emacs.d/clones/www.mlwerke.de/me/me09/me09_273.htm
2022-08-25 20:29:11 +02:00

79 lines
No EOL
37 KiB
HTML

<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
<HTML>
<HEAD>
<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
<TITLE>Karl Marx - Die tuerkische Frage im Unterhaus</TITLE>
</HEAD>
<BODY LINK="#0000ff" VLINK="#800080" BGCOLOR="#ffffaf">
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 9, S. 273-285<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960</P>
</FONT><H2>Karl Marx</H2>
<H1>Die t&uuml;rkische Frage im Unterhaus</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</FONT> </P>
<P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 3862 vom 2. September 1853]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S273">&lt;273&gt;</A></B> London, Freitag, 19. August 1853</P>
<P>Nachdem Lord John Russell seine Erkl&auml;rungen &uuml;ber die t&uuml;rkische Frage immer und immer wieder verschoben hatte, bis endlich die letzte Woche der Parlamentssession gl&uuml;cklich herangekommen war, trat er pl&ouml;tzlich vergangenen Montag mit der Ank&uuml;ndigung hervor, da&szlig; er Dienstag seine so lange verz&ouml;gerte Erkl&auml;rung abgeben w&uuml;rde. Der edle Lord hatte in Erfahrung gebracht, da&szlig; Herr Disraeli London Montag morgen verlassen habe. Ebenso pl&ouml;tzlich hatte Sir Charles Wood, als er erfuhr, da&szlig; Sir J. Pakington und seine Anh&auml;nger nicht anwesend seien, seine Indienbill eingebracht, die das Oberhaus amendiert hatte, und von dem schwachbesetzten Hause einstimmig die Wiederinkraftsetzung des Salzmonopols erreicht. In solchen kleinlichen, sch&auml;bigen Tricks liegt die Kraft der parlamentarischen Taktik der Whigs.</P>
<P>Die Debatte zur orientalischen Frage im Unterhaus war ein hochinteressantes Schauspiel. Lord J. Russell er&ouml;ffnete die Vorstellung in einem Tone, der seiner Rolle durchaus angemessen war. Dieser winzige Erdensohn, der angeblich letzte Vertreter des einst m&auml;chtigen Stammes der Whigs, sprach langweilig, leise; trocken, monoton und geistlos, nicht wie ein Minister, sondern wie ein Polizeireporter, der die Greuel seines Berichts durch die triviale, allt&auml;gliche und gesch&auml;ftliche Art des Vortrags mildert. Er hielt keine "Verteidigungsrede", sondern machte ein Bekenntnis. Der einzige vers&ouml;hnende Zug in seiner Rede war gerade diese Steifheit, hinter der sich gewisse schmerzliche Eindr&uuml;cke zu verbergen schienen, unter denen der kleine Mann litt. Sogar die unvermeidliche Phrase von "der Unabh&auml;ngigkeit und Integrit&auml;t des Ottomanischen Reichs" klang wie eine alte Reminiszenz, die sich wie aus Versehen immer wieder in die Leichenrede f&uuml;r dieses Reich einschlich. Der <A NAME="S274"><B>&lt;274&gt;</A></B> Eindruck dieser Rede, die als Losung der orientalischen Wirren gedacht war, mag am besten danach beurteilt werden, da&szlig; in Paris die Papiere sofort fielen, als der Telegraph ihren Wortlaut &uuml;bermittelte.</P>
<P>Lord John hatte recht, als er behauptete, die Regierung brauche seine Verteidigung nicht, denn sie sei nicht angegriffen worden; das Haus zeigte sich im Gegenteil vollst&auml;ndig geneigt, der Exekutive die Verhandlungen zu &uuml;berlassen. Tats&auml;chlich hat kein einziges Parlamentsmitglied irgendeinen Antrag gestellt, der die Minister zum Eingreifen in die Debatte zw&auml;nge, und es fand keine einzige Versammlung au&szlig;erhalb des Hauses statt, die den Parlamentsmitgliedern einen solchen Antrag aufgezwungen h&auml;tte. Wenn die Politik des Ministeriums voller Geheimnisse und Mystifikationen war, so war sie es mit der schweigenden Zustimmung des Parlaments und des Publikums. Da&szlig; man Dokumente nicht ver&ouml;ffentlicht, w&auml;hrend die Verhandlungen noch schweben, sei nach Lord Johns Versicherung ein seit aller Ewigkeit geheiligtes Gesetz der parlamentarischen Tradition. Es w&auml;re erm&uuml;dend, ihm bei der Aufz&auml;hlung von Ereignissen zu folgen, die jedem vertraut sind und die er durch seine Art, aufzuz&auml;hlen, statt zu erz&auml;hlen, nicht lebendiger zu gestalten wei&szlig;. Immerhin sind da einige wichtige Punkte, die vor Lord John noch kein anderer offiziell best&auml;tigt hat.</P>
