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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Friedrich Engels - Einleitung zu Karl Marx' &quot;Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich&quot; (Ausgabe 1891)</TITLE>
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<META name="description" content="Einleitung zu Karl Marx' &quot;Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich&quot; (Ausgabe 1891)">
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<TD ALIGN="center" width="200" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A href="../default.htm"><FONT size=2 color="#006600">Marx/Engels - Werke</A></TD>
<TD ALIGN="center" width="199" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="../me_ak91.htm"><FONT size="2" color="#006600">Artikel und Korrespondenzen 1891</A></FONT></TD>
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bgcolor="#99CC99"><A HREF="../me17/me17_319.htm"><FONT size="2" color="#006600">Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich</A></FONT></TD>
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<TD valign="top"><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: </SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 22, 3. Auflage 1972, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1963, Berlin/DDR. S. 188-199.</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Korrektur:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>1</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Erstellt:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>06.04.1999</SMALL></TD>
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<H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Einleitung [zu "Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich" von Karl Marx (Ausgabe 1891)]</H1>
<FONT SIZE=2><P>Nach: "Der B&uuml;rgerkrieg in Frankreich", dritte deutsche Auflage, Berlin 1891.</P>
</FONT><P><HR size="1"></P>
<B><P><A NAME="S188">|188|</A></B> Die Aufforderung, die Adresse des internationalen Generalrats &uuml;ber den "B&uuml;rgerkrieg in Frankreich" neu herauszugeben und mit einer Einleitung zu begleiten, kam mir unerwartet. Ich kann daher hier nur kurz die wesentlichsten Punkte ber&uuml;hren.</P>
<P>Ich schicke der obigen l&auml;ngern Arbeit die beiden k&uuml;rzern Ansprachen des Generalrats &uuml;ber den Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieg voraus. Einmal, weil auf die <A HREF="../me17/me17_271.htm">zweite</A>, die selbst ohne die <A HREF="../me17/me17_003.htm">erste</A> nicht durchweg verst&auml;ndlich, im "B&uuml;rgerkrieg" verwiesen wird. Dann aber, weil diese beiden ebenfalls von Marx verfa&szlig;ten Ansprachen nicht minder als der "B&uuml;rgerkrieg" hervorragende Probest&uuml;cke sind von der wunderbaren, zuerst im "18. Brumaire des Louis Bonaparte" bew&auml;hrten Gabe des Verfassers, den Charakter, die Tragweite und die notwendigen Folgen gro&szlig;er geschichtlicher Ereignisse klar zu erfassen, zur Zeit, wo diese Ereignisse sich noch vor unsern Augen abspielen oder erst eben vollendet sind. Und endlich, weil wir in Deutschland noch heute unter den von Marx vorausgesagten Folgen jener Ereignisse zu leiden haben.</P>
<P>Oder ist es nicht eingetroffen, <A HREF="../me17/me17_003.htm#S6">was die erste Ansprache sagt</A>, da&szlig;, wenn der Verteidigungskrieg Deutschlands gegen Louis Bonaparte ausarte in einen Eroberungskrieg gegen das franz&ouml;sische Volk, alles Ungl&uuml;ck, das auf Deutschland fiel nach den sogenannten Befreiungskriegen, wieder aufleben werde mit erneuter Heftigkeit? Haben wir nicht weitere zwanzig Jahre Bismarckherrschaft gehabt, statt der Demagogenverfolgungen das Ausnahmegesetz und die Sozialistenhetze, mit derselben Polizeiwillk&uuml;r, mit buchst&auml;blich derselben haarstr&auml;ubenden Gesetzauslegung?</P>
