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<TITLE>Friedrich Engels - Anti-Dühring - 3. Abschnitt</TITLE>
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<TD ALIGN="center"><B>|</B></TD>
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<TD ALIGN="center" width="24%" height=20 valign=middle><A HREF="me20_136.htm"><SMALL>2. Abschnitt</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center" width="24%" height=20 valign=middle><A HREF="me20_001.htm"><SMALL>Inhalt</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center"><B>|</B></TD>
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<TD ALIGN="center" width="24%" height=20 valign=middle><A href="../default.htm"><SMALL>Marx/Engels</SMALL></A></TD>
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</TR>
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</TABLE>
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<HR size="1">
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. Herausgegeben
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vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 20. Berlin/DDR.
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1962. »Herrn Eugen Dührung's Umwälzung der Wissenschaft«,
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S. 239-303.<BR>
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1. Korrektur<BR>
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Erstellt am 05.09.1999</SMALL></P>
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<H2>Friedrich Engels - Herrn Eugen Dühring's Umwälzung der Wissenschaft</H2>
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<H1>Dritter Abschnitt<BR>
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Sozialismus</H1>
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<OL type="I">
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<A href="me20_239.htm#Kap_I"><LI>Geschichtliches</LI></A>
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<A href="me20_239.htm#Kap_II"><LI>Theoretisches</LI></A>
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<A href="me20_239.htm#Kap_III"><LI>Produktion</LI></A>
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<A href="me20_239.htm#Kap_IV"><LI>Verteilung</LI></A>
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<A href="me20_239.htm#Kap_V"><LI>Staat, Familie, Erziehung</LI></A>
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</OL>
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<hr size="1">
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<H3 align="center"><A NAME="Kap_I">I. Geschichtliches</A></H3>
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<P><B>|239|</B> Wir sahen in der Einleitung, wie die französischen
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Philosophen des 18. Jahrhunderts, die Vorbereiter der Revolution, an die Vernunft
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appellierten, als einzige Richterin über alles, was bestand. Ein vernünftiger
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Staat, eine vernünftige Gesellschaft sollten hergestellt, alles, was der
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ewigen Vernunft widersprach, sollte ohne Barmherzigkeit beseitigt werden. Wir
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sahen ebenfalls, daß diese ewige Vernunft in Wirklichkeit nichts andres
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war, als der idealisierte Verstand des eben damals zum Bourgeois sich fortentwickelnden
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Mittelbürgers. Als nun die französische Revolution diese Vernunftgesellschaft
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und diesen Vernunftstaat verwirklicht hatte, stellten sich daher die neuen Einrichtungen,
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so rationell sie auch waren gegenüber den frühern Zuständen, keineswegs
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als absolut vernünftige heraus. Der Vernunftstaat war vollständig in
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die Brüche gegangen. Der Rousseausche Gesellschaftsvertrag hatte seine Verwirklichung
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gefunden in der Schreckenszeit, aus der das an seiner eignen politischen Befähigung
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irre gewordne Bürgertum sich geflüchtet hatte zuerst in die Korruption
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des Direktoriums und schließlich unter den Schutz des napoleonischen Despotismus.
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Der verheißene ewige Friede war umgeschlagen in einen endlosen Eroberungskrieg.
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Die Vernunftgesellschaft war nicht besser gefahren. Der Gegensatz von reich und
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arm, statt sich aufzulösen im allgemeinen Wohlergehn, war verschärft
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worden durch die Beseitigung der ihn überbrückenden zünftigen und
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andern Privilegien und der ihn mildernden kirchlichen Wohltätigkeitsanstalten;
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der Aufschwung der Industrie auf kapitalistischer Grundlage erhob Armut und Elend
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der arbeitenden Massen zu einer Lebensbedingung der Gesellschaft. Die Zahl der
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Verbrechen nahm zu von <A NAME="S240"></A><B>|240|</B> Jahr zu Jahr. Waren die
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früher am hellen Tage sich ungescheut ergehenden feudalen Laster zwar nicht
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vernichtet, so doch vorläufig in den Hintergrund gedrängt, so schossen
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dafür die, bisher nur in der Stille gehegten, bürgerlichen Laster um
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so üppiger in die Blüte. Der Handel entwickelte sich mehr und mehr zur
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Prellerei. Die »Brüderlichkeit« der revolutionären Devise verwirklichte
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sich in den Schikanen und dem Neid des Konkurrenzkampfs. An die Stelle der gewaltsamen
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Unterdrückung trat die Korruption, an die Stelle des Degens, als des ersten
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gesellschaftlichen Machthebels, das Geld. Das Recht der ersten Nacht ging über
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von den Feudalherren auf die bürgerlichen Fabrikanten. Die Prostitution breitete
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sich aus in bisher unerhörtem Maß. Die Ehe selbst blieb, nach wie vor,
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gesetzlich anerkannte Form, offizieller Deckmantel der Prostitution, und ergänzte
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sich zudem durch reichlichen Ehebruch. Kurzum, verglichen mit den prunkhaften
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Verheißungen der Aufklärer, erwiesen sich die durch den »Sieg der Vernunft«
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hergestellten gesellschaftlichen und politischen Einrichtungen als bitter enttäuschende
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Zerrbilder. Es fehlten nur noch die Leute, die diese Enttäuschung konstatierten,
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und diese kamen mit der Wende des Jahrhunderts. 1802 erschienen Saint-Simons Genfer
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Briefe; 1808 erschien Fouriers erstes Werk, obwohl die Grundlage seiner Theorie
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schon von 1799 datierte; am ersten Januar 1800 übernahm Robert Owen die Leitung
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von New Lanark.</P>
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<P>Um diese Zeit aber war die kapitalistische Produktionsweise und mit ihr der
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Gegensatz von Bourgeoisie und Proletariat noch sehr unentwickelt. Die große
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Industrie, in England eben erst entstanden, war in Frankreich noch unbekannt.
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Aber erst die große Industrie entwickelt einerseits die Konflikte, die eine
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Umwälzung der Produktionsweise zur zwingenden Notwendigkeit erheben - Konflikte
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nicht nur der von ihr erzeugten Klassen, sondern auch der von ihr geschaffnen
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Produktivkräfte und Austauschformen selbst -; und sie entwickelt andrerseits
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in eben diesen riesigen Produktivkräften auch die Mittel, diese Konflikte
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zu lösen. Waren also um 1800 die der neuen Gesellschaftsordnung entspringenden
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Konflikte erst im Werden begriffen, so gilt dies noch weit mehr von den Mitteln
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ihrer Lösung. Hatten die besitzlosen Massen von Paris während der Schreckenszeit
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einen Augenblick die Herrschaft erobern können, so hatten sie damit nur bewiesen,
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wie unmöglich diese Herrschaft unter den damaligen Verhältnissen war.
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Das sich aus diesen besitzlosen Massen eben erst als Stamm einer neuen Klasse
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absondernde Proletariat, noch ganz unfähig zu selbständiger politischer
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Aktion, stellte sich dar als unterdrückter, leidender Stand, dem in seiner
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Unfähigkeit, sich selbst zu helfen, höchstens von außen her, von
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oben herab Hilfe zu bringen war.</P>
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<P><B><A NAME="S241">|241|</A></B> Diese geschichtliche Lage beherrschte auch
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die Stifter des Sozialismus. Dem unreifen Stand der kapitalistischen Produktion,
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der unreifen Klassenlage entsprachen unreife Theorien. Die Lösung der gesellschaftlichen
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Aufgaben, die in den unentwickelten ökonomischen Verhältnissen noch
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verborgen lag, sollte aus dem Kopfe erzeugt werden. Die Gesellschaft bot nur Mißstände;
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sie zu beseitigen war Aufgabe der denkenden Vernunft. Es handelte sich darum,
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ein neues vollkommneres System der gesellschaftlichen Ordnung zu erfinden und
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dies der Gesellschaft von außen her, durch Propaganda, womöglich durch
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das Beispiel von Musterexperimenten aufzuoktroyieren. Diese neuen sozialen Systeme
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waren von vornherein zur Utopie verdammt, je weiter sie in ihren Einzelheiten
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ausgearbeitet wurden, desto mehr mußten sie in reine Phantasterei verlaufen.</P>
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<P>Dies einmal festgestellt, halten wir uns bei dieser, jetzt ganz der Vergangenheit
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angehörigen Seite keinen Augenblick länger auf. Wir können es literarischen
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Kleinkrämern à la Dühring überlassen, an diesen, heute nur
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noch erheiternden Phantastereien feierlich herumzuklauben und die Überlegenheit
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ihrer eignen nüchternen Denkungsart geltend zu machen gegenüber solchem
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»Wahnwitz«. Wir freuen uns lieber der genialen Gedankenkeime und Gedanken, die
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unter der phantastischen Hülle überall hervorbrechen, und für die
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jene Philister blind sind.</P>
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<P>Saint-Simon stellt bereits in seinen Genfer Briefen den Satz auf, daß
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</P>
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<P><SMALL>»alle Menschen arbeiten sollen«.</SMALL></P>
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<P>In derselben Schrift weiß er schon, daß die Schreckensherrschaft
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die Herrschaft der besitzlosen Massen war.</P>
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<P><SMALL>»Seht an«, ruft er ihnen zu, »was sich in Frankreich ereignet hat zu der Zeit,
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als eure Kameraden dort geherrscht; sie haben die Hungersnot erzeugt.«</SMALL></P>
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<P>Die französische Revolution aber als einen Klassenkampf zwischen Adel,
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Bürgertum und Besitzlosen aufzufassen, war im Jahr 1802 eine höchst
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geniale Entdeckung. 1816 erklärt er die Politik für die Wissenschaft
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der Produktion und sagt voraus das gänzliche Aufgehn der Politik in der Ökonomie.
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Wenn hierin die Erkenntnis, daß die ökonomische Lage die Basis der
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politischen Einrichtungen ist, nur erst im Keime sich zeigt, so ist doch die Überführung
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der politischen Regierung über Menschen in eine Verwaltung von Dingen und
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eine Leitung von Produktionsprozessen, also die neuerdings mit so viel Lärm
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breitgetretne Abschaffung des Staats hier schon klar ausgesprochen. Mit gleicher
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Überlegenheit über seine Zeitgenossen proklamiert er 1814, unmittelbar
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nach dem Einzug der Verbündeten in Paris, und noch 1815, während des
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Kriegs der Hundert Tage, die Allianz <A NAME="S242"></A><B>|242|</B> Frankreichs
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mit England und in zweiter Linie beider Länder mit Deutschland als einzige
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Gewähr für die gedeihliche Entwicklung und den Frieden Europas. Allianz
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den Franzosen von 1815 predigen mit den Siegern von Waterloo, dazu gehörte
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allerdings etwas mehr Mut, als den deutschen Professoren einen Klatschkrieg zu
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erklären.</P>
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<P>Wenn wir bei Saint-Simon eine geniale Weite des Blicks entdecken, vermöge
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deren fast alle nicht streng ökonomischen Gedanken der spätern Sozialisten
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bei ihm im Keim enthalten sind, so finden wir bei Fourier eine echt französisch-geistreiche,
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aber darum nicht minder tief eindringende Kritik der bestehenden Gesellschaftszustände.
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Fourier nimmt die Bourgeoisie, ihre begeisterten Propheten von vor, und ihre interessierten
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Lobhudler von nach der Revolution beim Worte. Er deckt die materielle und moralische
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Misere der bürgerlichen Welt unbarmherzig auf, er hält daneben sowohl
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die gleißenden Versprechungen der Aufklärer von der Gesellschaft, in
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der nur die Vernunft herrschen werde, von der alles beglückenden Zivilisation,
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von der grenzenlosen menschlichen Vervollkommnungsfähigkeit, wie auch die
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schönfärbenden Redensarten der gleichzeitigen Bourgeoisideologen; er
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weist nach, wie der hochtönendsten Phrase überall die erbärmlichste
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Wirklichkeit entspricht, und überschüttet dies rettungslose Fiasko der
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Phrase mit beißendem Spott. Fourier ist nicht nur Kritiker, seine ewig heitere
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Natur macht ihn zum Satiriker, und zwar zu einem der größten Satiriker
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aller Zeiten. Die mit dem Niedergang der Revolution emporblühende Schwindelspekulation
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ebenso wie die allgemeine Krämerhaftigkeit des damaligen französischen
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Handels schildert er ebenso meisterhaft wie ergötzlich. Noch meisterhafter
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ist seine Kritik der bürgerlichen Gestaltung der Geschlechtsverhältnisse
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und der Stellung des Weibes in der bürgerlichen Gesellschaft. Er spricht
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es zuerst aus, daß in einer gegebnen Gesellschaft der Grad der weiblichen
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Emanzipation das natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation ist. Am
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großartigsten aber erscheint Fourier in seiner Auffassung der Geschichte
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der Gesellschaft. Er teilt ihren ganzen bisherigen Verlauf in vier Entwicklungsstufen:
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Wildheit, Patriarchat, Barbarei, Zivilisation, welch letztere mit der jetzt sogenannten
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bürgerlichen Gesellschaft zusammenfällt, und weist nach</P>
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<P><SMALL>»daß die zivilisierte Ordnung jedes Laster, welches die Barbarei auf
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eine einfache Weise ausübt, zu einer zusammengesetzten, doppelsinnigen, zweideutigen,
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heuchlerischen Daseinsweise erhebt«,</SMALL></P>
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<P>daß die Zivilisation sich in einem »fehlerhaften Kreislauf« bewegt, in
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Widersprüchen, die sie stets neu erzeugt, ohne sie überwinden zu können,
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<A NAME="S243"></A><B>|243|</B> so daß sie stets das Gegenteil erreicht
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von dem, was sie erlangen will oder erlangen zu wollen vorgibt. So daß z.B.</P>
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<P><SMALL>»in der Zivilisation <I>die Armut aus dem Überfluß selbst entspringt</I>«.</SMALL></P>
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<P>Fourier, wie man sieht, handhabt die Dialektik mit derselben Meisterschaft
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wie sein Zeitgenosse Hegel. Mit gleicher Dialektik hebt er hervor, gegenüber
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dem Gerede von der unbegrenzten menschlichen Vervollkommnungsfähigkeit, daß
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jede geschichtliche Phase ihren aufsteigenden, aber auch ihren absteigenden Ast
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hat, und wendet diese Anschauungsweise auch auf die Zukunft der gesamten Menschheit
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an. Wie Kant den künftigen Untergang der Erde in die Naturwissenschaft, führt
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Fourier den künftigen Untergang der Menschheit in die Geschichtsbetrachtung
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ein. -</P>
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<P>Während in Frankreich der Orkan der Revolution das Land ausfegte, ging
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in England eine stillere, aber darum nicht minder gewaltige Umwälzung vor
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sich. Der Dampf und die neue Werkzeugmaschinerie verwandelten die Manufaktur in
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die moderne große Industrie und revolutionierten damit die ganze Grundlage
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der bürgerlichen Gesellschaft. Der schläfrige Entwicklungsgang der Manufakturzeit
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verwandelte sich in eine wahre Sturm- und Drangperiode der Produktion. Mit stets
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wachsender Schnelligkeit vollzog sich die Scheidung der Gesellschaft in große
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Kapitalisten und besitzlose Proletarier, zwischen denen, statt des frühern
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stabilen Mittelstandes, jetzt eine unstete Masse von Handwerkern und Kleinhändlern
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eine schwankende Existenz führte, der fluktuierendste Teil der Bevölkerung.
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Noch war die neue Produktionsweise erst im Anfang ihres aufsteigenden Asts; noch
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war sie die normale, die unter den Umständen einzig mögliche Produktionsweise.
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Aber schon damals erzeugte sie schreiende soziale Mißstände: Zusammendrängung
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einer heimatlosen Bevölkerung in den schlechtesten Wohnstätten großer
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Städte - Lösung aller hergebrachten Bande des Herkommens, der patriarchalischen
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Unterordnung, der Familie - Überarbeit besonders der Weiber und Kinder in
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schreckenerregendem Maß - massenhafte Demoralisation der plötzlich
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in ganz neue Verhältnisse geworfnen arbeitenden Klasse. Da trat ein neunundzwanzigjähriger
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Fabrikant als Reformator auf, ein Mann von bis zur Erhabenheit kindlicher Einfachheit
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des Charakters und zugleich ein geborner Lenker von Menschen wie wenige. Robert
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Owen hatte sich die Lehre der materialistischen Aufklärer angeeignet, daß
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der Charakter des Menschen das Produkt sei einerseits der angebornen Organisation
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und andrerseits der den Menschen während seiner Lebenszeit, besonders aber
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während der Entwicklungsperiode umgebenden Umstände. In der industriellen
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Revolution sahen die meisten <A NAME="S244"></A><B>|244|</B> seiner Standesgenossen
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nur Verwirrung und Chaos, gut, um im trüben zu fischen und sich rasch zu
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bereichern. Er sah in ihr die Gelegenheit, seinen Lieblingssatz zur Anwendung
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und damit Ordnung in das Chaos zu bringen. Er hatte es schon in Manchester als
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Dirigent über fünfhundert Arbeiter einer Fabrik erfolgreich versucht;
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von 1800 bis 1829 leitete er die große Baumwollspinnerei von New Lanark
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in Schottland als dirigierender Associé in demselben Sinn, nur mit größerer
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Freiheit des Handelns, und mit einem Erfolg, der ihm europäischen Ruf eintrug.
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Eine allmählich auf 2.500 Köpfe anwachsende, ursprünglich aus den
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gemischtesten und größtenteils stark demoralisierten Elementen sich
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zusammensetzende Bevölkerung wandelte er um in eine vollständige Musterkolonie,
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in der Trunkenheit, Polizei, Strafrichter, Prozesse, Armenpflege, Wohltätigkeitsbedürfnis
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unbekannte Dinge waren. Und zwar einfach dadurch, daß er die Leute in menschenwürdigere
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Umstände versetzte und namentlich die heranwachsende Generation sorgfältig
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erziehen ließ. Er war der Erfinder der Kleinkinderschulen und führte
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sie hier zuerst ein. Vom zweiten Lebensjahre an kamen die Kinder in die Schule,
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wo sie sich so gut unterhielten, daß sie kaum wieder heimzubringen waren.
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Während seine Konkurrenten dreizehn bis vierzehn Stunden täglich arbeiteten,
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wurde in New Lanark nur zehneinhalb Stunden gearbeitet. Als eine Baumwollenkrisis
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zu viermonatigem Stillstand zwang, wurde den feiernden Arbeitern der volle Lohn
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fortbezahlt. Und dabei hatte das Etablissement seinen Wert mehr als verdoppelt
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und bis zuletzt den Eigentümern reichlichen Gewinn abgeworfen.</P>
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<P>Mit alledem war Owen nicht zufrieden. Die Existenz, die er seinen Arbeitern
|
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geschaffen, war in seinen Augen noch lange keine menschenwürdige;</P>
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<P><SMALL>»die Leute waren meine Sklaven«:</SMALL></P>
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<P>die relativ günstigen Umstände, in die er sie versetzt, waren noch
|
|
weit entfernt davon, eine allseitige und rationelle Entwicklung des Charakters
|
|
und des Verstandes, geschweige eine freie Lebenstätigkeit zu gestatten.</P>
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<P><SMALL>»Und doch produzierte der arbeitende Teil dieser 2.500 Menschen ebensoviel
|
|
wirklichen Reichtum für die Gesellschaft, wie kaum ein halbes Jahrhundert
|
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vorher eine Bevölkerung von 600.000 erzeugen konnte. Ich frug mich: was wird
|
|
aus der Differenz zwischen dem von 2.500 Personen verzehrten Reichtum und demjenigen,
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den die 600.000 hätten verzehren müssen?«</SMALL></P>
|
|
<P>Die Antwort war klar. Er war verwandt worden, um den Besitzern des Etablissements
|
|
fünf Prozent Zinsen vom Anlagekapital und außerdem noch mehr als 300.000
|
|
Pfd. Sterling (6.000.000 Mark) Gewinn abzuwerfen. Und was von New Lanark, galt
|
|
in noch höherm Maß von allen Fabriken Englands.</P>
|
|
<B></B>
|
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<P><SMALL><B><A NAME="S245">|245|</A></B> »Ohne diesen
|
|
neuen, durch die Maschinen geschaffnen Reichtum hätten die Kriege zum Sturz
|
|
Napoleons und zur Aufrechterhaltung der aristokratischen Gesellschaftsprinzipien
|
|
nicht durchgeführt werden können. Und doch war diese neue Macht die
|
|
Schöpfung der arbeitenden Klasse.«</SMALL></P>
|
|
<P>Ihr gehörten daher auch die Früchte. Die neuen, gewaltigen Produktivkräfte,
|
|
bisher nur der Bereicherung einzelner und der Knechtung der Massen dienend, boten
|
|
für Owen die Grundlage zu einer gesellschaftlichen Neubildung, und waren
|
|
dazu bestimmt, als gemeinsames Eigentum aller nur für die gemeinsame Wohlfahrt
|
|
aller zu arbeiten.</P>
|
|
<P>Auf solche rein geschäftsmäßige Weise, als Frucht sozusagen
|
|
der kaufmännischen Berechnung entstand der Owensche Kommunismus. Denselben
|
|
auf das Praktische gerichteten Charakter behält er durchweg. So schlug Owen
|
|
1823 Hebung des irischen Elends durch kommunistische Kolonien vor und legte vollständige
|
|
Berechnungen über Anlagekosten, jährliche Auslagen und voraussichtliche
|
|
Erträge bei. So ist in seinem definitiven Zukunftsplan die technische Ausarbeitung
|
|
der Einzelheiten mit solcher Sachkenntnis durchgeführt, daß, die Owensche
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|
Methode der Gesellschaftsreform einmal zugegeben, sich gegen die Detaileinrichtung
|
|
selbst vom fachmännischen Standpunkt nur wenig sagen läßt.</P>
|
|
<P>Der Fortschritt zum Kommunismus war der Wendepunkt in Owens Leben. Solange
|
|
er als bloßer Philanthrop aufgetreten, hatte er nichts geerntet als Reichtum,
|
|
Beifall, Ehre und Ruhm. Er war der populärste Mann in Europa. Nicht nur seine
|
|
Standesgenossen, auch Staatsmänner und Fürsten hörten ihm beifällig
|
|
zu. Als er aber mit seinen kommunistischen Theorien hervortrat, wendete sich das
|
|
Blatt. Drei große Hindernisse waren es, die ihm vor allem den Weg zur gesellschaftlichen
|
|
Reform zu versperren schienen: das Privateigentum, die Religion und die gegenwärtige
|
|
Form der Ehe. Er wußte, was ihm bevorstand, wenn er sie angriff: die allgemeine
|
|
Ächtung durch die offizielle Gesellschaft, der Verlust seiner ganzen sozialen
|
|
Stellung. Aber er ließ sich nicht abhalten, sie rücksichtslos anzugreifen,
|
|
und es geschah, wie er vorhergesehn. Verbannt aus der offiziellen Gesellschaft,
|
|
totgeschwiegen von der Presse, verarmt durch fehlgeschlagne kommunistische Versuche
|
|
in Amerika, in denen er sein ganzes Vermögen geopfert, wandte er sich direkt
|
|
an die Arbeiterklasse und blieb in ihrer Mitte noch dreißig Jahre tätig.
|
|
Alle gesellschaftlichen Bewegungen, alle wirklichen Fortschritte, die in England
|
|
im Interesse der Arbeiter zustande gekommen, knüpfen sich an den Namen Owen.
|
|
So setzte er 1819 nach fünfjähriger Anstrengung das erste Gesetz zur
|
|
Beschränkung der Weiber- und Kinderarbeit in den Fabriken durch. So präsidierte
|
|
er dem ersten Kongreß, <A NAME="S246"></A><B>|246|</B> auf dem die Trade-Unions
|
|
von ganz England sich in eine einzige große Gewerksgenossenschaft vereinigten.
|
|
So führte er als Übergangsmaßregeln zur vollständig kommunistischen
|
|
Einrichtung der Gesellschaft einerseits die Kooperativgesellschaften ein (Konsum-
|
|
und Produktivgenossenschaften), die seitdem wenigstens den praktischen Beweis
|
|
geliefert haben, daß sowohl der Kaufmann wie der Fabrikant sehr entbehrliche
|
|
Personen sind; andrerseits die Arbeitsbasars, Anstalten zum Austausch von Arbeitsprodukten
|
|
vermittelst eines Arbeitspapiergeldes, dessen Einheit die Arbeitsstunde bildete;
|
|
Anstalten, die notwendig scheitern mußten, die aber die weit spätere
|
|
Proudhonsche Tauschbank vollständig antizipierten und sich nur dadurch von
|
|
ihr unterschieden, daß sie nicht das Universalheilmittel aller gesellschaftlichen
|
|
Übel, sondern nur einen ersten Schritt zu einer weit radikaleren Umgestaltung
|
|
der Gesellschaft darstellten. Das sind die Männer, auf die der souveräne
|
|
Herr Dühring von der Höhe seiner »endgültigen Wahrheit letzter
|
|
Instanz« mit der Verachtung herabsieht, von der wir in der Einleitung einige Beispiele
|
|
gegeben haben. Und diese Verachtung ist nach Einer Seite hin nicht ohne ihren
|
|
zureichenden Grund: sie beruht nämlich wesentlich auf einer wahrhaft erschreckenden
|
|
Unwissenheit in Beziehung auf die Schriften der drei Utopisten. So heißt
|
|
es von Saint-Simon, daß</P>
|
|
<P><SMALL>»sein Grundgedanke im wesentlichen zutreffend gewesen ist und, von einigen
|
|
Einseitigkeiten abgesehn, noch heute den leitenden Antrieb zu wirklichen Gestaltungen
|
|
liefert«.</SMALL></P>
|
|
<P>Trotzdem aber Herr Dühring in der Tat einige der Saint-Simonschen Werke
|
|
in der Hand gehabt zu haben scheint, sehn wir uns auf den betreffenden siebenundzwanzig
|
|
Druckseiten ebenso vergeblich nach dem »Grundgedanken« Saint-Simons um, wie früher
|
|
nach dem, was Quesnays ökonomisches Tableau »bei Quesnay selbst zu bedeuten
|
|
hat«, und müssen uns schließlich abspeisen lassen mit der Phrase,</P>
|
|
<P><SMALL>»daß die Imagination und der philanthropische Affekt ... mit der ihm
|
|
zugehörigen Überspannung der Phantasie den gesamten Ideenkreis Saint-Simons
|
|
beherrschte«!</SMALL></P>
|
|
<P>Von Fourier kennt und beachtet er nur die in romanhaftes Detail ausgemalten
|
|
Zukunftsphantasien, was allerdings zur Feststellung der unendlichen Überlegenheit
|
|
des Herrn Dühring über Fourier »weit wichtiger ist« als zu untersuchen,
|
|
wie dieser »die wirklichen Zustände <I>gelegentlich zu </I>kritisieren versucht«.
|
|
Gelegentlich! Nämlich fast auf jeder Seite seiner Werke sprühen die
|
|
Funken der Satire und der Kritik über die Miseren der vielgepriesenen Zivilisation.
|
|
Es ist, als wollte man sagen, Herr Dühring erkläre <A NAME="S247"></A><B>|247|</B>
|
|
nur »gelegentlich« den Herrn Dühring für den größten Denker
|
|
aller Zeiten. Was aber gar die zwölf, Robert Owen gewidmeten Seiten angeht,
|
|
so hat Herr Dühring dafür absolut keine andre Quelle als die miserable
|
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Biographie des Philisters Sargant, der die wichtigsten Schriften Owens - über
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die Ehe und die kommunistische Einrichtung - ebenfalls nicht kannte. Herr Dühring
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kann sich daher kühnlich zu der Behauptung versteigen, man dürfe bei
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Owen »keinen entschiednen Kommunismus voraussetzen«. Allerdings, hätte Herr
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Dühring Owens »Book of the New Moral World« auch nur in der Hand gehabt,
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so hätte er darin nicht nur den allerentschiedensten Kommunismus, mit gleicher
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Arbeitspflicht und gleichem Anrecht am Produkt - gleich je nach dem Alter, wie
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Owen stets ergänzt - ausgesprochen gefunden, sondern auch die vollständige
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Ausarbeitung des Gebäudes für die kommunistische Gemeinde der Zukunft,
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mit Grundriß, Aufriß und Ansicht aus der Vogelperspektive. Wenn man
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aber das »unmittelbare Studium der eignen Schriften der Vertreter der sozialistischen
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Ideenkreise« auf die Kenntnis des Titels und höchstens noch - des <I>Mottos
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</I>einiger weniger dieser Schriften beschränkt, wie Herr Dühring hier,
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so bleibt allerdings nichts übrig als solche alberne und direkt erfundne
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Behauptung. Nicht nur gepredigt hat Owen den »entschiednen Kommunismus«, er hat
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ihn auch während fünf Jahren (Ende der dreißiger und anfangs der
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vierziger) praktiziert in der Kolonie von Harmony Hall in Hampshire, deren Kommunismus
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an Entschiedenheit nichts zu wünschen übrigließ. Ich habe selbst
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mehrere ehemalige Mitglieder dieses kommunistischen Musterexperiments gekannt.
