emacs.d/clones/www.mlwerke.de/me/me06/me06_507.htm
2022-08-25 20:29:11 +02:00

60 lines
26 KiB
HTML

<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
<HTML>
<HEAD>
<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
<TITLE>"Neue Rheinische Zeitung" - [Ungarn]</TITLE>
</HEAD>
<BODY BGCOLOR="#fffffc">
<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me06_503.htm"><FONT SIZE=2>[Die standrechtliche Beseitigung der "Neuen Rheinischen Zeitung"]</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="../me_nrz49.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me06_516.htm"><FONT SIZE=2>["An mein Volk"]</FONT></A></P>
<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 507-515<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959</SMALL></P>
<FONT SIZE=5><P>[Ungarn]</P>
</FONT><FONT SIZE=2><P>["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 301 vom 19. Mai 1849]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S507">&lt;507&gt;</A></B> *<I>K&ouml;ln</I>, 18. Mai. In dem Augenblicke, wo der magyarische Krieg durch den wirklichen Einmarsch der Russen zu einem <I>europ&auml;ischen </I>wird, sind wir gezwungen, unsere Berichte &uuml;ber seinen weitern Verlauf einzustellen. Es ist uns nur noch verg&ouml;nnt, die Entwickelung dieses gro&szlig;artigen osteurop&auml;ischen Revolutionskriegs in einem kurzen &Uuml;berblick unsern Lesern nochmals vorzuf&uuml;hren.</P>
<P>Man erinnert sich, wie schon vor der Februarrevolution, im Herbst 1847, der von <I>Kossuth </I>geleitete Pre&szlig;burger Reichstag eine Reihe revolution&auml;rer Beschl&uuml;sse fa&szlig;te, wie er die Verk&auml;uflichkeit des Grundeigentums, die Freiz&uuml;gigkeit der Bauern, die Abl&ouml;sung der Feudallasten, die Emanzipation der Juden, die gleiche Besteuerung aller Klassen beschlo&szlig;; wie er den Kroaten und Slawoniern in inneren Angelegenheiten den offiziellen Gebrauch ihrer eigenen Sprache bewilligte und endlich durch die Forderung eines abgesonderten verantwortlichen Ministeriums f&uuml;r Ungarn den ersten Schritt zur <I>Lossagung Ungarns </I>an demselben Tage tat, als in Paris die Februarrevolution begann (22. Febr.).</P>
<P>Die Februarrevolution brach los. Mit ihr knickte der Widerstand der Wiener Regierung gegen die Forderungen der Ungarn zusammen. Am 16. M&auml;rz, am Tage nach der Wiener Revolution, wurde das selbst&auml;ndige ungarische Ministerium bewilligt und damit der Zusammenhang Ungarns mit &Ouml;streich auf die blo&szlig;e Personalunion zur&uuml;ckgef&uuml;hrt.</P>
<P>Jetzt schritt die selbst&auml;ndig gewordene magyarische Revolution rasch vorw&auml;rts. Alle politischen Vorrechte wurden aufgehoben, das allgemeine Wahlrecht eingef&uuml;hrt, alle Feudallasten, Roboten und Zehnten unentgeltlich aufgehoben gegen Entsch&auml;digung durch den Staat, die Union mit Siebenb&uuml;rgen durchgesetzt, die Ernennung Kossuths zum Finanzminister und die Absetzung des rebellischen Ban Jellachich erzwungen.</P>
<B><P><A NAME="S508">&lt;508&gt;</A></B> Inzwischen erholte sich die &ouml;streichische Regierung wieder. W&auml;hrend das angeblich verantwortliche Ministerium in Wien ohnm&auml;chtig blieb, erhob sich die Kamarilla des Innsbrucker Hofs um so m&auml;chtiger, gest&uuml;tzt auf die kaiserliche Armee in Italien, auf die nationalen Gel&uuml;ste der Tschechen, Kroaten und Serben, auf die verstockte Borniertheit der ruthenischen Bauern.</P>
