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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Friedrich Engels - Garibaldi in Kalabrien</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="../me_ak60.htm"><FONT SIZE=2>Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1860</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 15, 4. Auflage 1972, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 155-158.</P>
<P>1. Korrektur<BR>
Erstellt am 18.09.1998</P>
</FONT><H2>Friedrich Engels </H2>
<H1>Garibaldi in Kalabrien </H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben Anfang September 1860.<BR>
Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 6058 vom 24. September 1860, Leitartikel] </P>
</FONT><B><P><A NAME="S155">&lt;155&gt;</A></B> Wir sind jetzt im Besitz genauer Informationen &uuml;ber Garibaldis Eroberung von Niederkalabrien und &uuml;ber die v&ouml;llige Vertreibung des zu seiner Verteidigung vorgesehenen neapolitanischen Korps. In diesem Abschnitt seiner triumphalen Karriere hat Garibaldi sich nicht nur als tapferer F&uuml;hrer und kluger Stratege, sondern auch als milit&auml;risch gebildeter Feldherr erwiesen. Der Angriff mit der Hauptstreitkraft auf eine Kette von K&uuml;stenforts ist ein Unternehmen, das nicht nur milit&auml;risches Talent, sondern auch milit&auml;risches Wissen erfordert, und es ist erfreulich festzustellen, da&szlig; unser Held, der nie in seinem Leben ein milit&auml;risches Examen ablegte und von dem kaum behauptet werden kann, da&szlig; er jemals einer regul&auml;ren Armee angeh&ouml;rt hat, auf einem Schlachtfeld dieser Art ebenso heimisch war wie auf jedem anderen. </P>
<P>Die Spitze des italienischen Stiefels wird von der Gebirgskette des Aspromonte gebildet, die mit dem Gipfel des Montalto, etwa 4.300 Fu&szlig; hoch, endet. Von diesem Gipfel aus flie&szlig;en die Wasser in einer Anzahl tiefer Schluchten, die sich vom Montalto als Zentrum wie die Radien eines Halbkreises ausbreiten, dessen Peripherie von der K&uuml;ste gebildet wird. Diese Schluchten, deren jeweilige Flu&szlig;betten in dieser Jahreszeit ausgetrocknet sind, hei&szlig;en fiumare und bilden jede eine Stellung f&uuml;r eine zur&uuml;ckweichende Armee. Sie k&ouml;nnen zwar &uuml;ber den Montalto umgangen werden, besonders da Saum- und Fu&szlig;pfade am Kamme eines jeden Bergausl&auml;ufers und an der Hauptkette des Aspromonte selbst entlangf&uuml;hren; doch w&uuml;rde das v&ouml;llige Fehlen von Wasser in dem hochgelegenen Gebiet dies im Sommer mit einer gro&szlig;en Streitkraft zu einem ziemlich schwierigen Man&ouml;ver machen. Die Ausl&auml;ufer des Berges ziehen sich bis zur K&uuml;ste, wo <A NAME="S156"><B>&lt;156&gt;</A></B> sie in steilen und unregelm&auml;&szlig;ig zerkl&uuml;fteten Felsen zur See hin abfallen. Die Forts, die die Meerenge zwischen Reggio und Scilla bewachen, sind teilweise am Strand errichtet, doch noch h&auml;ufiger auf niedrigen, vorspringenden Felsen in der N&auml;he der K&uuml;ste. Die Folge davon ist, da&szlig; sie alle von den in ihrer N&auml;he liegenden h&ouml;heren Felsen beherrscht und beobachtet werden, und zwar liegen diese beherrschenden Punkte au&szlig;erhalb der Reichweite der Artillerie und meist au&szlig;er Schu&szlig;weite der alten Brown Bess, so da&szlig; diese Felsen bei der Errichtung der Forts nicht beachtet wurden; sie gewannen aber mit der Einf&uuml;hrung des modernen gezogenen Gewehrs entscheidende Bedeutung. Unter diesen Umst&auml;nden war ein gewaltsamer Angriff auf diese Forts unter Nichtbeachtung der Regeln einer regul&auml;ren Belagerung v&ouml;llig gerechtfertigt. Was Garibaldi zu tun hatte, war, eine Kolonne unter dem Feuer der Forts zum Zwecke eines fingierten Frontalangriffs auf die neapolitanischen Truppen die Landstra&szlig;e entlangzuschicken und eine andere Kolonne &uuml;ber die H&uuml;gel zu f&uuml;hren - so hoch die fiumare hinauf, wie es die Natur des Bodens, beziehungsweise die von irgendeiner neapolitanischen Verteidigungsstellung bestimmte Ausdehnung der Front erforderlich machten - und dabei Truppen und Forts zu umgehen, wobei er in jedem Engagement den Vorteil der beherrschenden Stellung hatte. </P>