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Aber von alledem, wie überhaupt von Owens Tätigkeit zwischen 1836 und
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1850 weiß Sargant absolut nichts, und daher verbleibt auch die »tiefere
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Geschichtschreibung« des Herrn Dühring in pechdunkler Ignoranz. Herr Dühring
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nennt Owen »in jeder Hinsicht ein wahres Monstrum philanthropischer Aufdringlichkeit«.
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Wenn aber derselbe Herr Dühring uns über den Inhalt von Büchern
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unterrichtet, von denen er kaum Titel und Motto kennt, so dürfen wir beileibe
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nicht sagen, er sei »in jeder Hinsicht ein wahres Monstrum von unwissender Aufdringlichkeit«,
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denn das wäre in <I>unserm</I> Munde ja »geschimpft«.</P>
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<P>Die Utopisten, sahen wir, waren Utopisten, weil sie nichts andres sein konnten
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zu einer Zeit, wo die kapitalistische Produktion noch so wenig entwickelt war.
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Sie waren genötigt, sich die Elemente einer neuen Gesellschaft aus dem Kopfe
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zu konstruieren, weil diese Elemente in der alten Gesellschaft selbst noch nicht
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allgemein sichtbar hervortraten; sie waren beschränkt für die Grundzüge
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ihres Neubaus auf den Appell an die Vernunft, weil sie eben noch nicht an die
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gleichzeitige Geschichte appellieren konnten. <A NAME="S248"></A><B>|248|</B>
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Wenn aber jetzt, fast achtzig Jahre nach ihrem Auftreten, Herr Dühring auf
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die Bühne tritt mit dem Anspruch, ein »maßgebendes« System einer neuen
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Gesellschaftsordnung nicht aus dem vorliegenden geschichtlich entwickelten Material
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als dessen notwendiges Ergebnis zu entwickeln, nein, aus seinem souveränen
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Kopf, aus seiner mit endgültigen Wahrheiten schwangern Vernunft zu konstruieren,
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so ist er, der überall Epigonen riecht, selbst nur der Epigone der Utopisten,
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der neueste Utopist. Er nennt die großen Utopisten »soziale Alchimisten«.
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Mag sein. Die Alchimie war ihrerzeit notwendig. Aber seit jener Zeit hat die große
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Industrie die Widersprüche, die in der kapitalistischen Produktionsweise
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schlummerten, zu so schreienden Gegensätzen entwickelt, daß der herannahende
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Zusammenbruch dieser Produktionsweise sozusagen mit Händen zu greifen ist;
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daß die neuen Produktivkräfte selbst nur erhalten und weiter ausgebildet
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werden können durch Einführung einer neuen, ihrem gegenwärtigen
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Entwicklungsgrad entsprechenden Produktionsweise; daß der Kampf der beiden,
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durch die bisherige Produktionsweise erzeugten und stets in verschärftem
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Gegensatz reproduzierten Klassen alle zivilisierten Länder ergriffen hat
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und täglich heftiger wird, und daß die Einsicht in diesen geschichtlichen
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Zusammenhang, in die Bedingungen der durch ihn notwendig gemachten sozialen Umgestaltung
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und in die ebenfalls durch ihn bedingten Grundzüge dieser Umgestaltung auch
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bereits gewonnen ist. Und wenn jetzt Herr Dühring, statt aus dem vorliegenden
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ökonomischen Material, aus seinem allerhöchsten Hirnschädel heraus
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eine neue utopische Gesellschaftsordnung fabriziert, so treibt er nicht nur einfache
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»soziale Alchimie«. Er benimmt sich vielmehr wie jemand, der nach der Entdeckung
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und Feststellung der Gesetze der modernen Chemie die alte Alchimie wiederherstellen
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und die Atomgewichte, die Molekularformeln, die Quantivalenz der Atome, die Kristallographie
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und die Spektralanalyse benutzen wollte einzig zur Entdeckung - <I>des Steins
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der Weisen</I>.</P>
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<H3 ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_II"></A>II. Theoretisches</H3>
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<P>Die materialistische Anschauung der Geschichte geht von dem Satz aus, daß
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die Produktion, und nächst der Produktion der Austausch ihrer Produkte, die
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Grundlage aller Gesellschaftsordnung ist; daß in jeder geschichtlich auftretenden
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Gesellschaft die Verteilung der Produkte, und mit ihr die soziale Gliederung in
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Klassen oder Stände, sich danach richtet, was und wie produziert und wie
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das Produzierte ausgetauscht wird. Hiernach sind die <A NAME="S249"><B>|249|</B></A>
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letzten Ursachen aller gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Umwälzungen
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zu suchen nicht in den Köpfen der Menschen, in ihrer zunehmenden Einsicht
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in die ewige Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern in Veränderungen der Produktions-
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und Austauschweise; sie sind zu suchen nicht in der <I>Philosophie</I>, sondern
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in der <I>Ökonomie </I>der betreffenden Epoche. Die erwachende Einsicht,
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daß die bestehenden gesellschaftlichen Einrichtungen unvernünftig und
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ungerecht sind, daß Vernunft Unsinn, Wohltat Plage geworden, ist nur ein
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Anzeichen davon, daß in den Produktionsmethoden und Austauschformen in aller
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Stille Veränderungen vor sich gegangen sind, zu denen die auf frühere
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ökonomische Bedingungen zugeschnittne gesellschaftliche Ordnung nicht mehr
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stimmt. Damit ist zugleich gesagt, daß die Mittel zur Beseitigung der entdeckten
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Mißstände ebenfalls in den veränderten Produktionsverhältnissen
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selbst - mehr oder minder entwickelt - vorhanden sein müssen. Diese Mittel
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sind nicht etwa aus dem Kopf zu <I>erfinden</I>, sondern vermittelst des Kopfes
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in den vorliegenden materiellen Tatsachen der Produktion zu <I>entdecken</I>.</P>
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<P>Wie steht es nun hiernach mit dem modernen Sozialismus?</P>
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<P>Die bestehende Gesellschaftsordnung - das ist nun so ziemlich allgemein zugegeben
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- ist geschaffen worden von der jetzt herrschenden Klasse, der Bourgeoisie. Die
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der Bourgeoisie eigentümliche Produktionsweise, seit Marx mit dem Namen kapitalistische
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Produktionsweise bezeichnet, war unverträglich mit den lokalen und ständischen
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Privilegien wie mit den gegenseitigen persönlichen Banden der feudalen Ordnung;
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die Bourgeoisie zerschlug die feudale Ordnung und stellte auf ihren Trümmern
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die bürgerliche Gesellschaftsverfassung her, das Reich der freien Konkurrenz,
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der Freizügigkeit, der Gleichberechtigung der Warenbesitzer und wie die bürgerlichen
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Herrlichkeiten alle heißen. Die kapitalistische Produktionsweise konnte
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sich jetzt frei entfalten. Die unter der Leitung der Bourgeoisie herausgearbeiteten
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Produktivkräfte entwickelten sich, seit der Dampf und die neue Werkzeugmaschinerie
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die alte Manufaktur in die große Industrie umgewandelt, mit bisher unerhörter
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Schnelligkeit und in bisher unerhörtem Maßstab. Aber wie ihrerzeit
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die Manufaktur und das unter ihrer Einwirkung weiterentwickelte Handwerk mit den
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feudalen Fesseln der Zünfte in Konflikt kam, so kommt die große Industrie
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in ihrer volleren Ausbildung in Konflikt mit den Schranken, in denen die kapitalistische
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Produktionsweise sie eingeengt hält. Die neuen Produktivkräfte <A NAME="ZT1"></A><A HREF="me20_239.htm#T1"><SPAN class="top">{1}</SPAN></A>
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sind der bürgerlichen Form ihrer <A NAME="S250"></A><B>|250|</B> Ausnutzung
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bereits über den Kopf gewachsen; und dieser Konflikt zwischen Produktivkräften
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und Produktionsweise ist nicht ein in den Köpfen der Menschen entstandner
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Konflikt, wie etwa der der menschlichen Erbsünde mit der göttlichen
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Gerechtigkeit, sondern er besteht in den Tatsachen, objektiv, außer uns,
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unabhängig vom Wollen oder Laufen selbst derjenigen Menschen, die ihn herbeigeführt.
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Der moderne Sozialismus ist weiter nichts als der Gedankenreflex dieses tatsächlichen
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Konflikts, seine ideelle Rückspiegelung in den Köpfen zunächst
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der Klasse, die direkt unter ihm leidet, der Arbeiterklasse.</P>
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<P>Worin besteht nun dieser Konflikt?</P>
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<P>Vor der kapitalistischen Produktion, also im Mittelalter, bestand allgemeiner
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Kleinbetrieb auf Grundlage des Privateigentums der Arbeiter an ihren Produktionsmitteln:
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der Ackerbau der kleinen, freien oder hörigen Bauern, das Handwerk der Städte.
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Die Arbeitsmittel - Land, Ackergerät, Werkstatt, Handwerkszeug - waren Arbeitsmittel
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des einzelnen, nur für den Einzelgebrauch berechnet, also notwendig kleinlich,
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zwerghaft, beschränkt. Aber sie gehörten eben deshalb auch in der Regel
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dem Produzenten selbst. Diese zersplitterten, engen Produktionsmittel zu konzentrieren,
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auszuweiten, sie in die mächtig wirkenden Produktionshebel der Gegenwart
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umzuwandeln, war grade die historische Rolle der kapitalistischen Produktionsweise
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und ihrer Trägerin, der Bourgeoisie. Wie sie dies seit dem 15. Jahrhundert
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auf den drei Stufen der einfachen Kooperation, der Manufaktur und der großen
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Industrie geschichtlich durchgeführt, hat Marx im vierten Abschnitt des »Kapital«
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|Siehe Karl Marx: »Das Kapital«, Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke,
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<A HREF="../me23/me23_331.htm">Bd. 23, S. 331-530</A>| ausführlich geschildert.
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Aber die Bourgeoisie, wie dort ebenfalls nachgewiesen ist, konnte jene beschränkten
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Produktionsmittel nicht in gewaltige Produktivkräfte verwandeln, ohne sie
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aus Produktionsmitteln des einzelnen in <I>gesellschaftliche</I>, nur von einer
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<I>Gesamtheit von Menschen</I> anwendbare Produktionsmittel zu verwandeln. An
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die Stelle des Spinnrads, des Handwebstuhls, des Schmiedehammers trat die Spinnmaschine,
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der mechanische Webstuhl, der Dampfhammer; an die Stelle der Einzelwerkstatt,
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die das Zusammenwirken von Hunderten und Tausenden gebietende Fabrik. Und wie
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die Produktionsmittel, so verwandelte sich die Produktion selbst aus einer Reihe
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von Einzelhandlungen in eine Reihe gesellschaftlicher Akte und die Produkte aus
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Produkten einzelner in gesellschaftliche Produkte. Das Garn, das Gewebe, die Metallwaren,
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die jetzt aus der Fabrik kamen, waren das gemeinsame Produkt vieler Arbeiter,
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durch deren Hände sie der Reihe nach gehn mußten, ehe sie fertig wurden.
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<A NAME="S251"></A><B>|251|</B> Kein einzelner kann von ihnen sagen: Das habe
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ich gemacht, das ist <I>mein </I>Produkt.</P>
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<P>Wo aber die naturwüchsige Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft
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Grundform der Produktion ist, da drückt sie den Produkten die Form von Waren
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auf, deren gegenseitiger Austausch, Kauf und Verkauf die einzelnen Produzenten
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in den Stand setzt, ihre mannigfachen Bedürfnisse zu befriedigen. Und dies
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war im Mittelalter der Fall. Der Bauer z.B. verkaufte Ackerprodukte an den Handwerker
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und kaufte dafür von diesem Handwerkserzeugnisse. In diese Gesellschaft von
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Einzelproduzenten, Warenproduzenten, schob sich nun die neue Produktionsweise
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ein. Mitten in die naturwüchsige planlose Teilung der Arbeit, wie sie in
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der ganzen Gesellschaft herrschte, stellte sie die planmäßige Teilung
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der Arbeit, wie sie in der einzelnen Fabrik organisiert war; neben die Einzelproduktion
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trat die <I>gesellschaftliche </I>Produktion. Die Produkte beider wurden auf demselben
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Markt verkauft, also zu wenigstens annähernd gleichen Preisen. Aber die planmäßige
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Organisation war mächtiger als die naturwüchsige Arbeitsteilung; die
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gesellschaftlich arbeitenden Fabriken stellten ihre Erzeugnisse wohlfeiler her
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als die vereinzelten Kleinproduzenten. Die Einzelproduktion erlag auf einem Gebiete
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nach dem andern, die gesellschaftliche Produktion revolutionierte die ganze alte
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Produktionsweise. Aber dieser ihr revolutionärer Charakter wurde so wenig
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erkannt, daß sie im Gegenteil eingeführt wurde als Mittel zur Hebung
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und Förderung der Warenproduktion. Sie entstand in direkter Anknüpfung
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an bestimmte, bereits vorgefundne Hebel der Warenproduktion und des Warenaustausches:
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Kaufmannskapital, Handwerk, Lohnarbeit. Indem sie selbst auftrat als eine neue
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Form der Warenproduktion, blieben die Aneignungsformen der Warenproduktion auch
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für sie in voller Geltung.</P>
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<P>In der Warenproduktion, wie sie sich im Mittelalter entwickelt hatte, konnte
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die Frage gar nicht entstehn, wem das Erzeugnis der Arbeit gehören solle.
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Der einzelne Produzent hatte es, in der Regel aus ihm gehörenden, oft selbst
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erzeugtem Rohstoff, mit eignen Arbeitsmitteln und mit eigner Handarbeit oder der
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seiner Familie hergestellt. Es brauchte gar nicht erst von ihm angeeignet zu werden,
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es gehörte ihm ganz von selbst. Das Eigentum der Produkte beruhte also <I>auf
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eigner Arbeit</I>. Selbst wo fremde Hülfe gebraucht ward, blieb diese in
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der Regel Nebensache und erhielt häufig außer dem Lohn noch andre Vergütung:
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der zünftige Lehrling und Geselle arbeiteten weniger wegen der Kost und des
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Lohns, als wegen ihrer eignen Ausbildung zur Meisterschaft. Da kam die Konzentration
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der Produktionsmittel in großen Werkstätten und Manufakturen, ihre
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Verwandlung in tat- <A NAME="S252"></A><B>|252|</B> sächlich gesellschaftliche
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Produktionsmittel. Aber die gesellschaftlichen Produktionsmittel und Produkte
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wurden behandelt, als wären sie nach wie vor die Produktionsmittel und Produkte
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einzelner. Hatte bisher der Besitzer der Arbeitsmittel sich das Produkt angeeignet,
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weil es in der Regel sein eignes Produkt und fremde Hülfsarbeit die Ausnahme
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war, so fuhr jetzt der Besitzer der Arbeitsmittel fort, sich das Produkt anzueignen,
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obwohl es nicht mehr <I>sein</I> Produkt war, sondern ausschließlich Produkt
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<I>fremder Arbeit</I>. So wurden also die nunmehr gesellschaftlich erzeugten Produkte
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angeeignet nicht von denen, die die Produktionsmittel wirklich in Bewegung gesetzt
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und die Produkte wirklich erzeugt hatten, sondern vom <I>Kapitalisten</I>. Produktionsmittel
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und Produktion sind wesentlich gesellschaftlich geworden. Aber sie werden unterworfen
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einer Aneignungsform, die die Privatproduktion einzelner zur Voraussetzung hat,
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wobei also jeder sein eignes Produkt besitzt und zu Markte bringt. Die Produktionsweise
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wird dieser Aneignungsform unterworfen, obwohl sie deren Voraussetzung aufhebt.<A NAME="ZF1"></A><A HREF="me20_239.htm#F1">(1)</A>
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In diesem Widerspruch, der der neuen Produktionsweise ihren kapitalistischen Charakter
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verleiht, <I>liegt die ganze Kollision der Gegenwart bereits im Keim</I>. Je mehr
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die neue Produktionsweise auf allen entscheidenden Produktionsfeldern und in allen
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ökonomisch entscheidenden Ländern zur Herrschaft kam und damit die Einzelproduktion
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bis auf unbedeutende Reste verdrängte, <I>desto greller mußte auch
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an den Tag treten die Unverträglichkeit von gesellschaftlicher Produktion
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und kapitalistischer Aneignung</I>.</P>
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<P>Die ersten Kapitalisten fanden, wie gesagt, die Form der Lohnarbeit bereits
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vor. Aber Lohnarbeit als Ausnahme, als Nebenbeschäftigung, als Aushülfe,
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als Durchgangspunkt. Der Landarbeiter, der zeitweise taglöhnern ging, hatte
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seine paar Morgen eignes Land, von denen allein er zur Not leben konnte. Die Zunftordnungen
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sorgten dafür, daß der Geselle von heute in den Meister von morgen
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überging. Sobald aber die Produktionsmittel in gesellschaftliche verwandelt
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und in den Händen von Kapitalisten konzentriert wurden, änderte sich
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dies. Das Produktionsmittel wie das Produkt des <A NAME="S253"></A><B>|253|</B>
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kleinen Einzelproduzenten wurden mehr und mehr wertlos; es blieb ihm nichts übrig,
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als zum Kapitalisten auf Lohn zu gehen. Die Lohnarbeit, früher Ausnahme und
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Aushülfe, wurde Regel und Grundform der ganzen Produktion; früher Nebenbeschäftigung,
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wurde sie jetzt ausschließliche Tätigkeit des Arbeiters. Der zeitweilige
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Lohnarbeiter verwandelte sich in den lebenslänglichen. Die Menge der lebenslänglichen
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Lohnarbeiter wurde zudem kolossal vermehrt durch den gleichzeitigen Zusammenbruch
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der feudalen Ordnung. Auflösung der Gefolgschaften der Feudalherren, Vertreibung
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von Bauern aus ihren Hof stellen etc. Die Scheidung war vollzogen zwischen den
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in den Händen der Kapitalisten konzentrierten Produktionsmitteln hier und
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den auf den Besitz von nichts als ihrer Arbeitskraft reduzierten Produzenten dort.
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<I>Der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer
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Aneignung tritt an den Tag als Gegensatz von Proletariat und Bourgeoisie.</I></P>
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<P>Wir sahen, daß die kapitalistische Produktionsweise sich einschob in
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eine Gesellschaft von Warenproduzenten, Einzelproduzenten, deren gesellschaftlicher
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Zusammenhang vermittelt wurde durch den Austausch ihrer Produkte. Aber jede auf
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Warenproduktion beruhende Gesellschaft hat das Eigentümliche, daß in
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ihr die Produzenten die Herrschaft über ihre eignen gesellschaftlichen Beziehungen
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verloren haben. Jeder produziert für sich mit seinen zufälligen Produktionsmitteln
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und für sein individuelles Austauschbedürfnis. Keiner weiß, wieviel
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von seinem Artikel auf den Markt kommt, wieviel davon überhaupt gebraucht
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wird, keiner weiß, ob sein Einzelprodukt einen wirklichen Bedarf vorfindet,
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ob er seine Kosten herausschlagen oder überhaupt wird verkaufen können.
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Es herrscht Anarchie der gesellschaftlichen Produktion. Aber die Warenproduktion,
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wie jede andre Produktionsform, hat ihre eigentümlichen, inhärenten,
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von ihr untrennbaren Gesetze, und diese Gesetze setzen sich durch, trotz der Anarchie,
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in ihr, durch sie. Sie kommen zum Vorschein in der einzigen fortbestehenden Form
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des gesellschaftlichen Zusammenhangs, im Austausch, und machen sich geltend gegenüber
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den einzelnen Produzenten als Zwangsgesetze der Konkurrenz. Sie sind diesen Produzenten
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also anfangs selbst unbekannt und müssen erst durch lange Erfahrung nach
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und nach von ihnen entdeckt werden. Sie setzen sich also durch ohne die Produzenten
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und gegen die Produzenten, als blindwirkende Naturgesetze ihrer Produktionsform.
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Das Produkt beherrscht die Produzenten.</P>
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<P>In der mittelalterlichen Gesellschaft, namentlich in den ersten Jahrhunderten,
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war die Produktion wesentlich auf den Selbstgebrauch gerichtet. Sie befriedigte
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vorwiegend nur die Bedürfnisse des Produzenten und seiner <A NAME="S254"></A><B>|254|</B>
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Familie. Wo, wie auf dem Lande, persönliche Abhängigkeitsverhältnisse
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bestanden, trug sie auch bei zur Befriedigung der Bedürfnisse des Feudalherrn.
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Hierbei fand also kein Austausch statt, die Produkte nahmen daher auch nicht den
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Charakter von Waren an. Die Familie des Bauern produzierte fast alles, was sie
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brauchte, Geräte und Kleider nicht minder als Lebensmittel. Erst als sie
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dahin kam, einen Überschuß über ihren eignen Bedarf und über
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die dem Feudalherrn geschuldeten Naturalabgaben zu produzieren, erst da produzierte
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sie auch Waren; dieser Überschuß, in den gesellschaftlichen Austausch
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geworfen, zum Verkauf ausgeboten, wurde Ware. Die städtischen Handwerker
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mußten allerdings schon gleich anfangs für den Austausch produzieren.
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Aber auch sie erarbeiteten den größten Teil ihres Eigenbedarfs selbst;
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sie hatten Gärten und kleine Felder; sie schickten ihr Vieh in den Gemeindewald,
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der ihnen zudem Nutzholz und Feuerung lieferte; die Frauen spannen Flachs, Wolle
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usw. Die Produktion zum Zweck des Austausches, die Warenproduktion, war erst im
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Entstehn. Daher beschränkter Austausch, beschränkter Markt, stabile
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Produktionsweise, lokaler Abschluß nach außen, lokale Vereinigung
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nach innen: die Mark auf dem Lande, die Zunft in der Stadt.</P>
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<P>Mit der Erweiterung der Warenproduktion aber, und namentlich mit dem Auftreten
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der kapitalistischen Produktionsweise, traten auch die bisher schlummernden Gesetze
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der Warenproduktion offener und mächtiger in Wirksamkeit. Die alten Verbände
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wurden gelockert, die alten Abschließungsschranken durchbrochen, die Produzenten
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mehr und mehr in unabhängige, vereinzelte Warenproduzenten verwandelt. Die
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Anarchie der gesellschaftlichen Produktion trat an den Tag und wurde mehr und
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mehr auf die Spitze getrieben. Das Hauptwerkzeug aber, womit die kapitalistische
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Produktionsweise diese Anarchie in der gesellschaftlichen Produktion steigerte,
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war das grade Gegenteil der Anarchie: die steigende Organisation der Produktion
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als gesellschaftlicher in jedem einzelnen Produktionsetablissement. Mit diesem
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Hebel machte sie der alten friedlichen Stabilität ein Ende. Wo sie in einem
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Industriezweig eingeführt wurde, litt sie keine ältere Methode des Betriebs
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neben sich. Wo sie sich des Handwerks bemächtigte, vernichtete sie das alte
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Handwerk. Das Arbeitsfeld wurde ein Kampfplatz. Die großen geographischen
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Entdeckungen und die ihnen folgenden Kolonisierungen vervielfältigten das
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Absatzgebiet und beschleunigten die Verwandlung des Handwerks in die Manufaktur.
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Nicht nur brach der Kampf aus zwischen den einzelnen Lokalproduzenten; die lokalen
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Kämpfe wuchsen ihrerseits an zu nationalen, den Handelskriegen des 17. und
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18. Jahrhunderts. Die große Industrie endlich und die Herstellung des Welt-
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<A NAME="S255"></A><B>|255|</B> markts haben den Kampf universell gemacht und
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gleichzeitig ihm eine unerhörte Heftigkeit gegeben. Zwischen einzelnen Kapitalisten
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wie zwischen ganzen Industrien und ganzen Ländern entscheidet die Gunst der
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natürlichen oder geschaffenen Produktionsbedingungen über die Existenz.
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Der Unterliegende wird schonungslos beseitigt. Es ist der Darwinsche Kampf ums
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Einzeldasein, aus der Natur mit potenzierter Wut übertragen in die Gesellschaft.
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Der Naturstandpunkt des Tiers erscheint als Gipfelpunkt der menschlichen Entwicklung.
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Der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer Aneignung
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reproduziert sich als <I>Gegensatz zwischen der Organisation der Produktion in
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der einzelnen Fabrik und der Anarchie der Produktion in der ganzen Gesellschaft</I>.</P>
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<P>In diesen beiden Erscheinungsformen des ihr durch ihren Ursprung immanenten
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Widerspruchs bewegt sich die kapitalistische Produktionsweise, beschreibt sie
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auswegslos jenen »fehlerhaften Kreislauf«, den schon Fourier an ihr entdeckte.
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Was Fourier allerdings zu seiner Zeit noch nicht sehn konnte, ist, daß sich
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dieser Kreislauf allmählich verengert, daß die Bewegung vielmehr eine
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Spirale darstellt und ihr Ende erreichen muß, wie die der Planeten, durch
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Zusammenstoß mit dem Zentrum. Es ist die treibende Kraft der gesellschaftlichen
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Anarchie der Produktion, die die große Mehrzahl der Menschen mehr und mehr
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in Proletarier verwandelt, und es sind wieder die Proletariermassen , die schließlich
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der Produktionsanarchie ein Ende machen werden. Es ist die treibende Kraft der
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sozialen Produktionsanarchie, die die unendliche Vervollkommnungsfähigkeit
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der Maschinen der großen Industrie in ein Zwangsgebot verwandelt für
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jeden einzelnen industriellen Kapitalisten, seine Maschinerie mehr und mehr zu
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vervollkommnen, bei Strafe des Untergangs. Aber Vervollkommnung der Maschinerie,
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das heißt Überflüssigmachung von Menschenarbeit. Wenn die Einführung
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und Vermehrung der Maschinerie Verdrängung von Millionen von Handarbeitern
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durch wenige Maschinenarbeiter bedeutet, so bedeutet Verbesserung der Maschinerie
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Verdrängung von mehr und mehr Maschinenarbeitern selbst und in letzter Instanz
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Erzeugung einer das durchschnittliche Beschäftigungsbedürfnis des Kapitals
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überschreitenden Anzahl disponibler Lohnarbeiter, einer vollständigen
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industriellen Reservearmee, wie ich sie schon 1845 <A NAME="ZF2"></A><A HREF="me20_239.htm#F2"><SPAN class="top">(2)</SPAN></A>
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nannte, disponibel für die Zeiten, wo die Industrie mit Hochdruck arbeitet,
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aufs Pflaster geworfen durch den notwendig folgenden Krach, zu allen <A NAME="S256"></A><B>|256|</B>
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Zeiten ein Bleigewicht an den Füßen der Arbeiterklasse in ihrem Existenzkampf
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mit dem Kapital, ein Regulator zur Niederhaltung des Arbeitslohns auf dem dem
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kapitalistischen Bedürfnis angemessenen niedrigen Niveau. So geht es zu,
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daß die Maschinerie, um mit Marx zu reden, das machtvollste Kriegsmittel
|
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des Kapitals gegen die Arbeiterklasse wird, daß das Arbeitsmittel dem Arbeiter
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fortwährend das Lebensmittel aus der Hand schlägt, daß das eigne
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Produkt des Arbeiters sich verwandelt in ein Werkzeug zur Knechtung des Arbeiters
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|Siehe Karl Marx: »Das Kapital«, Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke,
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|
Bd. 23, <A HREF="../me23/me23_441.htm#S459">S. 459</A> und <A HREF="../me23/me23_483.htm#S511">511</A>|.
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So kommt es, daß die Ökonomisierung der Arbeitsmittel von vornherein
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zugleich rücksichtsloseste Verschwendung der Arbeitskraft und Raub an den
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normalen Voraussetzungen der Arbeitsfunktion wird |Siehe Karl Marx: »Das Kapital«,
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|
Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../me23/me23_483.htm#S486">Bd.
