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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Rosa Luxemburg - Die Krise der Sozialdemokratie - IV</TITLE>
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<TD ALIGN="center" width="19%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "Link%201a" --><A HREF="luf_3.htm"><SMALL>Teil 3</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
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<H2>Rosa Luxemburg - Die Krise der Sozialdemokratie</H2>
<H1><!-- #BeginEditable "%DCberschrift" -->IV.<BR>
Die T&uuml;rkei<!-- #EndEditable --></H1>
<HR size="1">
<!-- #BeginEditable "Text" -->
<P>Das wichtigste Operationsfeld des deutschen Imperialismus wurde die
T&uuml;rkei, sein Schrittmacher hier die Deutsche Bank und ihre Riesengesch&auml;fte
in Asien, die im Mittelpunkt der deutschen Orientpolitik stehen. In den
f&uuml;nfziger und sechziger Jahren wirtschaftete in der asiatischen T&uuml;rkei
haupts&auml;chlich englisches Kapital, das die Eisenbahnen von Smyrna aus
baute und auch die erste Strecke der anatolischen Bahn bis Esmid gepachtet
hatte. 1888 tritt das deutsche Kapital auf den Plan und bekommt von Abdul
Hamid zum Betrieb die von den Engl&auml;ndern erbaute Strecke und zum Bau
die neue Strecke von Esmid bis Angora mit Zweiglinien nach Skutari, Brussa,
Konia und Kaizarile. 1899 erlangte die Deutsche Bank die Konzession zum
Bau und Betrieb eines Hafens nebst Anlagen in Haidar Pascha und die alleinige
Herrschaft &uuml;ber Handel und Zollwesen im Hafen. 1901 &uuml;bergab die
t&uuml;rkische Regierung der Deutschen Bank die Konzession f&uuml;r die
gro&szlig;e Bagdadbahn zum Persischen Golf, 1907 f&uuml;r die Trockenlegung
des Sees von Karaviran und die Bew&auml;sserung der Koma-Ebene.</P>
<P>Die Kehrseite dieser gro&szlig;artigen &raquo;friedlichen Kulturwerke&laquo; ist der &raquo;friedliche&laquo; und gro&szlig;artige Ruin des kleinasiatischen
Bauerntums. Die Kosten der gewaltigen Unternehmungen werden nat&uuml;rlich
durch ein weitverzweigtes System der &ouml;ffentlichen Schuld von der Deutschen
Bank vorgestreckt, der t&uuml;rkische Staat wurde in alle Ewigkeit zum
Schuldner der Herren Siemens, Gwinner, Helfferich usw., wie er es schon
fr&uuml;her beim englischen, franz&ouml;sischen und &ouml;sterreichischen
Kapital war. Dieser Schuldner mu&szlig;te nunmehr nicht blo&szlig; st&auml;ndig
enorme Summen aus dem Staate herauspumpen, um die Anleihen zu verzinsen,
sondern mu&szlig;te f&uuml;r die Bruttogewinne der auf diese Weise errichteten
Eisenbahnen Garantie leisten. Die modernsten Verkehrsmittel und Anlagen
werden hier auf ganz r&uuml;ckst&auml;ndige, noch zum gro&szlig;en Teil
naturalwirtschaftliche Zust&auml;nde, auf die primitivste Bauernwirtschaft
aufgepfropft. Aus dem d&uuml;rren Boden dieser Wirtschaft, die, von der
orientalischen Despotie seit Jahrhunderten skrupellos ausgesogen, kaum
einige Halme zur eigenen Ern&auml;hrung des Bauerntums &uuml;ber die Staatsabgaben
hinaus produziert, k&ouml;nnen der
n&ouml;tige Verkehr und die Profite
f&uuml;r die Eisenbahnen nat&uuml;rlich nicht herauskommen. Der Warenhandel
und der Personenverkehr sind, der wirtschaftlichen und kulturellen Beschaffenheit
des Landes entsprechend, sehr unentwickelt und k&ouml;nnen nur langsam
steigen. Das zur Bildung des erforderlichen kapitalistischen Profits Fehlende
wird nun in Form der sogenannten &raquo;Kilometergarantie&laquo; vom t&uuml;rkischen
Staate den Eisenbahngesellschaften j&auml;hrlich zugeschossen. Dies ist
das System, nach dem die Bahnen in der europ&auml;ischen T&uuml;rkei vom
&ouml;sterreichischen und franz&ouml;sischen Kapital errichtet wurden,
und dasselbe System wurde nun auf die Unternehmungen der Deutschen Bank
in der asiatischen T&uuml;rkei angewendet. Als Pfand und Sicherheit, da&szlig;
der Zuschu&szlig; geleistet wird, hat die t&uuml;rkische Regierung an die
Vertretung des europ&auml;ischen Kapitals den sogenannten Verwaltungsrat
der &ouml;ffentlichen Schuld, die Hauptquelle der Staatseinnahmen in der
T&uuml;rkei: die Zehnten aus einer Reihe von Provinzen &uuml;berwiesen.
Von 1893 bis 1910 hat die t&uuml;rkische Regierung auf solche Weise zum
Beispiel f&uuml;r die Bahn bis Ankara und f&uuml;r die Strecke Eskischehir
- Konia etwa 90 Millionen Franken &raquo;zugeschossen&laquo;. Die von dem
t&uuml;rkischen Staat an seine europ&auml;ischen Gl&auml;ubiger immer wieder
verpf&auml;ndeten &raquo;Zehnten&laquo; sind uralte b&auml;uerliche Naturalabgaben
in Korn, Hammeln, Seide usw. Die Zehnten werden nicht direkt, sondern durch
P&auml;chter in der Art der ber&uuml;hmten Steuereinnehmer des vorrevolution&auml;ren
Frankreichs erhoben, denen der Staat den voraussichtlichen Betrag
der Abgaben jedes Wilajets (Provinz) einzeln im Wege der Auktion, das hei&szlig;t
an den Meistbietenden gegen Bezahlung in bar verkauft. Ist der Zehent eines
Wilajets von einem Spekulanten oder einem Konsortium erstanden, so verkaufen
diese den Zehnten jedes einzelnen Sandschaks (Kreises) an andere Spekulanten,
die ihren Anteil wiederum einer ganzen Reihe kleinerer Agenten abtreten.
Da jeder seine Auslagen decken und soviel Gewinn als m&ouml;glich einstreichen
will, so w&auml;chst der Zehent in dem Ma&szlig;e, wie er sich den Bauern
n&auml;hert lawinenartig. Hat sich der P&auml;chter in seinen Berechnungen
geirrt so sucht er sich auf Kosten des Bauern zu entsch&auml;digen. Dieser
wartet, fast immer verschuldet, mit Ungeduld auf den Augenblick, seine
Ernte verkaufen zu k&ouml;nnen; wenn er aber sein Getreide geschnitten
hat, mu&szlig; er mit dem Dreschen oft wochenlang warten, bis es dem Zehentp&auml;chter
beliebt, sich den ihm geb&uuml;hrenden Teil zu nehmen. Der P&auml;chter,
der gew&ouml;hnlich zugleich Getreideh&auml;ndler ist benutzt diese Lage
des Bauern, dem die ganze Ernte auf dem Felde zu verfaulen droht, um ihm
die Ernte zu niedrigem Preise abzupressen, und wei&szlig; sich gegen Beschwerden
Unzufriedener die Hilfe der Beamten und besonders der Muktars (Ortsvorsteher)
zu sichern. Kann kein Steuerp&auml;chter gefunden werden, so werden die
Zehnten von der Regierung in natura eingetrieben, in Magazine gebracht
und als der schuldige &raquo;Zuschu&szlig;&laquo; an die Kapitalisten &uuml;berwiesen.
Dies der innere Mechanismus der &raquo;wirtschaftlichen Regeneration der
<B>T&uuml;rkei</B>&laquo; durch Kulturwerke des europ&auml;ischen Kapitals.
<P>Durch diese Operationen werden also zweierlei Resultate erzielt. Die
kleinasiatische Bauernwirtschaft wird zum Objekt eines wohlorganisierten
Aussaugungsprozesses zu Nutz und Frommen des europ&auml;ischen, in diesem
Falle vor allem des deutschen Bank- und Industriekapitals. Damit wachsen
die &raquo;Interessensph&auml;ren&laquo; Deutschlands in der T&uuml;rkei,
die wiederum Grundlage und Anla&szlig; zur politischen &raquo;Besch&uuml;tzung&laquo; der T&uuml;rkei abgeben. Zugleich wird der f&uuml;r die wirtschaftliche
Ausnutzung des Bauerntums n&ouml;tige Saugapparat, die t&uuml;rkische Regierung,
zum gehorsamen Werkzeug, zum Vasallen der deutschen ausw&auml;rtigen Politik.
Schon von fr&uuml;her her standen t&uuml;rkische Finanzen, Zollpolitik,
Steuerpolitik, Staatsausgaben, unter europ&auml;ischer Kontrolle. Der deutsche
Einflu&szlig; hat sich namentlich der <B>Milit&auml;rorganisation</B> bem&auml;chtigt.
<P>Es ist nach alledem klar, da&szlig; im Interesse des deutschen Imperialismus
die St&auml;rkung der t&uuml;rkischen Staatsmacht liegt, soweit, da&szlig;
ihr vorzeitiger Zerfall verh&uuml;tet wird. Eine beschleunigte Liquidation
der T&uuml;rkei w&uuml;rde zu ihrer Verteilung unter England, Ru&szlig;land,
Italien, Griechenland und anderen f&uuml;hren, womit f&uuml;r die gro&szlig;en
Operationen des deutschen Kapitals die einzigartige Basis verschwinden
m&uuml;&szlig;te. Zugleich w&uuml;rde ein au&szlig;erordentlicher Machtzuwachs
Ru&szlig;lands und Englands sowie der Mittelmeerstaaten erfolgen. Es gilt
also f&uuml;r den deutschen Imperialismus, den bequemen Apparat des &raquo;selbst&auml;ndigen
t&uuml;rkischen Staates&laquo;, die &raquo;Integrit&auml;t&laquo; der T&uuml;rkei
zu erhalten, so lange, bis sie, vom deutschen Kapital von innen heraus
zerfressen, wie fr&uuml;her &Auml;gypten von den Engl&auml;ndern oder neuerdings
Marokko von den Franzosen, als reife Frucht Deutschland in den Scho&szlig;
fallen wird. Sagt doch zum Beispiel der bekannte Wortf&uuml;hrer des deutschen
Imperialismus, Paul Rohrbach, ganz offen und ehrlich:</P>
<P><SMALL>&raquo;Es liegt in der Natur der Verh&auml;ltnisse begr&uuml;ndet,
da&szlig; die T&uuml;rkei, auf allen Seiten von begehrlichen Nachbarn umgeben,
ihren R&uuml;ckhalt bei einer Macht findet, die m&ouml;glichst keine territorialen
Interessen im Orient hat. Das ist Deutschland. Wir wiederum w&uuml;rden
beim Verschwinden der T&uuml;rkei gro&szlig;en Schaden erleiden. Sind Ru&szlig;land
und England die Haupterben der T&uuml;rken, so liegt es auf der Hand, da&szlig;
jene beiden Staaten dadurch einen bedeutenden Machtzuwachs erhalten w&uuml;rden.
Aber auch wenn die T&uuml;rkei so geteilt w&uuml;rde, da&szlig; ein erhebliches
St&uuml;ck auf uns entf&auml;llt, so bedeutet das f&uuml;r uns Schwierigkeiten
ohne Ende, denn Ru&szlig;land, England und in gewissem Sinne auch Frankreich
und Italien sind Nachbarn des jetzigen t&uuml;rkischen Besitzes und entweder
zu Lande oder zur See oder auf beiden Wegen imstande, ihren Anteil zu besetzen
und zu verteidigen. Wir dagegen stehen au&szlig;er jeder direkten Verbindung
mit dem Orient... <B>Ein deutsches Kleinasien oder Mesopotamien k&ouml;nnte
nur Wirklichkeit werden</B>, wenn vorher zum mindesten Ru&szlig;land und
damit auch Frankreich zum Verzicht auf ihre gegenw&auml;rtigen politischen
Ziele und Ideale gezwungen w&auml;ren, das hei&szlig;t <B>wenn vorher der
Weltkrieg seinen Ausgang entschieden im Sinne der deutschen Interessen
genommen h&auml;tte</B>.&laquo; (&raquo;Der Krieg und die deutsche Politik&laquo;,
S. 36.)</SMALL></P>
<P>Deutschland, das am 8. November 1898 in Damaskus beim Schatten des Gro&szlig;en
Saladin feierlich schwur, die mohammedanische Welt und die
gr&uuml;ne Fahne
des Propheten zu sch&uuml;tzen und zu schirmen, st&auml;rkte also ein Jahrzehnt
lang mit Eifer das Regiment des Blutsultans Abdul Hamid und setzte nach
einer kurzen Pause der Entfremdung das Werk an dem jungt&uuml;rkischen
Regime fort. Die Mission ersch&ouml;pfte sich au&szlig;er den eintr&auml;glichen
Gesch&auml;ften der Deutschen Bank haupts&auml;chlich in der Reorganisation
und dem Drill des t&uuml;rkischen Militarismus durch deutsche Instrukteure,
von der Goltz Pascha an der Spitze. Mit der Modernisierung des Heerwesens
waren nat&uuml;rlich neue dr&uuml;ckende Lasten auf den R&uuml;cken des
t&uuml;rkischen Bauern gew&auml;lzt, aber auch neue gl&auml;nzende Gesch&auml;fte
f&uuml;r Krupp und die Deutsche Bank er&ouml;ffnet. Zugleich wurde der
t&uuml;rkische Militarismus zur Dependenz des preu&szlig;isch-deutschen
Militarismus, zum St&uuml;tzpunkt der deutschen Politik im Mittelmeer und
in Kleinasien.