<P>Und hat sich nicht buchst&auml;blich bew&auml;hrt die <A HREF="../me17/me17_271.htm#S275">Voraussage</A>, da&szlig; die Annexion Elsa&szlig;-Lothringens "Frankreich in die Arme Ru&szlig;lands hinein- <A NAME="S189"><B>|189|</A></B> zwingen" werde, und da&szlig; nach dieser Annexion Deutschland entweder der offenkundige Knecht Ru&szlig;lands werden oder sich nach kurzer Rast zu einem neuen Krieg r&uuml;sten m&uuml;sse, und zwar "zu einem Racenkrieg gegen die verb&uuml;ndeten Racen der Slawen und Romanen"? Hat nicht die Annexion der franz&ouml;sischen Provinzen Frankreich in die Arme Ru&szlig;lands getrieben? Hat nicht Bismarck volle zwanzig Jahre vergebens um die Gunst des Zaren gebuhlt, gebuhlt mit Diensten noch niedriger, als sie das kleine Preu&szlig;en, ehe es "erste Gro&szlig;macht Europas" geworden, dem heiligen Ru&szlig;land zu F&uuml;&szlig;en zu legen gewohnt war? Und h&auml;ngt nicht noch tagt&auml;glich &uuml;ber unserm Haupte das Damoklesschwert eines Kriegs, an dessen erstem Tag alle verbrieften F&uuml;rstenb&uuml;ndnisse zerstieben werden wie Spreu, eines Kriegs, von dem nichts gewi&szlig; ist als die absolute Ungewi&szlig;heit seines Ausgangs, eines Racenkriegs, der ganz Europa der Verheerung durch f&uuml;nfzehn oder zwanzig Millionen Bewaffneter unterwirft, und der nur deswegen nicht schon w&uuml;tet, weil selbst dem st&auml;rksten der gro&szlig;en Milit&auml;rstaaten vor der totalen Unberechenbarkeit des Endresultats bangt?</P>
<P>Um so mehr ist es Pflicht, diese halbverge&szlig;nen gl&auml;nzenden Belege der Fernsicht der internationalen Arbeiterpolitik von 1870 den deutschen Arbeitern wieder zug&auml;nglich zu machen.</P>
<P>Was von diesen beiden Ansprachen, gilt auch von der &uuml;ber den "B&uuml;rgerkrieg in Frankreich". Am 28. Mai erlagen die letzten Kommunek&auml;mpfer der &Uuml;bermacht auf den Abh&auml;ngen von Belleville, und schon zwei Tage sp&auml;ter, am 30., las Marx dem Generalrat die Arbeit vor, worin die geschichtliche Bedeutung der Pariser Kommune in kurzen, kr&auml;ftigen, aber so scharfen und vor allem so wahren Z&uuml;gen dargestellt ist, wie dies in der gesamten massenhaften Literatur &uuml;ber den Gegenstand nie wieder erreicht worden.</P>
<P>Dank der &ouml;konomischen und politischen Entwicklung Frankreichs seit 1789 ist Paris seit f&uuml;nfzig Jahren in die Lage versetzt, da&szlig; dort keine Revolution ausbrechen konnte, die nicht einen proletarischen Charakter annahm, derart, da&szlig; das Proletariat, das den Sieg mit seinem Blut erkauft, mit eignen Forderungen nach dem Sieg auftrat. Diese Forderungen waren mehr oder weniger unklar und selbst verworren, je nach dem jedesmaligen Entwicklungsstand der Pariser Arbeiter; aber schlie&szlig;lich liefen sie alle hinaus auf Beseitigung des Klassengegensatzes zwischen Kapitalisten und Arbeitern. Wie das geschehn sollte, das wu&szlig;te man freilich nicht. Aber die Forderung selbst, so unbestimmt sie auch noch gehalten war, enthielt eine Gefahr f&uuml;r die bestehende Gesellschaftsordnung; die Arbeiter, die sie stellten, waren <A NAME="S190"><B>|190|</A></B> noch bewaffnet; f&uuml;r die am Staatsruder befindlichen Bourgeois war daher Entwaffnung der Arbeiter erstes Gebot. Daher nach jeder durch die Arbeiter erk&auml;mpften Revolution ein neuer Kampf, der mit der Niederlage der Arbeiter endigt.</P>
<P>Das geschah zum erstenmal 1848. Die liberalen Bourgeois der parlamentarischen Opposition hielten Reformbankette ab zur Durchsetzung der Wahlreform, die ihrer Partei die Herrschaft sichern sollte. Im Kampf mit der Regierung mehr und mehr gezwungen, ans Volk zu appellieren, mu&szlig;ten sie den radikalen und republikanischen Schichten der Bourgeoisie und des Kleinb&uuml;rgertums allm&auml;hlich den Vortritt gestatten. Aber hinter diesen standen die revolution&auml;ren Arbeiter, und diese hatten seit 1830 weit mehr politische Selbst&auml;ndigkeit sich angeeignet, als die Bourgeois und selbst die Republikaner ahnten. Im Moment der Krisis zwischen Regierung und Opposition er&ouml;ffneten die Arbeiter den Stra&szlig;enkampf; Louis-Philippe verschwand, die Wahlreform mit ihm, an ihrer Stelle erstand die Republik, und zwar eine von den siegreichen Arbeitern selbst als "soziale" bezeichnete Republik. Was unter dieser sozialen Republik zu verstehn sei, dar&uuml;ber war aber niemand im klaren, auch die Arbeiter selbst nicht. Aber sie hatten jetzt Waffen und waren eine Macht im Staat. Sobald daher die am Ruder befindlichen Bourgeoisrepublikaner einigerma&szlig;en festen Boden unter den F&uuml;&szlig;en sp&uuml;rten, war ihr erstes Ziel, die Arbeiter zu entwaffnen. Dies geschah, indem man sie durch direkten Wortbruch, durch offnen Hohn und den Versuch, die Unbesch&auml;ftigten in eine entlegne Provinz zu verbannen, in den Aufstand vom Juni 1848 hineinjagte. Die Regierung hatte f&uuml;r eine erdr&uuml;ckende &Uuml;bermacht gesorgt. Nach f&uuml;nft&auml;gigem heroischem Kampf erlagen die Arbeiter. Und jetzt folgte ein Blutbad unter den wehrlosen Gefangnen, wie ein gleiches nicht gesehen worden seit den Tagen der B&uuml;rgerkriege, die den Untergang der r&ouml;mischen Republik einleiteten. Es war das erste Mal, da&szlig; die Bourgeoisie zeigte, zu welcher wahnsinnigen Grausamkeit der Rache sie aufgestachelt wird, sobald das Proletariat es wagt, ihr gegen&uuml;ber als aparte Klasse mit eignen Interessen und Forderungen aufzutreten. Und doch war 1848 noch ein Kinderspiel gegen ihr W&uuml;ten von 1871.</P>