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23, S. 486</A>|; daß die Maschinerie, das gewaltigste Mittel zur Verkürzung
|
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der Arbeitszeit, umschlägt in das unfehlbarste Mittel, alle Lebenszeit des
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Arbeiters und seiner Familie in disponible Arbeitszeit für die Verwertung
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des Kapitals zu verwandeln; so kommt es, daß die Überarbeitung der
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einen die Voraussetzung wird für die Beschäftigungslosigkeit der andern
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und daß die große Industrie, die den ganzen Erdkreis nach neuen Konsumenten
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abjagt, zu Hause die Konsumtion der Massen auf ein Hungerminimum beschränkt
|
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und sich damit den eignen innern Markt untergräbt. »Das Gesetz, welches die
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relative Surpluspopulation oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und
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Energie der Kapitalakkumulation im Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter
|
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fester an das Kapital, als den Prometheus die Keile des Hephästos an den
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Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation
|
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von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation
|
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von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Bestialisierung und moralischer
|
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Degradation auf dem Gegenpol, das heißt auf Seite der Klasse, die ihr <I>eignes
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Produkt als Kapital produziert</I> |Hervorhebungen von Engels|« (Marx, Kapital,
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Seite 671 |Siehe Karl Marx: »Das Kapital«, Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels:
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Werke, <A HREF="../me23/me23_640.htm#S675">Bd. 23, S. 675</A>|). Und von der kapitalistischen
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Produktionsweise eine andre Verteilung der Produkte erwarten, hieße verlangen,
|
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die Elektroden einer Batterie sollten das Wasser unzersetzt lassen, solange sie
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mit der Batterie in Verbindung stehn, und nicht am positiven Pol Sauerstoff entwickeln
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und am negativen Wasserstoff.</P>
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<P>Wir sahen, wie die aufs höchste gesteigerte Verbesserungsfähigkeit
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der modernen Maschinerie, vermittelst der Anarchie der Produktion in der Gesellschaft,
|
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sich verwandelt in ein Zwangsgebot für den einzelnen industriellen Kapitalisten,
|
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seine Maschinerie stets zu verbessern, ihre Produktionskraft stets zu erhöhen.
|
|
In ein ebensolches Zwangsgebot verwandelt sich für ihn <A NAME="S257"></A><B>|257|</B>
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die bloße faktische Möglichkeit, seinen Produktionsbereich zu erweitern.
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Die enorme Ausdehnungskraft der großen Industrie, gegen die diejenige der
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Gase ein wahres Kinderspiel ist, tritt uns jetzt vor die Augen als ein qualitatives
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und quantitatives Ausdehnungsbedürfnis, das jedes Gegendrucks spottet. Der
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Gegendruck wird gebildet durch die Konsumtion, den Absatz, die Märkte für
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die Produkte der großen Industrie. Aber die Ausdehnungsfähigkeit der
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Märkte, extensive wie intensive, wird beherrscht zunächst durch ganz
|
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andre, weit weniger energisch wirkende Gesetze. Die Ausdehnung der Märkte
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kann nicht Schritt halten mit der Ausdehnung der Produktion. Die Kollision wird
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unvermeidlich, und da sie keine Lösung erzeugen kann, solange sie nicht die
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kapitalistische Produktionsweise selbst sprengt, wird sie periodisch. Die kapitalistische
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Produktion erzeugt einen neuen »fehlerhaften Kreislauf«.</P>
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<P>In der Tat, seit 1825, wo die erste allgemeine Krisis ausbrach, geht die ganze
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industrielle und kommerzielle Welt, die Produktion und der Austausch sämtlicher
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zivilisierter Völker und ihrer mehr oder weniger barbarischen Anhängsel
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so ziemlich alle zehn Jahre einmal aus den Fugen. Der Verkehr stockt, die Märkte
|
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sind überfüllt, die Produkte liegen da, ebenso massenhaft wie unabsetzbar,
|
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das bare Geld wird unsichtbar, der Kredit verschwindet, die Fabriken stehn still,
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die arbeitenden Massen ermangeln der Lebensmittel, weil sie zuviel Lebensmittel
|
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produziert haben, Bankrott folgt auf Bankrott, Zwangsverkauf auf Zwangsverkauf.
|
|
Jahrelang dauert die Stockung, Produktivkräfte wie Produkte werden massenhaft
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vergeudet und zerstört, bis die aufgehäuften Warenmassen unter größerer
|
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oder geringerer Entwertung endlich abfließen, bis Produktion und Austausch
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|
allmählich wieder in Gang kommen. Nach und nach beschleunigt sich die Gangart,
|
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fällt in Trab, der industrielle Trab geht über in Galopp, und dieser
|
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steigert sich wieder bis zur zügellosen Karriere einer vollständigen
|
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industriellen, kommerziellen, kreditlichen und spekulativen Steeplechase, um endlich
|
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nach den halsbrechendsten Sprüngen wieder anzulangen - im Graben des Krachs.
|
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Und so immer von neuem. Das haben wir nun seit 1825 volle fünfmal erlebt
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|
und erleben es in diesem Augenblick (1877) zum sechstenmal. Und der Charakter
|
|
dieser Krisen ist so scharf ausgeprägt, daß Fourier sie alle traf,
|
|
als er die erste bezeichnete als: crise pléthorique, Krisis aus Überfluß.</P>
|
|
<P>In den Krisen kommt der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion
|
|
und kapitalistischer Aneignung zum gewaltsamen Ausbruch. Der <A NAME="S258"></A><B>|258|</B>
|
|
Warenumlauf ist momentan vernichtet; das Zirkulationsmittel, das Geld, wird Zirkulationshindernis,
|
|
alle Gesetze der Warenproduktion und Warenzirkulation werden auf den Kopf gestellt.
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Die ökonomische Kollision hat ihren Höhepunkt erreicht: <I>die Produktionsweise
|
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rebelliert gegen die Austauschweise, </I>die <I>Produktivkräfte rebellieren
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gegen die Produktionsweise, der sie entwachsen sind.</I></P>
|
|
<P>Die Tatsache, daß die gesellschaftliche Organisation der Produktion innerhalb
|
|
der Fabrik sich zu dem Punkt entwickelt hat, wo sie unverträglich geworden
|
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ist mit der neben und über ihr bestehenden Anarchie der Produktion in der
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|
Gesellschaft - diese Tatsache wird den Kapitalisten selbst handgreiflich gemacht
|
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durch die gewaltsame Konzentration der Kapitale, die sich während der Krisen
|
|
vollzieht vermittelst des Ruins vieler großen und noch mehr kleiner Kapitalisten.
|
|
Der gesamte Mechanismus der kapitalistischen Produktionsweise versagt unter dem
|
|
Druck der von ihr selbst erzeugten Produktivkräfte. Sie kann diese Masse
|
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von Produktionsmitteln nicht mehr alle in Kapital verwandeln; sie liegen brach,
|
|
und ebendeshalb muß auch die industrielle Reservearmee brachliegen. Produktionsmittel,
|
|
Lebensmittel, disponible Arbeiter, alle Elemente der Produktion und des allgemeinen
|
|
Reichtums sind im Überfluß vorhanden. Aber »der Überfluß
|
|
wird Quelle der Not und des Mangels« (Fourier), weil er es grade ist, der die
|
|
Verwandlung der Produktions- und Lebensmittel in Kapital verhindert. Denn in der
|
|
kapitalistischen Gesellschaft können die Produktionsmittel nicht in Tätigkeit
|
|
treten, es sei denn, sie hätten sich zuvor in Kapital, in Mittel zur Ausbeutung
|
|
menschlicher Arbeitskraft verwandelt. Wie ein Gespenst steht die Notwendigkeit
|
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der Kapitaleigenschaft der Produktions- und Lebensmittel zwischen ihnen und den
|
|
Arbeitern. Sie allein verhindert das Zusammentreten der sachlichen und der persönlichen
|
|
Hebel der Produktion; sie allein verbietet den Produktionsmitteln zu fungieren,
|
|
den Arbeitern, zu arbeiten und zu leben. Einesteils also wird die kapitalistische
|
|
Produktionsweise ihrer eignen Unfähigkeit zur fernern Verwaltung dieser Produktivkräfte
|
|
überführt. Andrerseits drängen diese Produktivkräfte selbst
|
|
mit steigender Macht nach Aufhebung des Widerspruchs, nach ihrer Erlösung
|
|
von ihrer Eigenschaft als Kapital, <I>nach tatsächlicher Anerkennung ihres
|
|
Charakters als gesellschaftlicher Produktivkräfte.</I></P>
|
|
<P>Es ist dieser Gegendruck der gewaltig anwachsenden Produktivkräfte gegen
|
|
ihre Kapitaleigenschaft, dieser steigende Zwang zur Anerkennung ihrer gesellschaftlichen
|
|
Natur, der die Kapitalistenklasse selbst nötigt, mehr und mehr, soweit dies
|
|
innerhalb des Kapitalverhältnisses überhaupt möglich, sie als gesellschaftliche
|
|
Produktivkräfte zu behandeln. Sowohl die in- <A NAME="S259"></A><B>|259|</B>
|
|
dustrielle Hochdruckperiode mit ihrer schrankenlosen Kreditaufblähung, wie
|
|
der Krach selbst durch den Zusammenbruch großer kapitalistischer Etablissements,
|
|
treiben zu derjenigen Form der Vergesellschaftung größerer Massen von
|
|
Produktionsmitteln, die uns in den verschiednen Arten von Aktiengesellschaften
|
|
gegenübertritt. Manche dieser Produktions- und Verkehrsmittel sind von vornherein
|
|
so kolossal, daß sie, wie die Eisenbahnen, jede andre Form kapitalistischer
|
|
Ausbeutung ausschließen. Auf einer gewissen Entwicklungsstufe genügt
|
|
auch diese Form nicht mehr: der offizielle Repräsentant der kapitalistischen
|
|
Gesellschaft, der Staat, muß ihre Leitung übernehmen.<A NAME="ZF3"></A><A HREF="me20_239.htm#F3"><SPAN class="top">(3)</SPAN></A>
|
|
Diese Notwendigkeit der Verwandlung in Staatseigentum tritt zuerst hervor bei
|
|
den großen Verkehrsanstalten: Post, Telegraphen, Eisenbahnen.</P>
|
|
<P>Wenn die Krisen die Unfähigkeit der Bourgeoisie zur fernern Verwaltung
|
|
der modernen Produktivkräfte aufdeckten, so zeigt die Verwandlung der großen
|
|
Produktions- und Verkehrsanstalten in Aktiengesellschaften und Staatseigentum
|
|
die Entbehrlichkeit der Bourgeoisie für jenen Zweck. Alle gesellschaftlichen
|
|
Funktionen des Kapitalisten werden jetzt von besoldeten Angestellten versehn.
|
|
Der Kapitalist hat keine gesellschaftliche Tätigkeit mehr, außer Revenuen-Einstreichen,
|
|
Kupon-Abschneiden und Spielen an der Börse, wo die verschiednen Kapitalisten
|
|
untereinander sich ihr Kapital abnehmen. Hat die kapitalistische Produktionsweise
|
|
zuerst Arbeiter ver- <A NAME="S260"></A><B>|260|</B> drängt, so verdrängt
|
|
sie jetzt die Kapitalisten und verweist sie, ganz wie die Arbeiter, in die überflüssige
|
|
Bevölkerung, wenn auch zunächst noch nicht in die industrielle Reservearmee.</P>
|
|
<P>Aber weder die Verwandlung in Aktiengesellschaften noch die in Staatseigentum,
|
|
hebt die Kapitaleigenschaft der Produktivkräfte auf. Bei den Aktiengesellschaften
|
|
liegt dies auf der Hand. Und der moderne Staat ist wieder nur die Organisation,
|
|
welche sich die bürgerliche Gesellschaft gibt, um die allgemeinen äußern
|
|
Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe,
|
|
sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten. Der moderne Staat, was auch
|
|
seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten,
|
|
der ideelle Gesamtkapitalist. Je mehr Produktivkräfte er in sein Eigentum
|
|
übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist, desto mehr Staatsbürger
|
|
beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverhältnis
|
|
wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben. Aber auf der
|
|
Spitze schlägt es um. Das Staatseigentum an den Produktivkräften ist
|
|
nicht die Lösung des Konflikts, aber es birgt in sich das formelle Mittel,
|
|
die Handhabe der Lösung.</P>
|
|
<P>Diese Lösung kann nur darin liegen, daß die gesellschaftliche Natur
|
|
der modernen Produktivkräfte tatsächlich anerkannt, daß also die
|
|
Produktions-, Aneignungs- und Austauschweise in Einklang gesetzt wird mit dem
|
|
gesellschaftlichen Charakter der Produktionsmittel. Und dies kann nur dadurch
|
|
geschehn, daß die Gesellschaft offen und ohne Umwege Besitz ergreift von
|
|
den jeder andern Leitung außer der ihrigen entwachsenen Produktivkräften.
|
|
Damit wird der gesellschaftliche Charakter der Produktionsmittel und Produkte,
|
|
der sich heute gegen die Produzenten selbst kehrt, der die Produktions- und Austauschweise
|
|
periodisch durchbricht und sich nur als blindwirkendes Naturgesetz gewalttätig
|
|
und zerstörend durchsetzt, von den Produzenten mit vollem Bewußtsein
|
|
zur Geltung gebracht und verwandelt sich aus einer Ursache der Störung und
|
|
des periodischen Zusammenbruchs in den mächtigsten Hebel der Produktion selbst.</P>
|
|
<P>Die gesellschaftlich wirksamen Kräfte wirken ganz wie die Naturkräfte:
|
|
blindlings, gewaltsam, zerstörend, solange wir sie nicht erkennen und nicht
|
|
mit ihnen rechnen. Haben wir sie aber einmal erkannt, ihre Tätigkeit, ihre
|
|
Richtungen, ihre Wirkungen begriffen, so hängt es nur von uns ab, sie mehr
|
|
und mehr unserm Willen zu unterwerfen und vermittelst ihrer unsre Zwecke zu erreichen.
|
|
Und ganz besonders gilt dies von den heutigen gewaltigen Produktivkräften.
|
|
Solange wir uns hartnäckig weigern, ihre Natur und ihren Charakter zu verstehn
|
|
- und gegen dieses Verständnis sträubt sich die kapi- <A NAME="S261"></A><B>|261|</B>
|
|
talistische Produktionsweise und ihre Verteidiger -, solange wirken diese Kräfte
|
|
sich aus trotz uns, gegen uns, solange beherrschen sie uns, wie wir das ausführlich
|
|
dargestellt haben. Aber einmal in ihrer Natur begriffen, können sie in den
|
|
Händen der assoziierten Produzenten aus dämonischen Herrschern in willige
|
|
Diener verwandelt werden. Es ist der Unterschied zwischen der zerstörenden
|
|
Gewalt der Elektrizität im Blitze des Gewitters und der gebändigten
|
|
Elektrizität des Telegraphen und des Lichtbogens; der Unterschied der Feuersbrunst
|
|
und des im Dienst des Menschen wirkenden Feuers. Mit dieser Behandlung der heutigen
|
|
Produktivkräfte nach ihrer endlich erkannten Natur tritt an die Stelle der
|
|
gesellschaftlichen Produktionsanarchie eine gesellschaftlich-planmäßige
|
|
Regelung der Produktion nach den Bedürfnissen der Gesamtheit wie jedes einzelnen;
|
|
damit wird die kapitalistische Aneignungsweise, in der das Produkt zuerst den
|
|
Produzenten, dann aber auch den Aneigner knechtet, ersetzt durch die in der Natur
|
|
der modernen Produktionsmittel selbst begründete Aneignungsweise der Produkte:
|
|
einerseits direkt gesellschaftliche Aneignung als Mittel zur Erhaltung und Erweiterung
|
|
der Produktion, andrerseits direkt individuelle Aneignung als Lebens- und Genußmittel.</P>
|
|
<P>Indem die kapitalistische Produktionsweise mehr und mehr die große Mehrzahl
|
|
der Bevölkerung in Proletarier verwandelt, schafft sie die Macht, die diese
|
|
Umwälzung, bei Strafe des Untergangs, zu vollziehn genötigt ist. Indem
|
|
sie mehr und mehr auf Verwandlung der großen, vergesellschafteten Produktionsmittel
|
|
in Staatseigentum drängt, zeigt sie selbst den Weg an zur Vollziehung dieser
|
|
Umwälzung. <I>Das Proletariat ergreift die Staatsgewalt und verwandelt die
|
|
Produktionsmittel zunächst in Staatseigentum. </I>Aber damit hebt es sich
|
|
selbst als Proletariat, damit hebt es alle Klassenunterschiede und Klassengegensätze
|
|
auf, und damit auch den Staat als Staat. Die bisherige, sich in Klassengegensätzen
|
|
bewegende Gesellschaft hatte den Staat nötig, das heißt eine Organisation
|
|
der jedesmaligen ausbeutenden Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer äußern
|
|
Produktionsbedingungen, also namentlich zur gewaltsamen Niederhaltung der ausgebeuteten
|
|
Klasse in den durch die bestehende Produktionsweise gegebnen Bedingungen der Unterdrückung
|
|
(Sklaverei, Leibeigenschaft oder Hörigkeit, Lohnarbeit). Der Staat war der
|
|
offizielle Repräsentant der ganzen Gesellschaft, ihre Zusammenfassung in
|
|
einer sichtbaren Körperschaft, aber er war dies nur, insofern er der Staat
|
|
derjenigen Klasse war, welche selbst für ihre Zeit die ganze Gesellschaft
|
|
vertrat: im Altertum Staat der sklavenhaltenden Staatsbürger, im Mittelalter
|
|
des Feudaladels, in unsrer Zeit der Bourgeoisie. Indem er endlich tatsächlich
|
|
Repräsentant der ganzen Gesellschaft wird, macht er sich selbst über-
|
|
<A NAME="S262"></A><B>|262|</B> flüssig. Sobald es keine Gesellschaftsklasse
|
|
mehr in der Unterdrückung zu halten gibt, sobald mit der Klassenherrschaft
|
|
und dem in der bisherigen Anarchie der Produktion begründeten Kampf ums Einzeldasein
|
|
auch die daraus entspringenden Kollisionen und Exzesse beseitigt sind, gibt es
|
|
nichts mehr zu reprimieren, das eine besondre Repressionsgewalt, einen Staat,
|
|
nötig machte. Der erste Akt, worin der Staat wirklich als Repräsentant
|
|
der ganzen Gesellschaft auftritt - die Besitzergreifung der Produktionsmittel
|
|
im Namen der Gesellschaft - ist zugleich sein letzter selbständiger Akt als
|
|
Staat. Das Eingreifen einer Staatsgewalt in gesellschaftliche Verhältnisse
|
|
wird auf einem Gebiete nach dem andern überflüssig und schläft
|
|
dann von selbst ein. An die Stelle der Regierung über Personen tritt die
|
|
Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird
|
|
nicht »abgeschafft«, <I>er stirbt ab</I>. Hieran ist die Phrase vom »freien Volksstaat«
|
|
zu messen, also sowohl nach ihrer zeitweiligen agitatorischen Berechtigung wie
|
|
nach ihrer endgültigen wissenschaftlichen Unzulänglichkeit; hieran ebenfalls
|
|
die Forderung der sogenannten Anarchisten, der Staat solle von heute auf morgen
|
|
abgeschafft werden.</P>
|
|
<P> Die Besitzergreifung der sämtlichen Produktionsmittel durch die Gesellschaft
|
|
hat, seit dem geschichtlichen Auftreten der kapitalistischen Produktionsweise,
|
|
einzelnen wie ganzen Sekten öfters mehr oder weniger unklar als Zukunftsideal
|
|
vorgeschwebt. Aber sie konnte erst möglich, erst geschichtliche Notwendigkeit
|
|
werden, als die materiellen Bedingungen ihrer Durchführung vorhanden waren.
|
|
Sie, wie jeder andre gesellschaftliche Fortschritt, wird ausführbar nicht
|
|
durch die gewonnene Einsicht, daß das Dasein der Klassen der Gerechtigkeit,
|
|
der Gleichheit etc. widerspricht, nicht durch den bloßen Willen, diese Klassen
|
|
abzuschaffen, sondern durch gewisse neue ökonomische Bedingungen. Die Spaltung
|
|
der Gesellschaft in eine ausbeutende und eine ausgebeutete, eine herrschende und
|
|
eine unterdrückte Klasse war die notwendige Folge der frühern geringen
|
|
Entwicklung der Produktion. Solange die gesellschaftliche Gesamtarbeit nur einen
|
|
Ertrag liefert, der das zur notdürftigen Existenz aller Erforderliche nur
|
|
um wenig übersteigt, solange also die Arbeit alle oder fast alle Zeit der
|
|
großen Mehrzahl der Gesellschaftsglieder in Anspruch nimmt, solange teilt
|
|
sich die Gesellschaft notwendig in Klassen. Neben dieser ausschließlich
|
|
der Arbeit frönenden großen Mehrheit bildet sich eine von direkt-produktiver
|
|
Arbeit befreite Klasse, die die gemeinsamen Angelegenheiten der Gesellschaft besorgt:
|
|
Arbeitsleitung, Staatsgeschäfte, Justiz, Wissenschaft, Künste usw. Das
|
|
Gesetz der Arbeitsteilung ist es also, was der Klassenteilung zugrunde liegt.
|
|
Aber das hindert nicht, daß diese Einteilung in Klassen nicht durch <A NAME="S263"></A><B>|263|</B>
|
|
Gewalt und Raub, List und Betrug durchgesetzt worden und daß die herrschende
|
|
Klasse, einmal im Sattel, nie verfehlt hat, ihre Herrschaft auf Kosten der arbeitenden
|
|
Klasse zu befestigen und die gesellschaftliche Leitung umzuwandeln in Ausbeutung
|
|
der Massen.</P>
|
|
<P>Aber wenn hiernach die Einteilung in Klassen eine gewisse geschichtliche Berechtigung
|
|
hat, so hat sie eine solche doch nur für einen gegebnen Zeitraum, für
|
|
gegebne gesellschaftliche Bedingungen. Sie gründete sich auf die Unzulänglichkeit
|
|
der Produktion; sie wird weggefegt werden durch die volle Entfaltung der modernen
|
|
Produktivkräfte. Und in der Tat hat die Abschaffung der gesellschaftlichen
|
|
Klassen zur Voraussetzung einen geschichtlichen Entwicklungsgrad, auf dem das
|
|
Bestehn nicht bloß dieser oder jener bestimmten herrschenden Klasse, sondern
|
|
einer herrschenden Klasse überhaupt, also des Klassenunterschieds selbst,
|
|
ein Anachronismus geworden, veraltet ist. Sie hat also zur Voraussetzung einen
|
|
Höhegrad der Entwicklung der Produktion, auf dem Aneignung der Produktionsmittel
|
|
und Produkte, und damit der politischen Herrschaft, des Monopols der Bildung und
|
|
der geistigen Leitung durch eine besondre Gesellschaftsklasse nicht nur überflüssig,
|
|
sondern auch ökonomisch, politisch und intellektuell ein Hindernis der Entwicklung
|
|
geworden ist. Dieser Punkt ist jetzt erreicht. Ist der politische und intellektuelle
|
|
Bankrott der Bourgeoisie ihr selbst kaum noch ein Geheimnis, so wiederholt sich
|
|
ihr ökonomischer Bankrott regelmäßig alle zehn Jahre. In jeder
|
|
Krise erstickt die Gesellschaft unter der Wucht ihrer eignen, für sie unverwendbaren
|
|
Produktivkräfte und Produkte und steht hülflos vor dem absurden Widerspruch,
|
|
daß die Produzenten nichts zu konsumieren haben, weil es an Konsumenten
|
|
fehlt. Die Expansionskraft der Produktionsmittel sprengt die Bande, die ihr die
|
|
kapitalistische Produktionsweise angelegt. Ihre Befreiung aus diesen Banden ist
|
|
die einzige Vorbedingung einer ununterbrochenen, stets rascher fortschreitenden
|
|
Entwicklung der Produktivkräfte und damit einer praktisch schrankenlosen
|
|
Steigerung der Produktion selbst. Damit nicht genug. Die gesellschaftliche Aneignung
|
|
der Produktionsmittel beseitigt nicht nur die jetzt bestehende künstliche
|
|
Hemmung der Produktion, sondern auch die positive Vergeudung und Verheerung von
|
|
Produktivkräften und Produkten, die gegenwärtig die unvermeidliche Begleiterin
|
|
der Produktion ist und ihren Höhepunkt in den Krisen erreicht. Sie setzt
|
|
ferner eine Masse von Produktionsmitteln und Produkten für die Gesamtheit
|
|
frei durch Beseitigung der blödsinnigen Luxusverschwendung der jetzt herrschenden
|
|
Klassen und ihrer politischen Repräsentanten. Die Möglichkeit, vermittelst
|
|
der gesellschaftlichen Produktion allen Gesellschaftsgliedern eine Existenz zu
|
|
sichern, die nicht nur <A NAME="S264"></A><B>|264|</B> materiell vollkommen ausreichend
|
|
ist und von Tag zu Tag reicher wird, sondern die ihnen auch die vollständige
|
|
freie Ausbildung und Betätigung ihrer körperlichen und geistigen Anlagen
|
|
garantiert, diese Möglichkeit ist jetzt zum erstenmal da, aber sie <I>ist
|
|
da</I>.<A NAME="ZF4"></A><A HREF="me20_239.htm#F4"><SPAN class="top">(4)</SPAN></A></P>
|
|
<P>Mit der Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft ist die
|
|
Warenproduktion beseitigt und damit die Herrschaft des Produkts über die
|
|
Produzenten. Die Anarchie innerhalb der gesellschaftlichen Produktion wird ersetzt
|
|
durch planmäßige bewußte Organisation. Der Kampf ums Einzeldasein
|
|
hört auf. Damit erst scheidet der Mensch, in gewissem Sinn, endgültig
|
|
aus dem Tierreich, tritt aus tierischen Daseinsbedingungen in wirklich menschliche.
|
|
Der Umkreis der die Menschen umgebenden Lebensbedingungen, der die Menschen bis
|
|
jetzt beherrschte, tritt jetzt unter die Herrschaft und Kontrolle der Menschen,
|
|
die nun zum ersten Male bewußte, wirkliche Herren der Natur, weil und indem
|
|
sie Herren ihrer eignen Vergesellschaftung werden. Die Gesetze ihres eignen gesellschaftlichen
|
|
Tuns, die ihnen bisher als fremde, sie beherrschende Naturgesetze gegenüberstanden,
|
|
werden dann von den Menschen mit voller Sachkenntnis angewandt und damit beherrscht.
|
|
Die eigne Vergesellschaftung der Menschen, die ihnen bisher als von Natur und
|
|
Geschichte oktroyiert gegenüberstand, wird jetzt ihre eigne freie Tat. Die
|
|
objektiven, fremden Mächte, die bisher die Geschichte beherrschten, treten
|
|
unter die Kontrolle der Menschen selbst. Erst von da an werden die Menschen ihre
|
|
Geschichte mit vollem Bewußtsein selbst machen, erst von da an werden die
|
|
von ihnen in Bewegung gesetzten gesellschaftlichen Ursachen vorwiegend und in
|
|
stets steigendem Maße auch die von ihnen gewollten Wirkungen haben. Es ist
|
|
der Sprung der Menschheit aus dem Reiche der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit.</P>
|
|
<P><B><A NAME="S265">|265|</A></B> Diese weltbefreiende Tat durchzuführen,
|
|
ist der geschichtliche Beruf des modernen Proletariats. Ihre geschichtlichen Bedingungen
|
|
und damit ihre Natur selbst zu ergründen, und so der zur Aktion berufenen,
|
|
heute unterdrückten Klasse die Bedingungen und die Natur ihrer eignen Aktion
|
|
zum Bewußtsein zu bringen, ist die Aufgabe des theoretischen Ausdrucks der
|
|
proletarischen Bewegung, des wissenschaftlichen Sozialismus.</P>
|
|
<H3 ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_III">III. Produktion</A></H3>
|
|
<P>Nach allem Vorhergegangenen wird es den Leser nicht wundern, zu erfahren, daß
|
|
die im letzten Kapitel gegebne Entwicklung der Grundzüge des Sozialismus
|
|
keineswegs nach dem Sinn des Herrn Dühring ist. Im Gegenteil. Er muß
|
|
sie schleudern in den Abgrund alles Verworfenen, zu den übrigen »Bastarden
|
|
historischer und logischer Phantastik«, den wüsten Konzeptionen«, den »konfusen
|
|
Nebelvorstellungen« usw. Für ihn ist der Sozialismus ja keineswegs ein notwendiges
|
|
Erzeugnis der geschichtlichen Entwicklung, und noch viel weniger der grob-materiellen,
|
|
auf bloße Futterzwecke gerichteten ökonomischen Bedingungen der Gegenwart.
