emacs.d/clones/www.mlwerke.de/me/me17/me17_400.htm
2022-08-25 20:29:11 +02:00

33 lines
No EOL
8 KiB
HTML

<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
<HTML>
<HEAD>
<TITLE>Karl Marx - An den Redakteur der Zeitung "The Sun", Charles Dana</TITLE>
<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
</HEAD>
<BODY LINK="#0000ff" VLINK="#800080" BGCOLOR="#ffffaf">
</I><P ALIGN="CENTER"><A HREF="../me_ak71.htm"><FONT SIZE=2>Inhaltsverzeichnis Artikel und Korrespondenzen 1871</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 17, 5. Auflage 1973, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 400-402.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 13.12.1998.</P>
</FONT><H2>Karl Marx</H2>
<H1>[Brief an den Redakteur der Zeitung "The Sun", Charles Dana]</H1>
<FONT SIZE=2><P>Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["The Sun" vom 9. September 1871]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S400">|400|</A></B> Brighton, 25. August 1871</P>
<P>My dear Sir,</P>
<P>vor allem mu&szlig; ich Sie wegen meines langen Schweigens um Entschuldigung bitten. Ich h&auml;tte Ihren Brief l&auml;ngst beantwortet, wenn ich nicht ganz mit Arbeit &uuml;berlastet gewesen w&auml;re, so sehr, da&szlig; ich zusammengebrochen bin und mein Arzt es f&uuml;r notwendig hielt, mich f&uuml;r einige Monate in dieses Seebad zu verbannen mit dem strengen Befehl, nichts zu tun.</P>
<P>Wenn ich nach London zur&uuml;ckkehre, werde ich Ihrem Wunsche nachkommen und, sobald sich eine g&uuml;nstige Gelegenheit bietet, die Sache rasch f&uuml;r den Druck fertigmachen.</P>
<P>Ich habe dem "New York Herald" eine <A HREF="me17_399.htm">Erkl&auml;rung</A> gesandt, worin ich alle und jede Verantwortung f&uuml;r den Unsinn und die direkten Unwahrheiten ablehne, die mir der Korrespondent dieses Blattes zur Last legt. Ich wei&szlig; nicht, ob der "Herald" sie gedruckt hat,</P>
<P>Die Zahl der in London eintreffenden Kommune-Fl&uuml;chtlinge nimmt st&auml;ndig zu, w&auml;hrend unsere Mittel, sie zu unterst&uuml;tzen, t&auml;glich abnehmen, so da&szlig; viele in einer sehr bedauerlichen Lage sind. Wir werden wegen Hilfe an die Amerikaner appellieren.</P>
<P>Um Ihnen eine Vorstellung von der Lage zu geben, die unter der R&eacute;publique Thiers in Frankreich herrscht, werde ich Ihnen erz&auml;hlen, was meinen eigenen T&ouml;chtern passiert ist.</P>
<P>Meine zweite Tochter, Laura, ist mit Herrn Lafargue, einem Arzt, verheiratet. Sie verlie&szlig;en Paris wenige Tage vor Beginn der ersten Belagerung und gingen nach Bordeaux, wo Lafargues Vater wohnte. Dieser war schwer erkrankt und wollte seinen Sohn sehen, der ihn pflegte und bis zu seinem Tode bei ihm am Krankenbett blieb. Lafargue und meine Tochter blieben <A NAME="S401"><B>|401|</A></B> dann in Bordeaux, wo ersterer ein Haus besitzt. W&auml;hrend der Dauer der Kommune war Lafargue als Sekret&auml;r der Sektion der Internationale in Bordeaux t&auml;tig und wurde auch als ihr Delegierter nach Paris gesandt, wo er sechs Tage weilte, um die Lage dort kennenzulernen. W&auml;hrend der ganzen Zeit wurde er von der Polizei in Bordeaux nicht bel&auml;stigt. Gegen Mitte Mai reisten meine beiden unverheirateten T&ouml;chter nach Bordeaux und fuhren von dort zusammen mit der Familie Lafargue nach Bagn&egrave;res-de-Luchon in den Pyren&auml;en, nahe der spanischen Grenze. Dort machte meine &auml;lteste Tochter, die einen ernsten Anfall von Rippenfellentz&uuml;ndung hinter sich hatte, eine Brunnenkur und unterzog sich einer regul&auml;ren &auml;rztlichen Behandlung. Lafargue und seine Frau hatten ein todkrankes Kind zu pflegen, und meine j&uuml;ngste Tochter geno&szlig; die herrliche Umgebung Luchons, soweit die Familiensorgen das zulie&szlig;en. Luchon ist ein Kurort f&uuml;r Kranke und f&uuml;r die beau monde |gro&szlig;e Welt| und von allen Orten der letzte, der f&uuml;r politische Intrige geeignet w&auml;re. Meine Tochter, Frau Lafargue, hatte &uuml;berdies das Ungl&uuml;ck, ihr Kind zu verlieren; und kurz nach der Beerdigung, in der zweiten Augustwoche, wer erschien da bei ihnen in der Wohnung? Der illustre Keratry, hinreichend bekannt wegen seiner Sch&auml;ndlichkeiten im mexikanischen Krieg und wegen der zweideutigen Rolle, die er w&auml;hrend des Deutsch-Franz&ouml;sischen Krieges, zuerst als Polizeipr&auml;fekt von Paris und sp&auml;ter als soi-disant General in der Bretagne gespielt hat, - zur Zeit Pr&auml;fekt von Haute-Garonne; mit ihm erschien Monsieur Delpech, procureur g&eacute;n&eacute;ral von Toulouse. Dieses ehrenwerte Paar war von Gendarmen begleitet.</P>