<P>Vor der Ankunft des F&uuml;rsten Menschikow in Konstantinopel machte der russische Gesandte Lord John die Mitteilung, da&szlig; der Zar eine au&szlig;erordentliche Mission nach Konstantinopel zu senden beabsichtige, die sich ausschlie&szlig;lich mit Vorschl&auml;gen wegen des Heiligen Kreuzes und der damit verbundenen Privilegien der griechisch-orthodoxen Kirche befassen sollte. Der britische Gesandte in Petersburg und die hiesige britische Regierung hegten keinen Argwohn in bezug auf Ru&szlig;lands Absichten. Erst Anfang M&auml;rz teilte der t&uuml;rkische Minister Lord Stratford mit (nach Herrn Layards Behauptung seien jedoch Oberst Rose und viele andere Personen in Konstantinopel in das Geheimnis schon vorher eingeweiht gewesen), F&uuml;rst Menschikow habe einen Geheimvertrag vorgeschlagen, der mit der Unabh&auml;ngigkeit der T&uuml;rkei unvereinbar gewesen sei, und habe in diesem Zusammenhang erkl&auml;rt, Ru&szlig;land w&uuml;rde es als einen Akt direkter Feindseligkeit gegen sich auffassen, wenn Frankreich oder England von dieser Tatsache in Kenntnis gesetzt w&uuml;rden. Gleichzeitig verlautete, und zwar nicht nur ger&uuml;chtweise, sondern nach authentischen Berichten, da&szlig; Ru&szlig;land gro&szlig;e Truppenmassen an den t&uuml;rkischen Grenzen und bei Odessa zusammenz&ouml;ge</P>
<P>Die Note, die die Wiener Konferenz an den Zaren richtete und die von ihm akzeptiert wurde, war in Paris von Herrn Drouyn de Lhuys vorbereitet worden, der ihr die Antwort Reschid Paschas auf die letzte russische Note <A NAME="S275"><B>&lt;275&gt;</A></B> zugrunde gelegt hatte. Sp&auml;ter nahm &Ouml;sterreich sie am 24. Juli in ver&auml;nderter Form als seinen eigenen Vorschlag auf; ihre endg&uuml;ltige Fassung aber erhielt sie am 31 Juli. Der &ouml;sterreichische Minister hatte sie vorher dem russischen Gesandten in Wien &uuml;bermittelt, der sie schon am 24. Juli, noch vor ihrer endg&uuml;ltigen Fassung, nach St. Petersburg schickte, und erst am 2. August, nachdem der Zar ihr zugestimmt hatte, wurde sie nach Konstantinopel gesandt. Eigentlich ist es also eine russische Note, die durch Vermittlung der vier M&auml;chte an den Sultan gerichtet wurde, und nicht eine von den vier M&auml;chten an Ru&szlig;land und die T&uuml;rkei gerichtete Note. Lord John Russell bemerkt, diese Note stimme <I>"in der Form nicht genau mit der Note des F&uuml;rsten Menschikow &uuml;berein"</I>; wobei er zugibt, da&szlig; sie den gleichen Inhalt hat. Um aber gar keinen Zweifel aufkommen zu lassen, f&uuml;gt er hinzu:</P>
<I><FONT SIZE=2><P>"Der Kaiser glaubt, </I>seine <I>Ziele zu erreichen."</P>
</I></FONT><P>Der Entwurf enth&auml;lt auch nicht einmal eine Anspielung auf die R&auml;umung der Donauf&uuml;rstent&uuml;mer.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Selbst wenn sich die T&uuml;rkei und Ru&szlig;land", sagt Lord John, "endlich auf diese Note einigen sollten, <I>so bleibt immer noch die gro&szlig;e Frage nach der R&auml;umung der F&uuml;rstent&uuml;mer</I>."</P>
</FONT><P>Gleichzeitig f&uuml;gt er hinzu, da&szlig; die britische Regierung "diese R&auml;umung f&uuml;r notwendig halte", &uuml;ber den Modus, wie sie vor sich gehen solle, m&ouml;ge man ihm aber gestatten, sich nicht weiter zu &auml;u&szlig;ern. Er l&auml;&szlig;t jedoch deutlich durchblicken, da&szlig; die englische und die franz&ouml;sische Flotte die Besikabai wahrscheinlich eher r&auml;umen m&uuml;ssen als die Russen die F&uuml;rstent&uuml;mer.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Wir sollten keiner Abmachung zustimmen, durch welche das Vorr&uuml;cken der Flotten in die N&auml;he der Dardanellen als eine Handlung angesehen werden k&ouml;nnte, die einem tats&auml;chlichen Einfall in t&uuml;rkisches Territorium gleichk&auml;me. Selbstverst&auml;ndlich, wenn die Sache beigelegt und der Friede gesichert ist, so wird die Besikabai aufh&ouml;ren, f&uuml;r England oder Frankreich ein St&uuml;tzpunkt von irgendwelchem Nutzen zu sein."</P>
</FONT><P>Da kein vern&uuml;nftiger Mensch jemals angenommen hat, die englische und die franz&ouml;sische Flotte sollten f&uuml;r alle Zeiten in der Besikabai bleiben, oder Frankreich und England sollten einen formellen Vertrag abschlie&szlig;en, der ihnen das Vorr&uuml;cken in die neutrale Umgebung der Dardanellen verbietet, so k&ouml;nnen diese zweideutigen und geschwollenen Phrasen, wenn sie &uuml;berhaupt etwas besagen, nur das eine bedeuten, da&szlig; die Flotten sich zur&uuml;ckziehen werden, sobald der Sultan die Note akzeptiert und der Russe versprochen haben wird, die F&uuml;rstent&uuml;mer zu r&auml;umen.</P>
<B><FONT SIZE=2><P><A NAME="S276">&lt;276&gt;</A></B> "Als die russische Regierung", sagt Lord John, "die F&uuml;rstent&uuml;mer besetzt hatte, erkl&auml;rte &Ouml;sterreich, im Sinne des Vertrags von 1841 sei es unumg&auml;nglich notwendig, da&szlig; die Vertreter der M&auml;chte zu einer Konferenz zusammentr&auml;ten und sich bem&uuml;hten, friedliche Wege zur Beilegung der aufgetauchten Schwierigkeiten zu finden, denn sonst w&auml;re der Friede in Europa bedroht."</P>
</FONT><P>Im Gegensatz dazu erkl&auml;rte Lord Aberdeen vor einigen Tagen im Oberhaus und auch, wie uns aus anderen Quellen berichtet wird, in einer formellen, im Laufe des Juni an die Kabinette von Konstantinopel und St. Petersburg abgegangenen Note, da&szlig;</P>