<P>Dementsprechend sandte Garibaldi am 21. August Bixio mit einem Teil seiner Truppen an der K&uuml;ste entlang in Richtung Reggio, w&auml;hrend er selbst mit einem kleinen Detachement und den Truppen von Missori, die sich wieder mit ihm vereinigt hatten, durch das h&ouml;herliegende Gebiet ging. Die Neapolitaner, acht Kompanien oder ungef&auml;hr 1.200 Mann, besetzten eine fiumare in unmittelbarer N&auml;he von Reggio. Bixio, der als erster angriff, schickte eine Kolonne zur &auml;u&szlig;ersten Linken an den sandigen Strand, w&auml;hrend er selbst auf der Stra&szlig;e vorr&uuml;ckte. Die Neapolitaner gaben sehr bald nach, doch hielt ihr linker Fl&uuml;gel in den Bergen gegen&uuml;ber den wenigen Soldaten von Garibaldis Avantgarde stand, bis Missoris Leute herbeikamen und sie in die Enge trieben. Darauf zogen sie sich ins Fort, das in der Mitte der Stadt liegt, und auf eine kleine Batterie an der K&uuml;ste zur&uuml;ck. Letztere wurde durch einen sehr tapferen Ansturm von drei Kompanien Bixios, die durch eine Gesch&uuml;tzscharte eindrangen, genommen. Das gro&szlig;e Fort wurde von Bixio bombardiert, der zwei neapolitanische schwere Gesch&uuml;tze mit Munition in der Batterie vorgefunden hatte. Doch dies h&auml;tte die Neapolitaner nicht gezwungen, sich zu ergeben, wenn nicht Garibaldis Scharfsch&uuml;tzen die beherrschenden H&ouml;hen besetzt h&auml;tten, von denen aus sie die Kanoniere in den Batterien sehen und aufs Korn nehmen konnten. Dies <A NAME="S157"><B>&lt;157&gt;</A></B> wirkte. Die Artilleristen verlie&szlig;en die Gesch&uuml;tzbettung und rannten in die Kasematten; das Fort ergab sich. Zum Teil schlossen sich die M&auml;nner Garibaldi an; doch die meisten gingen nach Hause. W&auml;hrend sich dies in Reggio abspielte, und die Aufmerksamkeit der neapolitanischen Dampfer auf diesen Kampf, auf die Zerst&ouml;rung des gestrandeten Dampfers "Torino" und auf eine vorget&auml;uschte Einschiffung der Soldaten Medicis in Messina gelenkt war, gelang es Cosenz, 1.500 Mann in 60 Booten aus dem Faro Lagore herauszubekommen und mit ihnen an der nordwestlichen K&uuml;ste zwischen Scilla und Bagnara zu landen. </P>
<P>Am 23. fand ein kleines Gefecht in der N&auml;he von Salice, etwas hinter Reggio, statt. F&uuml;nfzig Garibaldianer - Engl&auml;nder und Franzosen - schlugen unter dem Kommando von Oberst de Flotte eine vierfache Anzahl von Neapolitanern. Dabei fiel de Flotte. Am gleichen Tage hatte General Briganti, der unter Viale in Niederkalabrien eine Brigade befehligte, eine Besprechung mit Garibaldi, die die Bedingungen seines &Uuml;bergehens in das italienische Lager betraf. Diese Besprechung hatte jedoch kein anderes Resultat, als zu zeigen, da&szlig; die Neapolitaner v&ouml;llig demoralisiert waren. Von diesem Augenblick an stand nicht mehr die Frage des Sieges, sondern nur noch die Frage des Sich-Ergebens. Briganti und Melendez, der Chef der zweiten beweglichen Brigade von Niederkalabrien, hatten eine Stellung dicht an der K&uuml;ste, zwischen Villa San Giovanni und Scilla, bezogen, die sich mit ihrer Linken bis zu den H&uuml;geln bei Fiumara di Muro erstreckte. Ihre vereinigten Kr&auml;fte k&ouml;nnen auf etwas &uuml;ber 3.600 Mann gesch&auml;tzt werden. </P>
<P>Garibaldi, der mit Cosenz, welcher im R&uuml;cken dieser Einheit gelandet war, in Verbindung trat, zog um sie ein vollst&auml;ndiges Netz und erwartete dann ruhig ihre Kapitulation, die am 24. gegen Abend erfolgte. Er entwaffnete sie und erlaubte den Leuten nach Hause zu gehen, wenn sie wollten - was die meisten auch taten. Das Fort Punta di Pezzo ergab sich ebenfalls, und die Posten bei der Allafiumare, Torre del Cavallo und bei Scilla folgten dem Beispiel, entmutigt sowohl durch das Gewehrfeuer von den beherrschenden H&ouml;hen, als auch durch den allgemeinen Abfall der anderen Forts und der Truppen im Felde. So war nicht nur die vollst&auml;ndige Herrschaft auf beiden Seiten der Meerenge gesichert, sondern ganz Niederikalabrien erobert worden, und die zur Verteidigung geschickten Truppen gefangengenommen und in weniger als f&uuml;nf Tagen nach Hause entlassen. </P>
<P>Diese Serie von Niederlagen machte die neapolitanische Armee untauglich zu jedem weiteren Widerstand. Die Offiziere der restlichen Bataillone Viales in Monteleone beschlossen, ihre Stellung eine Stunde lang <A NAME="S158"><B>&lt;158&gt;</A></B> zu verteidigen, um den Schein zu wahren, und dann die Waffen niederzulegen. Die Insurrektion in den anderen Provinzen machte schnelle Fortschritte. Ganze Regimenter weigerten sich, gegen die Insurgenten zu marschieren, und es kamen sogar Desertionen in Truppeneinheiten vor, die Neapel deckten. So wurde schlie&szlig;lich dem Helden Italiens der Weg nach Neapel gebahnt. </P>
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