<P></P>
<P>Da&szlig; die von Deutschland unternommene &raquo;Regeneration&laquo; der T&uuml;rkei rein k&uuml;nstlicher Galvanisierungsversuch an einem Leichnam
ist, zeigen am besten die Schicksale der t&uuml;rkischen Revolution. In
ihrem ersten Stadium, als das ideologische Element in der jungt&uuml;rkischen
Bewegung &uuml;berwog, als sie noch hochfliegende Pl&auml;ne und Selbstt&auml;uschungen
&uuml;ber einen wirklichen Leben verhei&szlig;enden Fr&uuml;hling und innere
Erneuerung der T&uuml;rkei hegte, richteten sich ihre politischen Sympathien
entschieden nach England, in dem sie das Ideal des liberalen modernen Staatswesens
erblickte, w&auml;hrend Deutschland, der offizielle langj&auml;hrige Besch&uuml;tzer
des heiligen Regimes des alten Sultan, als Widersacher der Jungt&uuml;rken
auftrat. Die Revolution des Jahres 1908 schien der Bankerott der deutschen
Orientpolitik zu sein und wurde allgemein als solcher aufgefa&szlig;t,
die Absetzung Abdul Hamids erschien als die Absetzung der deutschen Einfl&uuml;sse.
In dem Ma&szlig;e jedoch, als die Jungt&uuml;rken, ans Ruder gelangt, ihre
v&ouml;llige Unf&auml;higkeit zu irgendeiner modernen wirtschaftlichen
sozialen und nationalen gro&szlig;z&uuml;gigen Reform zeigten, in dem Ma&szlig;e,
als ihr konterrevolution&auml;rer Pferdefu&szlig; immer mehr hervorguckte,
kehrten sie alsbald mit Naturnotwendigkeit zu den altv&auml;terlichen Herrschaftsmethoden
Abdul Hamids, das hei&szlig;t zu dem periodisch organisierten Blutbad zwischen
den aufeinandergehetzten unterjochten V&ouml;lkern und zur schrankenlosen
orientalischen Auspressung des Bauerntums als zu den zwei Grundpfeilern
des Staates zur&uuml;ck. Damit ward auch die k&uuml;nstliche Erhaltung
dieses Gewaltregimes wieder zur Hauptsorge der &raquo;jungen T&uuml;rkei&laquo;,
und so wurde sie auch in der ausw&auml;rtigen Politik sehr bald zu den
Traditionen Abdul Hamids &shy; zur Allianz mit Deutschland zur&uuml;ckgef&uuml;hrt.</P>
<P>Da&szlig; bei der Vielf&auml;ltigkeit der nationalen Fragen, welche
den t&uuml;rkischen Staat zersprengen: der armenischen, kurdischen, syrischen,
arabischen, griechischen (bis vor kurzem noch der albanischen und mazedonischen),
bei der Mannigfaltigkeit der &ouml;konomisch-sozialen Probleme in den verschiedenen
Teilen des Reiches, bei dem Aufkommen eines kr&auml;ftigen und lebensf&auml;higen
Kapitalismus in den benachbarten jungen Balkanstaaten, vor allem bei der
langj&auml;hrigen zersetzenden Wirtschaft des internationalen Kapitals
und der internationalen Diplomatie in der T&uuml;rkei, da&szlig; bei alledem
eine wirkliche Regeneration des t&uuml;rkischen Staates ein v&ouml;llig
aussichtsloses Beginnen ist und alle Versuche, den morschen, zerfallenden
Haufen von Tr&uuml;mmern zusammenzuhalten, auf ein reaktion&auml;res Unternehmen
hinauslaufen, war f&uuml;r jedermann und namentlich f&uuml;r die deutsche
Sozialdemokratie seit langem ganz klar. Schon aus Anla&szlig; des gro&szlig;en
kretischen Aufstandes im Jahre 1896 hatte in der deutschen Parteipresse
eine gr&uuml;ndliche Er&ouml;rterung des Orientproblems stattgefunden,
welche zur Revision des einst von Marx vertretenen Standpunkts aus der
Zeit des Krimkrieges und zur definitiven Verwerfung der &raquo;Integrit&auml;t
der T&uuml;rkei&laquo; als eines Erbst&uuml;cks der europ&auml;ischen Reaktion
f&uuml;hrte. Und nirgends war das jungt&uuml;rkische Regime in seiner inneren
sozialen Unfruchtbarkeit und seinem konterrevolution&auml;ren Charakter
so rasch und genau erkannt, wie in der deutschen sozialdemokratischen Presse.
Es war auch eine echt preu&szlig;ische Idee, da&szlig; es lediglich strategischer
Eisenbahnen zur raschen Mobilisation und schneidiger Milit&auml;rinstrukteure
bed&uuml;rfe, um eine so morsche Baracke wie den t&uuml;rkischen Staat
lebensf&auml;hig zu machen.<SPAN class="top"><A name="ZF1"></A><A href="luf_4.htm#F1">(1)</A></SPAN>
<P>Schon im Sommer 1912 mu&szlig;te das jungt&uuml;rkische
Regiment der Konterrevolution Platz machen. Der erste Akt der t&uuml;rkischen &raquo;Regeneration&laquo; in diesem Kriege war bezeichnenderweise der Staatsstreich,
die Aufhebung der Verfassung, das hei&szlig;t auch in dieser Hinsicht die
formelle R&uuml;ckkehr zum Regiment Abdul Hamids.</P>
<P>Der von deutscher Seite gedrillte t&uuml;rkische Militarismus machte
schon im ersten Balkankrieg elend bankrott. Und der jetzige Krieg, in dessen
unheimlichen Strudel die T&uuml;rkei als Deutschlands &raquo;Sch&uuml;tzling&laquo; hineingesto&szlig;en worden ist, wird, wie der Krieg auch ausgehen mag,
mit unabwendbarer Fatalit&auml;t zur weiteren oder gar definitiven Liquidation
des T&uuml;rkischen Reiches f&uuml;hren.</P>
<P>Die Position des deutschen Imperialismus &shy; und in dessen Kern: das
Interesse der Deutschen Bank - hat das Deutsche Reich im Orient in Gegensatz
zu allen anderen Staaten gebracht. Vor allem zu England. Dieses hatte nicht
blo&szlig; konkurrierende Gesch&auml;fte und damit fette Kapitalprofite
in Anatolien und Mesopotamien an den deutschen Rivalen abtreten m&uuml;ssen,
womit es sich schlie&szlig;lich abfand. Die Errichtung strategischer Bahnen
und die St&auml;rkung des t&uuml;rkischen Militarismus unter deutschem
Einflu&szlig; wurde aber hier an einem der weltpolitisch empfindlichsten
Punkte f&uuml;r England vorgenommen: in einem Kreuzungspunkt zwischen Zentralasien,
Persien, Indien einerseits und &Auml;gypten andererseits.
<P><SMALL>&raquo;England&laquo; &shy; schrieb Rohrbach in seiner &raquo;Bagdadbahn&laquo; &shy; &raquo;kann von Europa aus nur an einer Stelle zu Lande angegriffen
und schwer verwundet werden: in &Auml;gypten. Mit &Auml;gypten w&uuml;rde England
nicht nur die Herrschaft &uuml;ber den Suezkanal und die Verbindung mit
Indien und Asien, sondern wahrscheinlich auch seine Besitzungen in Zentral-
und Ostafrika verlieren. Die Eroberung &Auml;gyptens durch eine mohammedanische
Macht wie die T&uuml;rkei k&ouml;nnte au&szlig;erdem gef&auml;hrliche R&uuml;ckwirkungen
auf die 60 Millionen mohammedanischer Untertanen Englands in Indien, dazu
auf Afghanistan und Persien haben. Die T&uuml;rkei kann aber nur unter
der Voraussetzung an &Auml;gypten denken, da&szlig; sie &uuml;ber ein ausgebautes
Eisenbahnsystem in Kleinasien und Syrien verf&uuml;gt, da&szlig; sie durch
die Fortf&uuml;hrung der anatolischen Bahn einen Angriff Englands auf Mesopotamien
abwehren kann, da&szlig; sie ihre Armee vermehrt und verbessert und da&szlig;
ihre allgemeine Wirtschaftslage und ihre Finanzen Fortschritte machen.&laquo;</SMALL></P>
<P>Und in seinem zu Beginn des Weltkrieges erschienenen Buche &raquo;Der
Weltkrieg und die deutsche Politik&laquo; sagt er:</P>
<P><SMALL>&raquo;Die Bagdadbahn war von Anfang an dazu bestimmt,
Konstantinopel und die milit&auml;rischen Kernpunkte des t&uuml;rkischen
Reiches in Kleinasien in unmittelbare Verbindung mit Syrien und den Provinzen
am Euphrat und Tigris zu bringen ... Nat&uuml;rlich war vorauszusehen, da&szlig;
die Bahn im Verein mit den teils projektierten, teils im Werke befindlichen
oder schon vollendeten Eisenbahnlinien in Syrien und Arabien auch die M&ouml;glichkeit
gew&auml;hren w&uuml;rde, t&uuml;rkische Truppen in der Richtung auf &Auml;gypten
zur Verwendung zu bringen ... Es wird niemand leugnen, da&szlig; unter der
Voraussetzung eines deutsch-t&uuml;rkischen B&uuml;ndnisses und unter verschiedenen
anderen Voraussetzungen, deren Verwirklichung eine noch weniger einfache
Sache w&auml;re, als jenes B&uuml;ndnis, die Bagdadbahn f&uuml;r Deutschland
eine politische Lebensversicherung bedeutet.&laquo;</SMALL></P>
<P>So offen sprachen die halboffizi&ouml;sen Wortf&uuml;hrer des deutschen
Imperialismus dessen Pl&auml;ne und Absichten im Orient aus. Hier bekam
die deutsche Politik bestimmte weitausgreifende Umrisse, eine f&uuml;r
das bisherige weltpolitische Gleichgewicht h&ouml;chst grundst&uuml;rzende,
aggressive Tendenz und eine sichtbare Spitze gegen England. Die deutsche
Orientpolitik wurde so der konkrete Kommentar zu der 1899 inaugurierten
Flottenpolitik.</P>
<P>Zugleich setzte sich Deutschland mit seinem Programm der Integrit&auml;t
der T&uuml;rkei in Gegensatz zu den Balkanstaaten, deren historischer Abschlu&szlig;
und innerer Aufschwung mit der Liquidierung der europ&auml;ischen T&uuml;rkei
identisch ist. Endlich geriet es in Gegensatz zu Italien, dessen imperialistische
Appetite sich in erster Linie auf t&uuml;rkische Besitzungen richten. Auf
der Marokkanischen Konferenz in Algeciras 1905 stand denn auch Italien
bereits auf seiten Englands und Frankreichs. Und sechs Jahre sp&auml;ter
war die Tripolitanische Expedition Italiens, die sich an die &ouml;sterreichische
Annexion Bosniens anschlo&szlig; und ihrerseits zu dem ersten Balkankrieg
den Auftakt gab, schon die Absage Italiens, die Sprengung des Dreibunds
und Isolierung der deutschen Politik auch von dieser Seite. -</P>
<P>
<P>Die zweite Richtung der deutschen Expansionsbestrebungen kam im Westen
zum Vorschein, in der Marokkoaff&auml;re. Nirgends zeigte sich die Abkehr
von der Bismarckschen Politik schroffer. Bismarck beg&uuml;nstigte bekanntlich
mit Absicht die kolonialen Bestrebungen Frankreichs, um es von den kontinentalen
Brennpunkten, von Elsa&szlig;-Lothringen abzulenken. Der neueste Kurs in
Deutschland zielte umgekehrt direkt gegen die franz&ouml;sische Kolonialexpansion.