<P>Am 17. Juni brach die serbische Insurrektion im Banat und der B&aacute;cska los, aufgehetzt durch Geld und Emiss&auml;re vom Hof. Am 20. hatte Jellachich Audienz beim Kaiser in Innsbruck und wurde wieder zum Ban ernannt. Nach Kroatien zur&uuml;ckgekehrt, k&uuml;ndigte Jellachich dem ungarischen Ministerium den Gehorsam auf und erkl&auml;rte ihm am 25. August den Krieg.</P>
<P>Der Verrat der habsburgischen Kamarilla lag offen am Tage. Nochmals versuchten die Ungarn, den Kaiser auf den konstitutionellen Weg zur&uuml;ckzubringen. Sie sandten eine Deputation von 200 Reichstagsmitgliedern nach Wien; der Kaiser antwortete ausweichend. Die Aufregung wuchs. Das Volk verlangte Garantien und erzwang eine Ministerver&auml;nderung. Die Verr&auml;ter, die auch im Pesther Ministerium sa&szlig;en, wurden entfernt und Kossuth am 20. September zum Ministerpr&auml;sidenten ernannt. Aber schon vier Tage darauf entfloh der Stellvertreter des Kaisers, der Palatin Erzherzog Stephan, nach Wien, und am 26. erl&auml;&szlig;t der Kaiser das bekannte Manifest an die Ungarn, worin er das Ministerium als rebellisch absetzte, den Magyarenfresser Jellachich zum Gouverneur von Ungarn ernannte und die wesentlichsten revolution&auml;ren Eroberungen Ungarns antastete.</P>
<P>Das Manifest, von keinem ungarischen Minister kontrasigniert, wurde von Kossuth f&uuml;r null und nichtig erkl&auml;rt.</P>
<P>Inzwischen war Jellachich, beg&uuml;nstigt durch die Desorganisation und Verr&auml;terei, die in dem ganzen nominellen ungarischen, aber in Wirklichkeit altkaiserlichen Offizierkorps und Generalstab herrschte, bis Stuhlweissenburg vorgedrungen. Dort schlug ihn das ungarische Heer, trotz seinen verr&auml;terischen F&uuml;hrern, und trieb ihn auf &ouml;streichisches Gebiet bis unter die Mauern von Wien. Der Kaiser und der alte Verr&auml;ter Latour beschlie&szlig;en, ihm Verst&auml;rkung zu senden und Ungarn mit deutschen und slawischen Truppen wieder zu erobern. Da bricht die Wiener Revolution vom 6. Oktober aus und setzt den kaiserlich-k&ouml;niglichen Projekten vorderhand ein Ziel.</P>
<P>Kossuth zieht den Wienern sogleich mit einem magyarischen Korps zur H&uuml;lfe. An der Leitha halten ihn die Unschl&uuml;ssigkeit des Wiener Reichstags und die Verr&auml;terei seiner eigenen Offiziere sowie die schlechte Organisation seines gr&ouml;&szlig;tenteils aus Landsturm bestellenden Heeres vom sofortigen Einr&uuml;cken ab. Ersieht sich endlich gen&ouml;tigt, ein paar Schock Offiziere arretieren, nach Pesth abf&uuml;hren und einige erschie&szlig;en zu lassen, und wagt nun den <A NAME="S509"><B>&lt;509&gt;</A></B> Angriff. Zu sp&auml;t - Wien war schon gefallen, und seine undisziplinierten Landst&uuml;rmer wurden bei Schwechat von den regelm&auml;&szlig;igen &ouml;sterreichischen Truppen geworfen.</P>
<P>Sechs Wochen noch dauerte die Waffenruhe zwischen den Kaiserlichen und den Magyaren. W&auml;hrend beide Armeen alles aufboten, um sich zu verst&auml;rken, vollbrachte die Olm&uuml;tzer Kamarilla ihren lang vorbereiteten Coup: Sie lie&szlig; den Idioten Ferdinand, der sich durch Konzessionen an die Revolution kompromittiert und verschlissen hatte, abdanken und setzte das Kind Franz Joseph, den Sohn Sophiens, als ihr Werkzeug auf den Thron. Auf die ungarische Verfassung gest&uuml;tzt, verwarf der Pesther Reichstag diesen Thronwechsel.</P>