<P>Die Strafe folgte auf dem Fu&szlig;. Konnte das Proletariat noch nicht Frankreich regieren, so konnte die Bourgeoisie es schon nicht mehr. Wenigstens damals nicht, wo sie der Mehrzahl nach noch monarchisch gesinnt und in drei dynastische Parteien und eine vierte republikanische gespalten war. Ihre innern Z&auml;nkereien erlaubten dem Abenteurer Louis Bonaparte, alle Machtposten - Armee, Polizei, Verwaltungsmaschinerie - in Besitz zu <A NAME="S191"><B>|191|</A></B> nehmen und am 2. Dezember 1851 die letzte feste Burg der Bourgeoisie, die Nationalversammlung, zu sprengen. Das zweite Kaiserreich begann die Ausbeutung Frankreichs durch eine Bande politischer und finanzieller Abenteurer, aber zugleich auch eine industrielle Entwicklung, wie sie unter dem engherzigen und &auml;ngstlichen System Louis-Philippes, bei der ausschlie&szlig;lichen Herrschaft eines nur kleinen Teils der gro&szlig;en Bourgeoisie, nie m&ouml;glich war. Louis Bonaparte nahm den Kapitalisten ihre politische Macht unter dem Vorwand, sie, die Bourgeois, gegen die Arbeiter zu sch&uuml;tzen, und wiederum die Arbeiter gegen sie; aber daf&uuml;r beg&uuml;nstigte seine Herrschaft die Spekulation und die industrielle T&auml;tigkeit, kurz, den Aufschwung und die Bereicherung der gesamten Bourgeoisie in bisher unerh&ouml;rtem Ma&szlig;. In noch weit gr&ouml;&szlig;erm Ma&szlig; allerdings entwickelte sich die Korruption und der Massendiebstahl, die sich um den kaiserlichen Hof gruppierten und von dieser Bereicherung ihre starken Prozente zogen.</P>
<P>Aber das zweite Kaiserreich, das war der Appell an den franz&ouml;sischen Chauvinismus, das war die R&uuml;ckforderung der 1814 verlornen Grenzen des ersten Kaiserreichs, mindestens derjenigen der ersten Republik. Ein franz&ouml;sisches Kaiserreich in den Grenzen der alten Monarchie, ja sogar in den noch mehr beschnittenen von 1815, das war auf die Dauer eine Unm&ouml;glichkeit. Daher die Notwendigkeit zeitweiliger Kriege und Grenzerweiterungen. Aber keine Grenzerweiterung blendete so sehr die Phantasie franz&ouml;sischer Chauvinisten wie die des deutschen linken Rheinufers. Eine Quadratmeile am Rhein galt mehr bei ihnen als zehn in den Alpen oder sonstwo. Gegeben das zweite Kaiserreich, war die R&uuml;ckforderung des linken Rheinufers, auf einmal oder st&uuml;ckweise, nur eine Frage der Zeit. Diese Zeit kam mit dem Preu&szlig;isch-&Ouml;sterreichischen Krieg von 1866; durch Bismarck und durch seine eigne &uuml;berschlaue Zauderpolitik um die erwartete "Gebietsentsch&auml;digung" geprellt, blieb dem Bonaparte nun nichts mehr als der Krieg, der 1870 ausbrach und ihn nach Sedan und von da nach Wilhelmsh&ouml;he verschlug.</P>
<P>Die notwendige Folge war die Pariser Revolution vom 4. September 1870. Das Kaiserreich klappte zusammen wie ein Kartenhaus, die Republik wurde wieder proklamiert. Aber der Feind stand vor den Toren; die Armeen des Kaiserreichs waren entweder in Metz hoffnungslos eingeschlossen oder in Deutschland gefangen. In dieser Not erlaubte das Volk den Pariser Deputierten zum ehemaligen gesetzgebenden K&ouml;rper, sich als "Regierung der nationalen Verteidigung" aufzutun. Man gab dies um so eher zu, als jetzt zum Zweck der Verteidigung alle waffenf&auml;higen Pariser in die Nationalgarde eingetreten und bewaffnet waren, so da&szlig; nun die Arbeiter <A NAME="S192"><B>|192|</A></B> die gro&szlig;e Mehrzahl bildeten. Aber schon bald kam der Gegensatz zwischen der fast nur aus Bourgeois bestehenden Regierung und dem bewaffneten Proletariat zum Ausbruch. Am 31 .Oktober st&uuml;rmten Arbeiterbataillone das Stadthaus und nahmen einen Teil der Regierungsmitglieder gefangen; Verrat, direkter Wortbruch der Regierung und die Dazwischenkunft einiger Spie&szlig;b&uuml;rgerbataillone befreiten sie wieder, und um nicht den B&uuml;rgerkrieg im Innern einer von fremder Kriegsmacht belagerten Stadt aufflammen zu machen, belie&szlig; man die bisherige Regierung im Amt.</P>