Die Sachlage in Marokko war nun bedeutend anders gestaltet als in der asiatischen
T&uuml;rkei. An berechtigten Kapitalinteressen Deutschlands in Marokko
war sehr wenig vorhanden. Zwar wurden von deutschen Imperialisten w&auml;hrend
der Marokkokrise zur Not die Anspr&uuml;che der Remscheider Kapitalistenfirma
Mannesmann, die dem marokkanischen Sultan Geld geliehen und daf&uuml;r
Konzessionen auf Erzgruben erhalten hatte, als &raquo;vaterl&auml;ndisches
Lebensinteresse&laquo; nach Kr&auml;ften aufgebauscht. Doch hinderte die
offenkundige Tatsache, da&szlig; jede der beiden konkurrierenden Kapitalgruppen
in Marokko: sowohl die Mannesmanngruppe wie die Krupp-Schneider-Gesellschaft,
ein ganz internationales Gemisch von deutschen, franz&ouml;sischen und
spanischen Unternehmern darstellte, im Ernst und mit einigem Erfolg von
einer &raquo;deutschen Interessensph&auml;re&laquo; zu sprechen. Um so symptomatischer
war die Entschlossenheit und der Nachdruck, mit denen das Deutsche Reich
im Jahre 1905 pl&ouml;tzlich seinen Anspruch auf Mitwirkung bei der Regelung
der Marokko-Angelegenheit und seinen Protest gegen die franz&ouml;sische
Herrschaft in Marokko anmeldete. Es war dies der erste weltpolitische Zusammensto&szlig;
mit Frankreich. Im Jahre 1895 war Deutschland noch zusammen mit Frankreich
und Ru&szlig;land dem siegreichen Japan in den Arm gefallen, um es an der
Ausnutzung des Sieges &uuml;ber China in Schimonoseki zu hindern. F&uuml;nf
Jahre sp&auml;ter zog es Arm in Arm mit Frankreich in der ganzen internationalen
Phalanx auf den Pl&uuml;nderungszug gegen China. Jetzt, in Marokko, kam
eine radikale Neuorientierung der deutschen Politik in ihrem Verh&auml;ltnis
zu Frankreich zum Vorschein. In der Marokkokrise, die in den sieben Jahren
ihrer Dauer zweimal dicht an den Rand eines Krieges zwischen Deutschland
und Frankreich gef&uuml;hrt hatte, handelte es sich nicht mehr um die &raquo;Revanche&laquo;,
um irgendwelche kontinentale Gegens&auml;tze zwischen den beiden Staaten.
Hier &auml;u&szlig;erte sich ein ganz neuer Gegensatz, der dadurch geschaffen
wurde, da&szlig; der deutsche Imperialismus dem franz&ouml;sischen ins
Gehege kam. Im Schlu&szlig;ergebnis der Krise lie&szlig; sich Deutschland
durch das franz&ouml;sische Kongogebiet abfinden und gab damit selbst zu,
da&szlig; es in Marokko keine eigenen Interessen besa&szlig; und zu sch&uuml;tzen
hatte. Gerade dadurch bekam aber der deutsche Vorsto&szlig; in der Marokkosache
eine weittragende politische Bedeutung. Gerade in der Unbestimmtheit ihrer
greifbaren Ziele und Anspr&uuml;che verriet die ganze deutsche Marokkopolitik
die unbegrenzten Appetite, das Tasten und Suchen nach Beute - sie war
eine ganz allgemein gehaltene imperialistische Kriegserkl&auml;rung gegen
Frankreich. Der Gegensatz der beiden Staaten erschien hier in grellem Lichte.
Dort eine langsame Industrieentwicklung, eine stagnierende Bev&ouml;lkerung,
ein Rentnerstaat, der haupts&auml;chlich ausw&auml;rtige Finanzgesch&auml;fte
macht, bepackt mit einem gro&szlig;en Kolonialreich, das mit M&uuml;he
und Not zusammengehalten wird, hier - ein m&auml;chtiger, junger, auf den
ersten Platz hinstrebender Kapitalismus, der in die Welt auszieht, um Kolonien
zu pirschen. An die Eroberung englischer Kolonien war nicht zu denken.
So konnte sich der Hei&szlig;hunger des deutschen Imperialismus, au&szlig;er
auf die asiatische T&uuml;rkei, in erster Linie nur auf die franz&ouml;sische
Erbschaft richten. Dieselbe Erbschaft bot auch einen bequemen K&ouml;der,
um Italien eventuell auf Frankreichs Kosten f&uuml;r die &ouml;sterreichischen
Expansionsgel&uuml;ste auf dem Balkan zu entsch&auml;digen und es so durch
gemeinsame Gesch&auml;fte am Dreibund festzuhalten. Da&szlig; die deutschen
Anspr&uuml;che auf Marokko den franz&ouml;sischen Imperialismus aufs &auml;u&szlig;erste
beunruhigen mu&szlig;ten, ist klar, wenn man bedenkt, da&szlig; Deutschland,
in irgendeinem Teile Marokkos festgesetzt, es stets in der Hand h&auml;tte,
das ganze nordafrikanische Reich Frankreichs, dessen Bev&ouml;lkerung in
chronischem Kriegszustand gegen die franz&ouml;sischen Eroberer lebt, durch
Waffenlieferungen an allen Ecken in Brand zu setzen. Der schlie&szlig;liche
Verzicht und die Abfindung Deutschlands hatten nur diese unmittelbare Gefahr
beseitigt, aber die allgemeine Beunruhigung Frankreichs und den einmal
geschaffenen weltpolitischen Gegensatz weiter bestehen lassen.<SPAN class="top"><A name="ZF2"></A><A href="luf_4.htm#F2">(2)</A></SPAN>
</P>
<P>Mit der Marokkopolitik kam Deutschland jedoch nicht nur in Gegensatz
zu Frankreich, sondern mittelbar wiederum zu England. Hier in Marokko,
in n&auml;chster N&auml;he Gibraltars, wo sich der zweite wichtigste Kreuzungspunkt
der weltpolitischen Stra&szlig;en des britischen Reiches befindet, mu&szlig;te
das pl&ouml;tzliche Auftauchen des deutschen Imperialismus mit seinem Anspruch
und mit dem drastischen Nachdruck, der dieser Aktion gegeben wurde, als
eine Kundgebung gegen England aufgefa&szlig;t werden. Auch formell richtete
sich der erste Protest Deutschlands direkt gegen die Abmachung zwischen
England und Frankreich &uuml;ber Marokko und &Auml;gypten vom Jahre 1904,
und die deutsche Forderung ging klipp und klar dahin, England bei der Regelung
der Marokkoaff&auml;re auszuschalten. Die unvermeidliche Wirkung dieser
Stellung auf die deutsch-englischen Beziehungen konnte f&uuml;r niemanden
ein Geheimnis sein. Die damals geschaffene Situation wird deutlich in einer
Londoner Korrespondenz der <B>&raquo;Frankfurter Zeitung&laquo; </B>vom 8. November
1911 geschildert:</P>
<P><SMALL>&raquo;Das ist das Fazit: Eine Million Neger am Kongo,
ein gro&szlig;er Katzenjammer und eine starke Wut auf das 'perfide Albion'.
Den Katzenjammer wird Deutschland &uuml;berstehen. Was aber soll aus unserem
Verh&auml;ltnis zu England werden, das so, wie es ist, absolut nicht fortgehen
kann, sondern nach aller historischen Wahrscheinlichkeitsrechnung entweder
zur Verschlimmerung, also zum Kriege f&uuml;hren, oder aber sich bald bessern
mu&szlig;... Die Fahrt des 'Panther' war, wie eine Berliner Korrespondenz
der Frankfurter Zeitung sich neulich treffend ausdr&uuml;ckte, ein Rippensto&szlig;,
der Frankreich zeigen sollte, da&szlig; Deutschland auch noch da ist...
&Uuml;ber die Wirkung, die dieser Vorsto&szlig; hier hervorrufen w&uuml;rde,
kann man sich in Berlin niemals im unklaren befunden haben; wenigstens
hat kein hiesiger Zeitungskorrespondent Zweifel daran gehabt, da&szlig;
England energisch auf die <B>franz&ouml;sische</B> Seite r&uuml;cken w&uuml;rde.
Wie kann man in der <B>Norddeutschen Allgemeinen Zeitung</B> noch immer
an der Redensart festhalten, da&szlig; Deutschland 'mit Frankreich allein'
zu unterhandeln hatte! Seit einigen hundert Jahren hat sich in Europa eine
stetig zunehmende Verflechtung der politischen Interessen herausgebildet.
Wenn einer maltr&auml;tiert wird, so erf&uuml;llt das nach dem politischen
Naturgesetz, unter dem wir stehen, die andern teils mit Freude, teils mit
Sorge. Als vor zwei Jahren die <B>&Ouml;sterreicher</B> ihren bosnischen
Handel mit <B>Ru&szlig;land</B> hatten, fand Deutschland sich 'in schimmernder
Wehr' auf dem Plane, obwohl man in Wien, wie nachher gesagt worden ist,
lieber allein fertig geworden w&auml;re... Es ist nicht verst&auml;ndlich,
wie man in Berlin meinen konnte, da&szlig; die Engl&auml;nder, die eben
erst eine Periode entschieden antideutscher Stimmung &uuml;berwunden hatten,
sich pl&ouml;tzlich &uuml;berreden lassen w&uuml;rden, da&szlig; unsere
Verhandlungen mit Frankreich sie ganz und gar nichts angingen. Es handelte
sich in letzter Linie um die <B>Machtfrage</B>, denn ein Rippensto&szlig;,
er mag noch so freundlich aussehen, ist etwas Handgreifliches, und niemand
kann vorhersagen, wie bald ein Faustschlag in die Z&auml;hne darauf folgen
wird ... Seitdem ist die Lage weniger kritisch gewesen. Im Momente, wo Lloyd
George sprach, bestand, wie wir aufs genaueste informiert sind, <B>die
akute Gefahr eines Krieges zwischen Deutschland und England</B> ... Ob
man, nach dieser Politik, die Sir Edward Grey und seine Vertreter seit
langem verfolgen und deren Berechtigung hier nicht er&ouml;rtert wird,
in der Marokkofrage von ihnen eine andere Haltung erwarten durfte? Uns
scheint, da&szlig;, wenn man das in Berlin tat, die Berliner Politik damit
gerichtet ist.&laquo;</SMALL></P>
<P>So hatte die imperialistische Politik sowohl in Vorderasien wie in Marokko
einen scharfen Gegensatz zwischen Deutschland und England sowohl wie Frankreich
geschaffen. Wie war aber das Verh&auml;ltnis zwischen Deutschland und Ru&szlig;land
beschaffen? Was liegt auf dem Grunde des Zusammensto&szlig;es hier? In
der Pogromstimmung, die sich in den ersten Kriegswochen der deutschen &Ouml;ffentlichkeit
bem&auml;chtigt hatte, glaubte man alles. Man glaubte, da&szlig; belgische
Frauen deutschen Verwundeten die Augen ausstechen, da&szlig; die Kosaken
Stearinkerzen fressen und S&auml;uglinge an den Beinchen packen und in
St&uuml;cke rei&szlig;en, man glaubt auch, da&szlig; die russischen Kriegsziele
darauf ausgehen, das Deutsche Reich zu annektieren, die deutsche Kultur
zu vernichten und von der Warthe bis zum Rhein, von Kiel bis M&uuml;nchen
den Absolutismus einzuf&uuml;hren.</P>
<P>Die sozialdemokratische <B>&raquo;Chemnitzer Volksstimme&laquo; </B>schrieb
am 2. August:</P>
<P><SMALL>&raquo;In diesem Augenblick empfinden wir alle die Pflicht,
vor allem anderen gegen die russische Knutenherrschaft zu k&auml;mpfen.