<P>Mitte Dezember wurde endlich der Krieg er&ouml;ffnet. Die kaiserliche Armee hatte Ungarn bis dahin so gut wie umzingelt. Von allen Seiten geschah der Angriff.</P>
<P>Von &Ouml;sterreich aus r&uuml;ckten drei Armeekorps unter dem pers&ouml;nlichen Oberbefehl des Feldmarschalls Windischgr&auml;tz in der St&auml;rke von mindestens 90.000 Mann s&uuml;dlich von der Donau vor. Von Steiermark aus zog Nugent mit etwa 20.000 Mann auf dem linken Ufer der Drave, aus Kroatien Dahlen mit 10.000 Mann auf dem rechten Ufer der Drave nach dem Banat zu. Im Banat selbst k&auml;mpften mehrere Grenzregimenter, die Besatzung von Temesv&aacute;r, der serbische Landsturm und das serbianische H&uuml;lfskorps Knicanin, zusammen 30[.000] -40.000 Mann unter Todorovich und Rukavina. In Siebenb&uuml;rgen standen Puchner mit 20[.000]-25.000 Mann und der aus der Bukowina eingefallene Malkowski mit 10[.000]-15.000 Mann. Aus Galizien endlich drang Schlick mit einem Korps von 20 [.000]-25.000 Mann gegen die obere Thei&szlig; vor.</P>
<P>Die kaiserliche Armee betrug im ganzen also mindestens 200.000 Mann regelm&auml;&szlig;iger, meist kriegsgewohnter Truppen, ungerechnet die slawischen, romanischen und s&auml;chsischen Landst&uuml;rmler und Nationalgarden, die sich im S&uuml;den und in Siebenb&uuml;rgen am Kampf beteiligten.</P>
<P>Diesen kolossalen Streitkr&auml;ften hatte Ungarn eine Armee von vielleicht 80[.000]-90.000 Mann exerzierter Truppen, worunter 24.000 Mann gediente Exkaiserliche, und au&szlig;erdem 50[.000]-60.000 Mann noch ganz unorganisierte Honveds und Landst&uuml;rmler entgegenzusetzen; eine Armee, deren F&uuml;hrer gr&ouml;&szlig;tenteils eben solche Verr&auml;ter waren, wie die von Kossuth an der Leitha arretierten Offiziere.</P>
<P>Aber w&auml;hrend aus dem mit Gewalt niedergehaltenen &Ouml;sterreich vorderhand kein Rekrut mehr zu ziehen, w&auml;hrend &Ouml;sterreich finanziell ruiniert und fast ohne Geld war, standen den Magyaren noch gro&szlig;artige Ressourcen offen. Der Freiheitsenthusiasmus der Magyaren, noch gehoben durch den National- <A NAME="S510"><B>&lt;510&gt;</A></B> stolz, wuchs mit jedem Tage und stellte Kossuth eine f&uuml;r das kleine Volk von 5 Millionen unerh&ouml;rte Zahl Kampflustiger zu Gebot; die ungarische Banknotenplatte stellte ihm eine unersch&ouml;pfliche Geldquelle zur Disposition, und jeder Magyar nahm diese Nationalassignaten wie hartes Silbergeld an. Gewehr- und Kanonenfabriken waren in voller T&auml;tigkeit. Es fehlte der Armee nur an Waffen, an &Uuml;bung und an guten F&uuml;hrern, und das alles war in wenigen Monaten zu schaffen. Es kam also nur darauf an, Zeit zu gewinnen, die Kaiserlichen ins Land hineinzulocken, wo sie durch fortw&auml;hrenden Guerillakrieg erm&uuml;det, durch Hinterlassung starker Garnisonen und sonstiger Detachierungen geschw&auml;cht wurden.</P>
<P>Daher der Plan der Ungarn, sich langsam ins Innere zur&uuml;ckziehen, in steten Gefechten die Rekruten zu &uuml;ben und im &auml;u&szlig;ersten Notfall die Thei&szlig;linie mit ihren unwegsamen S&uuml;mpfen, diesen um den Kern des Magyarenlandes gezogenen nat&uuml;rlichen Graben, zwischen sich und die Feinde zu legen.</P>