<P>Endlich, am 28. Januar 1871, kapitulierte das ausgehungerte Paris. Aber mit bisher in der Kriegsgeschichte unerh&ouml;rten Ehren. Die Forts wurden &uuml;bergeben, der Ringwall entwaffnet, die Waffen der Linie und Mobilgarde ausgeliefert, sie selbst als Kriegsgefangne betrachtet. Aber die Nationalgarde behielt ihre Waffen und Kanonen und trat nur in Waffenstillstand gegen die Sieger. Und diese selbst wagten nicht, in Paris im Triumph einzuziehn. Nur ein kleines, obendrein teilweise aus &ouml;ffentlichen Parks bestehendes Eckchen von Paris wagten sie zu besetzen, und auch dies nur f&uuml;r ein paar Tage! Und w&auml;hrend dieser Zeit waren sie, die Paris 131 Tage lang umzingelt gehalten hatten, selbst umzingelt von den bewaffneten Pariser Arbeitern, die sorgsam wachten, da&szlig; kein "Preu&szlig;e" die engen Grenzen des dem fremden Eroberer &uuml;berlassenen Winkels &uuml;berschritt. Solchen Respekt fl&ouml;&szlig;ten die Pariser Arbeiter dem Heere ein, vor welchem s&auml;mtliche Armeen des Kaiserreichs die Waffen gestreckt; und die preu&szlig;ischen Junker, die hergekommen waren, um Rache zu nehmen am Herd der Revolution, mu&szlig;ten ehrerbietig stehnbleiben und salutieren vor eben dieser bewaffneten Revolution!</P>
<P>W&auml;hrend des Kriegs hatten die Pariser Arbeiter sich darauf beschr&auml;nkt, die energische Fortsetzung des Kampfs zu fordern. Aber jetzt, als nach der Kapitulation von Paris der Friede zustande kam, jetzt mu&szlig;te Thiers, das neue Oberhaupt der Regierung, einsehn, da&szlig; die Herrschaft der besitzenden Klassen - gro&szlig;er Grundbesitzer und Kapitalisten - in steter Gefahr schwebe, solange die Pariser Arbeiter die Waffen in der Hand behielten. Sein erstes Werk war der Versuch ihrer Entwaffnung. Am 18. M&auml;rz sandte er Linientruppen mit dem Befehl, die der Nationalgarde geh&ouml;rige, w&auml;hrend der Belagerung von Paris angefertigte und durch &ouml;ffentliche Subskription bezahlte Artillerie zu rauben. Der Versuch schlug fehl, Paris r&uuml;stete sich wie ein Mann zur Gegenwehr, und der Krieg zwischen Paris und der in Versailles sitzenden franz&ouml;sischen Regierung war erkl&auml;rt. Am 26. M&auml;rz wurde die Pariser Kommune erw&auml;hlt und am 28. proklamiert. Das Zentralkomitee der Nationalgarde, das bisher die Regierung gef&uuml;hrt, dankte <A NAME="S193"><B>|193|</A></B> in ihre H&auml;nde ab, nachdem es noch zuvor die Abschaffung der skandal&ouml;sen Pariser "Sittenpolizei" dekretiert hatte. Am 30. schaffte die Kommune die Konskription und die stehende Armee ab und erkl&auml;rte die Nationalgarde, zu der alle waffenf&auml;higen B&uuml;rger geh&ouml;ren sollten, f&uuml;r die einzige bewaffnete Macht; sie erlie&szlig; alle Wohnungsmietsbetr&auml;ge vom Oktober 1870 bis zum April, unter Anrechnung der bereits bezahlten Betr&auml;ge auf k&uuml;nftige Mietszeit, und stellte alle Verk&auml;ufe von Pf&auml;ndern im st&auml;dtischen Leihhaus ein. Am selben Tage wurden die in die Kommune gew&auml;hlten Ausl&auml;nder in ihrem Amt best&auml;tigt, da die "Fahne der Kommune die der Weltrepublik ist". - Am 1 .April beschlossen, das h&ouml;chste Gehalt eines bei der Kommune Angestellten, also auch ihrer Mitglieder selbst, d&uuml;rfe 6.000 Franken (4.800 Mark) nicht &uuml;bersteigen. Am folgenden Tage wurde die Trennung der Kirche vom Staat und die Abschaffung aller staatlichen Zahlungen f&uuml;r religi&ouml;se Zwecke sowie die Umwandlung aller geistlichen G&uuml;ter in Nationaleigentum dekretiert; infolge davon wurde am 8. April die Verbannung aller religi&ouml;sen Symbole, Bilder, Dogmen, Gebete, kurz, "alles dessen, was in den Bereich des Gewissens jedes einzelnen geh&ouml;rt", aus den Schulen befohlen und allm&auml;hlich durchgef&uuml;hrt. - Am 5. wurde, gegen&uuml;ber der t&auml;glich erneuerten Erschie&szlig;ung von gefangnen Kommunek&auml;mpfern durch die Versailler Truppen, ein Dekret wegen Verhaftung von Geiseln erlassen, aber nie durchgef&uuml;hrt. - Am 6. wurde die Guillotine durch das 137. Bataillon der Nationalgarde herausgeholt und unter lautem Volksjubel &ouml;ffentlich verbrannt. - Am 12. beschlo&szlig; die Kommune, die nach dem Krieg von 1809 von Napoleon aus eroberten Kanonen gego&szlig;ne Siegess&auml;ule des Vend&ocirc;me-Platzes als Sinnbild des Chauvinismus und der V&ouml;lkerverhetzung