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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>"Neue Rheinische Zeitung" - Zustand in Paris</TITLE>
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<BODY BGCOLOR="#fffffc">
<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me06_199.htm"><FONT SIZE=2>Die Berliner "National-Zeitung" an die Urw&auml;hler</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="../me_nrz49.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me06_212.htm"><FONT SIZE=2>[Die Situation in Paris]</FONT></A></P>
<SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 209-211<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959</SMALL></P>
<FONT SIZE=5><P>Zustand in Paris</P>
</FONT><FONT SIZE=2><P>["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 209 vom 31. Januar 1849]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S209">&lt;209&gt;</A></B> * <I>Paris</I>, 28. Januar. Die Gefahr eines Volksaufstandes ist vorderhand beseitigt durch das Votum der Kammer <I>gegen </I>die Dringlichkeit des Klubverbots, d.h. gegen das Klubverbot &uuml;berhaupt. Aber eine neue Gefahr taucht auf: die <I>Gefahr des Staatsstreichs</I>.</P>
<P>Man lese den heutigen "National" und sage, ob nicht aus <I>jeder Zeile </I>die Furcht vor dem Staatsstreich hervorleuchtet.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Das Votum von heute ist ein t&ouml;dlicher Streich f&uuml;r das Kabinett, und wir fordern Herrn Odilon Barrot, Faucher und tutti quanti &lt;alle Leute dieser Art&gt; heraus, jetzt ihre Portefeuilles noch l&auml;nger zu behaupten ..."</P>
</FONT><P>Soweit scheint der "National" noch gutes Muts zu sein. Aber man h&ouml;re den Nachsatz:</P>
<FONT SIZE=2><P>" ... ohne in offne Revolte gegen den Geist und den Buchstaben der Verfassung zu treten!"</P>
</FONT><P>Und was l&auml;ge Herrn Odilon Barrot, Faucher und tutti quanti daran, in offne Revolte gegen die Verfassung zu treten! Seit wann schw&auml;rmen Barrot und Faucher f&uuml;r die Verfassung von 1848!</P>
<P>Der "National" <I>droht </I>den Ministern nicht mehr, er demonstriert ihnen, da&szlig; sie abtreten m&uuml;ssen, er demonstriert dem Pr&auml;sidenten, da&szlig; er sie entlassen mu&szlig;. Und das in einem Lande, wo sich der R&uuml;cktritt der Minister nach einem solchen Votum seit drei&szlig;ig Jahren von selbst versteht!</P>
<P>Der Pr&auml;sident der Republik, sagt der "National", wird das hoffentlich einsehn, da&szlig; die Majorit&auml;t und das Kabinett in vollst&auml;ndiger Zwietracht sind, da&szlig; er durch Entlassung des Kabinetts die Bande zwischen sich und der <A NAME="S210"><B>&lt;210&gt;</A></B> Majorit&auml;t enger kn&uuml;pfen wird, da&szlig; zwischen ihm und der Majorit&auml;t nur ein Hindernis des guten Vernehmens besteht: das Kabinett.</P>
<P>Ja, der "National" sucht dem Ministerium eine goldene Br&uuml;cke zum R&uuml;ckzug zu bauen: Er w&uuml;nscht, da&szlig; die Anklage gegen die Minister fallengelassen werde. Das Votum sei Strafe genug. Dies letzte Mittel m&ouml;ge aufgespart werden, bis die Minister die Konstitution wirklich durch einen vollendeten Akt verletzt haben.</P>
<P>Ja, ruft er zuletzt aus, <I>alles </I>macht es dem Kabinett zur <I>Pflicht, </I>sich zur&uuml;ckzuziehen; seine eigenen Worte binden es derart, da&szlig; wir z&ouml;gern zu glauben, es werde die Gewalt zu behalten wagen. Herr Barrot erkl&auml;rte heut abend, da&szlig;, wenn die Dringlichkeit verworfen werde, die <I>Versammlung selbst </I>die Verantwortlichkeit f&uuml;r die Ereignisse &uuml;bernehme. Gut, wo die Verantwortlichkeit aufh&ouml;rt, mu&szlig; auch die Macht aufh&ouml;ren. Will das Kabinett nicht verantwortlich sein f&uuml;r die Ereignisse, so darf es sie auch nicht dirigieren. Herr Barrot hat seine Demission auf der Trib&uuml;ne niedergelegt, indem er die Verantwortlichkeit ablehnte.</P>