<FONT SIZE=2><P>"der Vertrag von 1841 den unterzeichneten M&auml;chten in keiner Weise die Verpflichtung auferlege, der Pforte tats&auml;chlich beizustehen" (wohl aber zeitweilig auf die Dardanellendurchfahrt zu verzichten!), "und da&szlig; die Regierung Ihrer Majest&auml;t sich vorbehalte, ganz nach ihrem Ermessen einzugreifen oder nicht einzugreifen, je nachdem, wie es ihren eigenen Interessen entspr&auml;che".</P>
</FONT><P>Lord Aberdeen weist alle Verpflichtungen gegen die T&uuml;rkei nur deshalb zur&uuml;ck, um nicht Ru&szlig;land gegen&uuml;ber irgendwelche Rechte geltend machen zu m&uuml;ssen.</P>
<P>Lord John Russell schlie&szlig;t mit <I>"der tr&ouml;stlichen Versicherung", </I>da&szlig; der Abschlu&szlig; der Verhandlungen nahe bevorsteht. Das erscheint uns in diesem Augenblick recht zuversichtlich, wenn wir bedenken, da&szlig; die in Wien vereinbarte russische Note, welche die T&uuml;rkei dem Zaren vorlegen soll, vom Sultan noch gar nicht akzeptiert worden ist und da&szlig; die sine qua non der Westm&auml;chte, n&auml;mlich die R&auml;umung der Donauf&uuml;rstent&uuml;mer, dem Zaren noch gar nicht ernsthaft nahegelegt wurde.</P>
<P>Herr Layard, der erste Redner, der sich erhob, um Lord John zu antworten, hielt die weitaus beste und kraftvollste Rede - k&uuml;hn, kurz und b&uuml;ndig, inhaltsreich, voll Tatsachenmaterial bewies sie, da&szlig; der ausgezeichnete Gelehrte mit Nikolaus ebenso vertraut war wie mit Sardanapal und mit den gegenw&auml;rtigen Intrigen im Orient ebenso wie mit den geheimnisvollen &Uuml;berlieferungen seiner Vergangenheit.</P>
<P>Herr Layard bedauerte, da&szlig; Lord Aberdeen "bei verschiedenen Gelegenheiten und an verschiedenen Orten erkl&auml;rt habe, seine Politik sei wesentlich eine auf dem Frieden basierende Politik". Schrecke England davor zur&uuml;ck, seine Ehre und seine Interessen mit kriegerischer Faust zu wahren, so z&uuml;chte es dadurch bei einer so gesetzlosen Macht wie Ru&szlig;land eine Anma&szlig;ung gro&szlig;, die fr&uuml;her oder sp&auml;ter unvermeidlich zum Krieg f&uuml;hren m&uuml;sse. Das jetzige Vorgehen Ru&szlig;lands d&uuml;rfe nicht als zuf&auml;lliges und vor&uuml;bergehendes Ereignis betrachtet werden, sondern als Teil und Bestandteil eines gro&szlig;angelegten politischen Plans.</P>
<B><P><A NAME="S277">&lt;277&gt;</A></B> Was die an Frankreich gemachten "Konzessionen" und die "Intrigen" des Herrn von Levalette betrifft, so k&ouml;nnten sie Ru&szlig;land nicht einmal einen Vorwand bieten, weil</P>
<FONT SIZE=2><P>"die Pforte bereits mehrere Tage, wenn nicht Wochen vorher einen Entwurf des Fermans, der die nun von Ru&szlig;land beanstandeten Konzessionen enthielt, an Herrn Titow ablieferte und gegen den Wortlaut dieses Fermans keine wie immer geartete Einwendung erhoben wurde".</P>
</FONT><P>Ru&szlig;lands Pl&auml;ne in bezug auf Serbien, die Moldau-Walachei und die christliche Bev&ouml;lkerung der T&uuml;rkei waren nicht mi&szlig;zuverstehen. Unmittelbar nach seinem offiziellen Auftreten in Konstantinopel forderte F&uuml;rst Menschikow die Entlassung Garaschanins von seinem Posten als serbischer Minister. Diesem Verlangen wurde stattgegeben, obwohl der serbische Synod protestierte. Herr Garaschanin war einer der M&auml;nner, den die Erhebung von 1842 in die H&ouml;he getragen hatte, jene nationale Bewegung gegen den russischen Einflu&szlig;, die den damals herrschenden F&uuml;rsten Michael von Serbien hinwegfegte; dieser und seine Familie waren blo&szlig;e Werkzeuge in den H&auml;nden Ru&szlig;lands gewesen. 1843 ma&szlig;te sich Ru&szlig;land das Recht an, sich in Serbien einzumischen. Durch keinerlei Vertrag irgendwie dazu bevollm&auml;chtigt, erhielt es von <I>Lord Aberdeen</I>, dem damaligen Minister des Ausw&auml;rtigen, die Vollmacht, wobei Lord Aberdeen erkl&auml;rte, <I>"Ru&szlig;land habe das Recht, seine eigenen Vertr&auml;ge nach eigenem Ermessen auszulegen"</I>.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Ru&szlig;land bewies durch den Erfolg dieser Verhandlungen, da&szlig; es Herr in Serbien sei", sagte Herr Layard, "und da&szlig; es jeder zur Unabh&auml;ngigkeit strebenden Nationalit&auml;t Einhalt gebieten d&uuml;rfe."</P>
</FONT><P>In den Donauf&uuml;rstent&uuml;mern machte sich Ru&szlig;land zuerst die nationale Bewegung von 1848 insofern zunutze, als es die Pforte zwang, jeden Menschen auszuweisen, der liberale und unabh&auml;ngige Anschauungen vertrat. Dann zwang es dem Sultan den Vertrag von Balta-Liman auf, durch den es sein Recht auf Einmischung in alle inneren Angelegenheiten der Donauf&uuml;rstent&uuml;mer festlegte; "und seine jetzige Okkupation derselben hat bewiesen, da&szlig; die Moldau und die Walachei faktisch russische Provinzen geworden sind".</P>