umzust&uuml;rzen. Dies wurde am 16. Mai ausgef&uuml;hrt. - Am 16. April ordnete die Kommune eine statistische Aufstellung der von den Fabrikanten stillgesetzten Fabriken an und die Ausarbeitung von Pl&auml;nen f&uuml;r den Betrieb dieser Fabriken durch die in Kooperativgenossenschaften zu vereinigenden, bisher darin besch&auml;ftigten Arbeiter, sowie f&uuml;r eine Organisation dieser Genossenschaften zu einem gro&szlig;en Verband. - Am 20. schaffte sie die Nachtarbeit der B&auml;cker ab wie auch den seit dem zweiten Kaiserreich durch polizeilich ernannte Subjekte - Arbeiterausbeuter ersten Rangs - als Monopol betriebnen Arbeitsnachweis; dieser wurde den Mairien der zwanzig Pariser Arrondissements &uuml;berwiesen. - Am 30. April befahl sie die Aufhebung der Pfandh&auml;user, welche eine Privatexploitation der Arbeiter seien und im Widerspruch st&auml;nden mit dem Recht der Arbeiter auf ihre Arbeitsinstrumente und auf Kredit. - Am 5. Mai beschlo&szlig; sie die Schleifung der als S&uuml;hne f&uuml;r die Hinrichtung Ludwigs XVI. errichteten Bu&szlig;kapelle.</P>
<B><P><A NAME="S194">|194|</A></B> So trat seit dem 18. M&auml;rz der bisher durch den Kampf gegen die fremde Invasion in den Hintergrund gedr&auml;ngte Klassencharakter der Pariser Bewegung scharf und rein hervor. Wie in der Kommune fast nur Arbeiter oder anerkannte Arbeitervertreter sa&szlig;en, so trugen auch ihre Beschl&uuml;sse einen entschieden proletarischen Charakter. Entweder dekretierten sie Reformen, die die republikanische Bourgeoisie nur aus Feigheit unterlassen hatte, die aber f&uuml;r die freie Aktion der Arbeiterklasse eine notwendige Grundlage bildeten, wie die Durchf&uuml;hrung des Satzes, da&szlig; <I>dem Staat gegen&uuml;ber</I> die Religion blo&szlig;e Privatsache sei; oder sie erlie&szlig; Beschl&uuml;sse direkt im Interesse der Arbeiterklasse und teilweise tief einschneidend in die alte Gesellschaftsordnung. Alles das konnte aber, in einer belagerten Stadt, h&ouml;chstens einen Anfang von Verwirklichung erhalten. Und von Anfang Mai an nahm der Kampf gegen die immer zahlreicher versammelten Heeresmassen der Versailler Regierung alle Kr&auml;fte in Anspruch.</P>
<P>Am 7. April hatten die Versailler sich des &Uuml;bergangs &uuml;ber die Seine bei Neuilly, auf der Westfront vor, Paris, bem&auml;chtigt; dagegen wurden sie am 11. bei einem Angriff auf die S&uuml;dfront von General Eudes mit blutigen K&ouml;pfen zur&uuml;ckgeschlagen. Paris wurde fortw&auml;hrend bombardiert, und zwar von denselben Leuten, die das Bombardement derselben Stadt durch die Preu&szlig;en als eine Heiligtumssch&auml;ndung gebrandmarkt hatten. Diese selben Leute bettelten nun bei der preu&szlig;ischen Regierung um schleunige R&uuml;cksendung der gefangnen franz&ouml;sischen Soldaten von Sedan und Metz, die ihnen Paris zur&uuml;ckerobern sollten. Das allm&auml;hliche Eintreffen dieser Truppen gab den Versaillern von Anfang Mai an entschiednes &Uuml;bergewicht. Dies zeigte sich schon, als am 23. April Thiers die Unterhandlungen abbrach wegen des von der Kommune angebotnen Austausches des Erzbischofs von Paris |Darboy| und einer ganzen Reihe andrer als Geiseln in Paris festgehaltenen Pfaffen gegen den einzigen Blanqui, der zweimal in die Kommune gew&auml;hlt, aber in Clairvaux gefangen war. Und noch mehr in der ver&auml;nderten Sprache von Thiers; bisher hinhaltend und doppelz&uuml;ngig, wurde er jetzt pl&ouml;tzlich frech, drohend, brutal. Auf der S&uuml;dfront nahmen die Versailler am 3. Mai die Redoute von Moulin-Saquet, am 9. das vollst&auml;ndig in Tr&uuml;mmer geschossene Fort von Issy, am 14. das von Vanves. Auf der Westfront r&uuml;ckten sie allm&auml;hlich, die zahlreichen, bis an die Ringmauer sich erstreckenden D&ouml;rfer und Geb&auml;ude erobernd, bis an den Hauptwall selbst vor; am 21. gelang es ihnen, durch Verrat und infolge von Nachl&auml;ssigkeit der hier aufgestellten Nationalgarde, in die Stadt einzudringen. Die Preu&szlig;en, <A NAME="S195"><B>|195|</A></B> die die n&ouml;rdlichen und &ouml;stlichen Forts besetzt hielten, erlaubten den Versaillern, &uuml;ber das ihnen durch den Waffenstillstand verbotne Terrain im Norden der Stadt vorzudringen und dadurch angreifend vorzugehn auf einer langen Front, die die Pariser durch den Waffenstillstand gedeckt glauben mu&szlig;ten und daher nur schwach besetzt hielten. Infolge hiervon war der Widerstand