<B>Deutschlands Frauen und Kinder sollen nicht das Opfer russischer Bestialit&auml;ten
werden, das deutsche Land nicht die Beute der Kosaken. Denn wenn der Dreiverband
siegt, wird nicht ein englischer Gouverneur oder ein franz&ouml;sischer
Republikaner, sondern der Russenzar &uuml;ber Deutschland herrschen. Deshalb
verteidigen wir in diesem Augenblick alles, was es an deutscher Kultur
und deutscher Freiheit gibt, gegen einen schonungslosen und barbarischen
Feind.&laquo;</B></SMALL></P>
<P>Die <B>&raquo;Fr&auml;nkische Tagespost&laquo; </B>rief am gleichen Tage:</P>
<P><SMALL>&raquo;<B>Wir wollen nicht, da&szlig; die Kosaken</B>,
die alle Grenzorte schon besetzt haben, in unser Land hineinrasen und in
unsere St&auml;dte Verderben tragen. Wir wollen nicht, da&szlig; der <B>russische
Zar</B>, an dessen Friedensliebe selbst am Tage des Erlasses seines Friedensmanifestes
die Sozialdemokratie nicht geglaubt hat, der der &auml;rgste Feind des
russischen Volkes ist, <B>gebiete &uuml;ber einen, der deutschen Stammes
ist.&laquo;</B></SMALL></P>
<P>Und die <B>&raquo;K&ouml;nigsberger Volkszeitung&laquo; </B>vom 3. August
schrieb:</P>
<P><SMALL>&raquo;Aber keiner von uns, ob er milit&auml;rpflichtig
ist oder nicht, kann auch nur einen Moment daran zweifeln, da&szlig; er,
solange der Krieg gef&uuml;hrt wird, alles tun mu&szlig;, um <B>jenes nichtsw&uuml;rdige
Zarat</B> von unseren Grenzen fernzuhalten, das, <B>wenn es siegt, tausende
unserer Genossen in die grauenvollen Kerker Ru&szlig;lands verbannen w&uuml;rde</B>.
Unter russischem Zepter gibt es keine Spur von Selbstbestimmungsrecht des
Volkes; keine sozialdemokratische Presse ist dort erlaubt; sozialdemokratische
Vereine und Versammlungen sind verboten. Und deshalb kommt keinem von uns
der Gedanke, es in dieser Stunde darauf ankommen zu lassen, ob Ru&szlig;land
siegt oder nicht, sondern wir alle wollen bei Aufrechterhaltung unserer
Gegnerschaft gegen den Krieg <B>zusammenwirken, um uns selbst vor den Greueln
jener Schandbuben zu bewahren, die Ru&szlig;land beherrschen</B>.&laquo;</SMALL></P>
<P>Auf das Verh&auml;ltnis der deutschen Kultur zum russischen Zarismus,
das ein Kapitel f&uuml;r sich in der Haltung der deutschen Sozialdemokratie
in diesem Kriege darstellt, werden wir noch n&auml;her eingehen. Was jedoch
die Annexionsgel&uuml;ste des Zaren gegen&uuml;ber dem Deutschen Reich
betrifft, so k&ouml;nnte man ebensogut annehmen, Ru&szlig;land beabsichtige
Europa oder auch den Mond zu annektieren. In dem heutigen Kriege handelt
es sich &uuml;berhaupt um die Existenz nur f&uuml;r zwei Staaten: Belgien
und Serbien. Gegen beide wurden die deutschen Kanonen gerichtet unter dem
Geschrei, es handle sich um die Existenz Deutschlands. Mit Ritualmordgl&auml;ubigen
ist bekanntlich jede Diskussion ausgeschlossen. F&uuml;r Leute jedoch,
die nicht die P&ouml;belinstinkte und die auf den P&ouml;bel berechneten
grobkalibrigen Schlagworte der nationalistischen Hetzpresse, sondern politische
Gesichtspunkte zu Rate ziehen, mu&szlig; es klar sein, da&szlig; der russische
Zarimus so gut das Ziel der Annexion Deutschlands verfolgen konnte wie
die des Mondes. An der Spitze der russischen Politik stehen abgefeimte
Schurken, aber keine Irrsinnigen, und die Politik des Absolutismus hat
bei aller Eigenart das mit jeder anderen gemein, da&szlig; sie sich nicht
in der blauen Luft, sondern in der Welt der realen M&ouml;glichkeiten bewegt,
wo sich die Dinge hart im Raume sto&szlig;en. Was also die bef&uuml;rchtete
Verhaftung und lebensl&auml;ngliche Verbannung der deutschen Genossen nach
Sibirien sowie die Einf&uuml;hrung des russischen Absolutismus im Deutschen
Reich betrifft, so sind die Staatsm&auml;nner des Blutzaren bei aller geistigen
Inferiorit&auml;t bessere historische Materialisten als unsere Parteiredakteure:
diese Staatsm&auml;nner wissen sehr wohl, da&szlig; sich eine politische
Staatsform nicht &uuml;berall nach Belieben ,einf&uuml;hren' l&auml;&szlig;t,
sondern da&szlig; jeder Staatsform eine bestimmte &ouml;konomisch-soziale
Grundlage entspricht; sie wissen aus eigener bitterer Erfahrung, da&szlig;
sogar in Ru&szlig;land selbst die Verh&auml;ltnisse ihrer Herrschaft beinahe
entwachsen sind; sie wissen endlich, da&szlig; auch die herrschende Reaktion
in jedem Lande nur die ihr entsprechenden Formen braucht und vertragen
kann, und da&szlig; die den deutschen Klassen- und Parteiverh&auml;ltnissen
entsprechende Abart des Absolutismus der hohenzollernsche Polizeistaat
und das preu&szlig;ische Dreiklassenwahlrecht sind. Bei n&uuml;chterner
Betrachtung der Dinge bestand also von vornherein gar kein Grund zur Besorgnis,
da&szlig; der russische Zarismus sich im Ernst bewogen f&uuml;hlen w&uuml;rde,
sogar in dem unwahrscheinlichen Falle seines vollen Sieges, an diesen Produkten
der deutschen Kultur zu r&uuml;tteln.</P>
<P>In Wirklichkeit waren zwischen Ru&szlig;land und Deutschland ganz andere
Gegens&auml;tze im Spiel. Nicht auf dem Gebiete der inneren Politik, die
im Gegenteil durch ihre gemeinsame Tendenz und innere Verwandtschaft eine
Jahrhundert alte traditionelle Freundschaft zwischen den beiden Staaten
begr&uuml;ndet hat, stie&szlig;en sie zusammen, sondern entgegen und trotz
der Solidarit&auml;t der inneren Politik &shy; auf dem Gebiete der ausw&auml;rtigen,
in den weltpolitischen Jagdgr&uuml;nden.</P>
<P>Der Imperialismus in Ru&szlig;land ist ebenso wie in den westlichen
Staaten aus verschiedenartigen Elementen zusammengeflochten. Seinen st&auml;rksten
Strang bildet jedoch nicht wie in Deutschland oder in England die &ouml;konomische
Expansion des akkumulationshungrigen Kapitals, sondern das politische Interesse
des Staates. Freilich hat die russische Industrie, wie das f&uuml;r die
kapitalistische Produktion &uuml;berhaupt typisch ist, bei aller Unfertigkeit
des inneren Marktes, seit l&auml;ngerer Zeit auch schon einen Export nach
dem Orient, nach China, Persien, Mittelasien aufzuweisen, und die zarische
Regierung sucht diese Ausfuhr als erw&uuml;nschte Grundlage f&uuml;r ihre &raquo;Interessensph&auml;re&laquo; mit allen Mitteln zu f&ouml;rdern. Aber
die Staatspolitik ist hier der schiebende, nicht der geschobene Teil. Einerseits
&auml;u&szlig;ert sich in den Eroberungstendenzen des Zarentums die traditionelle
Expansion des gewaltigen Reichs, dessen Bev&ouml;lkerung heute 170 Millionen
Menschen umfa&szlig;t und das aus wirtschaftlichen wie strategischen Gr&uuml;nden
den Zutritt zum freien Weltmeer, zum Stillen Ozean im Osten, zum Mittelmeer
im S&uuml;den zu erlangen sucht. Andererseits spricht hier das Lebensinteresse
des Absolutismus mit, die Notwendigkeit, in dem allgemeinen Wettlauf der
Gro&szlig;staaten auf weltpolitischem Felde eine achtunggebietende Stellung
zu behaupten, um sich den finanziellen Kredit im kapitalistischen Auslande
zu sichern, ohne den der Zarismus absolut nicht existenzf&auml;hig ist.
Hinzu tritt endlich wie in allen Monarchien das dynastische Interesse,
das bei dem immer schrofferen Gegensatz der Regierungsform zur gro&szlig;en
Masse der Bev&ouml;lkerung des &auml;u&szlig;eren Prestiges und der Ablenkung
von den inneren Schwierigkeiten dauernd bedarf, als des unentbehrlichen
Hausmittels der Staatskunst.</P>
<P>Allein auch moderne b&uuml;rgerliche Interessen kommen immer mehr als
Faktor des Imperialismus im Zarenreich in Betracht. Der junge russische
Kapitalismus, der unter dem absolutistischen Regime nat&uuml;rlich nicht
voll zur Entfaltung gelangen und im gro&szlig;en und ganzen nicht aus dem
Stadium des primitiven Raubsystems herauskommen kann, sieht jedoch bei
den unerme&szlig;lichen nat&uuml;rlichen Hilfsquellen des Riesenreiches
eine gewaltige Zukunft vor sich. Es unterliegt keinem Zweifel, da&szlig;,
sobald der Absolutismus wegger&auml;umt ist, Ru&szlig;land sich - vorausgesetzt,
da&szlig; der internationale Stand des Klassenkampfes ihm noch diese Frist
gew&auml;hrt - rasch zum ersten modernen kapitalistischen Staate entwickeln
wird. Es ist die Ahnung dieser Zukunft und die Akkumulationsappetite sozusagen
auf Vorschu&szlig;, was die russische Bourgeoisie mit einem sehr ausgepr&auml;gten
imperialistischen Drang erf&uuml;llt und bei der Weltverteilung mit Eifer
ihre Anspr&uuml;che melden l&auml;&szlig;t. Dieser historische Drang findet
zugleich seine Unterst&uuml;tzung in sehr kr&auml;ftigen Gegenwartsinteressen
der russischen Bourgeoisie. Dies ist, erstens, das greifbare Interesse
der R&uuml;stungsindustrie und ihrer Lieferanten; spielt doch auch in Ru&szlig;land
die stark kartellierte schwere Industrie eine gro&szlig;e Rolle. Zweitens
ist es der Gegensatz zum &raquo;inneren Feind&laquo;, zum revolution&auml;ren
Proletariat, der die Wertsch&auml;tzung der russischen Bourgeoisie f&uuml;r
den Militarismus und die ablenkende Wirkung des weltpolitischen Evangelismus
besonders gesteigert und das B&uuml;rgertum unter dem konterrevolution&auml;ren
Regime zusammengeschlossen hat. Der Imperialismus der b&uuml;rgerlichen
Kreise in Ru&szlig;land, namentlich der liberalen,ist in der Gewitterluft der Revolution zusehends gewachsen und hat in dieser
modernen Taufe der traditionellen ausw&auml;rtigen Politik des Zarenreichs
ein modernes Gepr&auml;ge verliehen.</P>
<P>Das Hauptziel sowohl der traditionellen Politik des Zarismus wie der
modernen Appetite der russischen Bourgeoisie sind nun die Dardanellen,
die nach dem bekannten Ausspruch Bismarcks den Hausschl&uuml;ssel zu den
russischen Besitzungen am Schwarzen Meer darstellen. Um dieses Zieles willen
hat Ru&szlig;land seit dem 18. Jahrhundert eine Reihe blutiger Kriege mit
der T&uuml;rkei gef&uuml;hrt, die Befreiermission auf dem Balkan &uuml;bernommen
und in ihrem Dienste bei Ismail, bei Navarin, bei Sinope, Silistra und
Sewastopol, bei Plewna und Schipka enorme Leichenh&uuml;gel errichtet.
Die Verteidigung der slawischen Br&uuml;der und Christen vor den t&uuml;rkischen
Greueln fungierte bei dem russischen Muschik als ebenso zugkr&auml;ftige
Kriegslegende, wie jetzt die Verteidigung der deutschen Kultur und Feigheit
gegen die russischen Greuel bei der deutschen Sozialdemokratie. Aber auch
die russische Bourgeoisie erw&auml;rmte sich viel mehr f&uuml;r die Aussichten
auf das Mittelmeer als f&uuml;r die mandschurische und mongolische Kulturmission.
Der japanische Krieg wurde von dem liberalen B&uuml;rgertum besonders deshalb
als ein sinnloses Abenteuer so scharf kritisiert, weil er die russische
Politik von ihrer wichtigsten Aufgabe ablenkte - von dem Balkan. Der verungl&uuml;ckte
Krieg mit Japan hat noch in anderer Hinsicht nach derselben Richtung gewirkt.