|
|
Er hat es viel besser. Sein Sozialismus ist eine endgültige Wahrheit letzter
|
|
Instanz;</P>
|
|
<P><SMALL>er ist »das natürliche System der Gesellschaft«, er findet seine Wurzel
|
|
in einem »universellen Prinzip der Gerechtigkeit«,</SMALL></P>
|
|
<P>und wenn er nicht umhin kann, von dem bestehenden, durch die bisherige sündhafte
|
|
Geschichte geschaffnen Zustand Notiz zu nehmen, um ihn zu verbessern, so ist das
|
|
eher als ein Unglück für das reine Prinzip der Gerechtigkeit zu betrachten.
|
|
Herr Dühring schafft seinen Sozialismus, wie alles andre, vermittelst seiner
|
|
famosen beiden Männer. Statt daß diese beiden Marionetten, wie bisher,
|
|
Herr und Knecht spielen, führen sie zur Abwechslung einmal das Stück
|
|
von der Gleichberechtigung auf - und der Dühringsche Sozialismus ist in seiner
|
|
Grundlage fertig.</P>
|
|
<P>Demnach ist es selbstredend, daß bei Herrn Dühring die periodischen
|
|
industriellen Krisen keineswegs die geschichtliche Bedeutung haben, die wir ihnen
|
|
zuschreiben mußten.</P>
|
|
<P><SMALL>Die Krisen sind bei ihm nur gelegentliche Abweichungen von der »Normalität«
|
|
und geben höchstens Anlaß zur »Entfaltung einer geregelteren Ordnung«.
|
|
Die »gewöhnliche Weise«, die Krisen aus der Überproduktion zu erklären,
|
|
genügt seiner »exakteren Auffassung« keineswegs. Allerdings sei eine solche
|
|
für »Spezialkrisen in besondern Gebieten wohl zulässig«. So z.B. »eine
|
|
Überfüllung des Büchermarktes mit <A NAME="S266"></A><B>|266|</B>
|
|
Ausgaben von Werken, die plötzlich für den Nachdruck freigegeben werden
|
|
und sich für Massenabsatz eignen«.</SMALL></P>
|
|
<P>Herr Dühring kann sich nun allerdings mit dem wohltuenden Bewußtsein
|
|
zu Bette legen, daß seine unsterblichen Werke ein solches Weltunglück
|
|
nie anrichten werden.</P>
|
|
<P><SMALL>Für die großen Krisen sei es aber nicht die Überproduktion,
|
|
sondern vielmehr »das Zurückbleiben der Volkskonsumtion ... die künstlich
|
|
erzeugte Unterkonsumtion ... die Hinderung des <I>Volksbedarfs</I> (!) an seinem
|
|
natürlichen Wachstum, was die Kluft zwischen Vorrat und Abnahme schließlich
|
|
so kritisch weit macht«.</SMALL></P>
|
|
<P>Und für diese seine Krisentheorie hat er denn auch glücklich einen
|
|
Jünger gefunden.</P>
|
|
<P>Nun ist aber leider die Unterkonsumtion der Massen, die Beschränkung der
|
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Massenkonsumtion auf das zum Unterhalt und zur Fortpflanzung Notwendige nicht
|
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erst eine neue Erscheinung. Sie hat bestanden, solange es ausbeutende und ausgebeutete
|
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Klassen gegeben hat. Selbst in den Geschichtsabschnitten, wo die Lage der Massen
|
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besonders günstig war, also z.B. in England im 15. Jahrhundert, unterkonsumierten
|
|
sie. Sie waren weit davon entfernt, ihr eignes jährliches Gesamtprodukt zur
|
|
Verzehrung verfügbar zu haben. Wenn nun also die Unterkonsumtion eine stehende
|
|
geschichtliche Erscheinung seit Jahrtausenden, die in den Krisen ausbrechende
|
|
allgemeine Absatzstockung infolge von Produktionsüberschuß aber erst
|
|
seit fünfzig Jahren sichtbar geworden ist, so gehört die ganze vulgärökonomische
|
|
Flachheit des Herrn Dühring dazu, die neue Kollision zu erklären, nicht
|
|
aus der <I>neuen </I>Erscheinung der Überproduktion, sondern aus der Jahrtausende
|
|
alten der Unterkonsumtion. Es ist, als wollte man in der Mathematik die Veränderung
|
|
des Verhältnisses zweier Größen, einer konstanten und einer veränderlichen,
|
|
erklären, nicht daraus, daß die veränderliche sich verändert,
|
|
sondern daraus, daß die konstante dieselbe geblieben ist. Die Unterkonsumtion
|
|
der Massen ist eine notwendige Bedingung aller auf Ausbeutung beruhenden Gesellschaftsformen,
|
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also auch der kapitalistischen; aber erst die kapitalistische Form der Produktion
|
|
bringt es zu Krisen. Die Unterkonsumtion der Massen ist also auch eine Vorbedingung
|
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der Krisen und spielt in ihnen eine längst anerkannte Rolle; aber sie sagt
|
|
uns ebensowenig über die Ursachen des heutigen Daseins der Krisen, wie über
|
|
die ihrer frühern Abwesenheit.</P>
|
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<P>Herr Dühring hat überhaupt merkwürdige Vorstellungen vom Weltmarkt.
|
|
Wir sahen, wie er sich wirkliche industrielle Spezialkrisen als echter deutscher
|
|
Literatus an eingebildeten Krisen auf dem in Leipziger Büchermarkt <A NAME="S267"></A><B>|267|</B>
|
|
klarzumachen sucht, den Sturm auf der See am Sturm im Glase Wasser. Er bildet
|
|
sich ferner ein, die heutige Unternehmerproduktion müsse</P>
|
|
<P><SMALL>»sich mit ihrem Absatz vornehmlich <I>im Kreise der besitzenden Klassen</I>
|
|
selbst drehn«,</SMALL></P>
|
|
<P>was ihn nicht verhindert, nur sechzehn Seiten weiter als die entscheidenden
|
|
modernen Industrien in bekannter Weise die Eisen- und Baumwollindustrie hinzustellen,
|
|
also grade die beiden Produktionszweige, deren Erzeugnisse nur zu einem verschwindend
|
|
kleinen Teil im Kreise der besitzenden Klassen konsumiert werden und vor allen
|
|
andern auf den Massenverbrauch angewiesen sind. Wohin wir uns bei ihm wenden,
|
|
nichts als leeres, widerspruchsvolles Hin- und Hergeschwätz. Aber nehmen
|
|
wir ein Beispiel aus der Baumwollindustrie. Wenn in der einzigen, verhältnismäßig
|
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kleinen Stadt Oldham - einer aus dem Dutzend Städte von 50 bis 100.000 Einwohnern
|
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um Manchester, die die Baumwollindustrie betreiben -, wenn in dieser einzigen
|
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Stadt in den vier Jahren 1872 bis 1875 die Zahl der Spindeln, die nur die einzige
|
|
Nummer 32 spinnen, sich von 2<SPAN class="top">1</SPAN>/<SPAN class="bottom">2</SPAN> auf 5 Millionen vermehrte,
|
|
so daß in einer einzigen Mittelstadt Englands ebensoviel Spindeln eine einzige
|
|
Nummer spinnen, wie die Baumwollindustrie von ganz Deutschland mitsamt dem Elsaß
|
|
überhaupt besitzt, und wenn die Ausdehnung in den übrigen Zweigen und
|
|
Lokalitäten der Baumwollindustrie Englands und Schottlands in annähernd
|
|
demselben Verhältnis stattgefunden hat, so gehört eine starke Dosis
|
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wurzelhafter Unverfrorenheit dazu, die jetzige totale Absatzstockung der Baumwollgarne
|
|
und Gewebe zu erklären aus der Unterkonsumtion der englischen Massen und
|
|
nicht aus der Überproduktion der englischen Baumwollfabrikanten.<A NAME="ZF5"></A><A HREF="me20_239.htm#F5"><SPAN class="top">(5)</SPAN></A></P>
|
|
<P>Genug. Man streitet nicht mit Leuten, die in der Ökonomie unwissend genug
|
|
sind, den Leipziger Büchermarkt überhaupt für einen Markt im Sinne
|
|
der modernen Industrie anzusehn. Konstatieren wir daher bloß, daß
|
|
uns Herr Dühring des fernern über die Krisen nur mitzuteilen weiß,
|
|
daß es sich bei ihnen um nichts handelt,</P>
|
|
<P><SMALL>»als um ein gewöhnliches Spiel zwischen Überspannung und Erschlaffung«,
|
|
daß die Überspekulation »nicht allein von der planlosen Häufung
|
|
der Privatunternehmungen herrührt«, sondern daß »auch die Voreiligkeit
|
|
der einzelnen Unternehmer und der Mangel an Privatumsicht zu den Entstehungsursachen
|
|
des Überangebots zu rechnen« sind.</SMALL></P>
|
|
<P><B><A NAME="S268">|268|</A></B> Und was ist wiederum die »Entstehungsursache«
|
|
der Voreiligkeit und des Mangels an Privatumsicht? Eben dieselbe Planlosigkeit
|
|
der kapitalistischen Produktion, die in der planlosen Häufung der Privatunternehmungen
|
|
sich zeigt. Die Übersetzung einer ökonomischen Tatsache in einen moralischen
|
|
Vorwurf für die Entdeckung einer neuen Ursache zu versehn, ist eben auch
|
|
eine starke »Voreiligkeit«.</P>
|
|
<P>Verlassen wir hiermit die Krisen. Nachdem wir im vorigen Kapitel ihre notwendige
|
|
Erzeugung aus der kapitalistischen Produktionsweise und ihre Bedeutung als Krisen
|
|
dieser Produktionsweise selbst, als Zwangsmittel der gesellschaftlichen Umwälzung
|
|
nachgewiesen, brauchen wir den Seichtigkeiten des Herrn Dühring über
|
|
diesen Gegenstand kein Wort weiter entgegenzusetzen. Gehn wir über zu seinen
|
|
positiven Schöpfungen, zum »natürlichen System der Gesellschaft«.</P>
|
|
<P>Dies auf einem »universellen Prinzip der Gerechtigkeit«, also frei von aller
|
|
Rücksichtnahme auf lästige materielle Tatsachen aufgebaute System besteht
|
|
aus einer Föderation von Wirtschaftskommunen, zwischen denen</P>
|
|
<P><SMALL>»Freizügigkeit und Notwendigkeit der Aufnahme neuer Mitglieder nach bestimmten
|
|
Gesetzen und Verwaltungsnormen« besteht.</SMALL></P>
|
|
<P>Die Wirtschaftskommune selbst ist vor allem</P>
|
|
<P><SMALL>»ein umfassender Schematismus von menschheitsgeschichtlicher Tragweite«
|
|
und weit hinaus über die »abirrenden Halbheiten« z.B. eines gewissen Marx.
|
|
Sie bedeutet »eine Gemeinschaft von Personen, die durch ihr öffentliches
|
|
Recht der Verfügung über einen Bezirk von Grund und Boden und über
|
|
eine Gruppe von Produktionsetablissements zu gemeinsamer Tätigkeit und gemeinsamer
|
|
Teilnahme am Ertrage verbunden sind«. Das öffentliche Recht ist ein »Recht
|
|
an der Sache... im Sinne eines <I>rein publizistischen Verhältnisses zur
|
|
Natur</I> und zu den Produktionseinrichtungen«.</SMALL></P>
|
|
<P>Was das heißen soll, darüber mögen sich die Zukunftsjuristen
|
|
der Wirtschaftskommune die Köpfe zerbrechen, wir geben jeden Versuch auf.
|
|
Nur soviel erfahren wir,</P>
|
|
<P><SMALL>daß es keineswegs einerlei ist mit dem »körperschaftlichen Eigentum
|
|
von Arbeitergesellschaften«, die gegenseitige Konkurrenz und selbst Lohnausbeutung
|
|
nicht ausschließen würden.</SMALL></P>
|
|
<P>Wobei dann fallengelassen wird,</P>
|
|
<P><SMALL>die Vorstellung eines »Gesamteigentums«, wie sie sich auch bei Marx finde,
|
|
sei »mindestens unklar und bedenklich, da diese Zukunftsvorstellung immer den
|
|
Anschein gewinnt, als wenn sie nichts als ein körperschaftliches Eigentum
|
|
der Arbeitergruppen zu bedeuten hätte«.</SMALL></P>
|
|
<P><B><A NAME="S269">|269|</A></B> Es ist dies wieder eins der vielen bei Herrn
|
|
Dühring üblichen »schnöden Manierchen« der Unterschiebung, »für
|
|
deren vulgäre Eigenschaft« (wie er selbst sagt) »nur das vulgäre Wort
|
|
schnoddrig ganz passend sein würde«; es ist eine ebenso aus der Luft gegriffne
|
|
Unwahrheit, wie die andre Erfindung des Herrn Dühring, das Gesamteigentum
|
|
bei Marx sei ein »zugleich individuelles und gesellschaftliches Eigentum«.</P>
|
|
<P>Jedenfalls scheint soviel klar: das publizistische Recht einer Wirtschaftskommune
|
|
an ihren Arbeitsmitteln ist ein ausschließliches Eigentumsrecht wenigstens
|
|
gegenüber jeder andern Wirtschaftskommune und auch gegenüber der Gesellschaft
|
|
und dem Staat.</P>
|
|
<P><SMALL>Es soll aber nicht die Macht haben, »nach außen ... abschließend
|
|
zu verfahren, denn zwischen den verschiednen Wirtschaftskommunen besteht Freizügigkeit
|
|
und Notwendigkeit der Aufnahme neuer Mitglieder nach bestimmten Gesetzen und Verwaltungsnormen
|
|
... ähnlich ... wie heute die Angehörigkeit zu einem politischen Gebilde
|
|
und wie die Teilnahme an den wirtschaftlichen Gemeindezuständigkeiten«.</SMALL></P>
|
|
<P>Es wird also reiche und arme Wirtschaftskommunen geben, und die Ausgleichung
|
|
findet statt durch den Andrang der Bevölkerung zu den reichen und den Wegzug
|
|
von den armen Kommunen. Wenn also Herr Dühring die Konkurrenz in Produkten
|
|
zwischen den einzelnen Kommunen durch nationale Organisation des Handels beseitigen
|
|
will, so läßt er die Konkurrenz in Produzenten ruhig fortbestehen.
|
|
Die Dinge werden der Konkurrenz entzogen, die Menschen bleiben ihr unterworfen.</P>
|
|
<P>Indes sind wir damit noch lange nicht im klaren über das »publizistische
|
|
Recht«. Zwei Seiten weiter erklärt uns Herr Dühring:</P>
|
|
<P><SMALL>Die Handelskommune »reiche zunächst so weit, als dasjenige politisch-gesellschaftliche
|
|
Gebiet, dessen Angehörige zu einem einheitlichen Rechtssubjekt zusammengefaßt
|
|
sind und in dieser Eigenschaft die Verfügung über den gesamten Boden,
|
|
die Wohnstätten und die Produktionseinrichtungen haben«.</SMALL></P>
|
|
<P>Es ist also doch nicht die einzelne Kommune, die die Verfügung hat, sondern
|
|
die ganze Nation. Das »öffentliche Recht«, das »Recht an der Sache«, das
|
|
»publizistische Verhältnis zur Natur« usw. ist also nicht bloß »mindestens
|
|
unklar und bedenklich«, es ist in direktem Widerspruch mit sich selbst. Es ist
|
|
in der Tat, wenigstens soweit jede einzelne Wirtschaftskommune ebenfalls ein Rechtssubjekt,
|
|
ein »zugleich individuelles und gesellschaftliches Eigentum«, und diese letztere
|
|
»nebelhafte Zwittergestalt« daher wieder nur bei Herrn Dühring selbst anzutreffen.</P>
|
|
<P>Jedenfalls verfügt die Wirtschaftskommune über ihre Arbeitsmittel
|
|
zum Zweck der Produktion. Wie geht diese Produktion vor sich? Nach <A NAME="S270"></A><B>|270|</B>
|
|
allem, was wir bei Herrn Dühring erfahren, ganz im alten Stil, nur daß
|
|
an die Stelle des Kapitalisten die Kommune tritt. Höchstens erfahren wir,
|
|
daß die Berufswahl jetzt erst für jeden einzelnen frei wird und daß
|
|
gleiche Verpflichtung zur Arbeit besteht.</P>
|
|
<P>Die Grundform aller bisherigen Produktion ist die Teilung der Arbeit, einerseits
|
|
innerhalb der Gesellschaft, andrerseits innerhalb jeder einzelnen Produktionsanstalt.
|
|
Wie verhält sich die Dühringsche »Sozialität« zu ihr?</P>
|
|
<P>Die erste große gesellschaftliche Arbeitsteilung ist die Scheidung von
|
|
Stadt und Land.</P>
|
|
<P><SMALL>Dieser Antagonismus ist nach Herrn Dühring »der Natur der Sache nach unvermeidlich«.
|
|
Aber »es ist überhaupt bedenklich, sich die Kluft zwischen Landwirtschaft
|
|
und Industrie ... als unausfüllbar zu denken. In der Tat besteht bereits
|
|
ein gewisses Maß von Stetigkeit der Überleitung, welche für die
|
|
Zukunft noch erheblich zuzunehmen verspricht.« Schon jetzt hätten sich zwei
|
|
Industrien in den Ackerbau und ländlichen Betrieb eingeschoben: »in erster
|
|
Linie die Brennerei und in zweiter die Bereitung von Rübenzucker ... die
|
|
Spirituserzeugung ist von einer solchen Bedeutung, daß man sie eher unterschätzen
|
|
als überschätzen wird«. Und »wäre es möglich, daß sich
|
|
ein größerer Kreis von Industrien infolge irgendwelcher Entdeckungen
|
|
derartig bildete, daß hierbei eine Neigung obwaltete, den Betrieb ländlich
|
|
zu lokalisieren und unmittelbar an die Produktion der Rohstoffe anzulehnen«, so
|
|
würde dadurch der Gegensatz von Stadt und Land geschwächt und »die allerausgedehnteste
|
|
Grundlage der Zivilisationsentfaltung gewonnen werden«. Indes »könnte etwas
|
|
Ähnliches doch auch noch auf einem andern Wege in Frage stehn. Außer
|
|
den technischen Nötigungen kommen mehr und mehr die sozialen Bedürfnisse
|
|
in Frage, und wenn diese letztern für die Gruppierungen der menschlichen
|
|
Tätigkeiten maßgebend werden, wird es nicht mehr möglich sein,
|
|
diejenigen Vorteile zu vernachlässigen, die sich aus einer systematisch nahen
|
|
Verbindung der Beschäftigungen des platten Landes mit den Verrichtungen der
|
|
technischen Umwandlungsarbeit ergeben.«</SMALL></P>
|
|
<P>Nun kommen in der Wirtschaftskommune ja grade die sozialen Bedürfnisse
|
|
in Frage, und so wird sie sich wohl beeilen, die obenerwähnten Vorteile der
|
|
Vereinigung von Ackerbau und Industrie sich in vollstem Maße anzueignen?
|
|
Herr Dühring wird nicht verfehlen, uns über die Stellung der Wirtschaftskommune
|
|
zu dieser Frage seine »exakteren Auffassungen« in beliebter Breite mitzuteilen?
|
|
Geprellt wäre der Leser, der das glaubte. Die obigen magern, verlegenen,
|
|
wiederum in dem schnapsbrennenden und rübenzuckernden Geltungsbereich des
|
|
preußischen Landrechts sich im Kreise herumdrehenden Gemeinplätze sind
|
|
alles, was uns Herr Dühring über den Gegensatz von Stadt und Land in
|
|
Gegenwart und Zukunft zu sagen hat.</P>
|
|
<P><B><A NAME="S271">|271|</A></B> Gehn wir über zur Arbeitsteilung im einzelnen.
|
|
Hier ist Herr Dühring schon etwas »exakter«. Er spricht von</P>
|
|
<P><SMALL>»einer Person, die sich mit <I>einer </I>Gattung von Tätigkeit
|
|
<I>ausschließlich </I>abgeben soll«. Handelt es sich um die Einführung
|
|
eines neuen Produktionszweigs, so besteht die Frage einfach darin, ob man eine
|
|
gewisse Zahl von <I>Existenzen</I>, die sich <I>der Erzeugung eines Artikels widmen
|
|
</I>sollen, mit der für sie erforderlichen Konsumtion (!) gleichsam schaffen
|
|
könne. Ein beliebiger Produktionszweig wird in der Sozialität nicht
|
|
viel <I>Bevölkerung in Anspruch nehmen</I>«. Und auch in der Sozialität
|
|
gibt es sich nach der Lebensweise sondernde <I>ökonomische Spielarten</I>«
|
|
von Menschen.</SMALL></P>
|
|
<P>Hiernach bleibt innerhalb der Sphäre der Produktion so ziemlich alles
|
|
beim alten. Allerdings herrscht in der bisherigen Gesellschaft eine »falsche Arbeitsteilung«;
|
|
worin aber diese besteht und wodurch sie in der Wirtschaftskommune ersetzt werden
|
|
soll, darüber erfahren wir nur dies:</P>
|
|
<P><SMALL>»Was die Rücksichten der Arbeitsteilung selbst anbetrifft, so haben wir
|
|
schon oben gesagt, daß sie als erledigt gelten können, sobald den Tatsachen
|
|
der verschiednen Naturgelegenheiten und den persönlichen Fähigkeiten
|
|
Rechnung getragen ist.«</SMALL></P>
|
|
<P>Neben den Fähigkeiten kommt noch die persönliche Neigung zur Geltung:</P>
|
|
<P><SMALL>»Der Reiz des Aufsteigens zu Tätigkeiten, die mehr Fähigkeiten
|
|
und Vorbildung ins Spiel setzen, würde ausschließlich auf der Neigung
|
|
zu der betreffenden Beschäftigung, und auf der Freude an der Ausübung
|
|
<I>grade dieser und keiner andern Sache</I>« (Ausübung einer Sache!) »beruhen.«</SMALL></P>
|
|
<P>Hiermit aber wird in der Sozialität der Wetteifer angeregt und</P>
|
|
<P><SMALL>»die Produktion selbst in Interesse erhalten, und der stumpfe Betrieb, der
|
|
sie nur als Mittel zum Gemeinzweck würdigt, wird nicht mehr das beherrschende
|
|
Gepräge der Zustände sein«.</SMALL></P>
|
|
<P>In jeder Gesellschaft mit naturwüchsiger Produktionsentwicklung - und
|
|
die heutige gehört dazu - beherrschen nicht die Produzenten die Produktionsmittel,
|
|
sondern die Produktionsmittel beherrschen die Produzenten. In einer solchen Gesellschaft
|
|
schlägt jeder neue Hebel der Produktion notwendig um in ein neues Mittel
|
|
der Knechtung der Produzenten unter die Produktionsmittel. Das gilt vor allem
|
|
von demjenigen Hebel der Produktion, der bis zur Einführung der großen
|
|
Industrie weitaus der mächtigste war - von der Teilung der Arbeit. Gleich
|
|
die erste große Arbeitsteilung, die Scheidung von Stadt und Land, verurteilte
|
|
die Landbevölkerung zu jahrtausendelanger Verdummung und die Städter
|
|
zur Knechtung eines jeden unter sein Einzelhandwerk. Sie vernichtete die Grundlage
|
|
der geistigen Entwicklung der <A NAME="S272"></A><B>|272|</B> einen und der körperlichen
|
|
der andern. Wenn sich der Bauer den Boden, der Städter sein Handwerk aneignet,
|
|
so eignet sich ebensosehr der Boden den Bauer, das Handwerk den Handwerker an.
|
|
Indem die Arbeit geteilt wird, wird auch der Mensch geteilt. Der Ausbildung einer
|
|
einzigen Tätigkeit werden alle übrigen körperlichen und geistigen
|
|
Fähigkeiten zum Opfer gebracht. Diese Verkümmerung des Menschen wächst
|
|
im selben Maße wie die Arbeitsteilung, die ihre höchste Entwicklung
|
|
in der Manufaktur erreicht. Die Manufaktur zerlegt das Handwerk in seine einzelnen
|
|
Teiloperationen, weist jede derselben einem einzelnen Arbeiter als Lebensberuf
|
|
zu und kettet ihn so lebenslänglich an eine bestimmte Teilfunktion und ein
|
|
bestimmtes Werkzeug. »Sie verkrüppelt den Arbeiter in eine Abnormität,
|
|
indem sie sein Detailgeschick treibhausmäßig fördert durch Unterdrückung
|
|
einer Welt von produktiven Trieben und Anlagen ... Das Individuum selbst wird
|
|
geteilt, in das automatische Triebwerk einer Teilarbeit verwandelt« (Marx) |Siehe
|
|
Karl Marx: »Das Kapital«, Bd. I in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../me23/me23_356.htm#S381">Bd.
|
|
23, S. 381</A>| - ein Triebwerk, das in vielen Fällen seine Vollkommenheit
|
|
erst durch buchstäbliche, leibliche und geistige Verkrüppelung des Arbeiters
|
|
erlangt. Die Maschinerie der großen Industrie degradiert den Arbeiter aus
|
|
einer Maschine zum bloßen Zubehör einer Maschine. »Aus der lebenslangen
|
|
Spezialität, ein Teilwerkzeug zu führen, wird die lebenslange Spezialität,
|
|
einer Teilmaschine zu dienen. Die Maschinerie wird mißbraucht, um den Arbeiter
|
|
selbst von Kindesbeinen an in den Teil einer Teilmaschine zu verwandeln« (Marx).