in der westlichen H&auml;lfte von Paris, in der eigentlichen Luxusstadt, nur schwach; er wurde heftiger und z&auml;her, je mehr die eindringenden Truppen sich der Osth&auml;lfte, der eigentlichen Arbeiterstadt, n&auml;herten. Erst nach achtt&auml;gigem Kampf erlagen die letzten Verteidiger der Kommune auf den H&ouml;hen von Belleville und M&eacute;nilmontant, und nun erreichte das Morden wehrloser M&auml;nner, Weiber und Kinder, das die ganze Woche hindurch in steigendem Ma&szlig;e gew&uuml;tet, seinen H&ouml;hepunkt. Der Hinterlader t&ouml;tete nicht mehr rasch genug, zu Hunderten wurden die Besiegten mit Mitrailleusen zusammengeschossen. Die "Mauer der F&ouml;derierten" auf dem Kirchhof P&egrave;re-Lachaise, wo der letzte Massenmord vollzogen, steht noch heute, ein stumm-beredtes Zeugnis, welcher Raserei die herrschende Klasse f&auml;hig ist, sobald das Proletariat es wagt, f&uuml;r sein Recht einzutreten. Dann kamen die Massenverhaftungen, als die Abschlachtung aller sich als unm&ouml;glich erwies, die Erschie&szlig;ung von willk&uuml;rlich aus den Reihen der Gefangnen herausgesuchten Schlachtopfern, die Abf&uuml;hrung des Restes in gro&szlig;e Lager, wo sie der Vorf&uuml;hrung vor die Kriegsgerichte harrten. Die preu&szlig;ischen Truppen, die die Nordosth&auml;lfte von Paris umlagerten, hatten Befehl, keine Fl&uuml;chtlinge durchzulassen, doch dr&uuml;ckten die Offiziere oft ein Auge zu, wenn die Soldaten dem Gebot der Menschlichkeit mehr gehorchten als dem des Oberkommandos; namentlich aber geb&uuml;hrt dem s&auml;chsichen Armeekorps der Ruhm, da&szlig; es sehr human verfuhr und viele durchlie&szlig;, deren Eigenschaft als Kommunek&auml;mpfer augenscheinlich war.</P>
<P ALIGN="CENTER"><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD><EFBFBD></P>
<P>Schauen wir heute, nach zwanzig Jahren, zur&uuml;ck auf die T&auml;tigkeit und die geschichtliche Bedeutung der Pariser Kommune von 1871, so werden wir finden, da&szlig; zu der im "B&uuml;rgerkrieg in Frankreich" gegebnen Darstellung noch einige Zus&auml;tze zu machen sind.</P>
<P>Die Mitglieder der Kommune spalteten sich in eine Majorit&auml;t, die Blanquisten, die auch im Zentralkomitee der Nationalgarde vorgeherrscht hatten, und eine Minorit&auml;t: die vorwiegend aus Anh&auml;ngern der Proudhonschen sozialistischen Schule bestehenden Mitglieder der Internationalen Arbeiterassoziation. Die Blanquisten waren damals, der gro&szlig;en Masse nach, Sozialisten nur aus revolution&auml;rem, proletarischem Instinkt; nur wenige <A NAME="S196"><B>|196|</A></B> waren durch Vaillant, der den deutschen wissenschaftlichen Sozialismus kannte, zu gr&ouml;&szlig;erer prinzipieller Klarheit gelangt. So begreift es sich, da&szlig; in &ouml;konomischer Beziehung manches unterlassen wurde, was nach unsrer heutigen Anschauung die Kommune h&auml;tte tun m&uuml;ssen. Am schwersten begreiflich ist allerdings der heilige Respekt, womit man vor den Toren der Bank von Frankreich ehrerbietig stehnblieb. Das war auch ein schwerer politischer Fehler. Die Bank in den H&auml;nden der Kommune - das war mehr wert als zehntausend Geiseln. Das bedeutete den Druck der ganzen franz&ouml;sischen Bourgeoisie auf die Versailler Regierung im Interesse des Friedens mit der Kommune. Was aber noch wunderbarer, das ist das viele Richtige, das trotzdem von der aus Blanquisten und Proudhonisten zusammengesetzten Kommune getan wurde. Selbstverst&auml;ndlich sind f&uuml;r die &ouml;konomischen Dekrete der Kommune, f&uuml;r ihre r&uuml;hmlichen wie f&uuml;r ihre unr&uuml;hmlichen Seiten, in erster Linie die Proudhonisten verantwortlich, wie f&uuml;r ihre politischen Handlungen und Unterlassungen die Blanquisten. Und in beiden F&auml;llen wollte es die Ironie der Geschichte - wie gew&ouml;hnlich, wenn Doktrin&auml;re ans Ruder kommen -, da&szlig; die einen wie die andern das Gegenteil von dem taten, was ihre Schuldoktrin vorschrieb.</P>
<P>Proudhon, der Sozialist des Kleinbauern und des Handwerksmeisters, ha&szlig;te die Assoziation mit einem positiven Ha&szlig;. Er sagte von ihr, sie schlie&szlig;e mehr Schlimmes als Gutes ein, sie sei von Natur unfruchtbar, sogar sch&auml;dlich, weil eine der Freiheit des Arbeiters angelegte Fessel; sie sei ein pures Dogma, unproduktiv und l&auml;stig, im Widerstreit so mit der Freiheit des Arbeiters wie mit der Ersparung von Arbeit, und ihre Nachteile w&uuml;chsen rascher als ihre Vorteile; ihr gegen&uuml;ber seien Konkurrenz, Arbeitsteilung, Privateigentum &ouml;konomische Kr&auml;fte. Nur f&uuml;r die Ausnahmef&auml;lle - wie Proudhon sie nennt - der gro&szlig;en Industrie und der gro&szlig;en Betriebsk&ouml;rper, z.B. Eisenbahnen - sei die Assoziation der Arbeiter am Platz. (S. "Id&eacute;e g&eacute;n&eacute;rale de la r&eacute;volution", 3. &eacute;tude.)</P>