<P>Bleiben noch die Griechen in der T&uuml;rkei und die Slawen in Bulgarien, die sich zum Christentum bekennen.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Der Griechen hat sich ein Geist der Kritik und Unabh&auml;ngigkeit bem&auml;chtigt, der, neben ihren Handelsbeziehungen mit den freien Staaten Europas, bei der russischen Regierung Best&uuml;rzung hervorgerufen hat. Noch ein anderer Anla&szlig; war dazu vorhanden, n&auml;mlich die Verbreitung des Protestantismus unter den Christen des Orients. Dem Einflu&szlig; und den Lehren amerikanischer Missionare ist es haupts&auml;chlich zuzuschreiben, <A NAME="S278"><B>&lt;278&gt;</A></B> wenn kaum eine bedeutendere Stadt in der T&uuml;rkei existiert, in der nicht bereits der Kern einer protestantischen Gemeinde vorhanden ist." (Ein weiterer Grund f&uuml;r die amerikanische Intervention.) "Der griechisch-orthodoxe Klerus, hinter dem die russische Mission stand, tat alles, was in seiner Macht stand, um diese Bewegung zu hemmen, und als alle Verfolgung sich als zwecklos erwies, erschien F&uuml;rst Menschikow in Konstantinopel. Ru&szlig;lands feste Absicht war es, den Geist der religi&ouml;sen und politischen Unabh&auml;ngigkeit auszurotten, der sich in den letzten Jahren bei den christlichen Untertanen der Pforte zu zeigen begann."</P>
</FONT><P>Im Hinblick auf die Errichtung eines sogenannten <I>griechischen Reichs mit Konstantinopel als Hauptstadt</I>, konstatierte Herr Layard, der selbstverst&auml;ndlich von Griechen nur zum Unterschied von den Slawen spricht, da&szlig; es kaum 1.750.000 Griechen g&auml;be; da&szlig; Slawen und Bulgaren seit Jahren aufs eifrigste bestrebt sind, jede Verbindung mit ihnen abzubrechen, indem sie sich weigern, Priester griechischer Nationalit&auml;t als Geistliche und Bisch&ouml;fe bei sich zuzulassen; da&szlig; die Serben sich ein eigenes Patriarchat schufen an Stelle desjenigen in Konstantinopel; und da&szlig; es bedeuten w&uuml;rde, die ganze T&uuml;rkei an Ru&szlig;land auszuliefern, wenn sich die Griechen in Konstantinopel festsetzten.</P>
<P>Im Hause erhoben sich Stimmen, die erkl&auml;rten, es w&auml;re ohne Bedeutung, ob Konstantinopel in den H&auml;nden Ru&szlig;lands sei oder nicht; doch Herr Layard antwortete, wenn Konstantinopel bezwungen sei, so w&uuml;rden alle die gro&szlig;en Provinzen, aus denen die T&uuml;rkei besteht, wie z.B. Kleinasien, Syrien und Mesopotamien, dem Chaos und der Anarchie anheimfallen. Die Macht, in deren H&auml;nde sie gerieten, w&uuml;rde auch Indien beherrschen. Die Macht, welche Konstantinopel beherrscht, w&uuml;rde im Orient stets als die weltbeherrschende angesehen werden.</P>
<P>Ru&szlig;land s&auml;he nun &uuml;brigens ein, da&szlig; ihm kein europ&auml;ischer Staat gestatten w&uuml;rde, jetzt von Konstantinopel Besitz zu ergreifen.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Sein Streben geht also vorl&auml;ufig dahin, die Existenz aller unabh&auml;ngigen Nationalit&auml;ten in diesem Land unm&ouml;glich zu machen, die t&uuml;rkische Macht langsam aber sicher zu untergraben und allen jenen, die sich seinen Pl&auml;nen widersetzen, zu zeigen, da&szlig; jeder derartige Widerstand nicht nur nutzlos sei, sondern ihnen seine Rache zuziehen w&uuml;rde. Kurz, es will jede andere Regierung au&szlig;er seiner eigenen in der T&uuml;rkei unm&ouml;glich machen. <I>Diese Absichten sind ihm dieses Mal vollst&auml;ndig gelungen.</I>"</P>
</FONT><P>Herr Layard legte dar, da&szlig; die Regierung sich, nachdem F&uuml;rst Menschikow einen Geheimvertrag gefordert und Ru&szlig;land gro&szlig;e Kriegsvorbereitungen an der Grenze und in Odessa getroffen hatte, mit den in St. Petersburg abgegebenen Erkl&auml;rungen und Versicherungen zufriedengegeben und verabs&auml;umt <A NAME="S279"><B>&lt;279&gt;</A></B> habe zu erkl&auml;ren, England und Frankreich w&uuml;rden das &Uuml;berschreiten des Pruth als einen Casus belli betrachten; auch h&auml;tte sie Ru&szlig;land nicht untersagt, ohne Englands Mitwirkung mit der T&uuml;rkei in Vertr&auml;ge oder Verhandlungen einzutreten.</P>
<FONT SIZE=2><P>"H&auml;tten wir diesen Schritt getan, so h&auml;tte Ru&szlig;land niemals gewagt, den Pruth zu &uuml;berschreiten."</P>
</FONT><P>Herr Layard f&uuml;hrte weiter aus, da&szlig; die Unabh&auml;ngigkeit der mit Bessarabien vereinigten und von Ungarn gest&uuml;tzten Donauf&uuml;rstent&uuml;mer schlie&szlig;lich das einzige Mittel bilden werde, Konstantinopel vor den Russen zu sch&uuml;tzen und die gro&szlig;e slawische Rasse in zwei Teile zu teilen. Er ist der Ansicht, da&szlig; Ru&szlig;land die F&uuml;rstent&uuml;mer r&auml;umen <I>wird</I>.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Ru&szlig;land wird es nicht der M&uuml;he wert halten, wegen dieser Provinzen, die ihm eigentlich schon ganz und gar geh&ouml;ren, sich mit den Gro&szlig;m&auml;chten Europas in einen Krieg einzulassen. Ru&szlig;land hat, ohne einen Schu&szlig; abzufeuern, das erhalten, was es sonst nur um den Preis eines blutigen und kostspieligen Feldzugs h&auml;tte erlangen k&ouml;nnen; es hat seine Macht im Orient befestigt, hat die T&uuml;rkei gedem&uuml;tigt; hat sie dazu gezwungen, alle Kosten des Krieges zu tragen, und hat ihre Hilfsmittel v&ouml;llig ersch&ouml;pft; aber, was noch mehr bedeutet: es hat England und Frankreich in den Augen ihrer eigenen Untertanen und der V&ouml;lker des Orients erniedrigt."</P>