|
|
|Siehe Karl Marx: »Das Kapital«, Bd. I in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke,
|
|
<A HREF="../me23/me23_441.htm#S445">Bd. 23, S. 445</A>| Und nicht nur die Arbeiter,
|
|
auch die die Arbeiter direkt oder indirekt ausbeutenden Klassen werden vermittelst
|
|
der Teilung der Arbeit geknechtet unter das Werkzeug ihrer Tätigkeit; der
|
|
geistesöde Bourgeois unter sein eignes Kapital und seine eigne Profitwut,
|
|
der Jurist unter seine verknöcherten Rechtsvorstellungen, die ihn als eine
|
|
selbständige Macht beherrschen; die »gebildeten Stände« überhaupt
|
|
unter die mannigfachen Lokalborniertheiten und Einseitigkeiten, unter ihre eigne
|
|
körperliche und geistige Kurzsichtigkeit, unter ihre Verkrüppelung durch
|
|
die auf eine Spezialität zugeschnittne Erziehung und durch die lebenslange
|
|
Fesselung an diese Spezialität selbst - auch dann, wenn diese Spezialität
|
|
das reine Nichtstun ist.</P>
|
|
<P>Die Utopisten waren bereits vollständig im reinen über die Wirkungen
|
|
der Teilung der Arbeit, über die Verkümmerung einerseits des Arbeiters,
|
|
andrerseits der Arbeitstätigkeit selbst, die auf lebenslängliche, einförmige,
|
|
mechanische Wiederholung eines und desselben Aktes beschränkt wird. Die Aufhebung
|
|
des Gegensatzes von Stadt und Land wird von Fourier wie von <A NAME="S273"></A><B>|273|</B>
|
|
Owen als erste Grundbedingung der Aufhebung der alten Arbeitsteilung überhaupt
|
|
gefordert. Bei beiden soll die Bevölkerung sich in Gruppen von sechzehnhundert
|
|
bis dreitausend über das Land verteilen; jede Gruppe bewohnt im Zentrum ihres
|
|
Bodenbezirks einen Riesenpalast mit gemeinsamem Haushalt. Fourier spricht zwar
|
|
hier und da von Städten, diese aber bestehn selbst wieder nur aus vier bis
|
|
fünf solcher näher zusammenliegenden Paläste. Bei beiden beteiligt
|
|
sich jedes Gesellschaftsglied sowohl am Ackerbau wie an der Industrie; bei Fourier
|
|
spielen in dieser letztern Handwerk und Manufaktur, bei Owen dagegen schon die
|
|
große Industrie die Hauptrolle und wird von ihm bereits die Einführung
|
|
der Dampfkraft und Maschinerie in die Haushaltungsarbeit verlangt. Aber auch innerhalb
|
|
des Ackerbaus wie der Industrie fordern beide die möglichst große Abwechslung
|
|
der Beschäftigung für jeden einzelnen, und dementsprechend die Ausbildung
|
|
der Jugend für möglichst allseitige technische Tätigkeit. Bei beiden
|
|
soll der Mensch sich universell entwickeln durch universelle praktische Betätigung
|
|
und soll die Arbeit den ihr durch die Teilung abhanden gekommnen Reiz der Anziehung
|
|
wieder erhalten, zunächst durch diese Abwechslung und die ihr entsprechende
|
|
kurze Dauer der jeder einzelnen Arbeit gewidmeten »Sitzung«, um Fouriers Ausdruck
|
|
zu gebrauchen. Beide sind weit hinaus über die dem Herrn Dühring überkommne
|
|
Denkweise der ausbeutenden Klassen, die den Gegensatz von Stadt und Land für
|
|
der Natur der Sache nach unvermeidlich hält, die in der Borniertheit befangen
|
|
ist, als müßte eine Anzahl von »Existenzen« unter allen Umständen
|
|
zur Erzeugung eines Artikels verdammt sein, und die die sich nach der Lebensweise
|
|
sondernden »ökonomischen Spielarten« von Menschen verewigen will, die Leute,
|
|
die Freude an der Ausübung grade dieser und keiner andern Sache haben , die
|
|
also so weit heruntergekommen sind, daß sie sich über ihre eigne Knechtung
|
|
und Vereinseitigung <I>freuen</I>. Gegenüber den Grundgedanken selbst der
|
|
tollkühnsten Phantasien des »Idioten« Fourier, gegenüber selbst den
|
|
dürftigsten Ideen des »rohen, matten und dürftigen« Owen steht der selbst
|
|
noch ganz unter die Teilung der Arbeit geknechtete Herr Dühring da wie ein
|
|
vorlauter Zwerg.</P>
|
|
<P>Indem sich die Gesellschaft zur Herrin der sämtlichen Produktionsmittel
|
|
macht, um sie gesellschaftlich planmäßig zu verwenden, vernichtet sie
|
|
die bisherige Knechtung der Menschen unter ihre eignen Produktionsmittel. Die
|
|
Gesellschaft kann sich selbstredend nicht befreien, ohne daß jeder einzelne
|
|
befreit wird. Die alte Produktionsweise muß also von Grund aus umgewälzt
|
|
werden, und namentlich muß die alte Teilung der Arbeit verschwinden. An
|
|
ihre Stelle muß eine Organisation der Produktion treten, <A NAME="S274"></A><B>|274|</B>
|
|
in der einerseits kein einzelner seinen Anteil an der produktiven Arbeit, dieser
|
|
Naturbedingung der menschlichen Existenz, auf andre abwälzen kann; in der
|
|
andrerseits die produktive Arbeit, statt Mittel der Knechtung, Mittel der Befreiung
|
|
der Menschen wird, indem sie jedem einzelnen die Gelegenheit bietet, seine sämtlichen
|
|
Fähigkeiten, körperliche wie geistige, nach allen Richtungen hin auszubilden
|
|
und zu betätigen, und in der sie so aus einer Last eine Lust wird.</P>
|
|
<P>Dies ist heute keine Phantasie, kein frommer Wunsch mehr. Bei der gegenwärtigen
|
|
Entwicklung der produktiven Kräfte genügt schon diejenige Steigerung
|
|
der Produktion, die mit der Tatsache der Vergesellschaftung der Produktivkräfte
|
|
selbst gegeben ist, die Beseitigung der aus der kapitalistischen Produktionsweise
|
|
entspringenden Hemmungen und Störungen, der Vergeudung von Produkten und
|
|
Produktionsmitteln, um bei allgemeiner Teilnahme an der Arbeit die Arbeitszeit
|
|
auf ein nach jetzigen Vorstellungen geringes Maß zu reduzieren.</P>
|
|
<P>Ebensowenig ist die Aufhebung der alten Teilung der Arbeit eine Forderung,
|
|
die nur auf Kosten der Produktivität der Arbeit durchzuführen wäre.
|
|
Im Gegenteil. Sie ist eine Bedingung der Produktion selbst geworden durch die
|
|
große Industrie. »Der Maschinenbetrieb hebt die Notwendigkeit auf, die Verteilung
|
|
der Arbeitergruppen an die verschiednen Maschinen manufakturmäßig zu
|
|
befestigen durch fortwährende Aneignung derselben Arbeiter an dieselbe Funktion.
|
|
Da die Gesamtbewegung der Fabrik nicht vom Arbeiter ausgeht, sondern von der Maschine,
|
|
kann fortwährender Personenwechsel stattfinden, ohne Unterbrechung des Arbeitsprozesses
|
|
... Die Geschwindigkeit endlich, womit die Arbeit an der Maschine im jugendlichen
|
|
Alter erlernt wird, beseitigt ebenso die Notwendigkeit, eine besondre Klasse Arbeiter
|
|
ausschließlich zu Maschinenarbeitern zu erziehn.« |Siehe Karl Marx: »Das
|
|
Kapital«, Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../me23/me23_441.htm#S443">Bd.
|
|
23, S. 443/444</A>| Während aber die kapitalistische Anwendungsweise der
|
|
Maschinerie die alte Teilung der Arbeit mit ihren knöchernen Partikularitäten
|
|
weiter fortführen muß, trotzdem diese technisch überflüssig
|
|
geworden, rebelliert die Maschinerie selbst gegen diesen Anachronismus. Die technische
|
|
Basis der großen Industrie ist revolutionär. »Durch Maschinerie, chemische
|
|
Prozesse und andre Methoden wälzt sie beständig mit der technischen
|
|
Grundlage der Produktion die Funktionen der Arbeiter und die gesellschaftlichen
|
|
Kombinationen des Arbeitsprozesses um. Sie revolutioniert damit ebenso beständig
|
|
die Teilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft und schleudert unaufhörlich
|
|
Kapitalmassen und Arbeitermassen aus einem Produktions- <A NAME="S275"></A><B>|275|</B>
|
|
zweig in den andern. Die Natur der großen Industrie bedingt daher Wechsel
|
|
der Arbeit, Fluß der Funktion, allseitige Beweglichkeit des Arbeiters ...
|
|
Man hat gesehn, wie dieser absolute Widerspruch ... im ununterbrochenen Opferfest
|
|
der Arbeiterklasse, maßlosester Vergeudung der Arbeitskräfte und den
|
|
Verheerungen gesellschaftlicher Anarchie sich austobt. Dies ist die negative Seite.
|
|
Wenn aber der Wechsel der Arbeit sich jetzt nur als überwältigendes
|
|
Naturgesetz und mit der blind zerstörenden Wirkung des Naturgesetzes durchsetzt,
|
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das überall auf Hindernisse stößt, macht die große Industrie
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durch ihre Katastrophen selbst es zur Frage von Leben oder Tod, den Wechsel der
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Arbeiten und daher möglichste Vielseitigkeit des Arbeiters als allgemeines
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gesellschaftliches Produktionsgesetz anzuerkennen und seiner normalen Verwirklichung
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die Verhältnisse anzupassen. Sie macht es zu einer Frage von Leben oder Tod,
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die Ungeheuerlichkeit einer elenden, für das wechselnde Exploitationsbedürfnis
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des Kapitals in Reserve gehaltnen disponiblen Arbeiterbevölkerung zu ersetzen
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durch die absolute Disponibilität des Menschen für wechselnde Arbeitserfordernisse;
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das Teilindividuum, den bloßen Träger einer gesellschaftlichen Detailfunktion,
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durch das total entwickelte Individuum, für welches verschiedne gesellschaftliche
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Funktionen einander ablösende Betätigungsweisen sind.« (Marx, Kapital.)
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|Siehe Karl Marx: »Das Kapital«, Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke,
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<A HREF="../me23/me23_483.htm#S511">Bd. 23, S. 511/512</A>|</P>
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<P>Indem die große Industrie uns gelehrt hat, die mehr oder weniger überall
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herstellbare Molekularbewegung in Massenbewegung zu technischen Zwecken zu verwandeln,
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hat sie die industrielle Produktion in bedeutendem Maße von lokalen Schranken
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befreit. Die Wasserkraft war lokal, die Dampfkraft ist frei. Wenn die Wasserkraft
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notwendig ländlich ist, so ist die Dampfkraft keineswegs notwendig städtisch.
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Es ist ihre kapitalistische Anwendung, die sie vorwiegend in den Städten
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konzentriert und Fabrikdörfer in Fabrikstädte umschafft. Damit aber
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untergräbt sie gleichzeitig die Bedingungen ihres eignen Betriebs. Erstes
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Erfordernis der Dampfmaschine und Haupterfordernis fast aller Betriebszweige der
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großen Industrie ist verhältnismäßig reines Wasser. Die
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Fabrikstadt aber verwandelt alles Wasser in stinkende Jauche. Sosehr also die
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städtische Konzentrierung Grundbedingung der kapitalistischen Produktion
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ist, sosehr strebt jeder einzelne industrielle Kapitalist stets von den durch
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sie notwendig erzeugten großen Städten weg und dem ländlichen
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Betrieb zu. Dieser Prozeß kann in den Bezirken der Textilindustrie von Lancashire
|
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und Yorkshire im einzelnen studiert werden; die kapitalistische Großindustrie
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erzeugt dort stets neue Großstädte da- <A NAME="S276"></A><B>|276|</B>
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durch, daß sie fortwährend von der Stadt aufs Land flieht. Ähnlich
|
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in den Bezirken der Metallindustrie, wo teilweise andre Ursachen dieselben Wirkungen
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erzeugen.</P>
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<P>Diesen neuen fehlerhaften Kreislauf, diesen sich stets neu erzeugenden Widerspruch
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der modernen Industrie aufzuheben, vermag wiederum nur die Aufhebung ihres kapitalistischen
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Charakters. Nur eine Gesellschaft, die ihre Produktivkräfte nach einem einzigen
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großen Plan harmonisch ineinandergreifen läßt, kann der Industrie
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erlauben, sich in derjenigen Zerstreuung über das ganze Land anzusiedeln,
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die ihrer eignen Entwicklung und der Erhaltung resp. Entwicklung der übrigen
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Elemente der Produktion am angemessensten ist.</P>
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<P>Die Aufhebung des Gegensatzes von Stadt und Land ist hiernach nicht nur möglich.
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Sie ist eine direkte Notwendigkeit der industriellen Produktion selbst geworden,
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wie sie ebenfalls eine Notwendigkeit der Agrikulturproduktion und obendrein der
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öffentlichen Gesundheitspflege geworden ist. Nur durch Verschmelzung von
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Stadt und Land kann die heutige Luft-, Wasser- und Bodenvergiftung beseitigt,
|
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nur durch sie die jetzt in den Städten hinsiechenden Massen dahin gebracht
|
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werden, daß ihr Dünger zur Erzeugung von Pflanzen verwandt wird, statt
|
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zur Erzeugung von Krankheiten.</P>
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<P>Die kapitalistische Industrie hat sich bereits relativ unabhängig gemacht
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von den lokalen Schranken der Produktionsstätten ihrer Rohstoffe. Die Textilindustrie
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verarbeitet der großen Masse nach importierte Rohstoffe. Spanische Eisenerze
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werden in England und Deutschland, spanische und südamerikanische Kupfererze
|
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werden in England verarbeitet. Jedes Kohlenfeld versieht weit über seine
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Grenzen hinaus einen jährlich wachsenden industriellen Umkreis mit Brennstoff.
|
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An der ganzen europäischen Küste werden Dampfmaschinen mit englischer,
|
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stellenweise deutscher und belgischer Kohle getrieben. Die von den Schranken der
|
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kapitalistischen Produktion befreite Gesellschaft kann noch viel weiter gehn.
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Indem sie ein Geschlecht von allseitig ausgebildeten Produzenten erzeugt, die
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die wissenschaftlichen Grundlagen der gesamten industriellen Produktion verstehn
|
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und von denen jeder eine ganze Reihe von Produktionszweigen von Anfang bis zu
|
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Ende praktisch durchgemacht, schafft sie eine neue Produktivkraft, die die Transportarbeit
|
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der aus größerer Entfernung bezognen Roh- oder Brennstoffe überreichlich
|
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aufwiegt.</P>
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<P>Die Aufhebung der Scheidung von Stadt und Land ist also keine Utopie, auch
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|
nach der Seite hin, nach der sie die möglichst gleichmäßige Verteilung
|
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<A NAME="S277"></A><B>|277|</B> der großen Industrie über das ganze
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|
Land zur Bedingung hat. Die Zivilisation hat uns freilich in den großen
|
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Städten eine Erbschaft hinterlassen, die zu beseitigen viel Zeit und Mühe
|
|
kosten wird. Aber sie müssen und werden beseitigt werden, mag es auch ein
|
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langwieriger Prozeß sein. Welche Geschicke auch dem Deutschen Reich preußischer
|
|
Nation vorbehalten sein mögen, Bismarck kann mit dem stolzen Bewußtsein
|
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in die Grube fahren, daß sein Lieblingswunsch sicher erfüllt wird:
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|
der Untergang der großen Städte.</P>
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<P>Und nun besehe man sich die kindliche Vorstellung des Herrn Dühring, als
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könne die Gesellschaft Besitz ergreifen von der Gesamtheit der Produktionsmittel,
|
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ohne die alte Art des Produzierens von Grund aus umzuwälzen und vor allem
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die alte Teilung der Arbeit abzuschaffen; als sei alles abgemacht, sobald nur</P>
|
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<P><SMALL>»den Naturgelegenheiten und den persönlichen Fähigkeiten Rechnung
|
|
getragen« -</SMALL></P>
|
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<P>wobei dann nach wie vor ganze Massen von Existenzen unter die Erzeugung <I>eines
|
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Artikels </I>geknechtet, ganze »Bevölkerungen« von einem einzelnen Produktionszweig
|
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in Anspruch genommen werden, und die Menschheit sich nach wie vor in eine Anzahl
|
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verschieden verkrüppelter »ökonomischer Spielarten« teilt, als da sind
|
|
»Karrenschieber« und Architekten«. Die Gesellschaft soll Herrin der Produktionsmittel
|
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im ganzen werden, damit jeder einzelne Sklave seines Produktionsmittels bleibt
|
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und nur die Wahl hat <I>welches </I>Produktionsmittels. Und ebenso besehe man
|
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sich die Art, wie Herr Dühring die Scheidung von Stadt und Land für
|
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»der Natur der Sache nach unvermeidlich« hält, und nur ein kleines Palliativmittelchen
|
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entdecken kann in den in ihrer Verbindung spezifisch preußischen Zweigen
|
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der Schnapsbrennerei und Rübenzuckerbereitung; der die Zerstreuung der Industrie
|
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über das Land abhängig macht von irgendwelchen künftigen Entdeckungen
|
|
und von der <I>Nötigung</I>, den Betrieb unmittelbar an die Gewinnung der
|
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Rohstoffe anzulehnen - der Rohstoffe, die schon jetzt in immer wachsender Entfernung
|
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von ihrem Ursprungsort verbraucht werden! - und der sich schließlich den
|
|
Rücken zu decken sucht mit der Versicherung, die sozialen Bedürfnisse
|
|
würden schließlich die Verbindung von Ackerbau und Industrie doch wohl
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auch <I>gegen</I> die ökonomischen Rücksichten durchsetzen, als ob damit
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|
ein ökonomisches Opfer gebracht würde!</P>
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<P>Freilich, um zu sehn, daß die revolutionären Elemente, die die alte
|
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Teilung der Arbeit mitsamt der Scheidung von Stadt und Land beseitigen und die
|
|
ganze Produktion umwälzen werden, daß diese Elemente bereits in den
|
|
Produktionsbedingungen der modernen großen Industrie im Keim enthal- <A NAME="S278"></A><B>|278|</B>
|
|
ten sind und durch die heutige kapitalistische Produktionsweise an ihrer Entfaltung
|
|
gehindert werden, dazu muß man einen etwas weitern Horizont haben als den
|
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Geltungsbereich des preußischen Landrechts, das Land, wo Schnaps und Rübenzucker
|
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die entscheidenden Industrieprodukte sind und wo man die Handelskrisen auf dem
|
|
Büchermarkt studieren kann. Dazu muß man die wirkliche große
|
|
Industrie in ihrer Geschichte und in ihrer gegenwärtigen Wirklichkeit kennen,
|
|
namentlich in dem einen Lande, wo sie ihre Heimat und wo allein sie ihre klassische
|
|
Ausbildung erreicht hat; und dann wird man auch nicht daran denken, den modernen
|
|
wissenschaftlichen Sozialismus verseichtigen und herunterbringen zu wollen auf
|
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den spezifisch preußischen Sozialismus des Herrn Dühring.</P>
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|
<H3 ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_IV">IV. Verteilung</A></H3>
|
|
<P>Wir sahen bereits früher, daß die Dühringsche Ökonomie
|
|
auf den Satz hinauslief: Die kapitalistische Produktionsweise ist ganz gut und
|
|
kann bestehn bleiben, aber die kapitalistische Verteilungsweise ist vom Übel
|
|
und muß verschwinden. Wir finden jetzt, daß die »Sozialität«
|
|
des Herrn Dühring weiter nichts ist als die Durchführung dieses Satzes
|
|
in der Phantasie. In der Tat zeigte sich, daß Herr Dühring an der Produktionsweise
|
|
- als solcher - der kapitalistischen Gesellschaft fast gar nichts auszusetzen
|
|
hat, daß er die alte Teilung der Arbeit in allen wesentlichen Beziehungen
|
|
beibehalten will, und daher auch über die Produktion innerhalb seiner Wirtschaftskommune
|
|
kaum ein Wort zu sagen weiß. Die Produktion ist allerdings ein Gebiet, auf
|
|
dem es sich um handfeste Tatsachen handelt, auf dem daher die »rationelle Phantasie«
|
|
dem Flügelschlag ihrer freien Seele nur wenig Raum geben darf, weil die Gefahr
|
|
der Blamage zu nahe liegt. Dagegen die Verteilung, die nach der Ansicht des Herrn
|
|
Dühring ja gar nicht mit der Produktion zusammenhängt, die nach ihm
|
|
nicht durch die Produktion, sondern durch einen reinen Willensakt bestimmt wird
|
|
- die Verteilung ist das prädestinierte Feld seiner »sozialen Alchimisterei«.</P>
|
|
<P><SMALL>Der gleichen Produktionspflicht tritt gegenüber das gleiche Konsumtionsrecht,
|
|
organisiert in der Wirtschaftskommune und der eine größere Anzahl der
|
|
letztern umfassenden Handelskommune. Hier wird »Arbeit ... nach dem Grundsatz
|
|
der gleichen Schätzung gegen andre Arbeit ausgetauscht ... Leistung und Gegenleistung
|
|
stellen hier wirkliche Gleichheit der Arbeitsgrößen vor«. Und zwar
|
|
gilt diese »Gleichsetzung <A NAME="S279"></A><B>|279|</B> der Menschenkräfte,
|
|
mögen die einzelnen nun mehr oder weniger oder zufällig <I>auch nichts
|
|
</I>geleistet haben«; denn man kann alle Verrichtungen, insofern sie Zeit und
|
|
Kräfte in Anspruch nehmen, als Arbeitsleistungen ansehn - also auch Kegelschieben
|
|
und Spazierengehn. Dieser Austausch findet aber nicht statt zwischen den einzelnen,
|
|
da die Gesamtheit Besitzerin aller Produktionsmittel, also auch aller Produkte
|
|
ist, sondern einerseits zwischen jeder Wirtschaftskommune und ihren einzelnen
|
|
Mitgliedern, andrerseits zwischen den verschiednen Wirtschafts- und Handelskommunen
|
|
selbst. »Namentlich werden die einzelnen Wirtschaftskommunen innerhalb ihres eignen
|
|
Rahmens den Kleinhandel durch völlig planmäßigen Vertrieb ersetzen.«
|
|
Ebenso wird der Handel im großen organisiert: »Das System der freien Wirtschaftsgesellschaft
|
|
... bleibt daher eine große Tauscheinrichtung, deren Vornahmen sich vermittelst
|
|
der durch die edlen Metalle gegebnen Grundlagen vollziehn. Durch die Einsicht
|
|
in die unumgängliche Notwendigkeit dieser Grundeigenschaft unterscheidet
|
|
sich unser Schema von allen jenen Nebelhaftigkeiten, die auch noch den rationellsten
|
|
Formen der heute umlaufenden sozialistischen Vorstellungen anhaften.«</SMALL></P>
|
|
<P><SMALL>Die Wirtschaftskommune, als erste Aneignerin der gesellschaftlichen
|
|
Produkte, hat behufs dieses Austausches »für jeden Zweig von Artikeln einen
|
|
einheitlichen Preis« nach den durchschnittlichen Produktionskosten festzusetzen.
|
|
»Was gegenwärtig die sogenannten Selbstkosten der Produktion ... für
|
|
Wert und Preis bedeuten, das werden« (in der Sozialität) »... die Anschläge
|
|
der zu verwendenden Arbeitsmenge leisten. Diese Anschläge, die sich nach
|
|
dem Grundsatz des auch wirtschaftlich gleichen Rechts jeder Persönlichkeit
|
|
schließlich auf die Berücksichtigung der beteiligten Personenzahl zurückführen
|
|
lassen, werden das zugleich den Naturverhältnissen der Produktion und dem
|
|
gesellschaftlichen Verwertungsrecht entsprechende Verhältnis der Preise ergeben.
|
|
Die Produktion der edlen Metalle wird ähnlich wie heute für die Wertbestimmung
|
|
des Geldes maßgebend bleiben ... Man sieht hieraus, daß man in der
|
|
veränderten Gesellschaftsverfassung zunächst für die Werte und
|
|
mithin für die Verhältnisse, in denen die Erzeugnisse sich gegeneinander
|
|
umsetzen, nicht nur Bestimmungsgrund und Maß nicht verliert, sondern erst
|
|
gehörig gewinnt.«</SMALL></P>
|
|
<P>Der berühmte »absolute Wert« ist endlich realisiert.</P>
|
|
<P><SMALL>Andrerseits aber wird die Kommune nun auch die einzelnen in den Stand
|
|
setzen müssen, die produzierten Artikel von ihr zu kaufen, indem sie jedem
|
|
eine gewisse tägliche, wöchentliche oder monatliche Geldsumme, die für
|
|
jeden gleich zu sein hat, als Gegenleistung für seine Arbeit auszahlt. »Es
|
|
ist daher vom Standpunkt der Sozialität gleichgültig, ob man sagt, daß
|
|
der Arbeitslohn verschwinden oder daß er die ausschließliche Form
|
|
der ökonomischen Einkünfte werden müsse.« Gleiche Löhne und
|
|
gleiche Preise aber stellen die »quantitative, wenn auch nicht qualitative Gleichheit
|
|
der Konsumtion« her, und damit ist das »universelle Prinzip der Gerechtigkeit«
|
|
ökonomisch verwirklicht.</SMALL></P>
|
|
<P>Über die Bestimmung der Höhe dieses Zukunftslohns sagt uns Herr Dühring
|
|
nur,</P>
|
|
<B></B>
|
|
<P><SMALL><B><A NAME="S280">|280|</A></B> daß auch hier, wie in allen andern
|
|
Fällen, »gleiche Arbeit gegen gleiche Arbeit« ausgetauscht wird. Für
|
|
sechsstündige Arbeit wird daher eine Geldsumme zu zahlen sein, die ebenfalls
|
|
sechs Arbeitsstunden in sich verkörpert.</SMALL></P>
|
|
<P>Indes ist das »universelle Prinzip der Gerechtigkeit« keineswegs mit jener
|
|
rohen Gleichmacherei zu verwechseln, die den Bürger so sehr aufbringt gegen
|
|
jeden, namentlich den naturwüchsigen Arbeiterkommunismus. Es ist lange nicht
|
|
so unerbittlich, als es gern aussehn möchte.</P>
|
|
<P><SMALL>Die »prinzipielle Gleichheit der ökonomischen Rechtsansprüche schließt
|
|
nicht aus, daß <I>freiwillig</I> zu dem, was die Gerechtigkeit erfordert,
|
|
auch noch ein Ausdruck der besondern Anerkennung und Ehre gefügt werde ...
|
|
Die Gesellschaft <I>ehrt sich selbst</I>, indem sie die höher gesteigerten
|
|
Leistungsgattungen <I>durch eine mäßige Mehrausstattung</I> für
|
|
die Konsumtion auszeichnet.«</SMALL></P>
|
|
<P>Und auch Herr Dühring ehrt sich selbst, indem er, Taubenunschuld und Schlangenklugheit
|
|
verschmelzend, so rührend für die mäßige Mehrkonsumtion der
|
|
Zukunfts-Dührings besorgt ist.</P>
|
|
<P>Hiermit ist die kapitalistische Verteilungsweise endgültig beseitigt.
|
|
Denn </P>
|
|
<P><SMALL>»gesetzt, es hätte jemand unter Voraussetzung eines solchen Zustands
|
|
wirklich einen Überschuß von privaten Mitteln zur Verfügung, so
|
|
würde er für denselben keine kapitalmäßige Verwendung ausfindig
|
|
machen können. Kein einzelner oder keine Gruppe würde ihm denselben
|
|
für die Produktion anders als im Wege des Austausches oder Kaufs abnehmen,
|
|
niemals aber in den Fall kommen, ihm Zinsen oder Gewinn zu zahlen.« Hiermit wird
|
|
»eine dem Grundsatz der Gleichheit entsprechende Vererbung« zulässig. Sie
|
|
ist unvermeidlich, denn »eine gewisse Vererbung wird immer die notwendige Begleitung
|
|
des Familienprinzips sein«. Auch das Erbrecht wird »zu keiner Ansammlung umfangreicher
|
|
Vermögen führen können, da hier die Eigentumsbildung ... namentlich
|
|
nie mehr den Zweck haben kann, Produktionsmittel und reine Rentenexistenzen zu
|
|
schaffen«.</SMALL></P>
|
|
<P>Hiermit wäre die Wirtschaftskommune glücklich fertig. Sehn wir nun
|
|
zu, wie sie wirtschaftet.</P>
|
|
<P>Wir nehmen an, alle Unterstellungen des Herrn Dühring seien vollständig
|
|
realisiert; wir setzen also voraus, daß die Wirtschaftskommune jedem ihrer
|
|
Mitglieder für täglich sechsstündige Arbeit eine Geldsumme zahlt,
|
|
in der ebenfalls sechs Arbeitsstunden verkörpert sind, meinetwegen zwölf
|
|
Mark. Wir nehmen ebenfalls an, daß die Preise genau den Werten entsprechen,
|
|
also unter unsern Voraussetzungen nur die Kosten der Rohstoffe, den Verschleiß
|
|
der Maschinerie, den Verbrauch von Arbeitsmitteln und den gezahlten Arbeitslohn
|
|
umfassen. Eine Wirtschaftskommune von hundert arbeitenden Mitgliedern produziert
|
|
dann täglich Waren im Wert von 1.200 Mark, im Jahr bei dreihundert Arbeitstagen
|
|
für 360.000 Mark, <A NAME="S281"></A><B>|281|</B> und zahlt dieselbe Summe
|
|
an ihre Mitglieder aus, deren jedes mit seinem Anteil von täglich 12 oder
|
|
jährlich 3.600 Mark macht, was es will. Am Ende des Jahres, und am Ende von
|
|
hundert Jahren ist die Kommune nicht reicher als am Anfang. Sie wird während
|
|
dieser Zeit nicht einmal imstande sein, die mäßige Mehrausstattung
|
|
für die Konsumtion des Herrn Dühring zu leisten, falls sie nicht ihren
|
|
Stamm von Produktionsmitteln angreifen will. Die Akkumulation ist total vergessen
|
|
worden. Noch schlimmer: da die Akkumulation eine gesellschaftliche Notwendigkeit,
|
|
und in der Beibehaltung des Geldes eine bequeme Form der Akkumulation gegeben,
|
|
so fordert die Organisation der Wirtschaftskommune ihre Mitglieder direkt auf
|
|
zur Privatakkumulation, und damit zu ihrer eignen Zerstörung.</P>
|
|
<P>Wie diesem Zwiespalt der Natur der Wirtschaftskommune entgehn? Sie könnte
|
|
Zuflucht nehmen zu der beliebten »Bezollung«, dem Preisaufschlag, und ihre Jahresproduktion
|
|
statt für 360.000 Mark für 480.000 Mark verkaufen. Da aber alle andern
|
|
Wirtschaftskommunen in derselben Lage sind, also dasselbe tun müßten,
|
|
so würde jede im Austausch mit der andern ebensoviel »Bezollung« zahlen müssen
|
|
wie sie einsteckt, und der »Tribut« also nur auf ihre eignen Mitglieder fallen.</P>
|
|
<P>Oder aber, sie macht die Sache kurz und bündig ab, indem sie jedem Mitglied
|
|
für sechsstündige Arbeit das Produkt von weniger als sechsstündiger
|
|
Arbeit, meinetwegen von vier Arbeitsstunden zahlt, also statt zwölf Mark
|
|
nur acht Mark täglich, die Warenpreise aber auf der alten Höhe bestehn
|
|
läßt. Sie tut in diesem Falle direkt und offen, was sie im vorigen
|
|
versteckt und auf einem Umweg versucht: sie bildet Marxschen Mehrwert im jährlichen
|
|
Betrag von 120.000 Mark, indem sie ihre Mitglieder in durchaus kapitalistischer
|
|
Weise unter dem Wert ihrer Leistung bezahlt und ihnen obendrein die Waren, die
|
|
sie nur bei ihr kaufen können, zum vollen Wert anrechnet. Die Wirtschaftskommune
|
|
kann also nur zu einem Reservefonds kommen, indem sie sich enthüllt als das
|
|
<SMALL>»</SMALL>veredelte« Trucksystem <A NAME="ZF6"></A><A HREF="me20_239.htm#F6"><SPAN class="top">(6)</SPAN></A>
|
|
auf breitester kommunistischer Grundlage.</P>
|
|
<P>Also eins von zweien: Entweder tauscht die Wirtschaftskommune »gleiche Arbeit
|
|
aus gegen gleiche Arbeit«, und dann kann nicht sie, sondern nur die Privaten einen
|
|
Fonds zur Erhaltung und Ausdehnung der Produktion akkumulieren. Oder aber, sie
|
|
bildet einen solchen Fonds, und dann tauscht sie nicht »gleiche Arbeit aus gegen
|
|
gleiche Arbeit«.</P>
|
|
<P><B><A NAME="S282">|282|</A></B> So steht's mit dem Inhalt des Austausches in
|
|
der Wirtschaftskommune. Wie mit der Form? Der Austausch wird durch Metallgeld
|
|
vermittelt, und Herr Dühring tut sich nicht wenig zugut auf die »menschheitsgeschichtliche
|
|
Tragweite« dieser Verbesserung. Aber im Verkehr zwischen der Kommune und ihren
|
|
Mitgliedern ist das Geld gar kein Geld, fungiert es gar nicht als Geld. Es dient
|
|
als reines Arbeitszertifikat, es konstatiert, um mit Marx zu reden, »nur den individuellen
|
|
Anteil des Produzenten an der Gemeinarbeit und seinen individuellen Anspruch auf
|
|
den zur Konsumtion bestimmten Teil des Gemeinprodukts«, und ist in dieser Funktion
|
|
»ebensowenig 'Geld' wie etwa eine Theatermarke« |Siehe Karl Marx: »Das Kapital«,
|
|
Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../me23/me23_109.htm">Bd.