<P>Nach aller Berechnung mu&szlig;ten die Ungarn sich in dem Gebiet zwischen Pre&szlig;burg und Pesth w&auml;hrend zwei bis drei Monaten selbst gegen die &uuml;berlegene &ouml;sterreichische Streitmacht halten k&ouml;nnen. Aber da trat der heftige Frost ein, der alle Fl&uuml;sse und alle S&uuml;mpfe w&auml;hrend mehrerer Monate mit einer selbst f&uuml;r schweres Gesch&uuml;tz passierbaren Eisdecke bekleidete. Dadurch wurden alle f&uuml;r die Verteidigung g&uuml;nstigen Terrainverh&auml;ltnisse beseitigt, alle von den Magyaren angelegten Verschanzungen unn&uuml;tz und der Umgehung ausgesetzt. So kam es, da&szlig; die ungarische Armee in kaum zwanzig Tagen von &Ouml;denburg und Pre&szlig;burg nach Raab, von Raab nach Moor, von Moor nach Pesth zur&uuml;ckgeworfen wurde, da&szlig; sie selbst Pesth r&auml;umen und sich wirklich schon beim Beginn des Feldzugs hinter die Thei&szlig; zur&uuml;ckziehen mu&szlig;ten.</P>
<P>W&auml;hrend dies bei der Hauptarmee geschah, ging es ebenso bei den &uuml;brigen Korps. Im S&uuml;den drangen Nugent und Dahlen immer weiter gegen das von den Magyaren besetzte Esseg vor, und n&auml;herten sich die Serben immer mehr der Maroslinie; in Siebenb&uuml;rgen vereinigten sich Puchner und Malkowski bei Maros-V&aacute;s&aacute;rhely; im Norden r&uuml;ckte Schlick aus den Karpathen bis an die Thei&szlig; herab und stellte &uuml;ber Miskolcz seine Verbindung mit Windischgr&auml;tz her.</P>
<P>Die &Ouml;sterreicher schienen mit der magyarischen Revolution so gut wie fertig zu sein. Zwei Drittel von Ungarn und drei Viertel von Siebenb&uuml;rgen waren in ihrem R&uuml;cken, und die Ungarn waren in der Front, in beiden Flanken und im R&uuml;cken zugleich geschlagen. Noch ein paar Meilen weiteren Vordringens, und s&auml;mtliche kaiserliche Korps reichten sich die Hand zu einem enger und enger sich zusammenziehenden Kreise, in dem Ungarn wie in den Ringeln einer Boa Constrictor erdr&uuml;ckt wurde.</P>
<B><P><A NAME="S511">&lt;511&gt;</A></B> Jetzt kam es darauf an, da&szlig;, w&auml;hrend in der Front die Thei&szlig; einen f&uuml;r den Feind einstweilen un&uuml;berschreitbaren Graben bildete, nach irgendeiner Seite hin Luft geschafft werde.</P>
<P>Dies geschah nach zwei Seiten hin: in Siebenb&uuml;rgen durch Bem, in der Slowakei durch G&ouml;rgey. Beide f&uuml;hrten Z&uuml;ge aus, wodurch sie sich als die genialsten Feldherren der Gegenwart dokumentierten.</P>
<P>Bem kam am 29. Dez. in Klausenburg an, dem einzigen Punkt von Siebenb&uuml;rgen, der noch in den H&auml;nden der Magyaren war. Rasch konzentrierte er nun die mitgebrachten Verst&auml;rkungen, die Reste der geschlagenen magyarischen und szeklerischen Truppen, zog gegen Maros-V&aacute;s&aacute;rhely, schlug die &Ouml;streicher und verfolgte zun&auml;chst Malkowski &uuml;ber die Karpathen in die Bukowina und von da nach Galizien, wo er bis gegen Stanislawow vordrang. Dann wandte er sich rasch nach Siebenb&uuml;rgen zur&uuml;ck und trieb Puchner bis wenige Meilen von Hermannstadt vor sich her. Einige Gefechte, ein paar rasche Kreuz- und Querz&uuml;ge, und ganz Siebenb&uuml;rgen war in seinen H&auml;nden, bis auf zwei St&auml;dte, Hermannstadt und Kronstadt, und diese waren verloren, wenn man nicht die Russen ins Land rief. Das Gewicht, das die 10.000 russischen H&uuml;lfstruppen in die Waagschale legten, zwang Bem, sich ins Szeklerland zur&uuml;ckzuziehen Dort organisierte er den Aufstand der Szekler, und als ihm dies gelungen, lie&szlig; er den bis Sch&auml;&szlig;burg vorgedrungenen Puchner durch den Szekler Landsturm besch&auml;ftigen, umging seine Position, r&uuml;ckte direkt auf Hermannstadt, schlug die Russen heraus, schlug den nachr&uuml;ckenden Puchner, marschierte auf Kronstadt und zog hier ohne Schwertstreich ein.</P>