<P>Und 1871 hatte die gro&szlig;e Industrie selbst in Paris, dem Zentralsitz des Kunsthandwerks, schon so sehr aufgeh&ouml;rt, ein Ausnahmefall zu sein, da&szlig; bei weitem das wichtigste Dekret der Kommune eine Organisation der gro&szlig;en Industrie und sogar der Manufaktur anordnete, die nicht nur auf der Assoziation der Arbeiter in jeder Fabrik beruhen, sondern auch alle diese Genossenschaften zu einem gro&szlig;en Verband vereinigen sollte; kurz, eine Organisation, die, wie <A HREF="../me17/me17_319.htm#S342">Marx im "B&uuml;rgerkrieg" ganz richtig sagt</A>, schlie&szlig;lich auf den Kommunismus, also auf das direkte Gegenteil der Proudhonschen Lehre hinauslaufen mu&szlig;te. Und daher war auch die <A NAME="S197"><B>|197|</A></B> Kommune das Grab der Proudhonschen Schule des Sozialismus. Diese Schule ist heute aus den franz&ouml;sischen Arbeiterkreisen verschwunden; hier herrscht jetzt unbestritten, bei Possibilisten nicht minder als bei "Marxisten", die Marxsche Theorie. Nur unter der "radikalen" Bourgeoisie gibt es noch Proudhonisten.</P>
<P>Nicht besser erging es den Blanquisten. Gro&szlig;gezogen in der Schule der Verschw&ouml;rung, zusammengehalten durch die ihr entsprechende straffe Disziplin, gingen sie von der Ansicht aus, da&szlig; eine verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig kleine Zahl entschlo&szlig;ner, wohlorganisierter M&auml;nner imstande sei, in einem gegebnen g&uuml;nstigen Moment das Staatsruder nicht nur zu ergreifen, sondern auch durch Entfaltung gro&szlig;er, r&uuml;cksichtsloser Energie so lange zu behaupten, bis es ihr gelungen, die Masse des Volks in die Revolution hineinzurei&szlig;en und um die f&uuml;hrende kleine Schar zu gruppieren. Dazu geh&ouml;rte vor allen Dingen strengste, diktatorische Zentralisation aller Gewalt in der Hand der neuen revolution&auml;ren Regierung. Und was tat die Kommune, die der Mehrzahl nach aus eben diesen Blanquisten bestand? In allen ihren Proklamationen an die Franzosen der Provinz forderte sie diese auf zu einer freien F&ouml;deration aller franz&ouml;sischen Kommunen mit Paris, zu einer nationalen Organisation, die zum erstenmal wirklich durch die Nation selbst geschaffen werden sollte. Gerade die unterdr&uuml;ckende Macht der bisherigen zentralisierten Regierung, Armee, politische Polizei, B&uuml;rokratie, die Napoleon 1798 geschaffen und die seitdem jede neue Regierung als willkommnes Werkzeug &uuml;bernommen und gegen ihre Gegner ausgenutzt hatte, gerade diese Macht sollte &uuml;berall fallen, wie sie in Paris bereits gefallen war.</P>
<P>Die Kommune mu&szlig;te gleich von vornherein anerkennen, da&szlig; die Arbeiterklasse, einmal zur Herrschaft gekommen, nicht fortwirtschaften k&ouml;nne mit der alten Staatsmaschine; da&szlig; diese Arbeiterklasse, um nicht ihrer eignen, erst eben eroberten Herrschaft wieder verlustig zu gehn, einerseits alle die alte, bisher gegen sie selbst ausgenutzte Unterdr&uuml;ckungsmaschinerie beseitigen, andrerseits aber sich sichern m&uuml;sse gegen ihre eignen Abgeordneten und Beamten, indem sie diese, ohne alle Ausnahme, f&uuml;r jederzeit absetzbar erkl&auml;rte. Worin bestand die charakteristische Eigenschaft des bisherigen Staats? Die Gesellschaft hatte zur Besorgung ihrer gemeinsamen Interessen, urspr&uuml;nglich durch einfache Arbeitsteilung, sich eigne Organe geschaffen. Aber diese Organe, deren Spitze die Staatsgewalt, hatten sich mit der Zeit, im Dienst ihrer eignen Sonderinteressen, aus Dienern der Gesellschaft zu Herren &uuml;ber dieselbe verwandelt. Wie dies z.B. nicht blo&szlig; in der erblichen Monarchie, sondern ebensogut in der demokratischen Republik zu sehn ist. Nirgends bilden die "Politiker" eine abgesondertere <A NAME="S198"><B>|198|</A></B> und m&auml;chtigere Abteilung der Nation als grade in Nordamerika. Hier wird jede der beiden gro&szlig;en Parteien, denen die Herrschaft abwechselnd zuf&auml;llt, selbst wieder regiert von Leuten, die aus der Politik ein Gesch&auml;ft