|
|
23, S. 109/110</A>|. Es kann hiermit durch jedes beliebige Zeichen ersetzt werden,
|
|
wie Weitling es durch ein »Kommerzbuch« ersetzt, worin auf der einen Seite die
|
|
Arbeitsstunden und auf der andern die dafür bezognen Genüsse abgestempelt
|
|
werden. Kurz, es fungiert im Verkehr der Wirtschaftskommune mit ihren Mitgliedern
|
|
einfach als das Owensche »Arbeitsstundengeld«, dies »Wahngebilde«, auf das Herr
|
|
Dühring so vornehm herabsieht und das er dennoch selbst in seine Zukunftswirtschaft
|
|
einführen muß. Ob die Marke, die das Maß der erfüllten »Produktionspflicht«
|
|
und des damit erworbnen »Konsumtionsrechts« bezeichnet, ein Wisch Papier, ein
|
|
Rechenpfennig oder ein Goldstück ist, bleibt sich für <I>diesen </I>Zweck
|
|
vollständig gleich. Für andre Zwecke aber durchaus nicht, wie sich zeigen
|
|
wird.</P>
|
|
<P>Wenn das Metallgeld also schon im Verkehr der Wirtschaftskommune mit ihren
|
|
Mitgliedern nicht als Geld fungiert, sondern als verkleidete Arbeitsmarke, so
|
|
kommt es noch weniger zu seiner Geldfunktion im Austausch zwischen den verschiednen
|
|
Wirtschaftskommunen. Hier ist, unter den Voraussetzungen des Herrn Dühring,
|
|
das Metallgeld total überflüssig. In der Tat würde eine bloße
|
|
Buchführung hinreichen, die den Austausch von Produkten gleicher Arbeit gegen
|
|
Produkte gleicher Arbeit viel einfacher vollzieht, wenn sie mit dem natürlichen
|
|
Maßstab der Arbeit - der Zeit, der Arbeitsstunde als Einheit - rechnet,
|
|
als wenn sie die Arbeitsstunden erst in Geld übersetzt. Der Austausch ist
|
|
in Wirklichkeit reiner Naturalaustausch; alle Mehrforderungen sind leicht und
|
|
einfach ausgleichbar durch Anweisungen auf andre Kommunen. Wenn aber eine Kommune
|
|
wirklich gegenüber andern Kommunen ein Defizit haben sollte, so kann alles
|
|
»im Universum vorhandne Gold«, und wenn es noch so sehr »von Natur Geld« sein
|
|
sollte, dieser Kommune das Schicksal nicht ersparen, dies Defizit durch vermehrte
|
|
eigne Arbeit zu ersetzen, falls sie nicht in Schuldabhängigkeit <A NAME="S283"></A><B>|283|</B>
|
|
von andern Kommunen geraten will. Übrigens möge der Leser fortwährend
|
|
im Gedächtnis halten, daß wir hier keineswegs Zukunftskonstruktion
|
|
machen. Wir nehmen einfach die Voraussetzungen des Herrn Dühring an und ziehen
|
|
nur die unvermeidlichen Folgerungen daraus.</P>
|
|
<P>Also weder im Austausch zwischen der Wirtschaftskommune und ihren Mitgliedern
|
|
noch in dem zwischen den verschiednen Kommunen kann das Gold, das »von Natur Geld
|
|
ist«, dahin kommen, diese seine Natur zu verwirklichen. Trotzdem schreibt ihm
|
|
Herr Dühring vor, auch in der »Sozialität« Geldfunktion zu vollziehn.
|
|
Wir müssen uns also nach einem andern Spielraum für diese Geldfunktion
|
|
umsehn. Und dieser Spielraum existiert. Herr Dühring befähigt zwar jeden
|
|
zur »quantitativ gleichen Konsumtion«, aber er kann niemanden dazu zwingen. Im
|
|
Gegenteil, er ist stolz darauf, daß in seiner Welt jeder mit seinem Gelde
|
|
machen kann, was er will. Er kann also nicht verhindern, daß die einen sich
|
|
einen kleinen Geldschatz zurücklegen, während die andern mit dem ihnen
|
|
gezahlten Lohn nicht auskommen. Er macht dies sogar unvermeidlich, indem er das
|
|
Gemeineigentum der Familie im Erbrecht ausdrücklich anerkennt, woraus sich
|
|
dann weiter die Verpflichtung der Eltern zur Erhaltung der Kinder ergibt. Damit
|
|
aber bekommt die quantitativ gleiche Konsumtion einen gewaltigen Riß. Der
|
|
Junggesell lebt herrlich und in Freuden von seinen acht oder zwölf Mark täglich,
|
|
während der Witwer mit acht unmündigen Kindern damit kümmerlich
|
|
auskommt. Andrerseits aber läßt die Kommune, indem sie Geld ohne weiteres
|
|
in Zahlung nimmt, die Möglichkeit offen, daß dies Geld anders als durch
|
|
eigne Arbeit erworben sei. Non olet. |Geld stinkt nicht| Sie weiß nicht,
|
|
woher es kommt. Hiermit sind aber alle Bedingungen gegeben, um das Metallgeld,
|
|
das bisher nur die Rolle einer Arbeitsmarke spielte, in wirkliche Geldfunktion
|
|
treten zu lassen. Es liegen vor die Gelegenheit und das Motiv, einerseits zur
|
|
Schatzbildung, andrerseits zur Verschuldung. Der Bedürftige borgt beim Schatzbildner.
|
|
Das geborgte Geld, von der Kommune in Zahlung genommen für Lebensmittel,
|
|
wird damit wieder, was es in der heutigen Gesellschaft ist, gesellschaftliche
|
|
Inkarnation der menschlichen Arbeit, wirkliches Maß der Arbeit, allgemeines
|
|
Zirkulationsmittel. Alle »Gesetze und Verwaltungsnormen« der Welt sind ebenso
|
|
ohnmächtig dagegen, wie gegen das Einmaleins oder gegen die chemische Zusammensetzung
|
|
des Wassers. Und da der Schatzbildner in der Lage ist, vom Bedürftigen Zinsen
|
|
zu erzwingen, so ist mit dem als Geld fungierenden Metallgeld auch der Zinswucher
|
|
wiederhergestellt.</P>
|
|
<P><B><A NAME="S284">|284|</A></B> Soweit haben wir nur die Wirkungen der Beibehaltung
|
|
des Metallgeldes betrachtet innerhalb des Geltungsbereichs der Dühringschen
|
|
Wirtschaftskommune. Aber jenseits dieses Bereichs geht die übrige verworfne
|
|
Welt einstweilen ihren alten Gang ruhig weiter. Gold und Silber bleiben, auf dem
|
|
Weltmarkt, <I>Weltgeld, </I>allgemeines Kauf- und Zahlungsmittel, absolut gesellschaftliche
|
|
Verkörperung des Reichtums. Und mit dieser Eigenschaft des edlen Metalls
|
|
tritt vor die einzelnen Wirtschaftskommunisten ein neues Motiv zur Schatzbildung,
|
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zur Bereicherung, zum Wucher, das Motiv, sich gegenüber der Kommune und jenseits
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ihrer Grenzen frei und unabhängig zu bewegen und den aufgehäuften Einzelreichtum
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auf dem Weltmarkt zu verwerten. Die Wucherer verwandeln sich in Händler mit
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dem Zirkulationsmittel, in Bankiers, in Beherrscher des Zirkulationsmittels und
|
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des Weltgelds, damit in Beherrscher der Produktion und damit in Beherrscher der
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Produktionsmittel, mögen diese auch noch jahrelang dem Namen nach als Eigentum
|
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der Wirtschafts- und Handelskommune figurieren. Damit sind aber die in Bankiers
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übergegangnen Schatzbildner und Wucherer auch die Herren der Wirtschafts-
|
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und Handelskommune selbst. Die »Sozialität« des Herrn Dühring unterscheidet
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sich in der Tat sehr wesentlich von den »Nebelhaftigkeiten« der übrigen Sozialisten.
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Sie hat weiter keinen Zweck als die Wiedererzeugung der hohen Finanz, unter deren
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Kontrolle und für deren Säckel sie sich tapfer abarbeiten wird - wenn
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sie überhaupt zusammenkommt und zusammenhält. Die einzige Rettung für
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sie läge darin, daß die Schatzbildner vorzögen, vermittelst ihres
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Weltgeldes eiligst aus der Kommune - davonzulaufen.</P>
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<P>Bei der in Deutschland herrschenden ausgedehnten Unbekanntschaft mit dem älteren
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Sozialismus könnte nun ein unschuldiger Jüngling die Frage aufwerfen,
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ob nicht auch z.B. die Owenschen Arbeitsmarken zu einem ähnlichen Mißbrauch
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Anlaß geben könnten. Obwohl wir hier nicht die Bedeutung dieser Arbeitsmarken
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zu entwickeln haben, so mag doch zur Vergleichung des Dühringschen »umfassenden
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Schematismus« mit den »rohen, matten und dürftigen Ideen« Owens folgendes
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Platz finden: Erstens wäre zu einem solchen Mißbrauch der Owenschen
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Arbeitsmarken ihre Verwandlung in wirkliches Geld nötig, während Herr
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Dühring wirkliches Geld voraussetzt, ihm aber verbieten will, anders als
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bloße Arbeitsmarke zu fungieren. Während dort wirklicher Mißbrauch
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stattfände, setzt sich hier die immanente, vom menschlichen Willen unabhängige
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Natur des Geldes durch, setzt das Geld seinen ihm eigentümlichen, richtigen
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Gebrauch durch gegenüber dem Mißbrauch, den Herr Dühring ihm aufzwingen
|
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will kraft seiner eignen Unwissenheit über die Natur des Geldes. Zweitens
|
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sind bei Owen <A NAME="S285"></A><B>|285|</B> die Arbeitsmarken nur eine Übergangsform
|
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zur vollständigen Gemeinschaft und freien Benutzung der gesellschaftlichen
|
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Ressourcen, nebenbei höchstens noch ein Mittel, dem britischen Publikum den
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Kommunismus plausibel zu machen. Wenn also etwelcher Mißbrauch die Owensche
|
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Gesellschaft zur Abschaffung der Arbeitsmarken zwingen sollte, so tut diese Gesellschaft
|
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einen Schritt weiter voran zu ihrem Ziel und tritt in eine vollkommnere Entwicklungsstufe
|
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ein. Schafft dagegen die Dühringsche Wirtschaftskommune das Geld ab, so vernichtet
|
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sie mit einem Schlage ihre »menschheitsgeschichtliche Tragweite«, so beseitigt
|
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sie ihre eigentümlichste Schönheit, hört auf, Dühringsche
|
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Wirtschaftskommune zu sein und sinkt herab zu den Nebelhaftigkeiten, aus denen
|
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sie herauszuheben Herr Dühring soviel saure Arbeit der rationellen Phantasie
|
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aufgewandt hat.<A NAME="ZF7"></A><A HREF="me20_239.htm#F7"><SPAN class="top">(7)</SPAN></A></P>
|
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<P>Woraus entstehn nun alle die sonderbaren Irrungen und Wirrungen, in denen die
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Dühringsche Wirtschaftskommune herumfährt? Einfach aus der Nebelhaftigkeit,
|
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die im Kopf des Herrn Dühring die Begriffe von Wert und Geld umhüllt,
|
|
und die ihn schließlich dahin treibt, den Wert der Arbeit entdecken zu wollen.
|
|
Da aber Herr Dühring keineswegs das Monopol solcher Nebelhaftigkeit für
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Deutschland besitzt, im Gegenteil zahlreiche Konkurrenz findet, so wollen wir
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»uns einen Augenblick überwinden, das Knäuel aufzulösen«, das er
|
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hier angerichtet hat.</P>
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<P>Der einzige Wert, den die Ökonomie kennt, ist der Wert von Waren. Was
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sind Waren? Produkte, erzeugt in einer Gesellschaft mehr oder weniger vereinzelter
|
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Privatproduzenten, also zunächst Privatprodukte. Aber diese Privatprodukte
|
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werden erst Waren, sobald sie nicht für den Selbstverbrauch, sondern für
|
|
den Verbrauch durch andre, also für den gesellschaftlichen Verbrauch produziert
|
|
werden; sie treten ein in den gesellschaftlichen Verbrauch durch den Austausch.
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|
Die Privatproduzenten stehn also in einem gesellschaftlichen Zusammenhang, bilden
|
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eine Gesellschaft. Ihre Produkte, obwohl Privatprodukte jedes einzelnen, sind
|
|
daher gleichzeitig, aber unabsichtlich und gleichsam widerwillig, auch gesellschaftliche
|
|
Produkte. Worin besteht nun der gesellschaftliche Charakter dieser Privatprodukte?
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Offenbar in zwei Eigenschaften: erstens darin, daß sie alle irgendein menschliches
|
|
Bedürfnis befriedigen, einen Gebrauchswert haben nicht nur für den <A NAME="S286"></A><B>|286|</B>
|
|
Produzenten, sondern auch für andre; und zweitens darin, daß sie, obwohl
|
|
Produkte der verschiedensten Privatarbeiten, gleichzeitig Produkte menschlicher
|
|
Arbeit schlechthin, allgemein menschlicher Arbeit sind. Insofern sie auch für
|
|
andre einen Gebrauchswert haben, können sie überhaupt in de Austausch
|
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treten; insofern in ihnen allen allgemein menschliche Arbeit, einfache Aufwendung
|
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menschlicher Arbeitskraft steckt, können sie nach der in einer jeden steckenden
|
|
Menge dieser Arbeit miteinander im Austausch verglichen, gleich oder ungleich
|
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gesetzt werden. In zwei gleichen Privatprodukten kann, unter gleichbleibenden
|
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gesellschaftlichen Verhältnissen, ungleich viel Privatarbeit stecken, aber
|
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immer nur gleich viel allgemein menschliche Arbeit. Ein ungeschickter Schmied
|
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kann in derselben Zeit fünf Hufeisen machen, in der ein geschickter zehn
|
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macht. Aber die Gesellschaft verwertet nicht das zufällige Ungeschick des
|
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einen, sie erkennt als allgemein menschliche Arbeit nur Arbeit von jedesmal normalem
|
|
Durchschnittsgeschick an. Eins der fünf Hufeisen des ersten hat im Austausch
|
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also nicht mehr Wert als eins der in gleicher Arbeitszeit geschmiedeten zehn des
|
|
andern. Nur insofern sie gesellschaftlich notwendig, enthält die Privatarbeit
|
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allgemein menschliche Arbeit.</P>
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<P>Indem ich also sage, eine Ware hat diesen bestimmten Wert, sage ich 1. daß
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sie ein gesellschaftlich nützliches Produkt ist; 2. daß sie von einer
|
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Privatperson für Privatrechnung produziert ist; 3. daß sie, obwohl
|
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Produkt von Privatarbeit, dennoch gleichzeitig und gleichsam ohne es zu wissen
|
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oder zu wollen, auch Produkt von gesellschaftlicher Arbeit ist, und zwar von einer
|
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bestimmten, auf einem gesellschaftlichen Wege, durch den Austausch festgestellten
|
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Menge derselben; 4. drücke ich diese Menge nicht aus in Arbeit selbst, in
|
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soundso viel Arbeitsstunden, sondern <I>in einer andern Ware</I>. Wenn ich also
|
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sage, diese Uhr ist soviel wert wie dies Stück Tuch und jedes von beiden
|
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ist fünfzig Mark wert, so sage ich: in der Uhr, dem Tuch und dem Geld steckt
|
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gleich viel gesellschaftliche Arbeit. Ich konstatiere also, daß die in ihnen
|
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repräsentierte gesellschaftliche Arbeitszeit gesellschaftlich gemessen und
|
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gleichgefunden worden ist. Aber nicht direkt, absolut, wie man sonst Arbeitszeit
|
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mißt, in Arbeitsstunden oder Tagen usw., sondern auf einem Umweg, vermittelst
|
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des Austausches, relativ. Ich kann daher auch dieses festgestellte Quantum Arbeitszeit
|
|
nicht in Arbeitsstunden ausdrücken, deren Zahl mir unbekannt bleibt, sondern
|
|
ebenfalls nur auf einem Umweg, relativ, in einer andern Ware, die das gleiche
|
|
Quantum gesellschaftlicher Arbeitszeit vorstellt. Die Uhr ist soviel wert wie
|
|
das Stück Tuch.</P>
|
|
<P>Indem aber Warenproduktion und Warenaustausch die auf ihnen beruhende Gesellschaft
|
|
zu diesem Umweg zwingen, zwingen sie ebenso zu <A NAME="S287"></A><B>|287|</B>
|
|
seiner möglichsten Verkürzung. Sie sondern aus dem gemeinen Warenpöbel
|
|
eine fürstliche Ware aus, in der der Wert aller andern Waren ein für
|
|
allemal ausdrückbar ist, eine Ware, die als unmittelbare Inkarnation der
|
|
gesellschaftlichen Arbeit gilt und daher gegen alle Waren unmittelbar und unbedingt
|
|
austauschbar wird - das Geld. Das Geld ist im Wertbegriff bereits im Keim enthalten,
|
|
es ist nur der entwickelte Wert. Aber indem der Warenwert sich, gegenüber
|
|
den Waren selbst, verselbständigt im Geld, tritt ein neuer Faktor ein in
|
|
die Waren produzierende und austauschende Gesellschaft, ein Faktor mit neuen gesellschaftlichen
|
|
Funktionen und Wirkungen. Wir haben dies vorderhand nur festzustellen, ohne näher
|
|
darauf einzugehn.</P>
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<P>Die Ökonomie der Warenproduktion ist keineswegs die einzige Wissenschaft,
|
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die nur mit relativ bekannten Faktoren zu rechnen hat. Auch in der Physik wissen
|
|
wir nicht, wieviel einzelne Gasmoleküle in einem gegebnen Gasvolumen, Druck
|
|
und Temperatur ebenfalls gegeben, vorhanden sind. Aber wir wissen, daß,
|
|
soweit das Boylesche Gesetz richtig, ein solches gegebnes Volumen irgendwelches
|
|
Gases ebensoviel Moleküle enthält, wie ein gleiches Volumen eines beliebigen
|
|
andern Gases bei gleichem Druck und gleicher Temperatur. Wir können daher
|
|
die verschiedensten Volumen der verschiedensten Gase, unter den verschiedensten
|
|
Druck- und Temperaturbedingungen, auf ihren Molekulargehalt vergleichen; und wenn
|
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wir 1 Liter Gas bei 0° C und 760 mm Druck als Einheit annehmen, an dieser Einheit
|
|
jenen Molekulargehalt messen. - In der Chemie sind uns die absoluten Atomgewichte
|
|
der einzelnen Elemente ebenfalls unbekannt. Aber wir kennen sie relativ, indem
|
|
wir ihre gegenseitigen Verhältnisse kennen. Wie also die Warenproduktion
|
|
und ihre Ökonomie für die in den einzelnen Waren steckenden, ihr unbekannten
|
|
Arbeitsquanta einen relativen Ausdruck erhält, indem sie diese Waren auf
|
|
ihren relativen Arbeitsgehalt vergleicht, so verschafft sich die Chemie einen
|
|
relativen Ausdruck für die Größe der ihr unbekannten Atomgewichte,
|
|
indem sie die einzelnen Elemente auf ihr Atomgewicht vergleicht, das Atomgewicht
|
|
des einen in Vielfachen oder Bruchteilen des andern (Schwefel, Sauerstoff, Wasserstoff)
|
|
ausdrückt. Und wie die Warenproduktion das Gold zur absoluten Ware, zum allgemeinen
|
|
Äquivalent der übrigen Waren, zum Maß aller Werte erhebt, so erhebt
|
|
die Chemie den Wasserstoff zur chemischen Geldware, indem sie sein Atomgewicht
|
|
= 1 setzt und die Atomgewichte aller übrigen Elemente auf Wasserstoff reduziert,
|
|
in Vielfachen seines Atomgewichts ausdrückt.</P>
|
|
<P>Die Warenproduktion ist indes keineswegs die ausschließliche Form der
|
|
gesellschaftlichen Produktion. In dem altindischen Gemeinwesen, in der südslawischen
|
|
Familiengemeinde verwandeln sich die Produkte nicht in <A NAME="S288"></A><B>|288|</B>
|
|
Waren. Die Mitglieder der Gemeinde sind unmittelbar zur Produktion vergesellschaftet,
|
|
die Arbeit wird nach Herkommen und Bedürfnis verteilt, die Produkte, soweit
|
|
sie zur Konsumtion kommen, ebenfalls. Die unmittelbar gesellschaftliche Produktion
|
|
wie die direkte Verteilung schließen allen Warenaustausch aus, also auch
|
|
die Verwandlung der Produkte in Waren (wenigstens innerhalb der Gemeinde), und
|
|
damit auch ihre Verwandlung in Werte.</P>
|
|
<P>Sobald die Gesellschaft sich in den Besitz der Produktionsmittel setzt und
|
|
sie in unmittelbarer Vergesellschaftung zur Produktion verwendet, wird die Arbeit
|
|
eines jeden, wie verschieden auch ihr spezifisch nützlicher Charakter sei,
|
|
von vornherein und direkt gesellschaftliche Arbeit. Die in einem Produkt steckende
|
|
Menge gesellschaftlicher Arbeit braucht dann nicht erst auf einem Umweg festgestellt
|
|
zu werden; die tägliche Erfahrung zeigt direkt an, wieviel davon im Durchschnitt
|
|
nötig ist. Die Gesellschaft kann einfach berechnen, wieviel Arbeitsstunden
|
|
in einer Dampfmaschine, einem Hektoliter Weizen der letzten Ernte, in hundert
|
|
Quadratmeter Tuch von bestimmter Qualität stecken. Es kann ihr also nicht
|
|
einfallen, die in den Produkten niedergelegten Arbeitsquanta, die sie alsdann
|
|
direkt und absolut kennt, noch fernerhin in einem nur relativen, schwankenden,
|
|
unzulänglichen, früher als Notbehelf unvermeidlichen Maß, in einem
|
|
dritten Produkt auszudrücken und nicht in ihrem natürlichen, adäquaten,
|
|
absoluten Maß, der Zeit. Ebensowenig wie es der Chemie einfallen würde,
|
|
die Atomgewichte auch dann auf dem Umwege des Wasserstoffatoms relativ auszudrücken,
|
|
sobald sie imstande wäre, sie absolut, in ihrem adäquaten Maß
|
|
auszudrücken, nämlich in wirklichem Gewicht, in Billiontel oder Quadrilliontel
|
|
Gramm. Die Gesellschaft schreibt also unter obigen Voraussetzungen den Produkten
|
|
auch keine Werte zu. Sie wird die einfache Tatsache, daß die hundert Quadratmeter
|
|
Tuch meinetwegen tausend Arbeitsstunden zu ihrer Produktion erfordert haben, nicht
|
|
in der schielenden und sinnlosen Weise ausdrücken, sie seien tausend Arbeitsstunden
|
|
wert. Allerdings wird auch dann die Gesellschaft wissen müssen, wieviel Arbeit
|
|
jeder Gebrauchsgegenstand zu seiner Herstellung bedarf. Sie wird den Produktionsplan
|
|
einzurichten haben nach den Produktionsmitteln, wozu besonders auch die Arbeitskräfte
|
|
gehören. Die Nutzeffekte der verschiednen Gebrauchsgegenstände, abgewogen
|
|
untereinander und gegenüber den zu ihrer Herstellung nötigen Arbeitsmengen,
|
|
werden den Plan schließlich bestimmen. Die Leute machen alles sehr einfach
|
|
ab ohne Dazwischenkunft des vielberühmten »Werts«.<A NAME="ZF8"></A><A HREF="me20_239.htm#F8"><SPAN class="top">(8)</SPAN></A></P>
|
|
<P><B><A NAME="S289">|289|</A></B> Der Wertbegriff ist der allgemeinste und daher
|
|
umfassendste Ausdruck der ökonomischen Bedingungen der Warenproduktion. Im
|
|
Wertbegriff ist daher der Keim enthalten, nicht nur des Geldes, sondern auch aller
|
|
weiter entwickelten Formen der Warenproduktion und des Warenaustausches. Darin,
|
|
daß der Wert der Ausdruck der in den Privatprodukten enthaltnen gesellschaftlichen
|
|
Arbeit ist, liegt schon die Möglichkeit der Differenz zwischen dieser und
|
|
der im selben Produkt enthaltnen Privatarbeit. Produziert also ein Privatproduzent
|
|
nach alter Weise weiter, während die gesellschaftliche Produktionsweise fortschreitet,
|
|
so wird ihm diese Differenz empfindlich fühlbar. Dasselbe geschieht, sobald
|
|
die Gesamtheit der Privatanfertiger einer bestimmten Warengattung ein den gesellschaftlichen
|
|
Bedarf überschießendes Quantum davon produziert. Darin, daß der
|
|
Wert einer Ware nur in einer andern Ware ausgedrückt und nur im Austausch
|
|
gegen sie realisiert werden kann, liegt die Möglichkeit, daß der Austausch
|
|
überhaupt nicht zustande kommt oder doch nicht den richtigen Wert realisiert.