<P>Damit war Siebenb&uuml;rgen erobert und der R&uuml;cken der magyarischen Armee frei. Die nat&uuml;rliche Festungslinie, die die Thei&szlig; bildete, fand jetzt ihre Fortsetzung und Erg&auml;nzung in der Bergreihe der Karpathen und Siebenb&uuml;rgischen Alpen von der Zips an bis herunter an die Banater Grenzen.</P>
<P>Zu gleicher Zeit vollf&uuml;hrte G&ouml;rgey einen &auml;hnlichen Triumphzug im nordwestlichen Ungarn. Von Pesth mit einem Korps nach der Slowakei aufgebrochen, h&auml;lt er w&auml;hrend zwei Monaten die von drei Seiten gegen ihn operierenden Korps der Generale G&ouml;tz, Csorich und Simunich im Schach und schlug sich zuletzt, als seine Stellung der &Uuml;bermacht gegen&uuml;ber unhaltbar wurde, durch die Karpathen nach Eperies und Kaschau durch. Hier stand er im R&uuml;cken von Schlick, zwang diesen, rasch seine Position und seine ganze Operationsbasis aufzugeben und sich auf die Hauptarmee von Windischgr&auml;tz zur&uuml;ckzuziehen, w&auml;hrend er selbst l&auml;ngst der Hernad hinab an die Thei&szlig; marschierte und sich mit der magyarischen Hauptmacht vereinigte.</P>
<P>Diese Hauptmacht, an deren Spitze jetzt Dembinski stand, war ebenfalls &uuml;ber die Thei&szlig; gegangen und hatte den Feind auf allen Punkten geworfen. Sie <A NAME="S512"><B>&lt;512&gt;</A></B> war bis Hatvan 6 Meilen von Pesth, vorgedrungen, als die st&auml;rkere Konzentrierung der feindlichen Streitkr&auml;fte sie zwang, den R&uuml;ckzug wieder anzutreten. Nach heftiger Gegenwehr bei Kapolna, Maklar und Poroszl&oacute; ging sie wieder &uuml;ber die Thei&szlig; zur&uuml;ck, gerade in demselben Augenblick, als G&ouml;rgey bei Tokaj an der Thei&szlig; ankam. Die Vereinigung beider Korps gab das Signal zu einem neuen, gro&szlig;artigen Vorr&uuml;cken der Ungarn. Neu einge&uuml;bte Rekruten waren aus dem Innern angekommen und verst&auml;rkten die Operationsarmee der Magyaren. Polnische und deutsche Legionen waren gebildet, t&uuml;chtige F&uuml;hrer hatten sich entwickelt oder waren herbeigezogen, und anstatt der f&uuml;hrerlosen, unorganisierten Masse vom Dezember stand den Kaiserlichen pl&ouml;tzlich eine konzentrierte, tapfere, zahlreiche, gut organisierte und vortrefflich gef&uuml;hrte Armee gegen&uuml;ber.</P>
<P>In drei Korps r&uuml;ckten die Magyaren &uuml;ber die Thei&szlig;. Der rechte Fl&uuml;gel (G&ouml;rgey) zog n&ouml;rdlich, umging die ihm fr&uuml;her nachger&uuml;ckte Division Ramberg bei Eperies und trieb sie eilig &uuml;ber Rimaszombat auf die kaiserliche Hauptarmee zur&uuml;ck. Diese wurde von Dembinski bei Erlau, bei Gy&ouml;ngy&ouml;s, bei G&ouml;d&ouml;ll&ouml; und bei Hatvan geschlagen und zog sich eilends bis vor Pesth zur&uuml;ck. Der linke Fl&uuml;gel (Vetter) endlich vertrieb den Jellachich aus Kecskem&eacute;t, Szolnok und Czegled, schlug ihn bei J&aacute;szber&eacute;ny, und zwang ihn ebenfalls zum R&uuml;ckzuge unter die Mauern von Pesth. Hier standen nun die Kaiserlichen von Pesth bis Waitzen der Donau entlang, in einem weiten Halbkreis von den Magyaren umzingelt.</P>