</FONT><P>Die von der Wiener Konferenz entworfene Note wird nach Layards Meinung das Ergebnis haben, da&szlig;,</P>
<FONT SIZE=2><P>"wenn die Pforte ihr nicht nachkommt, Ru&szlig;land den Spie&szlig; gegen uns wenden und uns zu seinem Bundesgenossen gegen die T&uuml;rkei machen wird, um diese zu zwingen, den ungerechten Vorschlag anzunehmen. Nimmt die Pforte jedoch an, so hat England direkt das Recht Ru&szlig;lands sanktioniert, sich in die Angelegenheiten von zw&ouml;lf Millionen Christen, Untertanen der Pforte, einzumischen ... Wie wir uns auch zu der Frage stellen, eins ist klar, wir sind dabei ins Hintertreffen geraten, w&auml;hrend Ru&szlig;land allein die erste Geige spielt ... Wir hatten eine vielleicht niemals wiederkehrende Gelegenheit, diese gro&szlig;e orientalische Frage in anst&auml;ndiger Weise zu l&ouml;sen ... Statt dessen gestattete man Ru&szlig;land, einen Streich zu f&uuml;hren, von dem sich die T&uuml;rkei nie mehr erholen wird ... Bei diesem einen Ergebnis der Politik unseres Landes wird es jedoch nicht bleiben. Schweden, D&auml;nemark und alle schwachen Staaten Europas, die bisher auf die Unterst&uuml;tzung unseres Landes bauten, werden einsehen, da&szlig; es von nun an nutzlos ist, sich gegen die &Uuml;bergriffe Ru&szlig;lands zu wehren."</P>
</FONT><P>Hierauf machte Sir John Pakington einige Bemerkungen, die insofern von Bedeutung sind, weil sie eine &Auml;u&szlig;erung der Ansichten der Tory-Opposition darstellen. Er bedauerte, da&szlig; Lord John Russell dem Hause und der Bev&ouml;lkerung keine befriedigenderen Mitteilungen machen konnte. Er ver- <A NAME="S280"><B>&lt;280&gt;</A></B> sicherte der Regierung, da&szlig; ihr Entschlu&szlig;, die R&auml;umung der Donauf&uuml;rstent&uuml;mer als sine qua non zu erachten, "nicht nur die Unterst&uuml;tzung dieses Hauses, sondern auch die fast einstimmige Unterst&uuml;tzung des Volkes in unserem Lande finden werde". Bis die Dokumente ver&ouml;ffentlicht seien, m&uuml;sse er mit seinem Urteil &uuml;ber die Politik zur&uuml;ckhalten, die der T&uuml;rkei geraten habe, die Besetzung der F&uuml;rstent&uuml;mer nicht als Casus belli zu betrachten, die nicht schon fr&uuml;her kr&auml;ftiger und entscheidender eingegriffen habe und die die Interessen der T&uuml;rkei und Gro&szlig;britanniens und ihres Handels durch sechs Monate lang hingezogene Verhandlungen sch&auml;digte und in der Schwebe hielt.</P>
<P>Lord Dudley Stuart schwelgte in einer seiner gewohnten demokratischen Deklamationen, die sicher f&uuml;r den Redner erbaulicher sind als f&uuml;r den H&ouml;rer. Seine geschwollenen Phrasen sind wie Luftballons; dr&uuml;ckt man sie zusammen, so hat man nichts in der Hand, nicht einmal die Luft, die aus ihnen etwas machte. Dudley Stuart wiederholte die schon so oft wiederholten Behauptungen &uuml;ber die Reformen in der T&uuml;rkei und &uuml;ber den gr&ouml;&szlig;eren Liberalismus der Regierung des Sultans in puncto Religion und Handel im Vergleich zu dem Ru&szlig;lands. Mit Recht sagte er, es sei zwecklos, sich des Friedens zu r&uuml;hmen, solange die ungl&uuml;cklichen Einwohner der Donauf&uuml;rstent&uuml;mer noch die Schrecken des Krieges sp&uuml;ren. Europa m&uuml;sse die Bewohner dieser Provinzen gegen diese f&uuml;rchterliche Unterdr&uuml;ckung sch&uuml;tzen, deren Opfer sie jetzt seien. An Hand von Tatsachen aus der Parlamentsgeschichte wies er nach, da&szlig; die Mitglieder des Hauses das Recht h&auml;tten, Reden zu halten, auch wenn noch Verhandlungen im G&auml;nge w&auml;ren. Er verga&szlig; kaum etwas zu erw&auml;hnen, was nicht jedem getreuen und st&auml;ndigen Leser der "Daily News" gel&auml;ufig ist. In seiner Rede waren zwei "Pointen":</P>
<FONT SIZE=2><P>"Obgleich die Erkl&auml;rung des edlen Lords" (J. Russell) "nicht sehr weitgehend war, denn er hat dem Hause nichts anderes gesagt, als es schon vorher wu&szlig;te, so m&uuml;sse man leider doch gerade aus dem, was er verschwiegen habe, zu dem Schlusse kommen, <I>da&szlig; der edle Lord etwas begangen habe, dessen er sich sch&auml;men m&uuml;sse</I>."</P>
</FONT><P>Der Earl of Aberdeen</P>
<FONT SIZE=2><P>"habe zwar gesagt, da&szlig; der Frieden zum gro&szlig;en Nutzen f&uuml;r Europas Freiheit und Gedeihen drei&szlig;ig Jahre lang erhalten worden sei, aber er" (Dudley Stuart) "leugne, da&szlig; der Frieden die Freiheit Europas beg&uuml;nstigt habe. Wo, fragte er, st&uuml;nde Polen? Wo Italien? Wo Ungarn? Und wo erst Deutschland?"</P>