<P>Lafargue hatte am Abend vorher einen Wink bekommen und die spanische Grenze &uuml;berschritten, nachdem er sich in Bordeaux mit einem spanischen Pa&szlig; versehen hatte.</P>
<P>Obgleich Sohn franz&ouml;sischer Eltern, ist er in Kuba geboren, daher Spanier. In der Wohnung meiner T&ouml;chter wurde eine Haussuchung vorgenommen, und sie selbst von diesen beiden m&auml;chtigen Vertretern der R&eacute;publique Thiers einem strengen Kreuzverh&ouml;r unterzogen. Sie wurden beschuldigt, eine aufr&uuml;hrerische Korrespondenz zu f&uuml;hren. Diese Korrespondenz bestand einfach in Briefen an ihre Mutter, deren Inhalt nat&uuml;rlich der franz&ouml;sischen Regierung nicht schmeichelte, und in Exemplaren einiger Londoner Zeitungen! Etwa eine Woche lang wurde ihr Haus von Gendarmen &uuml;berwacht. Sie mu&szlig;ten versprechen, Frankreich, wo ihre Anwesenheit zu gef&auml;hrlich war, sobald sie die erforderlichen Vorbereitungen f&uuml;r ihre Abreise getroffen hatten, zu verlassen, und sich in der Zwischenzeit als <A NAME="S402"><B>|402|</A></B> Leute zu betrachten, die unter haute surveillance |Polizeiaufsicht| gestellt waren. Keratry und Delpech hatten sich in der Hoffnung gewiegt, sie ohne P&auml;sse anzutreffen, aber gl&uuml;cklicherweise waren sie im Besitz ordentlicher englischer P&auml;sse. Sonst h&auml;tten sie eine ebenso niedertr&auml;chtige Behandlung erdulden m&uuml;ssen wie die Schwester von Delescluze und andere franz&ouml;sische Damen, die genauso unschuldig waren wie sie. Sie sind noch nicht zur&uuml;ckgekehrt und warten wahrscheinlich auf Nachrichten von Lafargue.</P>
<P>Inzwischen berichteten die Pariser Zeitungen die unglaublichsten L&uuml;gen: der "Gaulois" verwandelte zum Beispiel meine drei T&ouml;chter in drei Br&uuml;der von mir, die sehr bekannte und gef&auml;hrliche Emiss&auml;re der Internationale w&auml;ren, obgleich ich gar keine Br&uuml;der habe. Zu gleicher Zeit, als "La France", ein Pariser Organ Thiers', einen &auml;u&szlig;erst besch&ouml;nigenden Bericht der Ereignisse in Luchon gab und behauptete, Herr Lafargue k&ouml;nnte unbesorgt, ohne irgendwelche Gefahr zu laufen, nach Frankreich zur&uuml;ckkehren, forderte die franz&ouml;sische Regierung von der spanischen Regierung, Lafargue als <I>Mitglied </I>der <I>Pariser Kommune(!) </I>zu verhaften, der er niemals angeh&ouml;rt hat und der er als Einwohner von Bordeaux auch nicht angeh&ouml;ren konnte. Lafargue wurde tats&auml;chlich verhaftet und unter der Eskorte von Gendarmen nach Barbastro gebracht, wo er sein Nachtquartier im Stadtgef&auml;ngnis nehmen mu&szlig;te, von dort nach Huesca, von wo aus der Gouverneur ihn auf telegraphischen Befehl des spanischen Innenministers nach Madrid schicken mu&szlig;te. Laut "Daily News" vom 23. August ist er schlie&szlig;lich freigelassen worden.</P>
<P>Die ganzen Vorg&auml;nge in Luchon und wie sie in den Zeitungen dargelegt wurden, waren weiter nichts als sch&auml;bige Versuche des Herrn Thiers &amp; Co., sich an mir als dem Verfasser der Adresse des Generalrats der Internationale &uuml;ber den B&uuml;rgerkrieg zu r&auml;chen. Zwischen ihrer Rache und meinen T&ouml;chtern stand der englische Pa&szlig;, und Monsieur Thiers ist in seinen Beziehungen zu ausl&auml;ndischen M&auml;chten ebenso feige wie er seinen entwaffneten Landsleuten gegen&uuml;ber skrupellos ist.</P>
<P>Was Cluseret angeht, so glaube ich nicht, da&szlig; er ein Verr&auml;ter war, aber es ist sicher, da&szlig; er eine Sache unternahm, zu der ihm der Mut fehlte; dadurch hat er der Kommune gro&szlig;en Schaden zugef&uuml;gt. Ich wei&szlig; nichts &uuml;ber seinen Verbleib. Und nun addio!</P>
<P>Ihr alter Freund<BR>
<I>Karl Marx</P>
</BODY>
</HTML>