<P>Um Pesth nicht dem Bombardement von Ofen her auszusetzen, nahmen die Ungarn zu ihrem erprobten Mittel Zuflucht, die &Ouml;streicher lieber durch Man&ouml;ver als durch offenen Frontangriff aus dieser Position zu vertreiben. G&ouml;rgey nahm Waitzen und warf die &Ouml;streicher hinter Gran und Donau zur&uuml;ck, schlug Wohlgemuth zwischen Gran und Neutra und entsetzte dadurch das von den Kaiserlichen belagerte Komorn. Die Kaiserlichen, in ihrer R&uuml;ckzugslinie bedroht, mu&szlig;ten sie sich zum eiligen R&uuml;ckzuge entschlie&szlig;en; Welden, der neue Oberbefehlshaber, zog sich in der Richtung von Raab und Pre&szlig;burg zur&uuml;ck, und Jellachich mu&szlig;te, um seine h&ouml;chst widerspenstigen Kroaten zu beschwichtigen, eiligst mit ihnen donauabw&auml;rts nach Slawonien marschieren.</P>
<P>Auf ihrem R&uuml;ckzug, der eher einer wilden Flucht glich, erlitten Welden (besonders seine Nachhut unter Schlick) und Jellachich noch bedeutende Schlappen. W&auml;hrend das Korps des letzteren sich m&uuml;hsam und langsam durch das Tolnaer und Baranyer Komitat schl&auml;gt, hat Welden es m&ouml;glich machen k&ouml;nnen, die Tr&uuml;mmer seiner Armee in Pre&szlig;burg zu konzentrieren. Tr&uuml;mmer, die durchaus keine ernsthafte Widerstandsf&auml;higkeit besitzen.</P>
<B><P><A NAME="S513">&lt;513&gt;</A></B> Zugleich mit diesen &uuml;berraschenden Siegen der Magyaren gegen die &ouml;streichische Hauptarmee drang Moritz Perczel von Szegedin und Tolna aus gegen Peterwardein vor, entsetzte es, nahm Besitz von der B&aacute;cska und drang ins Banat, um hier dem aus Siebenb&uuml;rgen vordringenden Bem die Hand zu reichen. Bem hat schon Arad genommen und belagert Temesv&aacute;r; Perczel steht in Werschetz hart an der t&uuml;rkischen Grenze, so da&szlig; in ein paar Tagen das Banat erobert ist. Zu gleicher Zeit decken die Szekler die verschanzten siebenb&uuml;rgischen, der Landsturm die oberungarischen Gebirgsp&auml;sse, und G&ouml;rgey steht mit bedeutender Heeresmacht im Jablunkapa&szlig;, an der m&auml;hrisch-galizischen Grenze.</P>
<P>Kurz, noch ein paar Tage, und die siegreiche magyarische Armee, die Tr&uuml;mmer der gewaltigen &ouml;streichischen Heere vor sich hertreibend, zog im Triumph in Wien ein und vernichtete auf immer die &ouml;streichische Monarchie.</P>
<P>Die Lossagung Ungarns von &Ouml;streich war bereits am 14. April in Debreczin beschlossen; die Allianz mit den Polen war seit Mitte Januar offen erkl&auml;rt und durch den Eintritt von 20[.000]-30.000 Polen in die ungarische Armee zur Wirklichkeit geworden Die Allianz mit den Deutsch-&Ouml;streichern, die seit der Wiener Revolution vom 6. Oktober und in der Schlacht bei Schwechat schon bestand, wurde ebenfalls getragen und aufrechterhalten durch die deutschen Legionen im ungarischen Heer sowie durch die strategische und politische Notwendigkeit f&uuml;r die Magyaren, durch die Einnahme Wiens und die Revolutionierung &Ouml;streichs ihrer Unabh&auml;ngigkeitserkl&auml;rung Anerkennung zu verschaffen.</P>