</FONT><P>Von seinem eigenen Redeflu&szlig;, der verh&auml;ngnisvollen Gabe solcher Redner dritter Garnitur, hingerissen, fand der demokratische Lord kein Ende, bis er von den Despoten des Kontinents zur eigenen Monarchie gelangt war, "die im Herzen ihrer Untertanen throne".</P>
<B><P><A NAME="S281">&lt;281&gt;</A></B> Herr M. Milnes, ein ministerieller Vasall, auf dessen Stirn geschrieben steht,</P>
<FONT SIZE=2><P>"sprecht nicht anders von ihm als einem Eigentum",</P>
</FONT><P>wagte nicht, eine entschieden ministerielle Rede zu halten. Seine Rede war aus einerseits und andererseits zusammengesetzt. Einerseits fand er, da&szlig; die Minister, indem sie dem Hause die Dokumente vorenthielten, "sehr klug und vorsichtig handelten"; andererseits gab er ihnen zu verstehen, es w&auml;re "energischer und tatkr&auml;ftiger" gewesen, wenn sie anders gehandelt h&auml;tten. Einerseits meinte er, die Regierung h&auml;tte recht gehabt, sich den Forderungen Ru&szlig;lands zu unterwerfen; andererseits schien es ihm fraglich, ob die Regierung nicht bis zu einem gewissen Grade die T&uuml;rkei zu einer Politik ermutigt habe, die sie nicht bereit war, zu unterst&uuml;tzen usw. Er fand schlie&szlig;lich heraus, "je mehr er &uuml;ber diese Dinge nachdenke, desto mehr erkenne er auch die au&szlig;erordentlichen Schwierigkeiten", die sie seinem Verstand b&ouml;ten - und je weniger er sie verstehe, desto besser verst&auml;nde er die abwartende Haltung der Regierung.</P>
<P>Nach den Winkelz&uuml;gen und der Hilflosigkeit des Herrn Monckton Milnes erschien uns die derbe Gradheit von Herrn Muntz, Abgeordneter f&uuml;r Birmingham und einer der Matadore des Reformparlaments von 1831, wahrhaft erfrischend.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Als einst der holl&auml;ndische Botschafter Karl II. einen sehr unangenehmen Vorschlag machte, rief der K&ouml;nig aus: 'Gott segne mich! Solch einen Vorschlag haben Sie Oliver Cromwell nie gemacht!' 'Nein', sagte der Botschafter, 'Sie sind ja auch ein ganz anderer Mann als Oliver Cromwell.' Wenn unser Land jetzt einen solchen Mann wie Oliver Cromwell h&auml;tte, dann h&auml;tten wir einen anderen Minister und eine ganz andere Regierung, und Ru&szlig;land w&auml;re niemals in die Donauprovinzen einmarschiert. Der Kaiser von Ru&szlig;land wu&szlig;te, da&szlig; England sich durch nichts zu einem Kriege w&uuml;rde treiben lassen: siehe Polen, siehe Ungarn. England ernte jetzt die Fr&uuml;chte seines eigenen Verhaltens zu jenen L&auml;ndern. Die Lage Englands erscheine ihm, was seine Au&szlig;enpolitik anbelangt, sehr tadelnswert und h&ouml;chst unbefriedigend. Auch glaube er, da&szlig; das englische Volk sich herabgew&uuml;rdigt f&uuml;hle und da&szlig; jedes Gef&uuml;hl f&uuml;r Ehre sich bei der Regierung in R&uuml;cksicht auf Pfund Sterling, Schillinge und Pence aufgel&ouml;st habe. Die Regierung besch&auml;ftige sich heute einzig und allein mit der Frage, was ein Krieg kosten w&uuml;rde und ob er den verschiedenen Kaufleuten des Landes gelegen k&auml;me."</P>
</FONT><P>Da Birmingham zuf&auml;llig der Mittelpunkt der Waffenfabrikation ist und die Bev&ouml;lkerung vom Verkauf von Gewehren lebt, so h&ouml;hnen die Birminghamer nat&uuml;rlich &uuml;ber die baumwollene Friedensbruderschaft von Manchester.</P>
<P>Herr Blackett, der Abgeordnete von Newcastle-upon-Tyne, glaubte nicht, da&szlig; die Russen die Donauf&uuml;rstent&uuml;mer r&auml;umen w&uuml;rden. Er warnte die <A NAME="S282"><B>&lt;282&gt;</A></B> Regierung, <I>"sich nicht </I>von <I>irgendwelchen dynastischen Sympathien oder Antipathien leiten zu lassen"</I>.</P>
<P>Von allen Seiten und von den Vertretern jeder Richtung bedr&auml;ngt, sa&szlig;en die Minister still, traurig, niedergeschlagen und gebrochen da, als sich pl&ouml;tzlich Richard Cobden erhob, um sie zu begl&uuml;ckw&uuml;nschen, da&szlig; sie Anh&auml;nger seiner Friedenslehre geworden seien. Und nun wandte er diese seine Lehrs&auml;tze auf den vorliegenden Fall an, wobei er den ganzen witzigen Scharfsinn, die sch&ouml;ne Aufrichtigkeit des Monomanen und alle Widerspr&uuml;che des Ideologen und die ganze berechnende Feigheit des Kr&auml;mers entwickelte. Er verk&uuml;ndete laut das, was das Ministerium offen durchf&uuml;hrte, dem das Parlament schweigend zustimmte, und was die herrschenden Klassen dem Ministerium durchzuf&uuml;hren und dem Parlament anzunehmen erm&ouml;glichten. Die Furcht vor dem Krieg fl&ouml;&szlig;te ihm zum erstenmal so etwas wie historische Ideen ein. Er verriet das Geheimnis der Bourgeoispolitik und wurde daf&uuml;r als Verr&auml;ter versto&szlig;en. Er hielt der englischen Bourgeoisie schonungslos den Spiegel vor, und da das Bild durchaus nicht schmeichelhaft war, wurde er ganz schm&auml;hlich ausgezischt. Er war inkonsequent, aber in seiner Inkonsequenz selbst war er konsequent. Lag es etwa an ihm, wenn die herk&ouml;mmlichen stolzen Phrasen der aristokratischen Vergangenheit mit den kleinm&uuml;tigen Tatsachen der b&ouml;rsenspielenden Gegenwart nicht harmonierten?</P>