machen, die auf Sitze in den gesetzgebenden Versammlungen des Bundes wie der Einzelstaaten spekulieren oder die von der Agitation f&uuml;r ihre Partei leben und nach deren Sieg durch Stellen belohnt werden. Es ist bekannt, wie die Amerikaner seit 30 Jahren versuchen, dies unertr&auml;glich gewordne Joch abzusch&uuml;tteln, und wie sie trotz alledem immer tiefer in diesen Sumpf der Korruption hineinsinken. Gerade in Amerika k&ouml;nnen wir am besten sehn, wie diese Verselbst&auml;ndigung der Staatsmacht gegen&uuml;ber der Gesellschaft, zu deren blo&szlig;em Werkzeug sie urspr&uuml;nglich bestimmt war, vor sich geht. Hier existiert keine Dynastie, kein Adel, kein stehendes Heer, au&szlig;er den paar Mann zur Bewachung der Indianer, keine B&uuml;rokratie mit fester Anstellung oder Pensionsberechtigung. Und dennoch haben wir hier zwei gro&szlig;e Banden von politischen Spekulanten, die abwechselnd die Staatsmacht in Besitz nehmen und mit den korruptesten Mitteln und zu den korruptesten Zwecken ausbeuten - und die Nation ist ohnm&auml;chtig gegen diese angeblich in ihrem Dienst stehenden, in Wirklichkeit aber sie beherrschenden und pl&uuml;ndernden zwei gro&szlig;en Kartelle von Politikern.</P>
<P>Gegen diese in allen bisherigen Staaten unumg&auml;ngliche Verwandlung des Staats und der Staatsorgane aus Dienern der Gesellschaft in Herren der Gesellschaft wandte die Kommune zwei unfehlbare Mittel an. Erstens besetzte sie alle Stellen, verwaltende, richtende, lehrende, durch Wahl nach allgemeinem Stimmrecht der Beteiligten, und zwar auf jederzeitigen Widerruf durch dieselben Beteiligten. Und zweitens zahlte sie f&uuml;r alle Dienste, hohe wie niedrige, nur den Lohn, den andre Arbeiter empfingen. Das h&ouml;chste Gehalt, das sie &uuml;berhaupt zahlte, war 6.000 Franken. Damit war der Stellenj&auml;gerei und dem Strebertum ein sichrer Riegel vorgeschoben, auch ohne die gebundnen Mandate bei Delegierten zu Vertretungsk&ouml;rpern, die noch zum &Uuml;berflu&szlig; hinzugef&uuml;gt wurden.</P>
<P>Diese Sprengung der bisherigen Staatsmacht und ihre Ersetzung durch eine neue, in Wahrheit demokratische, ist im dritten Abschnitt des "B&uuml;rgerkriegs" eingehend geschildert. Es war aber n&ouml;tig, hier nochmals kurz auf einige Z&uuml;ge derselben einzugehn, weil gerade in Deutschland der Aberglaube an den Staat aus der Philosophie sich in das allgemeine Bewu&szlig;tsein der Bourgeoisie und selbst vieler Arbeiter &uuml;bertragen hat. Nach der philosophischen Vorstellung ist der Staat die "Verwirklichung der Idee" oder das ins Philosophische &uuml;bersetzte Reich Gottes auf Erden, das Gebiet, worauf die ewige Wahrheit und Gerechtigkeit sich verwirklicht oder ver- <A NAME="S199"><B>|199|</A></B> wirklichen soll. Und daraus folgt dann eine abergl&auml;ubische Verehrung des Staats und alles dessen, was mit dem Staat zusammenh&auml;ngt, und die sich um so leichter einstellt, als man sich von Kindesbeinen daran gew&ouml;hnt hat, sich einzubilden, die der ganzen Gesellschaft gemeinsamen Gesch&auml;fte und Interessen k&ouml;nnten nicht anders besorgt werden, als wie sie bisher besorgt worden sind, n&auml;mlich durch den Staat und seine wohlbestallten Beh&ouml;rden. Und man glaubt schon einen ganz gewaltig k&uuml;hnen Schritt getan zu haben, wenn man sich frei gemacht vom Glauben an die erbliche Monarchie und auf die demokratische Republik schw&ouml;rt. In Wirklichkeit aber ist der Staat nichts als eine Maschine zur Unterdr&uuml;ckung einer Klasse durch eine andre, und zwar in der demokratischen Republik nicht minder als in der Monarchie; und im besten Fall ein &Uuml;bel, das dem im Kampf um die Klassenherrschaft siegreichen Proletariat vererbt wird und dessen schlimmste Seiten es ebensowenig wie die Kommune umhin k&ouml;nnen wird, sofort m&ouml;glichst zu beschneiden, bis ein in neuen, freien Gesellschaftszust&auml;nden herangewachsenes Geschlecht imstande sein wird, den ganzen Staatsplunder von sich abzutun.</P>
<P>Der deutsche Philister ist neuerdings wieder in heilsamen Schrecken geraten bei dem Wort: Diktatur des Proletariats. Nun gut, ihr Herren, wollt ihr wissen, wie diese Diktatur aussieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats.</P>
<I><P>London</I>, am zwanzigsten Jahrestag der Pariser Kommune, 18. M&auml;rz 1891 </P>
<I><P ALIGN="RIGHT">F. Engels</P></I>
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