|
|
Endlich, tritt die spezifische Ware Arbeitskraft auf den Markt, so bestimmt sich
|
|
ihr Wert, wie der jeder andern Ware, nach der zu ihrer Produktion gesellschaftlich
|
|
nötigen Arbeitszeit- In der Wertform der Produkte steckt daher bereits im
|
|
Keim die ganze kapitalistische Produktionsform, der Gegensatz von Kapitalisten
|
|
und Lohnarbeitern, die industrielle Reservearmee, die Krisen. Die kapitalistische
|
|
Produktionsform abschaffen wollen durch Herstellung des »wahren Werts« heißt
|
|
daher den Katholizismus abschaffen wollen durch die Herstellung des <SMALL>»</SMALL>wahren«
|
|
Papstes« oder eine Gesellschaft, in der die Produzenten endlich einmal ihr Produkt
|
|
beherrschen, herstellen durch konsequente Durchführung einer ökonomischen
|
|
Kategorie, die der umfassendste Ausdruck der Knechtung der Produzenten durch ihr
|
|
eignes Produkt ist.</P>
|
|
<P>Hat die Waren produzierende Gesellschaft die den Waren, als solchen, inhärente
|
|
Wertform weiterentwickelt zur Geldform, so brechen bereits verschiedne der im
|
|
Wert noch verborgnen Keime an den Tag. Die nächste und wesentlichste Wirkung
|
|
ist die Verallgemeinerung der Warenform. Auch den bisher für direkten Selbstverbrauch
|
|
produzierten Gegenständen zwingt das Geld Warenform auf, reißt sie
|
|
in den Austausch. Damit dringt die Warenform und das Geld ein in den innern Haushalt
|
|
der zur Produktion unmittelbar vergesellschafteten Gemeinwesen, bricht ein Band
|
|
der <A NAME="S290"></A><B>|290|</B> Gemeinschaft nach dem andern und löst
|
|
das Gemeinwesen auf in einen Haufen von Privatproduzenten. Das Geld setzt zuerst,
|
|
wie in Indien zu sehn, an die Stelle der gemeinsamen Bodenbebauung die Einzelkultur;
|
|
später löst es das noch in zeitweilig wiederholter Umteilung zutage
|
|
tretende gemeinsame Eigentum am Ackerland auf durch endgültige Aufteilung
|
|
(z.B. in den Gehöferschaften an der Mosel), beginnend auch in der russischen
|
|
Gemeinde); endlich drängt es zur Verteilung des noch übrigen gemeinsamen
|
|
Wald- und Weidebesitzes. Welche andern, in der Entwicklung der Produktion begründeten
|
|
Ursachen auch hier mitarbeiten, das Geld bleibt immer das mächtigste Mittel
|
|
ihrer Einwirkung auf die Gemeinwesen. Und mit derselben Naturnotwendigkeit müßte
|
|
das Geld, allen »Gesetzen und Verwaltungsnormen« zum Trotz, die Dühringsche
|
|
Wirtschaftskommune auflösen, käme sie je zustande.</P>
|
|
<P>Wir haben bereits oben (Ökonomie, VI) gesehn, daß es ein Widerspruch
|
|
in sich selbst ist, von einem Wert der Arbeit zu sprechen. Da Arbeit unter gewissen
|
|
gesellschaftlichen Verhältnissen nicht nur Produkte erzeugt, sondern auch
|
|
Wert, und dieser Wert durch die Arbeit gemessen wird, so kann sie ebensowenig
|
|
einen besondern Wert haben wie die Schwere als solche ein besondres Gewicht oder
|
|
die Wärme eine besondre Temperatur. Es ist aber die charakteristische Eigenschaft
|
|
aller über den »wahren Wert« grübelnden Sozialkonfusion, sich einzubilden,
|
|
der Arbeiter erhalte in der heutigen Gesellschaft nicht den vollen »Wert« seiner
|
|
Arbeit und der Sozialismus sei berufen, dem abzuhelfen. Dazu gehört dann
|
|
zunächst, auszufinden, was der Wert der Arbeit ist; und diesen findet man,
|
|
indem man versucht, die Arbeit nicht an ihrem adäquaten Maß, der Zeit,
|
|
zu messen, sondern an ihrem Produkt. Der Arbeiter soll den »vollen Arbeitsertrag«
|
|
erhalten. Nicht nur Arbeitsprodukt, sondern Arbeit selbst soll unmittelbar austauschbar
|
|
sein gegen Produkt, eine Arbeitsstunde gegen das Produkt einer andren Arbeitsstunde.
|
|
Dies hat aber sofort einen sehr »bedenklichen« Haken. Das <I>ganze Produkt </I>wird
|
|
verteilt. Die wichtigste progressive Funktion der Gesellschaft, die Akkumulation,
|
|
wird der Gesellschaft entzogen und in die Hände und die Willkür der
|
|
einzelnen gelegt. Die einzelnen mögen mit ihren »Erträgen« machen, was
|
|
sie wollen, die Gesellschaft bleibt im besten Fall so reich oder so arm, wie sie
|
|
war. Man hat also die in der Vergangenheit akkumulierten Produktionsmittel nur
|
|
deshalb in den Händen der Gesellschaft zentralisiert, damit alle in Zukunft
|
|
akkumulierten Produktionsmittel wieder in den Händen der einzelnen zersplittert
|
|
werden. Man schlägt seinen eignen Voraussetzungen ins Gesicht, man ist angekommen
|
|
bei einer puren Absurdität.</P>
|
|
<P><B><A NAME="S291">|291|</A></B> Flüssige Arbeit, tätige Arbeitskraft
|
|
soll ausgetauscht werden gegen Arbeitsprodukt. Dann ist sie Ware, ebenso wie das
|
|
Produkt, wogegen sie ausgetauscht werden soll. Dann wird der Wert dieser Arbeitskraft
|
|
bestimmt keineswegs nach ihrem Produkt, sondern nach der in ihr verkörperten
|
|
gesellschaftlichen Arbeit, also nach dem heutigen Gesetz des Arbeitslohns.</P>
|
|
<P>Aber das soll ja grade nicht sein. Die flüssige Arbeit, die Arbeitskraft
|
|
soll austauschbar sein gegen ihr volles Produkt. Das heißt, sie soll austauschbar
|
|
sein nicht gegen ihren <I>Wert</I>, sondern gegen ihren <I>Gebrauchswert</I>;
|
|
das Wertgesetz soll für alle andern Waren gelten, aber es soll aufgehoben
|
|
sein für die Arbeitskraft. Und diese sich selbst aufhebende Konfusion ist
|
|
es, die sich hinter dem »Wert der Arbeit« verbirgt.</P>
|
|
<P>Der <SMALL>»</SMALL>Austausch von Arbeit gegen Arbeit nach dem Grundsatz der
|
|
gleichen Schätzung«, soweit er einen Sinn hat, also die Austauschbarkeit
|
|
von Produkten gleicher gesellschaftlichen Arbeit gegeneinander, also das Wertgesetz,
|
|
ist das Grundgesetz grade der Warenproduktion, also auch der höchsten Form
|
|
derselben, der kapitalistischen Produktion. Es setzt sich in der heutigen Gesellschaft
|
|
durch in derselben Weise, in der allein ökonomische Gesetze in einer Gesellschaft
|
|
von Privatproduzenten sich durchsetzen können: als in den Dingen und Verhältnissen
|
|
liegendes, vom Wollen oder Laufen der Produzenten unabhängiges, blind wirkendes
|
|
Naturgesetz. Indem Herr Dühring dies Gesetz zum Grundgesetz seiner Wirtschaftskommune
|
|
erhebt und verlangt, daß diese es mit vollem Bewußtsein durchführen
|
|
soll, macht er das Grundgesetz der bestehenden Gesellschaft zum Grundgesetz seiner
|
|
Phantasiegesellschaft. Er will die bestehende Gesellschaft, aber ohne ihre Mißstände.
|
|
Er bewegt sich dabei ganz auf demselben Boden wie Proudhon. Wie dieser will er
|
|
die Mißstände, die aus der Entwicklung der Warenproduktion zur kapitalistischen
|
|
Produktion entstanden sind, beseitigen, indem er ihnen gegenüber das Grundgesetz
|
|
der Warenproduktion geltend macht, dessen Betätigung grade diese Mißstände
|
|
erzeugt hat. Wie Proudhon will er die wirklichen Konsequenzen des Wertgesetzes
|
|
aufheben durch phantastische.</P>
|
|
<P>Wie stolz er aber auch hinausreite, unser moderner Don Quijote, auf seiner
|
|
edlen Rosinante, dem <SMALL>»</SMALL>universellen Prinzip der Gerechtigkeit«,
|
|
und gefolgt von seinem wackern Sancho Pansa Abraham Enß, auf der irrenden
|
|
Ritterfahrt zur Eroberung des Helms des Mambrin, des »Werts der Arbeit« - wir
|
|
fürchten, wir fürchten, er bringt nichts heim, als das alte bekannte
|
|
Barbierbecken.</P>
|
|
<H3 ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_V"></A>V. Staat, Familie, Erziehung</H3>
|
|
<P><B><A NAME="S292"></A>|292|</B> Mit den beiden vorigen Abschnitten hätten
|
|
wir nun den ökonomischen Inhalt der »neuen sozialitären Gebilde« des
|
|
Herrn Dühring so ziemlich erschöpft. Höchstens wäre noch zu
|
|
bemerken, daß »die universelle Weite des geschichtlichen Umblicks« ihn keineswegs
|
|
verhindert, seine Spezialinteressen wahrzunehmen, auch abgesehn von der bekannten
|
|
mäßigen Mehrkonsumtion. Da die alte Teilung der Arbeit in der Sozialität
|
|
fortbesteht, wird die Wirtschaftskommune außer mit Architekten und Karrenschiebern
|
|
auch mit Literaten von Profession zu rechnen haben, wobei dann die Frage entsteht,
|
|
wie es alsdann mit dem Autorrecht gehalten werden soll. Diese Frage beschäftigt
|
|
Herrn Dühring mehr als jede andre. Überall, z.B. bei Gelegenheit von
|
|
Louis Blanc und Proudhon, gerät das Autorrecht dem Leser zwischen die Beine,
|
|
um endlich auf neun Seiten des »Cursus« des breitern breitgetreten und in der
|
|
Form einer mysteriösen »Arbeitsbelohnung« - ob mit oder ohne mäßige
|
|
Mehrkonsumtion wird nicht gesagt - glücklich in den Hafen der Sozialität
|
|
hinübergerettet zu werden. Ein Kapitel über die Stellung der Flöhe
|
|
im natürlichen System der Gesellschaft wäre ebenso angebracht gewesen
|
|
und jedenfalls weniger langweilig.</P>
|
|
<P>Über die Staatsordnung der Zukunft gibt die »Philosophie« ausführliche
|
|
Vorschriften. Hier hat Rousseau, obwohl »der einzige bedeutende Vorgänger»
|
|
des Herrn Dühring, dennoch den Grund nicht tief genug gelegt; sein tieferer
|
|
Nachfolger hilft dem gründlich ab, indem er den Rousseau aufs alleräußerste
|
|
verwässert und mit ebenfalls zu breiter Bettelsuppe verkochten Abfällen
|
|
der Hegelschen Rechtsphilosophie versetzt. »Die Souveränetät des Individuums«
|
|
bildet die Grundlage des Dühringschen Zukunftsstaats; sie soll in der Herrschaft
|
|
der Majorität nicht unterdrückt werden, sondern erst recht kulminieren.
|
|
Wie geht das zu? Sehr einfach.</P>
|
|
<P><SMALL>»Wenn man in allen Richtungen Übereinkünfte eines jeden mit jedem
|
|
andern voraussetzt, und wenn diese Verträge die gegenseitige Hülfeleistung
|
|
gegen ungerechte Verletzungen zum Gegenstand haben - alsdann wird nur die Macht
|
|
zur Aufrechterhaltung des Rechts verstärkt und aus keiner bloßen Übergewalt
|
|
der Menge über den einzelnen oder der Mehrheit über die Minderheit ein
|
|
Recht abgeleitet.«</SMALL></P>
|
|
<P>Mit solcher Leichtigkeit setzt die lebendige Kraft des wirklichkeitsphilosophischen
|
|
Hokuspokus über die unpassierbarsten Hindernisse hinweg und wenn der Leser
|
|
meint, er sei hiernach nicht klüger als zuvor, so antwortet ihm Herr Dühring,
|
|
er möge die Sache nur ja nicht so leicht nehmen, denn</P>
|
|
<B></B>
|
|
<P><SMALL><B><A NAME="S293">|293|</A></B> »der <I>geringste Fehlgriff</I> in der
|
|
Auffassung der Rolle des Gesamtwillens würde die Souveränetät des
|
|
Individuums <I>vernichten</I>, und diese Souveränetät ist es allein,
|
|
was (!) zur Ableitung wirklicher Rechte führt«.</SMALL></P>
|
|
<P>Herr Dühring behandelt sein Publikum ganz wie es verdient, wenn er es
|
|
zum besten hält. Er konnte sogar noch bedeutend dicker auftragen; die Studiosen
|
|
der Wirklichkeitsphilosophie hätten es doch nicht gemerkt.</P>
|
|
<P>Die Souveränität des Individuums besteht nun wesentlich darin, daß</P>
|
|
<P><SMALL>»der einzelne dem Staat gegenüber in <I>absoluter Weise gezwungen</I>
|
|
wird«, dieser Zwang aber sich nur insoweit rechtfertigen kann, als er »wirklich
|
|
der natürlichen Gerechtigkeit dient«. Zu diesem Zweck wird es »Gesetzgebung
|
|
und Richtertum« geben, aber sie »müssen bei der Gesamtheit bleiben«; ferner
|
|
einen Wehrbund, der sich im »Zusammenstehn im Heere oder in einer zum innern Sicherheitsdienste
|
|
gehörigen Exekutivabteilung« äußert,</SMALL></P>
|
|
<P>also auch Armee, Polizei, Gensdarmen. Herr Dühring hat sich zwar schon
|
|
so oft als braver Preuße bewährt; hier beweist er seine Ebenbürtigkeit
|
|
mit jenem Musterpreußen, der nach dem weiland Minister von Rochow »seinen
|
|
Gensdarmen in der Brust trägt«. Diese Zukunftsgensdarmrie wird aber nicht
|
|
so gefährlich sein, wie die heutigen »Zarucker«. Was sie auch an dem souveränen
|
|
Individuum verüben möge, dieses hat immer <I>einen Trost</I>:</P>
|
|
<P><SMALL>»das Recht oder Unrecht, welches ihm alsdann, je nach den Umständen, von
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seiten der freien Gesellschaft widerfährt, kann nie <I>etwas Schlimmeres
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</I>sein, als was auch der <I>Naturzustand </I>mit sich bringen würde«!</SMALL></P>
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<P>Und dann, nachdem Herr Dühring uns noch einmal über sein unvermeidliches
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Autorrecht hat stolpern lassen, versichert er uns, es werde in seiner Zukunftswelt
|
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eine</P>
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<P><SMALL>»selbstverständlich völlig freie und allgemeine Advokatur«</SMALL></P>
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<P>geben. »Die heute erdachte freie Gesellschaft« wird immer gemischter. Architekten,
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Karrenschieber, Literaten, Gensdarmen, und nun auch noch Advokaten! Dies »solide
|
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und kritische Gedankenreich« gleicht aufs Haar den verschiednen Himmelreichen
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der verschiednen Religionen, in denen der Gläubige immer das verklärt
|
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wiederfindet, was ihm sein irdisches Leben versüßt hat. Und Herr Dühring
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gehört ja dem Staate an, wo »jeder nach seiner Fasson selig werden kann«.
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Was wollen wir mehr?</P>
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<P>Was wir wollen mögen, ist indes hier gleichgültig. Es kommt darauf
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an, was Herr Dühring will. Und dieser unterscheidet sich von Friedrich II.
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dadurch, daß im Dühringschen Zukunftsstaat keineswegs jeder nach seiner
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Fasson selig werden kann. In der Verfassung dieses Zukunftsstaats heißt
|
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es:</P>
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<B></B>
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<P><SMALL><B><A NAME="S294">|294|</A></B> »In der freien Gesellschaft kann es
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keinen Kultus geben; denn von jedem ihrer Glieder ist die kindische Ureinbildung
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überwunden, daß es hinter oder über der Natur Wesen gebe, auf
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die sich durch Opfer oder Gebete wirken lasse.« Ein »richtig verstandnes Sozialitätssystem
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hat daher ... alle Zurüstungen zur geistlichen Zauberei und mithin alle wesentlichen
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Bestandteile der Kulte abzutun«.</SMALL></P>
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<P>Die Religion wird verboten.</P>
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<P>Nun ist alle Religion nichts andres als die phantastische Widerspiegelung,
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in den Köpfen der Menschen, derjenigen äußern Mächte, die
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ihr alltägliches Dasein beherrschen, eine Widerspiegelung, in der die irdischen
|
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Mächte die Form von überirdischen annehmen. In den Anfängen der
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Geschichte sind es zuerst die Mächte der Natur, die diese Rückspiegelung
|
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erfahren und in der weitern Entwicklung bei den verschiednen Völkern die
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|
mannigfachsten und buntesten Personifikationen durchmachen. Dieser erste Prozeß
|
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ist wenigstens für die indoeuropäischen Völker durch die vergleichende
|
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Mythologie bis auf seinen Ursprung in den indischen Vedas zurückverfolgt
|
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und in seinem Fortgang bei Indern, Persern, Griechen, Römern, Germanen und,
|
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soweit das Material reicht, auch bei Kelten, Litauern und Slawen im einzelnen
|
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nachgewiesen worden. Aber bald treten neben den Naturmächten auch gesellschaftliche
|
|
Mächte in Wirksamkeit, Mächte, die den Menschen ebenso fremd und im
|
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Anfang ebenso unerklärlich gegenüber stehn, sie mit derselben scheinbaren
|
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Naturnotwendigkeit beherrschen wie die Naturmächte selbst. Die Phantasiegestalten,
|
|
in denen sich anfangs nur die geheimnisvollen Kräfte der Natur widerspiegelten,
|
|
erhalten damit gesellschaftliche Attribute, werden Repräsentanten geschichtlicher
|
|
Mächte.<A NAME="ZF9"></A><A HREF="me20_239.htm#F9"><SPAN class="top">(9)</SPAN></A> Auf einer noch
|
|
weitern Entwicklungsstufe werden sämtliche natürlichen und gesellschaftlichen
|
|
Attribute der vielen Götter auf Einen allmächtigen Gott übertragen,
|
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der selbst wieder nur der Reflex des abstrakten Menschen ist. So entstand der
|
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Monotheismus, der geschichtlich das letzte Produkt der spätern griechischen
|
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Vulgärphilosophie war und im jüdischen ausschließlichen Nationalgott
|
|
Jahve seine Verkörperung vorfand. In dieser bequemen, handlichen und allem
|
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anpaßbaren Gestalt kann die Religion fortbestehn als unmittelbare, das heißt
|
|
gefühlsmäßige Form des Verhaltens der Menschen <A NAME="S295"></A><B>|295|</B>
|
|
zu den sie beherrschenden fremden, natürlichen und gesellschaftlichen Mächten,
|
|
solange die Menschen unter der Herrschaft solcher Mächte stehn Wir haben
|
|
aber mehrfach gesehn, daß in der heutigen bürgerlichen Gesellschaft
|
|
die Menschen von den von ihnen selbst geschaffnen ökonomischen Verhältnissen,
|
|
von den von ihnen selbst produzierten Produktionsmitteln wie von einer fremden
|
|
Macht beherrscht werden. Die tatsächliche Grundlage der religiösen Reflexaktion
|
|
dauert also fort und mit ihr der religiöse Reflex selbst. Und wenn auch die
|
|
bürgerliche Ökonomie eine gewisse Einsicht in den ursächlichen
|
|
Zusammenhang dieser Fremdherrschaft eröffnet, so ändert dies der Sache
|
|
nach nichts. Die bürgerliche Ökonomie kann weder die Krisen im ganzen
|
|
verhindern noch den einzelnen Kapitalisten vor Verlusten, schlechten Schulden
|
|
und Bankrott oder den einzelnen Arbeiter vor Arbeitslosigkeit und Elend schützen.
|
|
Es heißt noch immer: der Mensch denkt und Gott (das heißt die Fremdherrschaft
|
|
der kapitalistischen Produktionsweise) lenkt. Die bloße Erkenntnis, und
|
|
ginge sie weiter und tiefer als die der bürgerlichen Ökonomie, genügt
|
|
nicht, um gesellschaftliche Mächte der Herrschaft der Gesellschaft zu unterwerfen.
|
|
Dazu gehört vor allem eine gesellschaftliche Tat. Und wenn diese Tat vollzogen,
|
|
wenn die Gesellschaft durch Besitzergreifung und planvolle Handhabung der gesamten
|
|
Produktionsmittel sich selbst und alle ihre Mitglieder aus der Knechtung befreit
|
|
hat, in der sie gegenwärtig gehalten werden durch diese von ihnen selbst
|
|
produzierten, aber ihnen als übergewaltige fremde Macht gegenüberstehenden
|
|
Produktionsmittel, wenn der Mensch also nicht mehr bloß denkt, sondern auch
|
|
lenkt, dann erst verschwindet die letzte fremde Macht, die sich jetzt noch in
|
|
der Religion widerspiegelt, und damit verschwindet auch die religiöse Widerspiegelung
|
|
selbst, aus dem einfachen Grunde, weil es dann nichts mehr widerzuspiegeln gibt.</P>
|
|
<P>Herr Dühring dagegen kann es nicht abwarten, bis die Religion dieses ihres
|
|
natürlichen Todes verstirbt. Er verfährt wurzelhafter. Er überbismarckt
|
|
den Bismarck; er dekretiert verschärfte Maigesetze, nicht bloß gegen
|
|
den Katholizismus, sondern gegen alle Religion überhaupt; er hetzt seine
|
|
Zukunftsgensdarmen auf die Religion und verhilft ihr damit zum Märtyrertum
|
|
und zu einer verlängerten Lebensfrist. Wohin wir blicken, spezifisch preußischer
|
|
Sozialismus.</P>
|
|
<P>Nachdem Herr Dühring so die Religion glücklich vernichtet,</P>
|
|
<P><SMALL>»kann nun der allein auf sich und die Natur gestellte und zur Erkenntnis seiner
|
|
Kollektivkräfte gereifte Mensch kühn alle Wege einschlagen, die ihm
|
|
der Lauf der Dinge und sein eignes Wesen eröffnen«.</SMALL></P>
|
|
<P><B><A NAME="S296">|296|</A></B> Betrachten wir nun zur Abwechslung, welchen
|
|
»Lauf der Dinge« der auf sich selbst gestellte Mensch an der Hand des Herrn Dühring
|
|
kühn einschlagen kann.</P>
|
|
<P>Der erste Lauf der Dinge, wodurch der Mensch auf sich selbst gestellt wird, ist der, geboren zu werden. Dann bleibt er</P>
|
|
<P><SMALL>für die Zeit der natürlichen Unmündigkeit der »natürlichen
|
|
Erzieherin der Kinder«, der Mutter anvertraut. »Diese Periode mag, wie im alten
|
|
römischen Recht, bis zur Pubertät, also etwa bis zum vierzehnten Jahr
|
|
reichen.« Nur wo ungezogene ältere Knaben das Ansehn der Mutter nicht gehörig
|
|
respektieren, wird der väterliche Beistand, namentlich aber die öffentlichen
|
|
Erziehungsvorkehrungen diesen Mangel unschädlich machen. Mit der Pubertät
|
|
tritt das Kind unter »die natürliche Vormundschaft des Vaters«, wenn nämlich
|
|
ein solcher mit »unbestrittner wirklicher Vaterschaft« vorhanden ist; andernfalls
|
|
stellt die Gemeinde einen Vormund.</SMALL></P>
|
|
<P>Wie Herr Dühring sich früher vorstellte, man könne die kapitalistische
|
|
Produktionsweise durch die gesellschaftliche ersetzen, ohne die Produktion selbst
|
|
umzugestalten, so bildet er sich hier ein, man könne die modern-bürgerliche
|
|
Familie von ihrer ganzen ökonomischen Grundlage losreißen, ohne dadurch
|
|
ihre ganze Form zu verändern. Diese Form ist für ihn so unwandelbar,
|
|
daß er sogar das »alte römische Recht«, wenn auch in etwas »veredelter«
|
|
Gestalt, für die Familie in alle Ewigkeit maßgebend macht und sich
|
|
eine Familie nur als »vererbende«, das heißt als besitzende Einheit vorstellen
|
|
kann. Die Utopisten stehn hier weit über Herrn Dühring. Ihnen war mit
|
|
der freien Vergesellschaftung der Menschen und der Verwandlung der häuslichen
|
|
Privatarbeit in eine öffentliche Industrie auch die Vergesellschaftung der
|
|
Jugenderziehung und damit ein wirklich freies gegenseitiges Verhältnis der
|
|
Familienglieder unmittelbar gegeben. Und ferner hat bereits Marx (Kapital, Seite
|
|
515 u.f. |Siehe Karl Marx: »Das Kapital« Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels:
|
|
Werke, <A HREF="../me23/me23_483.htm#S514">Bd. 23, S. 514</A>|) nachgewiesen,
|
|
wie »die große Industrie mit der entscheidenden Rolle, die sie den Weibern,
|
|
jungen Personen und Kindern beiderlei Geschlechts in gesellschaftlich organisierten
|
|
Produktionsprozessen jenseits der Sphäre des Hauswesens zuweist, die neue
|
|
ökonomische Grundlage schafft für eine höhere Form der Familie
|
|
und des Verhältnisses beider Geschlechter«.</P>
|
|
<P><SMALL>»Jeder sozialreformatorische Phantast«, sagt Herr Dühring, »hat natürlich
|
|
die seinem neuen sozialen Leben entsprechende Pädagogik in Bereitschaft.«</SMALL></P>
|
|
<P>An diesem Satze gemessen, erscheint Herr Dühring als »ein wahres Monstrum«
|
|
unter den sozialreformatorischen Phantasten. Die Zukunftsschule <A NAME="S297"></A><B>|297|</B>
|
|
beschäftigt ihn mindestens ebensoviel wie das Autorrecht, und das will wahrhaftig
|
|
viel sagen. Nicht nur für die ganze »absehbare Zukunft« hat er Schulplan
|
|
und Universitätsplan fix und fertig, sondern auch für die Übergangsperiode.
|
|
Beschränken wir uns indes darauf, was der Jugend beiderlei Geschlechts in
|
|
der endgültigen Sozialität letzter Instanz beigebracht werden soll.</P>
|
|
<P>Die allgemeine Volksschule bietet</P>
|
|
<P><SMALL>»alles, was an sich selbst und prinzipiell für den Menschen einen Reiz
|
|
haben kann«, also namentlich die »Grundlagen und Hauptergebnisse aller die Welt-
|
|
und Lebensansichten berührenden Wissenschaften«. Sie lehrt also vor allem
|
|
Mathematik und zwar so, daß der Kreis aller prinzipiellen Begriffe und Mittel
|
|
vom einfachen Zählen und Addieren bis zur Integralrechnung »vollständig
|
|
durchmessen« wird.</SMALL></P>
|
|
<P>Das heißt aber nicht, daß in dieser Schule wirklich differenziert
|
|
und integriert werden soll, im Gegenteil. Es sollen vielmehr dort ganz neue Elemente
|
|
der Gesamtmathematik gelehrt werden, die sowohl die gewöhnliche elementare,
|
|
wie auch die höhere Mathematik im Keime in sich enthalten. Obwohl nun Herr
|
|
Dühring von sich behauptet, auch schon</P>
|
|
<P><SMALL>»den Inhalt der Lehrbücher« dieser Zukunftsschule »in seinen Hauptzügen
|
|
schematisch vor Augen«</SMALL></P>
|
|
<P>zu haben, so hat es ihm doch leider bis jetzt nicht gelingen wollen, diese
|
|
</P>
|
|
<P><SMALL>»Elemente der gesamten Mathematik«</SMALL></P>
|
|
<P>zu entdecken; und was er nicht leisten kann, das</P>
|
|
<P><SMALL>»ist auch wirklich erst von den freien und gesteigerten Kräften des neuen
|
|
Gesellschaftszustandes zu erwarten«.</SMALL></P>
|
|
<P>Wenn aber die Trauben der Zukunftsmathematik einstweilen noch sehr sauer sind,
|
|
so wird die Astronomie, Mechanik und Physik der Zukunft desto weniger Schwierigkeiten
|
|
machen und</P>
|
|
<P><SMALL>»den Kern aller Schulung abgeben«, während »Pflanzen- und Tierkunde, mit
|
|
ihrer, trotz aller Theorien, noch immer vornehmlich beschreibenden Art und Weise
|
|
... mehr zur leichtern Unterhaltung« dienen werden.</SMALL></P>
|
|
<P>So steht's gedruckt, Philosophie«, Seite 417. Herr Dühring kennt bis auf
|
|
den heutigen Tag keine andre als eine vornehmlich beschreibende Pflanzen- und
|
|
Tierkunde. Die ganze organische Morphologie, die die vergleichende Anatomie, Embryologie
|
|
und Paläontologie der organischen Welt umfaßt, ist ihm selbst dem Namen
|
|
nach unbekannt. Während hinter seinem Rücken im Bereich der Biologie
|
|
ganz neue Wissenschaften fast zu Dutzenden <A NAME="S298"></A><B>|298|</B> entstehn,
|
|
holt sein kindliches Gemüt sich noch immer die »eminent modernen Bildungselemente
|
|
der naturwissenschaftlichen Denkweise« aus Raffs »Naturgeschichte für Kinder«,
|
|
und oktroyiert diese Verfassung der organischen Welt ebenfalls der ganzen »absehbaren
|
|
Zukunft«. Die Chemie ist, wie gewöhnlich bei ihm, auch hier total vergessen
|
|
worden.</P>
|
|
<P>Für die ästhetische Seite des Unterrichts wird Herr Dühring
|
|
alles neu zu beschaffen haben. Die bisherige Poesie taugt dazu nicht. Wo alle
|
|
Religion verboten ist, kann die bei den frühern Poeten übliche »Zurichtung
|
|
mythologischer oder sonst religiöser Art« selbstredend nicht in der Schule
|
|
geduldet werden. Auch der »poetische Mystizismus, wie ihn z.B. Goethe stark gepflegt
|
|
hat«, ist verwerflich. Herr Dühring wird sich also selbst entschließen
|
|
müssen, uns jene dichterischen Meisterwerke zu liefern, die »den höhern
|
|
Ansprüchen einer mit dem Verstande ausgeglichenen Phantasie entsprechen«
|
|
und das echte Ideal darstellen, welches »die Vollendung der Welt bedeutet«. Möge
|
|
er nicht damit zaudern. Welterobernd kann die Wirtschaftskommune erst wirken,
|
|
sobald sie in dem mit dem Verstand ausgeglichnen Sturmschritt des Alexandriners
|
|
einherwandelt.</P>
|
|
<P>Mit der Philologie wird der heranwachsende Zukunftsbürger nicht viel geplagt
|
|
werden.</P>
|
|
<P><SMALL>»Die toten Sprachen kommen ganz in Wegfall ... die fremden lebenden Sprachen
|
|
aber werden ... etwas Nebensächliches bleiben.« Nur wo der Verkehr unter
|
|
den Völkern sich auf die Bewegung der Volksmassen selbst erstreckt, sollen
|
|
sie jedem in leichter Weise, je nach Bedürfnis, zugänglich gemacht werden.