<P>Er begann mit der Erkl&auml;rung, da&szlig; es in der Frage selbst keine Meinungsverschiedenheiten g&auml;be.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Dennoch herrsche wegen der t&uuml;rkischen Angelegenheit offenbar gro&szlig;e Beunruhigung."</P>
</FONT><P>Warum das? Im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre habe sich die &Uuml;berzeugung immer mehr gefestigt, da&szlig; die europ&auml;ischen T&uuml;rken eigentlich Eindringlinge in Europa seien; da&szlig; ihre Heimat nicht Europa, sondern Asien sei; da&szlig; in zivilisierten Staaten der Mohammedanismus nicht existieren k&ouml;nne; da&szlig; wir nicht imstande w&auml;ren, die Unabh&auml;ngigkeit eines Landes zu bewahren, wenn es nicht selbst f&auml;hig w&auml;re, sie zu bewahren; da&szlig; es eine Tatsache sei, da&szlig; auf jeden T&uuml;rken in der europ&auml;ischen T&uuml;rkei drei Christen k&auml;men.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Wir d&uuml;rften keine Politik verfolgen, durch die der T&uuml;rkei in Europa ihre Unabh&auml;ngigkeit gegen&uuml;ber Ru&szlig;land gesichert wird, es sei denn, die gro&szlig;e Masse der Bev&ouml;lkerung teilte mit uns den Wunsch, eine andere Macht an der Besitznahme dieses Landes zu verhindern ... Ohne Zweifel d&uuml;rften wir unsere Flotte nach der Besikabai senden und die Russen fernhalten, denn Ru&szlig;land werde mit einer Seemacht nicht in Konflikt geraten wollen; wir w&uuml;rden jedoch nur die enormen R&uuml;stungen dadurch ins Endlose fortsetzen, ohne die orientalische Frage dabei zu l&ouml;sen ... Die Frage ist, was <A NAME="S283"><B>&lt;283&gt;</A></B> geschieht mit der T&uuml;rkei und ihrer christlichen Bev&ouml;lkerung? Der Mohammedanismus k&ouml;nnte nicht erhalten bleiben, und wir w&uuml;rden es sehr bedauern, wenn wir sehen m&uuml;&szlig;ten, da&szlig; unser Land f&uuml;r den Mohammedanismus in Europa k&auml;mpft."</P>
</FONT><P>Lord Dudley Stuart habe davon gesprochen, da&szlig; die T&uuml;rkei wegen des Handels erhalten werden m&uuml;sse. Er (Cobden) w&uuml;rde nie wegen eines Zolltarifs Krieg f&uuml;hren. Er hielte die Grunds&auml;tze des Freihandeis f&uuml;r viel zu m&auml;chtig, als da&szlig; man erst f&uuml;r sie Krieg f&uuml;hren m&uuml;&szlig;te. Der Export nach der T&uuml;rkei sei &uuml;bersch&auml;tzt worden. Nur sehr wenig davon werde in den unter t&uuml;rkischer Herrschaft stehenden L&auml;ndern konsumiert.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Den ganzen Handel, den wir im Schwarzen Meere trieben, verdankten wir dem Vordringen Ru&szlig;lands an der t&uuml;rkischen K&uuml;ste. Wir bek&auml;men unser Getreide und unseren Flachs jetzt nicht von der T&uuml;rkei, sondern von Ru&szlig;land. Und w&uuml;rde Ru&szlig;land uns seinen Hanf, sein Korn, seinen Talg nicht ebensogern schicken, wenn es seine Angriffe auf die T&uuml;rkei fortsetze? Wir trieben mit Ru&szlig;land Handel in der Ostsee ... Welche Aussichten b&ouml;te uns der Handel mit der T&uuml;rkei? ... Das sei ein Land ohne Stra&szlig;en. Das russische sei das bessere Handelsvolk. Schauen wir nur nach St. Petersburg mit seinen Kais, Werften und Speichern ... Was f&uuml;r ein nationales B&uuml;ndnis k&ouml;nnten wir also mit einem Lande wie die T&uuml;rkei schlie&szlig;en? ... Es wurde auch vom Gleichgewicht der M&auml;chte gesprochen. Das sei eine politische Seite der Frage ... Sehr viel wurde geredet &uuml;ber die Macht Ru&szlig;lands und &uuml;ber die Gefahr, die f&uuml;r England daraus entst&uuml;nde, wenn Ru&szlig;land die L&auml;nder am Bosporus okkupierte. Ach, was f&uuml;r ein Wahnwitz sei es, davon zu reden, Ru&szlig;land werde kommen, um in England einzudringen! Ru&szlig;land k&ouml;nnte kein Heer &uuml;ber seine eigenen Grenzen f&uuml;hren, ohne in Westeuropa eine Anleihe aufzunehmen ... Ein so armes Land, das - verglichen mit England - eigentlich nichts anderes sei als ein Haufen zusammengew&uuml;rfelter D&ouml;rfer, ohne Kapital und ohne Hilfsmittel, k&ouml;nne niemals kommen, um uns oder Frankreich oder Amerika etwas anzuhaben ... England sei zehnmal m&auml;chtiger, als es je vorher gewesen, und weit mehr imstande, den Angriffen eines Landes wie Ru&szlig;land Widerstand zu leisten."</P>