Die Ausbreitung der russischen Macht in Ostasien, in Zentralasien, bis
in den Tibet und nach Persien hinein, mu&szlig;te die Wachsamkeit des englischen
Imperialismus lebhaft beunruhigen. Besorgt um das enorme indische
Reich, mu&szlig;te England die asiatischen Vorst&ouml;&szlig;e des Zarenreichs
mit wachsendem Mi&szlig;trauen verfolgen. In der Tat war der englisch-russische
Gegensatz in Asien um den Beginn des Jahrhunderts der st&auml;rkste weltpolitische
Gegensatz der internationalen Situation, wie er h&ouml;chstwahrscheinlich
auch der Brennpunkt der k&uuml;nftigen imperialistischen Entwicklung nach
dem heutigen Weltkrieg sein d&uuml;rfte. Die krachende Niederlage Ru&szlig;lands
im Jahre 1904 und der Ausbruch der Revolution &auml;nderten die Situation.
Auf die sichtbare Schw&auml;chung des Zarenreichs folgte eine Entspannung
mit England, die im Jahre 1907 sogar zu einer Abmachung &uuml;ber gemeinsame
Verspeisung Persiens und freundnachbarliche Beziehungen in Mittelasien
f&uuml;hrte. Dadurch wurde Ru&szlig;land der Weg zu gro&szlig;en Unternehmungen
im Osten vorerst verlegt, und seine Energie wendete sich um so kr&auml;ftiger
dem alten Ziel - der Balkanpolitik zu. Hier war es nun, da&szlig; das zarische
Ru&szlig;land zum ersten Male seit einem Jahrhundert treuer und gut fundierter
Freundschaft mit der deutschen Kultur in einen schmerzlichen Gegensatz
zu ihr geraten war. Der Weg zu den Dardanellen f&uuml;hrt &uuml;ber die
Leiche der T&uuml;rkei, Deutschland betrachtete aber seit einem Jahrzehnt
die Integrit&auml;t dieser Leiche f&uuml;r seine vornehmste weltpolitische
Aufgabe. Freilich hat die Methode in der russischen Balkanpolitik schon
verschiedentlich gewechselt, und auch Ru&szlig;land hat eine Zeitlang &shy;
erbittert durch den &raquo;Undank&laquo; der befreiten Balkanslaven, die
sich der Vasallit&auml;t beim Zarenreich zu entwinden suchten &shy; das
Programm der &raquo;Integrit&auml;t&laquo; der T&uuml;rkei vertreten, auch
mit demselben stillschweigenden Vorbehalt, da&szlig; die Aufteilung auf
g&uuml;nstigere Zeiten verschoben werden m&uuml;sse. Jetzt aber pa&szlig;te
die endliche Liquidation der T&uuml;rkei in die Pl&auml;ne Ru&szlig;lands
sowohl wie der englischen Politik, die ihrerseits zur St&auml;rkung der
eigenen Position in Indien und &Auml;gypten die dazwischen liegenden t&uuml;rkischen
Gebiete &shy; Arabien und Mesopotamien - zu einem gro&szlig;en mohammedanischen
Reich unter britischem Zepter zu vereinigen strebt. So geriet im Orient
der russische Imperialismus, wie fr&uuml;her schon der englische, auf den
deutschen, der in der Rolle des privilegierten Nutznie&szlig;ers der t&uuml;rkischen
Zersetzung als ihre Schildwache am Bosporus Posto gefa&szlig;t hatte.<SPAN class="top"><A name="ZF3"></A><A href="luf_4.htm#F3">(3)</A></SPAN>
<P></P>
<P>Aber noch mehr als direkt mit Deutschland prallte die russische Politik
auf dem Balkan mit <B>&Ouml;sterreich</B> zusammen. Die politische Erg&auml;nzung
des deutschen Imperialismus, sein siamesischer Zwillingsbruder und sein
Verh&auml;ngnis zugleich ist der &ouml;sterreichische Imperialismus.</P>
<P>Deutschland, das sich durch seine Weltpolitik nach allen Seiten isoliert
hat, findet nur in &Ouml;sterreich einen Bundesgenossen. Das B&uuml;ndnis
mit &Ouml;sterreich ist freilich alt, noch von Bismarck im Jahre 1879 gegr&uuml;ndet,
seitdem hat es aber v&ouml;llig seinen Charakter ver&auml;ndert. Wie der
Gegensatz zu Frankreich, so ist das B&uuml;ndnis mit &Ouml;sterreich durch
die Entwicklung der letzten Jahrzehnte mit neuem Inhalt gef&uuml;llt worden.
Bismarck dachte lediglich an die Verteidigung des durch die Kriege 1864
bis 1870 geschaffenen Besitzstandes. Der von ihm geschlossene Dreibund
hatte durchaus konservativen Charakter, namentlich auch in dem Sinne, da&szlig;
er den endg&uuml;ltigen Verzicht &Ouml;sterreichs auf den Eintritt in den
deutschen Staatenbund, die Auss&ouml;hnung mit dem von Bismarck geschaffenen
Stand der Dinge, die Besiegelung der nationalen Zersplitterung Deutschlands
und der milit&auml;rischen Hegemonie Gro&szlig;preu&szlig;ens bedeutete.
Die Balkantendenzen &Ouml;sterreichs waren Bismarck ebenso zuwider wie
die s&uuml;dafrikanischen Erwerbungen Deutschlands. In seinen &raquo;Gedanken
und Erinnerungen&laquo; sagt er:</P>
<P><SMALL>&raquo;Es ist nat&uuml;rlich, da&szlig; die Einwohner des
Donaubeckens Bed&uuml;rfnisse und Pl&auml;ne haben, die sich &uuml;ber
die heutigen Grenzen der Monarchie hinaus erstrecken: und die deutsche
Reichsverfassung zeigt den Weg an, auf dem &Ouml;sterreich eine Vers&ouml;hnung
der politischen und materiellen Interessen erreichen kann, die zwischen
der Ostgrenze des rum&auml;nischen Volksstammes und der Bucht von Cattaro
vorhanden sind. <B>Aber es ist nicht die Aufgabe des Deutschen Reichs,
seine Untertanen mit Gut und Blut zur Verwirklichung von nachbarlichen
W&uuml;nschen herzuleihen</B>.&laquo; </SMALL></P>
<P>Was er auch einmal drastischer ausgedr&uuml;ckt hat mit dem bekannten
Wort, Bosnien sei ihm nicht die Knochen eines pommerschen Grenadiers wert.
Da&szlig; Bismarck in der Tat nicht gedachte, den Dreibund in den Dienst
&ouml;sterreichischer Expansionsbestrebungen zu stellen, beweist am besten
ein 1884 mit Ru&szlig;land abgeschlossener &raquo;R&uuml;ckversicherungsvertrag&laquo;,
wonach das Deutsche Reich im Falle eines Krieges zwischen Ru&szlig;land
und &Ouml;sterreich nicht etwa an die Seite des letzteren treten, sondern &raquo;wohlwollende Neutralit&auml;t&laquo; bewahren sollte. </P>
<P>Seit in der deutschen Politik der imperialistische Wandel vollzogen
war, ist auch ihr Verh&auml;ltnis zu &Ouml;sterreich verschoben worden.
&Ouml;sterreich-Ungarn liegt zwischen Deutschland und dem Balkan, also
auf dem Wege zum Brennpunkt der deutschen Orientpolitik. &Ouml;sterreich
zum Gegner haben, w&auml;re bei der allgemeinen Isolierung, in die sich
Deutschland durch seine Politik versetzt hatte, gleichbedeutend mit dem
Verzicht auf alle weltpolitischen Pl&auml;ne. Aber auch im Falle einer
Schw&auml;chung und des Zerfalls &Ouml;sterreich-Ungarns, der mit der sofortigen
Liquidierung der T&uuml;rkei und mit einer ungeheuren St&auml;rkung Ru&szlig;lands,
der Balkanstaaten und Englands identisch ist, w&auml;re zwar die nationale
Einigung und St&auml;rkung Deutschlands verwirklicht, aber der imperialistischen
Politik des Deutschen Reichs das Lebenslicht ausgeblasen.<SPAN class="top"><A name="ZF4"></A><A href="luf_4.htm#F4">(4)</A></SPAN>
<P></P>
<P>Die Rettung und Erhaltung der habsburgischen Monarchie wurde also logisch
zur Nebenaufgabe des deutschen Imperialismus, wie die Erhaltung der T&uuml;rkei
seine Hauptaufgabe war.</P>
<P>&Ouml;sterreich bedeutet aber einen st&auml;ndigen latenten Kriegszustand
auf dem Balkan. Seit der unaufhaltsame Proze&szlig; der Aufl&ouml;sung
der T&uuml;rkei zur Bildung und Erstarkung der Balkanstaaten in n&auml;chster
N&auml;he &Ouml;sterreichs gef&uuml;hrt hatte, begann auch der Gegensatz
zwischen dem habsburgischen Staat und seinen jungen Nachbarn. Es ist klar,
da&szlig; durch das Aufkommen selbst&auml;ndiger lebensf&auml;higer nationaler
Staaten in unmittelbarer N&auml;he der Monarchie, die, aus lauter Bruchst&uuml;cken
derselben Nationalit&auml;ten zusammengesetzt, diese Nationalit&auml;ten
nur mit der Fuchtel der Diktaturparagraphen zu regieren wei&szlig;, die
Zersetzung der ohnehin zerr&uuml;tteten Monarchie beschleunigt werden mu&szlig;te.
Die innere Lebensunf&auml;higkeit &Ouml;sterreichs zeigte sich gerade in
seiner Balkanpolitik und besonders im Verh&auml;ltnis zu Serbien. &Ouml;sterreich
war trotz seiner imperialistischen Appetite, die sich wahllos bald auf
Saloniki, bald auf Durazzo warfen, nicht etwa in der Lage, Serbien zu annektieren,
auch als dieses noch nicht den Zuwachs an Kraft und Umfang durch die beiden
Balkankriege erfahren hatte. Durch die Einverleibung Serbiens h&auml;tte
&Ouml;sterreich in seinem Innern eine von den widerspenstigen s&uuml;dslawischen
Nationalit&auml;ten in gef&auml;hrlicher Weise gest&auml;rkt, die es durch
das brutale und stumpfsinnige Regime seiner Reaktion ohnehin kaum zu z&uuml;geln
vermag.<SPAN class="top"><A name="ZF5"></A><A href="luf_4.htm#F5">(5)</A></SPAN> </P>
<P>&Ouml;sterreich kann aber auch nicht die selbst&auml;ndige normale Entwicklung
Serbiens dulden und von ihr durch normale Handelsbeziehungen profitieren,
weil die habsburgische Monarchie nicht die politische Organisation eines
b&uuml;rgerlichen Staates, sondern blo&szlig; ein lockeres Syndikat einiger
Cliquen gesellschaftlicher Parasiten ist, die mit vollen H&auml;nden unter
Ausnutzung der staatlichen Machtmittel raffen wollen, solange der morsche
Bau der Monarchie noch h&auml;lt. Im Interesse der ungarischen Agrarier
und der k&uuml;nstlichen Teuerung landwirtschaftlicher Produkte verbot
&Ouml;sterreich also Serbien die Einfuhr von Vieh und Obst und schn&uuml;rte
so dem Bauernlande den Hauptabsatz seiner Produkte ab. Im Interesse der
&ouml;sterreichischen Kartellindustrie zwang es Serbien, Industrieerzeugnisse
zu h&ouml;chsten Preisen nur aus &Ouml;sterreich zu beziehen. Um Serbien
in wirtschaftlicher und politischer Abh&auml;ngigkeit zu erhalten, verhinderte
es Serbien, sich im Osten durch ein B&uuml;ndnis mit Bulgarien den Zutritt
zum Schwarzen Meer und im Westen durch Erwerbung eines Hafens in Albanien
den Zutritt zum Adriatischen Meer zu verschaffen. Die Balkanpolitik &Ouml;sterreichs
zielte also einfach auf die Erdrosselung Serbiens. Sie war aber zugleich
auf Verhinderung jeder gegenseitigen Ann&auml;herung und des inneren Aufschwungs
der Balkanstaaten &uuml;berhaupt gerichtet und bildete f&uuml;r sie die
st&auml;ndige Gefahr. Bedrohte doch der &ouml;sterreichische Imperialismus
bald durch die Annexion Bosniens, bald durch Anspr&uuml;che auf den Sandschak
Novibazar und auf Saloniki, bald durch Anspr&uuml;che auf die albanische
K&uuml;ste fortw&auml;hrend den Bestand und die Entwicklungsm&ouml;glichkeiten
der Balkanstaaten. Diesen &ouml;sterreichischen Tendenzen zuliebe sowie
infolge der Konkurrenz Italiens mu&szlig;te auch nach dem zweiten Balkankrieg
das Spottgebild des &raquo;unabh&auml;ngigen Albaniens&laquo; unter einem
deutschen F&uuml;rsten geschaffen werden, das von der ersten Stunde an
nichts anderes war als ein Spielball von Intrigen der imperialistischen
Rivalen.</P>
<P>So wurde die imperialistische Politik &Ouml;sterreichs im letzten Jahrzehnt
zum Hemmschuh f&uuml;r eine normale fortschrittliche Entwicklung auf dem
Balkan und f&uuml;hrte von selbst zu dem unausweichlichen Dilemma: entweder
die habsburgische Monarchie oder die kapitalistische Entwicklung der Balkanstaaten!
