomitee einen Hinterhalt zu geben. Selbst Gottfried mu&szlig;te dies nachtr&auml;glich entdecken; eine solche Anerkennung lag aber durchaus nicht in seinem Interesse. So kam es, da&szlig; kurz nach der Ver&ouml;ffentlichung des Manifestes die "K&ouml;lnische Zeitung" eine Erkl&auml;rung der Dama acerba &lt;gestrengen Dame&gt; Mockel brachte: Ihr Mann habe den Aufruf nicht unterschrieben, denke &uuml;berhaupt nicht an &ouml;ffentliche Anleihen und sei aus dem eben gebildeten Komitee wieder ausgetreten. Arnold klatschte hierauf in der N. Y. "Schnellpost", Kinkel habe zwar, durch Krankheit verhindert, das Manifest nicht gezeichnet, aber er habe es gebilligt, der Plan dazu sei auf seinem Zimmer abgefa&szlig;t, er selbst habe die Bef&ouml;rderung einer Anzahl Exemplare nach Deutschland &uuml;bernommen und sei aus dem Komitee ausgetreten, weil es den General Haug und nicht ihn zu seinem Pr&auml;sidenten ernannt habe. Arnold begleitete diese Erkl&auml;rung mit &auml;rgerlichen Ausf&auml;llen <A NAME="S310"><B>&lt;310&gt;</A></B> &uuml;ber die Eitelkeit Kinkels, "des absoluten M&auml;rtyrers", des "demokratischen Beckerath" und mit Verd&auml;chtigungen gegen Frau Johanna Kinkel, der so verp&ouml;nte Bl&auml;tter wie die "K&ouml;ln. Ztg." zu Gebot st&auml;nden.</P>
<P>Indes war Arnolds Samenkorn auf keinen steinigen Boden gefallen. Die "sch&ouml;ne Seele" Gottfrieds beschlo&szlig;, die Rivalen zu &uuml;bert&ouml;lpeln und allein den Revolutionsschatz zu heben. Johanna hatte kaum d. l&auml;cherliche Unternehmen in der "K&ouml;ln. Ztg." desavouiert, als unser Gottfried in den transatlantischen Bl&auml;ttern auf eigne Faust zu einer Anleihe aufforderte mit dem Bemerken, man solle das Geld dem Manne schicken, "der das meiste Vertrauen besitze". Wer anders konnte dieser Mann sein als Gottfried Kinkel? Vorl&auml;ufig verlangte er eine Abschlagszahlung von 500 Pfd. Sterling f&uuml;r die Fabrikation des revolution&auml;ren Papiergeldes. Ruge, nicht faul, l&auml;&szlig;t durch die "Schnellpost" erkl&auml;ren, er sei Kassierer des demokratischen Zentralkomitees, bei ihm seien Mazzinische Scheine fertig zu kaufen. Wer also 500 Pfd.St. verlieren wolle, tue jedenfalls besser, die fertigen Scheine zu nehmen, als in noch gar nicht existierenden zu spekulieren. Und Rodomonte-Heinzen br&uuml;llte, wenn Herr Kinkel nicht von seinen Man&ouml;vern abstehe, werde man ihn offen als "Feind der Revolution" behandeln. Gottfried lie&szlig; Gegenartikel in die "N.-Y. Staatsztg.", die direkte Antagonistin der "Schnellpost", schreiben. So wurde jenseits des atlantischen Ozeans der Krieg schon in allen Formen gef&uuml;hrt, als man diesseits noch Judask&uuml;sse wechselte.</P>
<P>Gottfried hatte indessen, wie er bald merkte, die demokratischen Biederm&auml;nner einigerma&szlig;en schockiert, indem er ohne Umst&auml;nde auf seinen eignen Namen eine Nationalanleihe oktroyierte. Um den Fehltritt gutzumachen, lie&szlig; er nun erkl&auml;ren,</P>
<FONT SIZE=2><P>"dieser Aufruf zur Geldbeisteuer, zur Einleitung eines deutschen Nationalanlehens sei durchaus nicht von ihm ausgegangen und wahrscheinlich von allzu dienstfertigen Freunden in Amerika sein Name dazu gebraucht worden."</P>