</FONT><P>Und nun verweilte Cobden dabei, wie unvergleichlich gr&ouml;&szlig;er die Gefahren eines Krieges f&uuml;r England in seiner jetzigen Lage w&auml;ren als in fr&uuml;heren Zeiten. Die industrielle Bev&ouml;lkerung Englands sei sehr gewachsen. England sei viel abh&auml;ngiger vom Export seiner Produkte und vom Import an Rohmaterial geworden. England besitze nicht l&auml;nger das Industriemonopol. Die Aufhebung der Navigationsgesetze h&auml;tten England der Weltkonkurrenz nicht nur in der Schiffahrt, sondern auch in jeder andern Beziehung ausgesetzt.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Kein Hafen w&uuml;rde mehr zu leiden haben als der von ihm vertretene, das g&auml;be er Herrn Blackett zu bedenken. Die Regierung h&auml;tte klug daran getan, nicht auf das Geschrei gedankenloser Menschen zu h&ouml;ren ... Den Willen der Regierung, die Unver- <A NAME="S284"><B>&lt;284&gt;</A></B> letzlichkeit des T&uuml;rkischen Reichs zu erhalten, tadle er nicht, denn das sei die ihr &uuml;berlieferte traditionelle Politik ... Der heutigen Regierung werde es hoch angerechnet werden, so friedliebend gewesen zu sein, wie es die Bev&ouml;lkerung ihr nur zu sein gestattete."</P>
</FONT><P>Richard Cobden war der echte Held des Dramas und teilte als solcher das Schicksal aller echten Helden - ein tragisches. Aber dann kam der falsche Held, der N&auml;hrvater aller T&auml;uschungen, der Mann der eleganten L&uuml;ge und der h&ouml;fischen Versprechungen, das Mundst&uuml;ck f&uuml;r all die tapferen Worte, die man ausruft, wenn man davonl&auml;uft: Lord Palmerston. Dieser alte erfahrene und r&auml;nkevolle Debattierer sah auf den ersten Blick, da&szlig; der Schuldige dem Urteilsspruch entgehen k&ouml;nnte, wenn er seinen Anwalt verleugnete. Er sah, da&szlig; das von allen Seiten angegriffene Ministerium den Spie&szlig; umdrehen konnte, wenn es sich in einem gl&auml;nzenden Ausfall gegen den einzigen Menschen wendete, der gewagt hatte, es zu verteidigen, und wenn es die einzigen Gr&uuml;nde preisgab, die m&ouml;glicherweise als Entschuldigung f&uuml;r seine Politik h&auml;tten gelten k&ouml;nnen. Nichts leichter, als Cobdens Widerspr&uuml;che aufzuzeigen. Cobden hatte damit begonnen, seine vollste &Uuml;bereinstimmung mit den fr&uuml;heren Rednern auszusprechen, und hatte damit geendet, da&szlig; er in jedem Punkt von ihnen abwich. Er hatte die Unverletzlichkeit der T&uuml;rkei verteidigt und dann alles getan, um zu beweisen, da&szlig; sie eigentlich keine Verteidigung verdiene. Er, der Friedensapostel, hatte die Angriffe Ru&szlig;lands gutgehei&szlig;en. Ru&szlig;land sei schwach, aber ein Krieg mit Ru&szlig;land w&uuml;rde f&uuml;r England unfehlbaren Ruin bedeuten. Ru&szlig;land sei zwar nur ein Haufen zusammengew&uuml;rfelter D&ouml;rfer, aber da Konstantinopel eine sch&ouml;nere Stadt als St. Petersburg sei, so sollte Ru&szlig;land berechtigt sein, beide zu besitzen. Cobden war zwar Freih&auml;ndler, zog aber das russische Schutzzollsystem dem t&uuml;rkischen Freihandel vor. Mochte die T&uuml;rkei die von ihr importierten Waren selbst konsumieren oder nur den Kanal f&uuml;r ihre Durchfuhr nach andern Teilen Asiens bilden, war es f&uuml;r England gleichg&uuml;ltig, ob der freie Zugang zu ihr fortdauerte? Herr Cobden, der warme Verteidiger des Prinzips der Nichtintervention, wolle jetzt durch Parlamentsbeschl&uuml;sse die Geschicke der Mohammedaner, Griechen, Slawen und anderen Rassen des T&uuml;rkischen Reichs bestimmen. Und nun &uuml;bertrieb Lord Palmerston die Fortschritte, die die T&uuml;rkei gemacht, und die Kr&auml;fte, die ihr jetzt zu Gebote stehen. "Die T&uuml;rkei, es ist wahr, hat kein Polen und kein Tscherkessien." Da aber die T&uuml;rkei so stark sei, so m&uuml;sse sie es sich nach Lord Palmerston nat&uuml;rlich gefallen lassen, da&szlig; Ru&szlig;land einige ihrer Provinzen besetzte. Ein starkes Reich kann alles aushalten. Und nun bewies Lord Palmerston Richard Cobden, da&szlig; auch nicht ein vern&uuml;nftiger Grund dazu vorhanden war, so vorzugehen, wie Lord Palmerston und seine Kollegen es getan hatten, <A NAME="S285"><B>&lt;285&gt;</A></B> und nachdem brausender Beifall seine Ausf&uuml;hrungen gelohnt hatte, durfte der alte Gaukler sich mit der unversch&auml;mten und sich selbst widerlegenden Phrase auf seinen Platz begeben:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Es gereicht mir zur Befriedigung, da&szlig; die T&uuml;rkei in sich selbst die Elemente zum Leben und Gedeihen tr&auml;gt, und ich glaube, da&szlig; die von Ihrer Majest&auml;t Regierung verfolgte Politik eine vern&uuml;nftige ist, die den Beifall des Landes verdient und die weiterzuverfolgen die Pflicht jeder englischen Regierung sein wird." (Beifall.)</P>
</FONT><P>Palmerston war gro&szlig; in seinem "bangen Trotz", wie Shakespeare es nennt. Er zeigte, nach den Worten von Sidney, "eine &auml;ngstliche K&uuml;hnheit, die beherzt das tun m&ouml;chte, von dem sie wei&szlig;, da&szlig; sie nicht wisse, wie es tun".</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Karl Marx</P>
</I>
</BODY>
</HTML>