Der Balkan, der sich von der t&uuml;rkischen Herrschaft emanzipiert hatte,
sah sich vor die weitere Aufgabe gestellt, noch das Hindernis &Ouml;sterreich
aus dem Wege zu r&auml;umen. Die Liquidierung &Ouml;sterreich-Ungarns ist
historisch nur die Fortsetzung des Zerfalls der T&uuml;rkei und zusammen
mit ihm ein Erfordernis des geschichtlichen Entwicklungsprozesses.</P>
<P> Aber jenes Dilemma lie&szlig; keine andere L&ouml;sung zu als Krieg,
und zwar den Weltkrieg. Hinter Serbien stand n&auml;mlich Ru&szlig;land,
das seinen Einflu&szlig; auf dem Balkan und seine &raquo;Besch&uuml;tzer&laquo; -Rolle
nicht preisgeben konnte, ohne auf sein ganzes imperialistisches Programm
im Orient zu verzichten. In direktem Gegensatz zur &ouml;sterreichischen
ging die russische Politik darauf aus, die Balkanstaaten, nat&uuml;rlich
unter Ru&szlig;lands Protektorat, zusammenzuschlie&szlig;en. Der Balkanbund,
dessen siegreicher Krieg im Jahre 1912 mit der europ&auml;ischen T&uuml;rkei
fast ganz aufger&auml;umt hatte, war Ru&szlig;lands Werk und hatte in dessen
Intentionen die Hauptspitze gegen &Ouml;sterreich zu richten. Zwar zerschellte
der Balkanbund entgegen allen Bem&uuml;hungen Ru&szlig;lands alsbald im
zweiten Balkankrieg, aber das aus diesem Kriege siegreich hervorgegangene
Serbien wurde nun in gleichem Ma&szlig;e auf die Bundesgenossenschaft Ru&szlig;lands
angewiesen, als &Ouml;sterreich sein Todfeind wurde. Deutschland, an die
Schicksale der habsburgischen Monarchie gekoppelt, sah sich gen&ouml;tigt,
deren stockreaktion&auml;re Balkanpolitik auf Schritt und Tritt zu decken
und nun in doppelt scharfen Gegensatz zu Ru&szlig;land zu treten.</P>
<P>Die &ouml;sterreichische Balkanpolitik f&uuml;hrte aber ferner zum Gegensatz
mit Italien, das an der Liquidation sowohl &Ouml;sterreichs wie der T&uuml;rkei
lebhaft interessiert ist. Der Imperialismus Italiens findet in den italienischen
Besitzungen &Ouml;sterreichs den n&auml;chstliegenden und bequemsten, weil
popul&auml;rsten Deckmantel seiner Expansionsgel&uuml;ste, die sich bei
der Neuordnung der Dinge auf dem Balkan vor allem auf die gegen&uuml;berliegende
albanische K&uuml;ste der Adria richten. Der Dreibund, der schon im Tripoliskrieg
einen argen Sto&szlig; erlitten hatte, wurde durch die akute Krise auf
dem Balkan seit den beiden Balkankriegen vollends ausgeh&ouml;hlt und die
beiden Zentralm&auml;chte in scharfen Gegensatz zu aller Welt gebracht.
Deutschlands Imperialismus, gekettet an zwei verwesende Leichname, steuerte
geraden Weges in den Weltkrieg.</P>
<P>Die Fahrt war &uuml;brigens ganz bewu&szlig;t. Namentlich &Ouml;sterreich
als treibende Kraft rannte mit fataler Blindheit schon seit Jahren ins
Verderben. Seine herrschende klerikal-milit&auml;rische Clique mit dem
Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Handlanger Baron von Chlumezki an
der Spitze haschte f&ouml;rmlich nach Vorw&auml;nden, um loszuschlagen.
Im Jahre 1909 lie&szlig; sie eigens zur Entfachung des n&ouml;tigen Kriegsfurors
in deutschen Landen von Prof. <B>Friedmann</B> die ber&uuml;hmten Dokumente
fabrizieren, die eine weitverzweigte teuflische Verschw&ouml;rung der Serben
gegen die habsburgische Monarchie enth&uuml;llten und nur den kleinen Fehler
hatten, da&szlig; sie von A bis Z gef&auml;lscht waren. Einige Jahre sp&auml;ter
sollte die tagelang kolportierte Nachricht vom entsetzlichen Martyrium
des &ouml;sterreichischen Konsuls <B>Prohaska</B> in &Uuml;sk&uuml;b wie
der z&uuml;ndende Funke ins Pulverfa&szlig; fallen, unterdes Prohaska gesund
und munter pfeifend in den Stra&szlig;en von &Uuml;sk&uuml;b spazierte.
Endlich kam das Attentat von Sarajewo, ein lang ersehntes veritables emp&ouml;rendes
Verbrechen. &raquo;Wenn je ein Blutopfer <B>eine befreiende, eine erl&ouml;sende
Wirkung</B> gehabt hat, so war es dieses&laquo;, jubelten die Wortf&uuml;hrer
der deutschen Imperialisten. Die &ouml;sterreichischen Imperialisten jubelten
noch lauter und beschlossen, die erzherzoglichen Leichen zu benutzen,
solange sie frisch waren.<SPAN class="top"><A name="ZF6"></A><A href="luf_4.htm#F6">(6)</A></SPAN> Nach rascher Verst&auml;ndigung mit
Berlin wurde der Krieg abgemacht und das Ultimatum als der Fidibus ausgesandt,
der die kapitalistische Welt an allen Ecken anz&uuml;nden sollte.
<P></P>
<P>Aber der Zwischenfall in Sarajewo hatte nur den Vorwand geliefert. An
Ursachen, an Gegens&auml;tzen war seit langer Zeit alles f&uuml;r den Krieg
reif, die Konstellation, die wir heute erleben, war seit einem Jahrzehnt
fertig. Jedes Jahr und jede politische Begebenheit der letzten Zeit brachten
ihn einen Schritt n&auml;her: die t&uuml;rkische Revolution, die Annexion
Bosniens, die Marokkokrise, die Tripolisexpedition, die beiden Balkankriege.
Alle Milit&auml;rvorlagen der letzten Jahre wurden direkt mit Hinblick
auf diesen Krieg als bewu&szlig;te Vorbereitung zur unvermeidlichen Generalabrechnung
eingebracht. F&uuml;nfmal im Laufe der letzten Jahre w&auml;re der heutige
Krieg schon um ein Haar ausgebrochen: im Sommer 1905, als Deutschland zum
ersten Male in entscheidender Form seine Anspr&uuml;che in der Marokkosache
anmeldete. Im Sommer 1908, als England, Ru&szlig;land und Frankreich nach
der Monarchenbegegnung in Reval wegen der mazedonischen Frage ein Ultimatum
an die T&uuml;rkei stellen wollten und Deutschland sich bereitete, zum
Schutz der T&uuml;rkei sich in den Krieg zu st&uuml;rzen, den nur der pl&ouml;tzliche
Ausbruch der t&uuml;rkischen Revolution f&uuml;r diesmal verhindert hat.<A name="ZF7"></A><SPAN class="top"><A href="luf_4.htm#F7">(7)</A></SPAN>
Im Anfang 1909, als Ru&szlig;land die &ouml;sterreichische Annexion Bosniens
mit einer Mobilmachung beantwortete, worauf Deutschland in Petersburg in
aller Form erkl&auml;rte, es sei bereit, auf &Ouml;sterreichs Seite in
den Krieg zu ziehen. Im Sommer 1911, als der &raquo;Panther&laquo; nach Agadir
entsandt wurde, was unbedingt den Ausbruch des Krieges herbeigef&uuml;hrt
h&auml;tte, wenn Deutschland auf den Marokkoanteil nicht verzichtet und
sich mit Kongo nicht h&auml;tte abfinden lassen. Und endlich anfangs 1913,
als Deutschland angesichts des beabsichtigten Einmarsches Ru&szlig;lands
in Armenien zum zweitenmal in Petersburg in aller Form erkl&auml;rte, kriegsbereit
zu sein.