</FONT><P>Diese Erkl&auml;rung rief folgende Antwort des Dr. Wi&szlig; in der N. Y. "Schnellpost" hervor:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Jener Aufruf zur Agitation f&uuml;r eine deutsche Anleihe ist mir, wie allgemein bekannt, <I>von Gottfried Kinkel mit der dringenden Bitte &uuml;bersandt worden</I>, ihn in allen deutschen Zeitungen zu verbreiten, und ich bin bereit, diesen Brief jedem, der daran zweifelt, zur Ansicht vorzulegen. Ist jene &Auml;u&szlig;erung von Kinkel wirklich geschehen, so ist es eine Ehrensache f&uuml;r ihn, sie &ouml;ffentlich zu widerrufen und meine Korrespondenz mit ihm mitzuteilen, um der Partei zu zeigen, wie unabh&auml;ngig und gewi&szlig; nicht 'allzu dienstfertig' ich ihm gegen&uuml;ber gehandelt. Im entgegengesetzten Fall ist es Kinkels Pflicht, den geehrten Referenten jener &Auml;u&szlig;erung als b&ouml;sen Verleumder oder, sollte ein <A NAME="S311"><B>&lt;311&gt;</A></B> Mi&szlig;verst&auml;ndnis obgewaltet haben, als leichtsinnigen, gewissenlosen Schw&auml;tzer &ouml;ffentlich zu bezeichnen. Ich f&uuml;r mein Teil kann an so bodenlose Perfidie Kinkels nicht glauben. Dr. G. Wi&szlig;." (Wochenblatt der N. Y. "D[eutschen] Schnellpost".)</P>
</FONT><P>Was sollte Gottfried tun? Er schob abermals die aspra donzella &lt;rauhe Jungfer&gt; vor, er erkl&auml;rte Mockel f&uuml;r den "leichtsinnigen, gewissenlosen Schw&auml;tzer", er behauptete, seine Gattin habe hinter seinem R&uuml;cken die Anleihe betrieben. Diese Taktik war unstreitig sehr "&auml;sthetisch".</P>
<P>So sehr war unser Gottfried schwankend wie ein Rohr, bald vortretend, bald sich zur&uuml;ckziehend, bald sich auf ein Unternehmen einlassend, bald es desavouierend, je nachdem er glaubte, da&szlig; eben der Volkswind bl&auml;st. W&auml;hrend er in London als M&auml;rtyrer der Revolution sich offiziell von der &auml;sthetischen Bourgeoisie fetieren und feiern lie&szlig;, trieb er schon damals hinter dem R&uuml;cken derselben verbotnen Umgang mit dem durch Willich repr&auml;sentierten Mob der Emigration. W&auml;hrend er in Verh&auml;ltnissen lebte, die im Vergleich mit seiner bescheidnen Lage in Bonn gl&auml;nzend zu nennen waren, schrieb er gleichzeitig nach Saint Louis, er lebe und wohne, wie es "dem Vertreter der Armut" gezieme. So erf&uuml;llte er die vorgeschriebne Etikette gegen die Bourgeoisie und machte zugleich die geb&uuml;hrende Reverenz vor dem Proletariat. Indes, als ein Mann, bei dem die Einbildungskraft den Verstand weit &uuml;berwiegt, konnte er nicht umhin, in die Unarten und Anma&szlig;ungen des Parven&uuml;s zu verfallen, was ihm manchen gespreizten Biedermann der Emigration abwendig gemacht hat. Ganz charakteristisch f&uuml;r ihn war sein Aufsatz im "Kosmos" &uuml;ber die Industrieausstellung. Nichts bewunderte er mehr als den Monstrespiegel, der im Kristallpalast ausgestellt war. Die objektive Welt l&ouml;st sich ihm in einen Spiegel auf, die subjektive in eine Phrase. Unter dem Vorwand, die sch&ouml;ne Seite von allen Dingen aufzufassen, tut er mit allen Dingen sch&ouml;n, und dies Sch&ouml;ntun nennt er Poesie, Aufopferung, Religion, wie es grade pa&szlig;t. Im Grunde dient ihm alles dazu, mit sich selbst sch&ouml;n zu tun. Er kann dabei nicht vermeiden, in der Praxis die h&auml;&szlig;liche Seite hervorzukehren, indem die Einbildung direkt in L&uuml;ge und die &Uuml;berschwenglichkeit in Gemeinheit umschl&auml;gt. &Uuml;brigens war unserm Gottfried vorherzusagen, da&szlig; er bald die L&ouml;wenhaut lassen werde, sobald er erst in die H&auml;nde solcher alterfahrnen Harlekins geraten war wie Gustav und Arnold. </P></BODY>
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