<P>So verlor der magyarische Krieg sehr bald den nationalen Charakter, den er im Anfang hatte, und gerade durch den scheinbar nationalsten Schritt, durch die Unabh&auml;ngigkeitserkl&auml;rung, nahm er einen definitiv-europ&auml;ischen Charakter an. Die Allianz mit den Polen zur Befreiung beider L&auml;nder, die Allianz mit den Deutschen zur Revolutionierung Ostdeutschlands erhielt erst einen bestimmen Charakter, eine solide Grundlage, als Ungarn sich von &Ouml;streich lossagte und dadurch die &ouml;streichische Monarchie f&uuml;r aufgel&ouml;st erkl&auml;rte. Ungarn unabh&auml;ngig, Polen wiederhergestellt, Deutsch-&Ouml;streich zum revolution&auml;ren Brennpunkt Deutschlands gemacht, die Lombardei und Italien von selbst unabh&auml;ngig - mit der Durchf&uuml;hrung dieser Pl&auml;ne war das ganze osteurop&auml;ische Staatensystem zerst&ouml;rt, &Ouml;streich verschwunden, Preu&szlig;en aufgel&ouml;st, Ru&szlig;land an die Grenzen Asiens zur&uuml;ckgedr&auml;ngt.</P>
<P>Die Heilige Allianz mu&szlig;te also alles aufbieten, um der drohenden osteurop&auml;ischen Revolution einen Damm entgegenzusetzen Die russischen Armeen w&auml;lzten sich der siebenb&uuml;rgischen und galizischen Grenze zu. Preu&szlig;en besetzte die b&ouml;hmisch-schlesische Grenze und lie&szlig; die Russen durch sein <A NAME="S514"><B>&lt;514&gt;</A></B> Gebiet nach Prerau f&uuml;hren, und in wenig Tagen stand das erste russische Armeekorps auf m&auml;hrischem Boden.</P>
<P>Die Magyaren, wohl wissend, da&szlig; sie es in wenig Wochen mit zahlreichen frischen Streitkr&auml;ften zu tun haben w&uuml;rden, sind nicht so rasch auf Wien marschiert, als man es anfangs erwartete. Sie konnten Wien ebensowenig wie Pesth durch einen Frontangriff nehmen, ohne es beschie&szlig;en zu m&uuml;ssen, und das durften sie nicht. Sie waren wieder, wie bei Pesth, gen&ouml;tigt, es durch Umgehung zu nehmen, und hierzu geh&ouml;rte Zeit, geh&ouml;rte die Gewi&szlig;heit, da&szlig; sie selbst in Flanke und R&uuml;cken nicht bedroht seien. Aber gerade hier waren es die Russen, welche sie im R&uuml;cken bedrohten, w&auml;hrend von der andern Seite her, bei einer direkten Bedrohung Wiens, starke momentane Detachierungen von Radetzkys Armee zu erwarten standen.</P>
<P>Statt rasch auf Wien zu r&uuml;cken, haben die Ungarn also sehr klug gehandelt, wenn sie sich begn&uuml;gten, die Kaiserlichen immer weiter aus Ungarn zur&uuml;ckzutreiben, sie in einem gro&szlig;en Bogen von den kleinen Karpathen bis zu den Ausl&auml;ufen der Steierischen Alpen zu umstellen, ein starkes Korps gegen den Jablunka zu detachieren, die galizischen Gebirgsp&auml;sse zu befestigen und zu decken, Ofen anzugreifen und die neue Aushebung von 250.000 Mann besonders in den wiedereroberten westlichen Komitaten rasch zu betreiben. Auf diese Weise sichern sie sich Flanke und R&uuml;cken und bringen eine Armee zusammen, die den russischen Zuzug ebensowenig wie die ehedem so kolossale kaiserliche Armee zu f&uuml;rchten hat. Von dieser ruhmvollen schwarzgelben Armee sind 200.000 Mann nach Ungarn einmarschiert und kaum 50.000 zur&uuml;ckgekommen, der Rest ist gefallen, verwundet, krank, gefangen oder &uuml;bergegangen.</P>