</P>
<P></P>
<P>Derartig hing der heutige Weltkrieg seit acht Jahren in der Luft. Wenn
er immer wieder verschoben wurde, so nur deshalb, weil jedesmal eine der
beteiligten Seiten mit den milit&auml;rischen Vorbereitungen noch nicht
fertig war. Namentlich war in dem &raquo;Panther&laquo; -Abenteuer 1911 schon
der heutige Weltkrieg reif &shy; ohne das ermordete Erzherzogpaar, ohne
franz&ouml;sische Flieger &uuml;ber N&uuml;rnberg und ohne russische Invasion
in Ostpreu&szlig;en. Deutschland hat ihn blo&szlig; auf einen f&uuml;r
sich gelegeneren Moment verschoben. Auch hier braucht man nur die offenherzige
Darlegung der deutschen Imperialisten zu lesen: &raquo;Wenn von der sogenannten
alldeutschen Seite her w&auml;hrend der Marokkokrisis von 1911 gegen die
deutsche Politik der Vorwurf der Schw&auml;che gemacht worden ist, so erledigt
sich diese falsche Idee schon allein dadurch da&szlig;, als wir den 'Panther'
nach Agadir schickten, der Umbau des Nordostseekanals noch mitten im Werk,
der Ausbau von Helgoland zu einer gro&szlig;en Seefestung lange nicht vollendet
und unsere Flotte an Dreadnoughts und Hilfswaffen gegen&uuml;ber der englischen
Seemacht ein bedeutend ung&uuml;nstigeres Verh&auml;ltnis aufwies als drei
Jahre nachher. Sowohl der Kanal als auch Helgoland, als auch die Flottenst&auml;rke
waren im Vergleich zum gegenw&auml;rtigen Jahre, 1914, teils stark zur&uuml;ck,
teils &uuml;berhaupt noch nicht kriegsbrauchbar. <B>In einer solchen Lage,
wo man wei&szlig;, da&szlig; man etwas sp&auml;ter sehr viel g&uuml;nstigere
Chancen haben wird, den Entscheidungskrieg provozieren zu wollen, w&auml;re
doch einfach t&ouml;richt gewesen.&laquo;</B><SPAN class="top"><A name="ZF8"></A><A href="luf_4.htm#F8">(8)</A></SPAN> Erst mu&szlig;te
die deutsche Flotte instand gesetzt und die gro&szlig;e Milit&auml;rvorlage
im Reichstag durchgedr&uuml;ckt werden. Im Sommer 1914 f&uuml;hlte sich
Deutschland kriegsbereit, w&auml;hrend Frankreich noch an seiner
dreij&auml;hrigen Dienstzeit laborierte und Ru&szlig;land weder mit dem Flottenprogramm noch mit dem
Landheer fertig war. Es galt, die Lage energisch auszunutzen. &raquo;F&uuml;r
uns, das hei&szlig;t f&uuml;r Deutschland und &Ouml;sterreich-Ungarn&laquo; &shy; schreibt &uuml;ber die Situation im Jahre 1914 derselbe Rohrbach, der
nicht blo&szlig; der ernsteste Wortf&uuml;hrer des Imperialismus in
Deutschland, sondern auch in genauer F&uuml;hlung mit den leitenden Kreisen
der deutschen Politik, halb und halb ihr offizi&ouml;ses Mundst&uuml;ck ist -, &raquo;f&uuml;r uns bestand <B>die Hauptsorge</B> diesmal darin, da&szlig; wir
durch eine vor&uuml;bergehende und scheinbare <B>Nachgiebigkeit Ru&szlig;lands
moralisch gezwungen werden k&ouml;nnten, zu warten</B>, bis Ru&szlig;land und
Frankreich wirklich bereit waren.&laquo;<SPAN class="top"><A name="ZF9"></A><A href="luf_4.htm#F9">(9)</A></SPAN> Mit anderen Worten: die Hauptsorge im Juli 1914 war, da&szlig; die &raquo;Friedensaktion&laquo; der deutschen Regierung Erfolg haben, da&szlig; Ru&szlig;land und Serbien
nachgeben konnten. Es galt, sie diesmal zum Kriege zu <B>zwingen</B>. Und
die Sache gelang. &raquo;Mit tiefem Schmerz sahen wir unsere auf die Erhaltung
des Weltfriedens gerichteten unerm&uuml;dlichen Bem&uuml;hungen scheitern&laquo; usw.</P>
<P>Als die deutschen Bataillone in Belgien einmarschierten, als der Deutsche
Reichstag vor die vollendete Tatsache des Krieges und des Belagerungszustandes
gestellt war, war es nach alledem kein Blitz aus heiterem Himmel, keine
neue unerh&ouml;rte Situation, kein Ereignis, das in seinen politischen
Zusammenh&auml;ngen f&uuml;r die sozialdemokratische Fraktion eine &Uuml;berraschung
sein konnte. Der am 4. August offiziell begonnene Weltkrieg war derselbe,
auf den die deutsche und die internationale imperialistische Politik seit
Jahrzehnten unerm&uuml;dlich hinarbeitete, derselbe, dessen Nahen die deutsche
Sozialdemokratie ebenso unerm&uuml;dlich seit einem Jahrzehnt fast jedes
Jahr prophezeite, derselbe, den die sozialdemokratischen Parlamentarier,
Zeitungen und Brosch&uuml;ren tausendmal als ein frivoles imperialistisches
Verbrechen brandmarkten, das weder mit Kultur noch mit nationalen Interessen
etwas zu tun h&auml;tte, vielmehr das direkte Gegenteil von beiden w&auml;re.</P>
<P>Und in der Tat. Nicht um die &raquo;Existenz und die freiheitliche Entwicklung
Deutschlands&laquo; handelt es sich in diesem Kriege, wie die sozialdemokratische
Fraktionserkl&auml;rung sagt, nicht um die deutsche Kultur, wie die sozialdemokratische
Presse schreibt, sondern um jetzige Profite der Deutschen Bank in der asiatischen
T&uuml;rkei und k&uuml;nftige Profite der Mannesm&auml;nner und Krupp in
Marokko, um die Existenz und die Reaktion &Ouml;sterreichs, dieses &raquo;Haufens
organisierte Verwesung, der sich habsburgische Monarchie nennt&laquo;, wie
der &raquo;Vorw&auml;rts&laquo; am 25. Juli 1914 schrieb, um ungarische Schweine
und Zwetschgen, um den &sect; 14 und die Kultur Friedmann-Prohaska, um
die Erhaltung der t&uuml;rkischen Baschibuzukenherrschaft in Kleinasien
und der Konterrevolution auf dem Balkan.</P>
<P>Ein gro&szlig;er Teil unserer Parteipresse war sittlich entr&uuml;stet,
da&szlig; von den Gegnern Deutschlands die &raquo;Farbigen und Wilden&laquo;,
Neger, Sikhs, Maori in den Krieg gehetzt wurden. Nun, diese V&ouml;lker
spielen im heutigen Kriege ungef&auml;hr dieselbe Rolle wie die sozialistischen
Proletarier der europ&auml;ischen Staaten. Und wenn die Maori von Neuseeland
nach Reuter-Meldung darauf brannten, sich f&uuml;r den englischen K&ouml;nig
die Sch&auml;del einzurennen, so zeigten sie just soviel Bewu&szlig;tsein
f&uuml;r die eigenen Interessen wie die deutsche sozialdemokratische Fraktion,
welche die Erhaltung der habsburgischen Monarchie, der T&uuml;rkei und
der Kassen der Deutschen Bank mit der Existenz, Freiheit und Kultur des
deutschen Volkes verwechselte. Ein gro&szlig;er Unterschied besteht freilich
bei alledem: die Maori trieben noch vor einer Generation Menschenfresserei
und nicht marxistische Theorie.
<HR size="1">
<P>Anmerkungen von Rosa Luxemburg</P>
<P><SPAN class="top">(1)<A name="F1"></A></SPAN> Am 3. Dezember 1912, nach dem ersten Balkankriege,
f&uuml;hrte der sozialdemokratische Fraktionsredner David im Reichstag
aus: &raquo;Gestern wurde hier bemerkt, die deutsche Orientpolitik sei an
dem <B>Zusammenbruch der T&uuml;rkei</B> nicht schuld, die deutsche Orientpolitik
sei eine gute gewesen. Der Herr Reichskanzler meinte, wir h&auml;tten der
T&uuml;rkei manchen guten Dienst geleistet, und Herr Bassermann sagte,
wir h&auml;tten die T&uuml;rkei veranla&szlig;t, vern&uuml;nftige Reformen
durchzuf&uuml;hren. Von dem letzteren ist mir nun gar nichts bekannt (Heiterkeit
bei den Sozialdemokraten.); und auch hinter die guten Dienste m&ouml;chte
ich ein Fragezeichen setzen. Warum ist die T&uuml;rkei zusammengebrochen?
Was dort zusammengebrochen ist, das war ein <B>Junkerregiment</B>, &auml;hnlich
dem, das wir in Ostelbien haben. (&raquo;Sehr richtig!&laquo; bei den Sozialdemokraten.
&shy; Lachen rechts.) Der Zusammenbruch der T&uuml;rkei ist eine Parallelerscheinung
zu dem Zusammenbruch des mandschurischen Junkerregiments in China. Mit
den Junkerregimentern scheint es allm&auml;hlich &uuml;berall zu Ende zu
gehen (Zurufe von den Sozialdemokraten: &raquo;Hoffentlich!&laquo;); sie
entsprechen nicht mehr den modernen Bed&uuml;rfnissen.</P>
<P>Ich sagte, die Verh&auml;ltnisse
in der T&uuml;rkei glichen bis zu einem gewissen Grade denen in Ostelbien.
Die T&uuml;rken sind eine regierende Erobererkaste, nur eine kleine Minderheit.
Neben ihnen gibt es noch Nichtt&uuml;rken, die die mohammedanische Religion
angenommen haben; aber die eigentlichen Stammt&uuml;rken sind nur eine
kleine Minderheit, eine Kriegerkaste, eine Kaste, die s&auml;mtliche leitenden
Stellen eingenommen hat, wie in Preu&szlig;en, in der Verwaltung, in der
Diplomatie, im Heere; eine Kaste, deren wirtschaftliche Stellung sich st&uuml;tzte
auf einen gro&szlig;en Grundbesitz, auf die Verf&uuml;gung &uuml;ber h&ouml;rige
Bauern, gerade wie in Ostelbien; eine Kaste, die diesen Hintersassen gegen&uuml;ber,
die fremden Stammes und fremder Religion waren, den bulgarischen, den serbischen
Bauern gegen&uuml;ber die gleiche r&uuml;cksichtslose Grundherrenpolitik
verfolgt hat, wie in Ostelbien unsere Spahis. (Heiterkeit.) Solange die
T&uuml;rkei Naturalwirtschaft hatte, ging das noch; denn da ist ein solches
Grundherrenregiment noch einigerma&szlig;en ertr&auml;glich, weil der Grundherr
noch nicht so auf das Ausquetschen seiner Hintersassen dr&auml;ngt; wenn
er sonst gut zu essen und zu leben hat, ist er zufrieden. In dem Moment
aber, wo die T&uuml;rkei durch die Ber&uuml;hrung mit Europa zu einer modernen
Geldwirtschaft kam, wurde der Druck der t&uuml;rkischen Junker auf ihre Bauern immer unertr&auml;glicher. Es kam zu einer Ausquetschung dieses
Bauernstandes, und ein gro&szlig;er Teil der Bauern ist zu Bettlern herabgedr&uuml;ckt
worden; viele sind zu R&auml;ubern geworden. Das sind die Komitaschis!
(Lachen rechts.) Die t&uuml;rkischen Junker haben nicht nur einen Krieg
gef&uuml;hrt gegen einen ausw&auml;rtigen Feind, nein, unterhalb dieses
Krieges gegen den ausw&auml;rtigen Feind hat sich in der T&uuml;rkei eine
Bauernrevolution vollzogen. Das war es, was den T&uuml;rken das R&uuml;ckgrat
gebrochen hat, und das war der Zusammenbruch ihres Junkersystems!</P>
<P>Wenn man nun sagt, die deutsche Regierung habe da gute
Dienste geleistet &shy; nun, die besten Dienste, die sie der T&uuml;rkei
und auch dem jungt&uuml;rkischen System h&auml;tte leisten k&ouml;nnen,
hat sie nicht geleistet. Sie h&auml;tte ihnen raten sollen, die Reformen,
zu denen die T&uuml;rkei durch das Berliner Protokoll verpflichtet war,
durchzuf&uuml;hren, ihre Bauern wirklich frei zu machen, wie Bulgarien
und Serbien es getan haben. Aber wie konnte das die preu&szlig;isch-deutsche
Junkerdiplomatie!</P>
<P> ... Die Instruktionen, die Herr von Marschall von Berlin
empfing, konnten jedenfalls nicht darauf gehen, den Jungt&uuml;rken wirklich
gute Dienste zu leisten. Was sie ihnen gebracht haben &shy; ich will von
den milit&auml;rischen Dingen gar nicht sprechen &shy; war ein gewisser
Geist, den sie in das t&uuml;rkische Offizierkorps hineingetragen haben,
der Geist des &raquo;elejanten Jardeoffiziers&laquo; (Heiterkeit bei den
Sozialdemokraten), der Geist, der sich in diesem Kampfe so au&szlig;erordentlich
verderblich f&uuml;r die t&uuml;rkische Armee erwiesen hat. Man spricht
davon, da&szlig; Leichen von Offizieren in Lackschuhen usw. gefunden werden.
Die &Uuml;berhebung &uuml;ber die Masse des Volkes, &uuml;ber die Masse
der Soldaten vor allen Dingen, dieses Rauskehren des Offiziers, dieses
Vonobenrunterbefehlen hat das Vertrauensverh&auml;ltnis in der t&uuml;rkischen
Armee in der Wurzel zerst&ouml;rt, und so begreift sich denn auch, da&szlig;
dieser Geist mit dazu beigetragen hat, die innere Aufl&ouml;sung in der
t&uuml;rkischen Armee herbeizuf&uuml;hren.</P>
<P>Meine Herren, wir sind also in bezug auf die Frage, wer
an dem Zusammenbruch der T&uuml;rkei schuld hat, doch verschiedener Meinung.
Die Hilfe eines gewissen preu&szlig;ischen Geistes hat den Zusammenbruch
der T&uuml;rkei nicht allein verschuldet, nat&uuml;rlich nicht, aber er
hat mit dazu beigetragen, er hat ihn beschleunigt. Im Grunde waren es &ouml;konomische
Ursachen, wie ich dargelegt habe.&laquo; <A href="luf_4.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><SPAN class="top">(2)<A name="F2"></A> </SPAN>Die in den Kreisen der deutschen Imperialisten
jahrelang betriebene l&auml;rmende Hetze wegen Marokkos war auch nicht
geeignet, die Besorgnisse Frankreichs zu beruhigen. Der Alldeutsche Verband
vertrat laut das Programm der Annexion Marokkos, nat&uuml;rlich als &raquo;eine
Lebensfrage&laquo; f&uuml;r Deutschland und verbreitete eine Flugschrift
aus der Feder seines Vorsitzenden Heinrich Cla&szlig; unter dem Titel: &raquo;Westmarokko deutsch!&laquo; Als nach dem getroffenen Kongohandel Prof.