|
|
»Die wirklich bildende Sprachschulung« wird gefunden in einer Art allgemeiner
|
|
Grammatik und namentlich in »Stoff und Form der eignen Sprache«.</SMALL></P>
|
|
<P>Die nationale Borniertheit der heutigen Menschen ist noch viel zu kosmopolitisch
|
|
für Herrn Dühring. Er will auch noch die beiden Hebel abschaffen, die
|
|
in der heutigen Welt wenigstens die Gelegenheit zur Erhebung über den beschränkten
|
|
nationalen Standpunkt bieten: die Kenntnis der alten Sprachen, die wenigstens
|
|
den klassisch gebildeten Leuten aller Völker einen gemeinsamen erweiterten
|
|
Horizont eröffnet, und die Kenntnis der neuern Sprachen, vermittelst deren
|
|
die Leute der verschiednen Nationen allein untereinander sich verständigen
|
|
und sich mit dem bekannt machen können, was außerhalb ihrer eignen
|
|
Grenzen vorgeht. Dagegen soll die Grammatik der Landessprache gründlich eingepaukt
|
|
werden. »Stoff und Form der eignen Sprache« sind aber nur dann verständlich,
|
|
wenn man ihre Entstehung und allmähliche Entwicklung verfolgt, und dies ist
|
|
nicht möglich ohne Berücksichtigung erstens ihrer eignen abgestorbnen
|
|
Formen und zweitens der verwandten lebenden und toten Sprachen. Damit sind wir
|
|
aber wieder auf <A NAME="S299"></A><B>|299|</B> dem ausdrücklich verbotnen
|
|
Gebiet. Wenn aber hiermit Herr Dühring die ganze moderne historische Grammatik
|
|
aus seinem Schulplan ausstreicht, so bleibt ihm nichts für den Sprachunterricht
|
|
als die altfränkische, ganz im Stil der alten klassischen Philologie zugestutzte,
|
|
technische Grammatik mit allen ihren, auf dem Mangel an geschichtlicher Grundlage
|
|
beruhenden Kasuistereien und Willkürlichkeiten. Der Haß gegen die alte
|
|
Philologie bringt ihn dazu, das allerschlechteste Produkt der alten Philologie
|
|
zum »Mittelpunkt der wirklich bildenden Sprachschulung« zu erheben. Man sieht
|
|
klar, daß wir es mit einem Sprachgelehrten zu tun haben, der von der ganzen,
|
|
seit sechzig Jahren so gewaltig und so erfolgreich entwickelten historischen Sprachforschung
|
|
nie reden gehört hat, und der daher »die eminent modernen Bildungselemente«
|
|
der Sprachschulung nicht sucht bei Bopp, Grimm und Diez, sondern bei Heyse und
|
|
Becker seligen Andenkens.</P>
|
|
<P>Mit allem diesem wäre aber der angehende Zukunftsbürger noch lange
|
|
nicht »auf sich selbst gestellt«. Hierzu gehört wieder eine tiefere Grundlegung,
|
|
vermittelst der</P>
|
|
<P><SMALL>»Aneignung der letzten philosophischen Grundlagen«. »Eine solche Vertiefung
|
|
wird aber ... nichts weniger als eine Riesenaufgabe bleiben«, seitdem Herr Dühring
|
|
hier reine Bahn gemacht hat. In der Tat, »säubert man das wenige strenge
|
|
Wissen, dessen sich die allgemeine Schematik des Seins rühmen kann, von den
|
|
falschen, scholastischen Verschnörkelungen, und entschließt man sich,
|
|
überall nur die« von Herrn Dühring »beglaubigte Wirklichkeit gelten
|
|
zu lassen«, so ist die Elementarphilosophie auch der Zukunftsjugend vollständig
|
|
zugänglich gemacht. »Man erinnere sich der <I>höchst einfachen Wendungen</I>,
|
|
mit denen wir den Unendlichkeitsbegriffen und deren Kritik zu einer bisher ungekannten
|
|
Tragweite verholfen haben« - so ist »gar nicht abzusehn, warum die durch die gegenwärtige
|
|
Vertiefung und Verschärfung so einfach gestalteten Elemente der universellen
|
|
Raum- und Zeitauffassung nicht schließlich in die Reihe der Vorkenntnisse
|
|
übergehn sollten ... die wurzelhaftesten Gedanken« des Herrn Dühring
|
|
»dürfen in der universellen Bildungssystematik der neuen Gesellschaft keine
|
|
Nebenrolle spielen«. Der sich selbst gleiche Zustand der Materie und die abgezählte
|
|
Unzahl sind im Gegenteil dazu berufen, den Menschen »nicht nur auf eignen Füßen
|
|
stehn, sondern auch aus sich selbst wissen zu lassen, daß er das sogenannte
|
|
<I>Absolute unter den Füßen hat</I>«.</SMALL></P>
|
|
<P>Die Volksschule der Zukunft, wie man sieht, ist nichts als eine etwas »veredelte«
|
|
preußische Pennalia, auf der Griechisch und Lateinisch durch etwas mehr
|
|
reine und angewandte Mathematik und namentlich durch die Elemente der Wirklichkeitsphilosophie
|
|
ersetzt und der deutsche Unterricht wieder auf Becker selig, also etwa bis auf
|
|
Tertia heruntergebracht wird. Es ist in der Tat »gar nicht abzusehn«, warum die
|
|
nunmehr von uns auf allen vor ihm berührten Gebieten als höchst schülerhaft
|
|
nachgewiesenen »Kennt- <A NAME="S300"></A><B>|300|</B> nisse« des Herrn Dühring
|
|
oder vielmehr, was nach vorgängiger gründlicher »Säuberung« überhaupt
|
|
von ihnen übrigbleibt, nicht samt und sonders »schließlich in die Reihe
|
|
der Vorkenntnisse übergehn sollten«, sintemal sie diese Reihe in Wirklichkeit
|
|
nie verlassen haben. Freilich hat Herr Dühring auch etwas davon läuten
|
|
gehört, daß in der sozialistischen Gesellschaft Arbeit und Erziehung
|
|
verbunden und dadurch eine vielseitige technische Ausbildung, sowie eine praktische
|
|
Grundlage für die wissenschaftliche Erziehung gesichert werden solle; auch
|
|
dieser Punkt wird daher für die Sozialität in üblicher Weise dienstbar
|
|
gemacht. Da aber, wie wir sahen, die alte Arbeitsteilung in der Dühringschen
|
|
Zukunftsproduktion im wesentlichen ruhig fortbesteht, so ist dieser technischen
|
|
Schulbildung jede spätere praktische Anwendung, jede Bedeutung für die
|
|
Produktion selbst, abgeschnitten, sie hat eben nur einen Schulzweck: sie soll
|
|
die Gymnastik ersetzen, von der unser wurzelhafter Urnwälzer nichts wissen
|
|
will. Er kann uns daher auch nur ein paar Phrasen bieten, wie z. B.:</P>
|
|
<P><SMALL>»die Jugend und das Alter arbeiten im ernsten Sinne des Worts«.</SMALL></P>
|
|
<P>Wahrhaft jammervoll aber erscheint diese haltungslose und inhaltslose Kannegießerei,
|
|
wenn man sie vergleicht mit der Stelle im »Kapital«, Seite 508 bis 519 |Siehe
|
|
Karl Marx: »Das Kapital«, Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../me23/me23_483.htm#S507">Bd.
|
|
23, S. 507-514</A>|, wo Marx den Satz entwickelt, daß »aus dem Fabriksystem,
|
|
wie man im Detail bei Robert Owen verfolgen kann, der Keim der Erziehung der Zukunft
|
|
entsproß, welche für alle Kinder über einem gewissen Alter produktive
|
|
Arbeit mit Unterricht und Gymnastik verbinden wird, nicht nur als eine Methode
|
|
zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktion, sondern als die einzige Methode
|
|
zur Produktion vollseitig entwickelter Menschen«.</P>
|
|
<P>Übergehn wir die Universität der Zukunft, in der die Wirklichkeitsphilosophie
|
|
den Kern alles Wissens bilden wird und in der neben der medizinischen auch die
|
|
juristische Fakultät in voller Blüte fortbesteht; übergehn wir
|
|
auch die »speziellen Fachanstalten«. von denen wir bloß erfahren, daß
|
|
sie nur »für ein paar Gegenstände« gelten sollen. Nehmen wir an, der
|
|
junge Zukunftsbürger sei nach Absolvierung aller Schulkurse endlich soweit
|
|
»auf sich gestellt«, daß er sich nach einer Frau umsehn kann. Welchen Lauf
|
|
der Dinge eröffnet ihm hier Herr Dühring?</P>
|
|
<P><SMALL>»Angesichts der Bedeutsamkeit der Fortpflanzung für Festhaltung,
|
|
Ausmerzung und Mischung sowie sogar für neue gestaltende Entwicklung von
|
|
Eigenschaften, muß man die letzten Wurzeln des Menschlichen oder Unmenschlichen
|
|
zu einem großen <A NAME="S301"></A><B>|301|</B> Teil in der geschlechtlichen
|
|
Gesellung und Auswahl und überdies noch in der Sorge für oder gegen
|
|
einen bestimmten Ausfall der Geburten suchen. Das Gericht über die Wüstheit
|
|
und Stumpfheit, welche in diesem Gebiet herrschen, muß praktisch einer spätern
|
|
Epoche überlassen bleiben. Jedoch ist wenigstens soviel von vornherein auch
|
|
unter dem Druck der Vorurteile begreiflich zu machen, daß weit mehr als
|
|
die Zahl, sicherlich die der Natur oder menschlichen Umsicht gelungne oder mißlungne
|
|
Beschaffenheit der Geburten in Anschlag kommen muß. Ungeheuer sind allerdings
|
|
zu allen Zeiten und unter allen Rechtszuständen der Vernichtung anheimgegeben
|
|
worden; aber die Stufenleiter vom Regelrechten bis zur Verzerrung in das nicht
|
|
mehr Menschenähnliche hat viele Sprossen ... Wird dem Entstehn eines Menschen
|
|
vorgebeugt, der doch nur ein schlechtes Erzeugnis werden würde, so ist diese
|
|
Tatsache offenbar ein Vorteil.«</SMALL></P>
|
|
<P>Ebenso heißt es an einer andern Stelle:</P>
|
|
<P><SMALL>»Der philosophischen Betrachtung kann es nicht schwerfallen, das Recht der
|
|
ungebornen Welt auf eine möglichst gute Komposition ... zu begreifen ...
|
|
Die Konzeption und allenfalls auch noch die Geburt bieten die Gelegenheit dar,
|
|
um in dieser Beziehung eine vorbeugende oder ausnahmsweise auch sichtende Fürsorge
|
|
eintreten zu lassen.«</SMALL></P>
|
|
<P>Und ferner:</P>
|
|
<P><SMALL>»Die griechische Kunst, den Menschen in Marmor zu idealisieren, wird nicht
|
|
das gleiche geschichtliche Gewicht behalten können, sobald die weniger künstlerisch
|
|
spielende und daher für das Lebensschicksal der Millionen weit ernstere Aufgabe
|
|
in die Hand genommen wird, die Menschenbildung in Fleisch und Blut zu vervollkommnen.
|
|
Diese Art Kunst ist keine bloß steinerne, und ihre Ästhetik betrifft
|
|
nicht die Anschauung toter Formen« usw.</SMALL></P>
|
|
<P>Unser angehender Zukunftsbürger fällt aus den Wolken. Daß es
|
|
sich beim Heiraten um keine bloß steinerne Kunst handelt, auch nicht um
|
|
die Anschauung toter Formen, das wußte er allerdings auch ohne Herrn Dühring;
|
|
aber dieser hatte ihm ja versprochen, er könne alle Wege einschlagen, die
|
|
ihm der Lauf der Dinge und sein eignes Wesen eröffnen, um ein mitempfindendes
|
|
weibliches Herz samt dazugehörigem Körper zu finden. Keineswegs, donnert
|
|
ihm jetzt die »tiefere und strengere Moralität« entgegen. Es handelt sich
|
|
zuerst darum, die Wüstheit und Stumpfheit abzulegen, die auf dem Gebiet der
|
|
geschlechtlichen Gesellung und Auswahl herrschen, und dem Recht der neugebornen
|
|
Welt auf eine möglichst gute Komposition Rechnung zu tragen. Es handelt sich
|
|
für ihn in diesem feierlichen Moment darum, die Menschenbildung in Fleisch
|
|
und Blut zu vervollkommnen, sozusagen ein Phidias in Fleisch und Blut zu werden.
|
|
Wie das anfangen? Die obigen mysteriösen Äußerungen des Herrn
|
|
Dühring <A NAME="S302"></A><B>|302|</B> geben ihm nicht die geringste Anleitung
|
|
dazu, obwohl dieser selbst sagt, es sei eine »Kunst«. Sollte Herr Dühring
|
|
vielleicht auch schon ein Handbuch zu dieser Kunst »schematisch vor Augen« haben,
|
|
ähnlich etwa wie deren so mancherlei heutzutage verklebt im deutschen Buchhandel
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umlaufen? In der Tat befinden wir uns hier schon nicht mehr in der Sozialität,
|
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sondern vielmehr in der »Zauberflöte«, nur daß der behäbige Freimaurerpfaff
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Sarastro kaum als ein »Priester zweiter Klasse« gelten kann, gegenüber unserm
|
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tiefern und strengern Moralisten. Die Proben, die jener mit seinem Liebespärchen
|
|
von Adepten vornahm, sind ein wahres Kinderspiel gegen die Schauerprüfung,
|
|
die Herr Dühring seinen beiden souveränen Individuen aufnötigt,
|
|
ehe er ihnen gestattet, in den Stand der »sittlichen und freien Ehe« zu treten.
|
|
So kann es ja vorkommen, daß unser »auf sich selbst gestellter« Zukunfts-Tamino
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zwar das sogenannte Absolute unter den Füßen hat, einer dieser Füße
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aber um ein paar Leitersprossen vom Regelrechten abweicht, so daß böse
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Zungen ihn einen Klumpfuß nennen. Auch liegt es im Bereich der Möglichkeit,
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daß seine herzallerliebste Zukunfts-Pamina auf besagtem Absoluten nicht
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ganz grade steht, infolge einer leichten Verschiebung zugunsten der rechten Schulter,
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die der Neid sogar für ein gelindes Buckelchen ausgibt. Was dann? Wird unser
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tieferer und strengerer Sarastro ihnen verbieten, die Kunst der Menschenvervollkommnung
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in Fleisch und Blut zu praktizieren, wird er seine »vorbeugende Fürsorge«
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bei der »Konzeption« oder seine »sichtende« bei der Geburt« geltend machen? Zehn
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gegen eins, die Dinge verlaufen anders; das Liebespärchen läßt
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Sarastro-Dühring stehn und geht zum Standesbeamten.</P>
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<P>Halt! ruft Herr Dühring. So war es nicht gemeint. Laßt doch mit
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euch reden.</P>
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<P><SMALL>Bei den »höhern, echt menschlichen Beweggründen der heilsamen Geschlechtsverbindungen
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... ist die menschlich veredelte Gestalt der Geschlechtserregung, deren Steigerung
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sich als <I>leidenschaftliche Liebe kundgibt</I>, in ihrer Doppelseitigkeit die
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beste Bürgschaft für die auch in ihrem Ergebnis zuträgliche Verbindung
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... es ist nur eine Wirkung zweiter Ordnung, daß aus einer an sich harmonischen
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Beziehung auch ein Erzeugnis von zusammenstimmendem Gepräge hervorgehe. Heraus
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folgt wiederum, daß jeder Zwang schädlich wirken muß« usw.</SMALL></P>
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<P>Und hiermit erledigt sich alles aufs schönste in der schönsten der
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Sozialitäten. Klumpfuß und Buckelchen lieben einander leidenschaftlich
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und bieten daher auch in ihrer Doppelseitigkeit die beste Bürgschaft für
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eine harmonische »Wirkung zweiter Ordnung«, es geht wie im Roman, sie lieben sich,
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sie kriegen sich, und all die tiefere und strengere Moralität verläuft
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wie gewöhnlich in harmonischem Larifari.</P>
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<P><B><A NAME="S303">|303|</A></B> Welche noblen Vorstellungen Herr Dühring
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überhaupt vom weiblichen Geschlecht hat, ergibt sich aus folgender Anklage
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gegen die heutige Gesellschaft:</P>
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<P><SMALL>»Die Prostitution gilt in der auf Verkauf des Menschen an den Menschen gegründeten
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Unterdrückungsgesellschaft als selbstverständliche Ergänzung der
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Zwangsehe zugunsten der Männer, und es ist eine der begreiflichsten, aber
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auch <I>bedeutungsvollsten </I>Tatsachen, <I>daß es etwas Ähnliches
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für die Frauen nicht geben kann</I>.«</SMALL></P>
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<P>Den Dank, der Herrn Dühring für dies Kompliment von seiten der Frauen
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zuteil werden dürfte, möchte ich nicht um alles in der Welt einheimsen.
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Sollte indes Herrn Dühring die nicht mehr ganz ungewöhnliche Einkünfteart
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der Schürzenstipendien gänzlich unbekannt sein? Und Herr Dühring
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ist doch selbst Referendar gewesen und wohnt in Berlin, wo doch schon zu meiner
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Zeit, vor sechsunddreißig Jahren, um von den Lieutenants nicht zu reden,
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Referendarius sich oft genug reimte auf Schürzenstipendarius!</P>
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<P align="center">*</P>
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<P>Man gestatte uns, von unserm Gegenstand, der sicher oft trocken und trist genug
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war, in versöhnend-heiterer Weise Abschied zu nehmen. Solange wir die einzelnen
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Fragepunkte abzuhandeln hatten, war das Urteil gebunden durch die objektiven,
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unbestreitbaren Tatsachen; es mußte nach diesen Tatsachen oft genug scharf
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und selbst hart ausfallen. Jetzt, wo Philosophie, Ökonomie und Sozialität
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hinter uns liegen, wo das Gesamtbild des Schriftstellers vor uns steht, den wir
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im einzelnen zu beurteilen hatten, jetzt können menschliche Rücksichten
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in den Vordergrund treten; jetzt wird es uns gestattet, manche sonst unbegreifliche
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wissenschaftliche Abirrungen und Überhebungen zurückzuführen auf
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persönliche Ursachen, und unser Gesamturteil über Herrn Dühring
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zusammenzufassen in den Worten: <I>Unzurechnungsfähigkeit aus Größenwahn.</I></P>
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<P>
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<HR size="1">
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<P></P>
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<P>Anmerkungen von Friedrich Engels</P>
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<P><SPAN class="top"><A NAME="F1">(1)</A></SPAN> Es braucht hier nicht auseinandergesetzt zu
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werden, daß, wenn auch die Aneignungs<I>form</I> dieselbe bleibt, der <I>Charakter</I>
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der Aneignung durch den oben geschilderten Vorgang nicht minder revolutioniert
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wird, als die Produktion. Ob ich mir mein eignes Produkt aneigne oder das Produkt
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andrer, das sind natürlich zwei sehr verschiedne Arten von Aneignung. Nebenbei:
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die Lohnarbeit, in der die ganze kapitalistische Produktionsweise bereits im Keime
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steckt, ist sehr alt; vereinzelt und zerstreut ging sie jahrhundertelang her neben
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der Sklaverei. Aber zur kapitalistischen Produktionsweise entfalten konnte sich
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der Keim erst, als die geschichtlichen Vorbedingungen hergestellt waren. <A HREF="me20_239.htm#ZF1"><=</A></P>
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<P><SPAN class="top"><A NAME="F2">(2)</A></SPAN> »Lage der arbeitenden Klasse in England«, S.
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109 |Siehe Friedrich Engels: »Die Lage der arbeitenden Klasse in England« in:
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Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../me02/me02_306.htm#S314">Bd. 2,
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S. 314/315</A>| <A HREF="me20_239.htm#ZF2"><=</A></P>
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<P><SPAN class="top"><A NAME="F3">(3)</A></SPAN> Ich sage, muß. Denn nur in dem Falle,
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daß die Produktions- oder Verkehrsmittel der Leitung durch Aktiengesellschaften
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<I>wirklich </I>entwachsen sind, daß also die Verstaatlichung <I>ökonomisch
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</I>unabweisbar geworden, nur in diesem Falle bedeutet sie, auch wenn der heutige
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Staat sie vollzieht, einen ökonomischen Fortschritt, die Erreichung einer
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neuen Vorstufe zur Besitzergreifung aller Produktivkräfte durch die Gesellschaft
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selbst. Es ist aber neuerdings, seit Bismarck sich aufs Verstaatlichen geworfen,
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ein gewisser falscher Sozialismus aufgetreten und hier und da sogar in einige
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Wohldienerei ausgeartet, der <I>jede Verstaatlichung, </I>selbst die Bismarcksche,
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ohne weiteres für sozialistisch erklärt. Allerdings, wäre die Verstaatlichung
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des Tabaks sozialistisch, so zählten Napoleon und Metternich mit unter den
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Gründern des Sozialismus. Wenn der belgische Staat aus ganz alltäglichen
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politischen und finanziellen Gründen seine Haupteisenbahn selbst baute, wenn
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Bismarck ohne jede ökonomische Notwendigkeit die Hauptbahnlinien Preußens
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verstaatlichte, einfach um sie für den Kriegsfall besser einrichten und ausnützen
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zu können, um die Eisenbahnbeamten zum Regierungsstimmvieh zu erziehen und
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hauptsächlich, um sich eine neue, von Parlamentsbeschlüssen unabhängige
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Einkommenquelle zu verschaffen - so waren das keineswegs sozialistische Schritte,
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direkt oder indirekt, bewußt oder unbewußt. Sonst wären auch
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die königliche Seehandlung, die königliche Porzellanmanufaktur und sogar
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der Kompanieschneider beim Militär sozialistische Einrichtungen. <A HREF="me20_239.htm#ZF3"><=</A></P>
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<P><SPAN class="top"><A NAME="F4">(4)</A></SPAN> Ein paar Zahlen mögen eine annähernde
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Vorstellung geben von der enormen Expansionskraft der modernen Produktionsmittel,
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selbst unter dem kapitalistischen Druck. Nach der neuesten Berechnung von Giffen
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betrug der Gesamtreichtum von Großbritannien und Irland in runder Zahl:</P>
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<P ALIGN="CENTER">1814 - 2.200 Millionen Pfd. St. = 44 Milliarden Mark<BR>
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1865 - 6.100 Millionen Pfd. St. = 122 Milliarden Mark<BR>
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1875 - 8.500 Millionen Pfd. St. = 170 Milliarden Mark</P>
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<P>Was die Verheerung von Produktionsmitteln und Produkten in den Krisen betrifft,
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so wurde auf dem zweiten Kongreß deutscher Industrieller, Berlin, 21. Februar
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1878, der Gesamtverlust allein der <I>deutschen Eisenindustrie</I> im letzten
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Krach auf 455 Millionen Mark berechnet. <A HREF="me20_239.htm#ZF4"><=</A></P>
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<P><SPAN class="top"><A NAME="F5">(5)</A></SPAN> Die Erklärung der Krisen aus Unterkonsumtion
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rührt her von Sismondi und hat bei ihm noch einen gewissen Sinn. Von Sismondi
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hat Rodbertus sie entlehnt, und von Rodbertus hat wieder Herr Dühring sie
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in seiner gewohnten verflachenden Weise abgeschrieben. <A HREF="me20_239.htm#ZF5"><=</A></P>
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<P><SPAN class="top"><A NAME="F6">(6)</A></SPAN> Trucksystem nennt man in England das auch in
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Deutschland wohlbekannte System, wobei die Fabrikanten selbst Läden halten
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und ihre Arbeiter nötigen, sich bei ihnen mit Waren zu versehn. <A HREF="me20_239.htm#ZF6"><=</A></P>
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<P><SPAN class="top"><A NAME="F7">(7)</A></SPAN> Beiläufig ist die Rolle, die die Arbeitsmarken
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in der Owenschen kommunistischen Gesellschaft spielen, dem Herrn Dühring
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gänzlich unbekannt. Er kennt diese Marken - aus Sargant - nur, soweit sie
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in den, natürlich fehlgeschlagnen, Labour Exchange Bazaars figurieren, Versuchen,
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vermittelst direkten Arbeitsaustausches aus der bestehenden in die kommunistische
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Gesellschaft überzuführen. <A HREF="me20_239.htm#ZF7"><=</A></P>
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<P><SPAN class="top"><A NAME="F8">(8)</A></SPAN> Daß obige Abwägung von Nutzeffekt
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und Arbeitsaufwand bei der Entscheidung über die Produktion alles ist, was
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in einer kommunistischen Gesellschaft vom Wertbegriff der politischen Ökonomie
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übrigbleibt, habe ich schon 1844 ausgesprochen. (»Deutsch-Französische
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Jahrbücher«, Seite 95. |Friedrich Engels: »Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie«,
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in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, <A HREF="../me01/me01_499.htm">Bd. 1, S.
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499</A>|) Die wissenschaftliche Begründung dieses Satzes ist aber, wie man
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sieht, erst durch Marx' »Kapital« möglich geworden. <A HREF="me20_239.htm#ZF8"><=</A></P>
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<P><SPAN class="top"><A NAME="F9">(9)</A></SPAN> Dieser spätere Doppelcharakter der Göttergestalten
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ist ein von der vergleichenden Mythologie, die sich einseitig an deren Charakter
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als Reflexe von Naturmächten hält, übersehener Grund der später
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einreißenden Verwirrung der Mythologien. So heißt bei einigen germanischen
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Stimmen der Kriegsgott altnordisch Tyr, althochdeutsch Zio, entspricht also dem
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griechischen Zeus, lateinisch Jupiter für Diespiter; bei andern Er, Eor,
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entspricht also dem griechischen Ares, lateinisch Mars. <A HREF="me20_239.htm#ZF9"><=</A></P>
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<HR size="1">
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<P>Textvarianten</P>
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<P><SPAN class="top"><A NAME="T1">{1}</A></SPAN> Umgeändert aus »Produktionskräfte«,
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da Engels in der Ausgabe von 1894 an allen übrigen Stellen diese Korrektur
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gegenüber den beiden vorhergehenden Ausgaben selbst vornahm. <A HREF="me20_239.htm#ZT1"><=</A></P>
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<HR size="1" align="left" width="200">
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<P><SMALL>Pfad: »../me/me20«</SMALL></P>
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<HR size="1">
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<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
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<TR>
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<TD ALIGN="center" width="24%" height=20 valign=middle><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center"><B>|</B></TD>
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<TD ALIGN="center" width="24%" height=20 valign=middle><A HREF="me20_136.htm"><SMALL>2. Abschnitt</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center">|</TD>
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<TD ALIGN="center" width="24%" height=20 valign=middle><A HREF="me20_001.htm"><SMALL>Inhalt</SMALL></A></TD>
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<TD ALIGN="center"><B>|</B></TD>
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<TD ALIGN="center" width="24%" height=20 valign=middle><A href="../default.htm"><SMALL>Marx/Engels</SMALL></A></TD>
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</TR>
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</TABLE>
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</BODY>
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</HTML>
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