<P>Kurz: Der "National" glaubt nicht an den freiwilligen R&uuml;cktritt des Ministeriums und ebensowenig an seine Entlassung durch den Pr&auml;sidenten.</P>
<P>Wenn aber das Ministerium dem Votum der Versammlung trotzen will, so bleibt ihm nichts als - <I>der Staatsstreich</I>.</P>
<P>Die Aufl&ouml;sung der Nationalversammlung und die Vorbereitung der monarchischen Restauration durch Milit&auml;rgewalt, das ist es, was hinter der Furcht des "National" vor dem Bleiben des Ministeriums lauert.</P>
<P>Daher bitten der "National" und die roten Bl&auml;tter das Volk, nur ja ruhig zu bleiben, nur ja keinen Vorwand zum Einschreiten zu geben, da jede Erneute nur das fallende Kabinett st&uuml;tzen, nur der royalistischen Kontrerevolution dienen k&ouml;nne.</P>
<P>Da&szlig; der Staatsstreich immer n&auml;her r&uuml;ckt, beweisen die Vorf&auml;lle zwischen Changarnier und den Offizieren der Mobilgarde. Die bouchers de Cavaignac &lt;Schl&auml;chter Cavaignacs&gt; haben keine Lust, sich zu einem royalistischen Coup gebrauchen zu lassen; deshalb sollen sie aufgel&ouml;st werden; sie murren, und Changarnier droht, sie zusammenhauen zu lassen, und steckt ihre Offiziere in Arrest.</P>
<P>Die Situation kompliziert sich scheinbar; in der Tat aber wird sie sehr einfach, so einfach, wie sie jedesmal am Vorabend einer Revolution ist.</P>
<P>Der Konflikt zwischen der Versammlung und dem Pr&auml;sidenten nebst seinen Ministern ist zum Ausbruch gekommen. Frankreich kann unter der Impotenz, von der es seit 10 Monaten regiert wird, nicht l&auml;nger existieren; das <A NAME="S211"><B>&lt;211&gt;</A></B> Defizit, der gedr&uuml;ckte industrielle und kommerzielle Zustand, der Steuerdruck, der den Ackerbau ruiniert, werden t&auml;glich unertr&auml;glicher; gro&szlig;e, einschneidende Ma&szlig;regeln werden immer dringender, und jede neue Regierung ist immer impotenter und tatloser als die fr&uuml;here; bis endlich Odilon Barrot die Unt&auml;tigkeit auf die Spitze getrieben und in sechs Wochen absolut gar nichts getan hat.</P>
<P>Dadurch aber hat er die Situation sehr vereinfacht. Nach ihm ist kein Ministerium der honetten Republik mehr m&ouml;glich. Die gemischten Regierungen (das Provisorium und die Exekutivkommission), die Regierung des "National", die Regierung der alten Linken, alles ist durchgemacht, alles verschlissen und abgenutzt. Die Reihe kommt jetzt an Thiers, und Thiers ist die unverh&uuml;llte monarchische Restauration.</P>
<I><P>Monarchische Restauration </I>oder - <I>rote Republik, </I>das ist jetzt die einzige Alternative in Frankreich. Die Krisis kann sich noch einige Wochen hinziehen, aber ausbrechen mu&szlig; sie. Changarnier-Monk mit seinen Dreihunderttausend, die ihm f&uuml;r 24 Stunden g&auml;nzlich zu Gebot stehen, scheint auch nicht l&auml;nger warten zu wollen.</P>
<P>Daher die Angst des "National". Er erkennt seine Unf&auml;higkeit, die Situation zu beherrschen; er wei&szlig;, da&szlig; jede gewaltsame &Auml;nderung der Regierung seine heftigsten Feinde zur Herrschaft bringt, da&szlig; er bei der Monarchie wie bei der roten Republik verloren ist. Daher sein Seufzen nach einer friedlichen Transaktion, seine H&ouml;flichkeit gegen die Minister.</P>
<P>Wir werden sehr bald sehn, ob es zum endlichen Siege der roten Republik n&ouml;tig ist, da&szlig; Frankreich f&uuml;r einen Augenblick durch die monarchische Phase passiert. M&ouml;glich ist es, aber nicht wahrscheinlich.</P>
<P>Das aber ist gewi&szlig;. Die honette Republik bricht an allen Ecken zusammen, und nach ihr ist, wenn auch erst nach einigen kleinen Intermezzos, nur noch m&ouml;glich die <I>rote Republik</I>.</P>
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