Schiemann in der &raquo;Kreuzzeitung&laquo; die Abmachung des Ausw&auml;rtigen
Amtes und den Verzicht auf Marokko zu verteidigen suchte, fiel die &raquo;Post&laquo; &uuml;ber ihn folgenderma&szlig;en her:</P>
<P>&raquo;<B>Herr Professor Schiemann ist von Geburt Russe,
vielleicht nicht einmal rein deutscher Abkunft.</B> Niemand kann es ihm
daher verdenken, da&szlig; er <B>Fragen, die das Nationalbewu&szlig;tsein,
den patriotischen Stolz in der Brust eines jeden Reichsdeutschen auf das
empfindlichste ber&uuml;hren, kalt und h&ouml;hnisch gegen&uuml;bersteht.</B>
Das Urteil eines Fremden, der von dem patriotischen Herzschlag, dem schmerzlichen
Zucken der bangen Seele des deutschen Volkes spricht als von einer durchgegangenen
politischen Phantasie, einem Konquistadorenabenteuer, mu&szlig; um so mehr
unsern <B>berechtigten Zorn und Verachtung </B>herausfordern, als dieser
Fremde als Hochschullehrer der Berliner Universit&auml;t die <B>Gastfreundschaft
des preu&szlig;ischen Staates</B> genie&szlig;t. Mit <B>tiefem Schmerz</B>
aber mu&szlig; es uns erf&uuml;llen, da&szlig; dieser Mann, der in dem
leitenden Organ der deutschkonservativen Partei die <B>heiligsten Gef&uuml;hle
des deutschen Volkes derart zu beschimpfen wagt</B>, der Lehrer und Ratgeber
unsres Kaisers in politischen Dingen ist, und &shy; ob mit Recht oder Unrecht
&shy; als das Sprachrohr des Kaisers gilt.&laquo; <A href="luf_4.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<P><SPAN class="top">(3)<A name="F3"></A> </SPAN>Im Januar 1908 schrieb nach der deutschen
Presse der russische liberale Politiker Peter von Struve: &raquo;Jetzt ist
es Zeit, auszusprechen, da&szlig; es nur einen Weg gibt, ein gro&szlig;es
Ru&szlig;land zu schaffen, und der ist: die Hinlenkung aller Kr&auml;fte
auf ein Gebiet, das der realen Einwirkung der russischen Kultur zug&auml;nglich
ist. Dieses Gebiet ist das <B>ganze Becken des Schwarzen Meeres</B>, das
hei&szlig;t alle europ&auml;ischen und asiatischen L&auml;nder, die einen
Ausgang zum Schwarzen Meer haben. Hier besitzen wir f&uuml;r unsere unanfechtbare
wirtschaftliche Herrschaft eine wirkliche Basis: <B>Menschen, Steinkohle
und Eisen</B>. Auf dieser realen Basis &shy; und nur auf ihr &shy; kann
durch unerm&uuml;dliche Kulturarbeit, die nach allen Richtungen hin vom
Staat unterst&uuml;tzt werden mu&szlig;, ein wirtschaftlich starkes Gro&szlig;ru&szlig;land
geschaffen werden.&laquo;</P>
<P>
Bei Beginn des heutigen Weltkrieges schrieb derselbe Struve
noch vor dem Eingreifen der T&uuml;rkei: &raquo;Bei den deutschen Politikern
taucht eine selbst&auml;ndige t&uuml;rkische Politik aus, die sich zu der
Idee und dem Programm der &Auml;gyptisierung der T&uuml;rkei unter dem
Schutze Deutschlands verdichtete. Der Bosporus und die Dardanellen sollten
sich in ein deutsches Suez verwandeln. Schon vor dem italienisch-t&uuml;rkischen
Krieg, der die T&uuml;rkei aus Afrika verdr&auml;ngte, und vor dem Balkankrieg,
der die T&uuml;rken fast aus Europa hinauswarf, tauchte f&uuml;r Deutschland
deutlich die Aufgabe auf: die T&uuml;rkei und ihre Unabh&auml;ngigkeit
im Interesse der wirtschaftlichen und politischen Festigung Deutschlands
zu erhalten. Nach den erw&auml;hnten Kriegen &auml;nderte sich diese Aufgabe
nur insofern, als die &auml;u&szlig;erste Schw&auml;che der T&uuml;rkei
zutage getreten war: unter diesen Umst&auml;nden mu&szlig;te ein B&uuml;ndnis
de facto in ein Protektorat oder eine Bevormundung ausarten, die das Ottomanische
Reich schlie&szlig;lich auf das Niveau &Auml;gyptens bringen mu&szlig;te.
Es <B>ist aber vollkommen klar, da&szlig; ein deutsches &Auml;gypten am
Schwarzen und am Marmarameer vom russischen Standpunkt aus v&ouml;llig
unertr&auml;glich w&auml;re</B>. Kein Wunder daher, da&szlig; die russische
Regierung sofort gegen die auf eine solche Politik hinzielenden Schritte,
<B>so gegen die Mission General Liman von Sanders</B> protestierte, der
nicht nur die t&uuml;rkische Armee reorganisieren, sondern auch ein <B>Armeekorps
in Konstantinopel befehligen sollte</B>. Formell erhielt Ru&szlig;land
in dieser Frage Genugtuung, in Wirklichkeit aber &auml;nderte sich die
Sachlage nicht im geringsten. <B>Unter diesen Umst&auml;nden stand im Dezember
1913 ein Krieg zwischen Ru&szlig;land und Deutschland in unmittelbarer
N&auml;he: der Fall der Milit&auml;rmission</B> Liman von Sanders hatte
die auf die '&Auml;gyptisierung' der T&uuml;rkei gerichtete Politik Deutschlands
aufgedeckt.</P>
<P><B>Schon diese neue Richtung der deutschen Politik h&auml;tte
ausgereicht, um einen bewaffneten Konflikt zwischen Deutschland und Ru&szlig;land
hervorzurufen</B>. Wir traten also <B>im Dezember 1913</B> in eine Epoche
der Heranreifung eines Konfliktes ein, der unvermeidlich den Charakter
eines Weltkonfliktes annehmen mu&szlig;te.&laquo; <A href="luf_4.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<P><SPAN class="top">(4)<A name="F4"></A></SPAN> In der imperialistischen Flugschrift &raquo;Warum
es der deutsche Krieg ist?&laquo; lesen wir: &raquo;Ru&szlig;land hatte es
schon vorher mit der Verlockung versucht, uns Deutsch-&Ouml;sterreich anzubieten,
jene zehn Millionen Deutsche, die bei unserer nationalen Einigung 1866
und 1870/1871 drau&szlig;en bleiben mu&szlig;ten. Lieferten wir ihnen die
alte Monarchie der Habsburger aus, so mochten wir den Lohn f&uuml;r den
Verrat davontragen.&laquo; <A href="luf_4.htm#ZF4">&lt;=</A></P>
<P><SPAN class="top">(5)<A name="F5"></A> </SPAN>Die <B>&raquo;K&ouml;lnische Zeitung&laquo; </B>schrieb nach dem Attentat von Sarajewo, also am Vorabend des Krieges, als
die Karten der offiziellen deutschen Politik noch nicht aufgedeckt waren:</P>
<P>&raquo;Der in die Verh&auml;ltnisse Uneingeweihte wird
die Frage stellen, woher es komme, da&szlig; &Ouml;sterreich trotz seiner
Bosnien erwiesenen Wohltaten im Lande nicht nur nicht beliebt, sondern
geradezu verha&szlig;t ist bei den Serben, die 42 Prozent der Bev&ouml;lkerung
ausmachen? Die Antwort wird nur der wirkliche Kenner des Volkes und der
Verh&auml;ltnisse verstehen, der Fernstehende, namentlich der an europ&auml;ische
Begriffe und Zust&auml;nde gew&ouml;hnte, wird ihr verst&auml;ndnislos
gegen&uuml;berstehen. Die Antwort lautet klipp und klar: <B>Die Verwaltung
Bosniens war in der Anlage und in ihren Grundideen vollkommen verpfuscht</B>,
und daran tr&auml;gt die geradezu str&auml;fliche Unkenntnis die Schuld,
welche zum Teil noch heute, nach mehr als einem Menschenalter (seit der
Okkupation) &uuml;ber die wirklichen Zust&auml;nde im Lande herrscht.&laquo;
<A href="luf_4.htm#ZF5">&lt;=</A></P>
<P><SPAN class="top">(6)<A name="F6"></A></SPAN> &raquo;Warum es der deutsche Krieg ist?&laquo; S. 21.<BR>
Das Organ der Clique des Erzherzogs, &raquo;Gro&szlig;-&Ouml;sterreich&laquo;,
schrieb Woche f&uuml;r Woche Brandartikel im folgenden Stil:</P>
<P>&raquo;Wenn man den Tod des Erzherzogs-Thronfolgers Franz
Ferdinand in w&uuml;rdiger und seinen Empfindungen Rechnung tragender Weise
r&auml;chen will, <B>dann vollstrecke man so rasch als m&ouml;glich das
politische Verm&auml;chtnis</B> des unschuldigen Opfers einer unseligen
Entwicklung der Verh&auml;ltnisse im S&uuml;den des Reiches.<BR>
<B>Seit sechs Jahren warten wir schon auf die endliche Ausl&ouml;sung all
der dr&uuml;ckenden Spannungen</B>, die wir in unserer ganzen Politik so
&uuml;beraus qualvoll empfinden.<BR>
Weil wir wissen, da&szlig; erst aus einem Krieg das neue und gro&szlig;e
Osterreich, das gl&uuml;ckliche, seine V&ouml;lker befreiende Gro&szlig;-&Ouml;sterreich
geboren werden kann, <B>darum wollen wir den Krieg</B>.<BR>
Wir wollen den Krieg, weil es unsere innerste &Uuml;berzeugung ist, da&szlig;
nur durch einen Krieg in radikaler, pl&ouml;tzlicher Weise unser Ideal
erreicht werden kann: <B>ein starkes Gro&szlig;-&Ouml;sterreich</B>, in
dem die &ouml;sterreichische Staatsidee, der &ouml;sterreichische Missionsgedanke,
<B>den Balkanv&ouml;lkern</B> die Freiheit und Kultur zu bringen, im Sonnenglanze
einer gro&szlig;en, frohen Zukunft bl&uuml;ht.<BR>
Seitdem der Gro&szlig;e tot ist, dessen starke Hand, dessen unbeugsame
Energie Gro&szlig;-&Ouml;sterreich &uuml;ber Nacht geschaffen h&auml;tte,
seitdem erhoffen wir alles nur mehr vom Krieg.<BR>
Es ist die letzte Karte, auf die wir alles setzen! <BR>
Vielleicht f&uuml;hrt die ungeheure Erregung, die in &Ouml;sterreich und
Ungarn nach diesem Attentat gegen Serbien herrscht, zur Explosion gegen
Serbien und im weiteren Verlauf auch gegen Ru&szlig;land.<BR>
Erzherzog Franz Ferdinand hat als einziger diesen Imperialismus nur vorbereiten,
nicht durchsetzen k&ouml;nnen. <B>Sein Tod wird hoffentlich das Blutopfer
sein, das notwendig war, um die imperialistische Entflammung ganz &Ouml;sterreichs
durchzuf&uuml;hren.&laquo;</B> <A href="luf_4.htm#ZF6">&lt;=</A></P>
<P><SPAN class="top">(7)<A name="F7"></A> </SPAN>&raquo;Auf Seiten der deutschen Politik war
man nat&uuml;rlich dar&uuml;ber unterrichtet was geschehen sollte, und
<B>heute wird kein Geheimnis mehr mit der Tatsache verraten</B>, da&szlig;
wie andere europ&auml;ische Flotten, <B>so auch die deutschen Seestreitkr&auml;fte
sich damals im Zustande unmittelbarer Kriegsbereitschaft befanden</B>.&laquo;
<B>Rohrbach</B>, &raquo;Der Krieg und die deutsche Politik&laquo;, S. 32. <A href="luf_4.htm#ZF7">&lt;=</A></P>
<P><SPAN class="top">(8)<A name="F8"></A></SPAN> Rohrbach, &raquo;Der Krieg und die deutsche Politik&laquo;, S. 41. <A href="luf_4.htm#ZF8">&lt;=</A></P>
<P><SPAN class="top">(9)<A name="F9"></A></SPAN> Ebenda, s. 83. <A href="luf_4.htm#ZF9">&lt;=</A></P>
<!-- #EndEditable -->
<HR size="1" align="left" width="200">
<P><SMALL>Quelle: &raquo;die nicht mehr existierende Website "Unser Kampf" auf fr<66>her "http://felix2.2y.net/deutsch/index.html"&laquo;<BR>
Pfad: &raquo;../lu/&laquo;<BR>
Verkn&uuml;pfte Dateien: &raquo;<A href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">../css/format.css</A>&laquo;</SMALL>
<HR size="1">
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
<TR>
<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="../index.shtml.html"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
<TD align="center"><B>|</B></TD>
<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "Link%201b" --><A href="luf_3.htm"><SMALL>Teil 3</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
<TD align="center">|</TD>
<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="luf.htm"><SMALL>Inhalt</SMALL></A></TD>
<TD align="center">|</TD>
<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><!-- #BeginEditable "Link%202b" --><A href="luf_5.htm"><SMALL>Teil 5</SMALL></A><!-- #EndEditable --></TD>
<TD align="center"><B>|</B></TD>
<TD align="center" width="19%" height=20 valign=middle><A href="default.htm"><SMALL>Rosa Luxemburg</SMALL></A></TD>
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