<P>Die Russen drohen zwar mit noch viel kolossaleren Armeen. 120.000, nach andern 170.000 Mann sollen einr&uuml;cken. Nach dem "Triester Freihafen" soll die mobile Operationsarmee weit &uuml;ber 500.000 Mann betragen. Man kennt aber die russischen &Uuml;bertreibungen, man wei&szlig;, da&szlig; von den angegebenen Zahlen nur die H&auml;lfte in den Stammlisten stehen und da&szlig; von der Ziffer der Stammlisten wieder nicht die H&auml;lfte wirklich vorhanden ist. Wenn die russische H&uuml;lfe, nach Abzug der zur Besetzung Polens n&ouml;tigen Truppen, 60[.000]-70.000 Mann Effektivbestand aufbringt, so kann &Ouml;streich sich freuen. Und mit dieser Zahl werden die Magyaren fertig.</P>
<P>Der magyarische Krieg von 1849 hat sehr viel &Auml;hnlichkeit mit dem polnischen Kriege von 1830/31. Aber gerade dadurch unterscheidet er sich von ihm, da&szlig; er alle Chancen, die Polen damals gegen sich hatte, jetzt f&uuml;r sich hat. Man wei&szlig;, da&szlig; Lelewel damals ohne Erfolg darauf drang, erstens durch Emanzipation der Bauern und Juden die Masse der Bev&ouml;lkerung an die Revo- <A NAME="S515"><B>&lt;515&gt;</A></B> lution zu ketten und zweitens durch Insurgierung des ganzen alten Polens alle drei teilenden M&auml;chte in den Krieg zu verwickeln, den Krieg <I>europ&auml;isch </I>zu machen. Was damals in Polen erst durchging, als es <I>zu </I>sp&auml;t war, <I>damit fangen die Magyaren an</I>. Die gesellschaftliche Revolution im Innern, die Vernichtung des Feudalismus war die erste Ma&szlig;regel in Ungarn; die Hineinverwickelung Polens und Deutschlands in den Krieg die zweite, und damit war der europ&auml;ische Krieg da. Mit dem Einr&uuml;cken des ersten <I>russischen </I>Korps auf deutschen Boden hat er begonnen, mit dem Einr&uuml;cken des ersten franz&ouml;sischen Bataillons auf deutschen Boden wird er seine entscheidende Wendung nehmen.</P>
<P>Dadurch, da&szlig; der ungarische Krieg europ&auml;isch geworden ist, tritt er in Wechselwirkung mit allen &uuml;brigen Momenten der europ&auml;ischen Bewegung. Sein Verlauf wirkt nicht nur auf Deutschland, er wirkt auch auf Frankreich und England. Da&szlig; die englische Bourgeoisie die Verwandlung &Ouml;sterreichs in eine russische Provinz dulden wird, steht nicht zu erwarten; da&szlig; das franz&ouml;sische Volk nicht ruhig zusehen wird, wie die Kontrerevolution ihm n&auml;her und n&auml;her auf den Leib r&uuml;ckt, ist gewi&szlig;. Die Wahlen m&ouml;gen in Frankreich ausfallen wie sie wollen, die Armee hat sich jedenfalls f&uuml;r die Revolution erkl&auml;rt, und die Armee entscheidet f&uuml;r den Augenblick. Will die Armee den Krieg - und sie will ihn -, so ist er da.</P>
<P>Und er wird kommen. Die Revolution in Paris, sei es durch die Wahlen, sei es durch die an der Wahlurne schon vor sich gegangene Verbr&uuml;derung der Armee mit der revolution&auml;ren Partei, steht vor der T&uuml;r. Und w&auml;hrend sich in S&uuml;ddeutschland der Kern zu einer deutschen Revolutionsarmee bildet und Preu&szlig;en verhindert, am ungarischen Feldzuge aktiv teilzunehmen, steht Frankreich auf dem Sprunge, aktiv an dem Kampfe sich zu beteiligen. Wenig Wochen, vielleicht wenige Tage schon werden entscheiden, und die franz&ouml;sische, die magyarisch-polnische und die deutsche Revolutionsarmee werden bald unter den Mauern von Berlin auf dem Schlachtfeld ihr Verbr&uuml;derungsfest feiern.</P>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben von Friedrich Engels.</P>
</FONT>
</BODY>
</HTML>