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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx - Prinz Alberts Toast - Zeitungsstempel</TITLE>
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<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 11, S. 303-304<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1961</P>
</FONT><H2>Karl Marx</H2>
<H1>Prinz Alberts Toast - <BR>
Zeitungsstempel</H1>
<P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["Neue Oder-Zeitung" Nr. 283 vom 21. Juni 1855]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S303">&lt;303&gt;</A></B> <I>London</I>, 18. Juni. Mit der Ver&ouml;ffentlichung der Rede Prinz Alberts und der Gegenrede Palmerstons waren einige auff&auml;llige Umst&auml;nde verbunden. Die Reden wurden gehalten in Trinity-House, Sonnabend, den 9. Juni. Die Tagesbl&auml;tter erw&auml;hnten am folgenden Montag nur im Vorbeigehen das j&auml;hrliche Essen der Trinity-Br&uuml;derschaft, ohne beim Toast des Prinzen Albert zu verweilen. Erst Mittwoch, den 13. Juni, brachte die "Daily News" und Donnerstag, den 14. Juni, die "Times" den Toast und den Dank f&uuml;r den Toast. Es stellt sich jetzt heraus, da&szlig; die Ver&ouml;ffentlichung ein Streich Lord Palmerstons war, der auf Kosten seines k&ouml;niglichen Begl&uuml;ckw&uuml;nschers die eigene Popularit&auml;t herzustellen denkt. Prinz Albert gewahrt nun auf eigene Unkosten, wohin das "selbstaufopfernde Vertrauen" in den edelen Vicomte f&uuml;hrt, ein Vertrauen, das er dem Lande so zudringlich anempfahl. Der folgende Auszug aus "Reynolds Wochenblatt" mag zeigen, wie der Toast des Prinzen Albert von der Mehrheit der Wochenpresse aufgenommen wird. Reynolds Blatt, wohlgemerkt, besitzt eine Zirkulation von 2.496.256 Kopien. Nach einer ausf&uuml;hrlichen Kritik hei&szlig;t es u.a.:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Der k&ouml;nigliche Zensor behauptet, da&szlig; jede Schw&auml;che, jeder Mangel denunziert und oft selbst &uuml;bertrieben wird mit einer Art von <I>krankhafter Genugtuung</I>! Die Geduld des englischen Volkes ist sprichw&ouml;rtlich. Gleich Isaschar mag es verglichen werden mit einem Esel, niedergedr&uuml;ckt unter zwei Lasten - Wucher und Landmonopol; aber dieser Tadel des Prinzengemahls ist der insolenteste und t&ouml;dlichste Insult, den selbst Engl&auml;nder zu ertragen haben. <I>Krankhafte Genugtuung! </I>Das hei&szlig;t, das englische Volk h&auml;tte eine krankhafte Genugtuung in der Betrachtung der f&uuml;rchterlichen Leiden, denen Verrat und aristokratischer Schwachsinn unsere heroischen Soldaten ausgesetzt haben - krankhafte Genugtuung, von &Ouml;sterreich d&uuml;piert worden zu sein - krankhafte Genugtuung in der Verschwendung von 40.000.000 Pfd.St. und dem Verluste von 40.000 der bravsten Krieger - krankhafte Genugtuung, das Mi&szlig;trauen des Alliierten, dem wir zu helfen vorgaben, und die Verachtung des Feindes, den wir zu z&uuml;chtigen <A NAME="S304"><B>&lt;304&gt;</A></B> w&uuml;nschen, hervorgerufen zu haben! Aber die Anklage ist nicht nur insolent und insultierend, sie ist zugleich falsch und verleumderisch im h&ouml;chsten Grade. Was immer die Fehler des englischen Volkes sein m&ouml;gen, und der Himmel wei&szlig;, sie sind zahlreich, sie sch&ouml;pfen keine <I>Genugtuung </I>aus dem Elend ihrer Soldaten und Matrosen und der Schmach, die auf den Charakter der Nation geh&auml;uft worden. Ausnahmen bilden allerdings prinzliche Deutsche, aristokratische Verr&auml;ter und ihre verabscheuungsw&uuml;rdigen und ekelhaften Parasiten ... Wir sind indes willig zuzugestehen, da&szlig; es sehr schwierig ist f&uuml;r einen tr&auml;gen und fleischigen Sybariten und Federbettsoldaten, etwas von den Leiden und Pr&uuml;fungen wirklicher Soldaten und Matrosen zu verstehen ... In einem Punkt jedoch stimmen wir mit dem k&ouml;niglichen Krieger &uuml;berein: Der <I>Konstitutionalismus </I>ist ein enormer sham &lt;Schwindel&gt; - eine durchaus schwerf&auml;llige, st&uuml;mperhafte, unf&uuml;gige und nachteilige Regierungsform. Aber der Prinz irrt in seiner Voraussetzung, da&szlig; es au&szlig;er dem Despotismus keine andere Alternative gibt. Wir ersuchen ihn, sich zu erinnern, da&szlig; so ein Ding wie der Republikanismus existiert - eine Alternative, zu der diese Nation m&ouml;glicherweise fl&uuml;chten kann und in deren Richtung, wie wir glauben, der Strom der &ouml;ffentlichen Meinung hinstrebt, statt zum unbeschr&auml;nkten Despotismus, den der martialische Prinz herbeiw&uuml;nscht."</P>
</FONT><P>Soweit "Reynolds [Weekly Newspaper]".</P>
<P>Der neue Akt f&uuml;r die <I>Abschaffung des Zeitungsstempels </I>hat letzten Sonntag die k&ouml;nigliche Best&auml;tigung erhalten und wird am 30. Juni in Kraft treten. Danach ist der Zeitungsstempel nur noch erheischt f&uuml;r Kopien, die <I>frei </I>per Post &uuml;bersandt werden sollen. Von den Londoner Tagesbl&auml;ttern ist der "Morning Herald" das einzige, das angezeigt hat, da&szlig; es seinen Preis von 5 auf 4 d. heruntersetzt. Von den Wochenbl&auml;ttern dagegen haben schon eine gr&ouml;&szlig;ere Anzahl, wie "Lloyd's", "Reynolds", "People's Paper" usw., eine Herabsetzung von 3 auf 2 d. angezeigt. Ein neues Londoner Tageblatt, der "Courier and Telegraph", in dem Format der "Times", k&uuml;ndigt sich zu 2 d. an. Von <I>neuen </I>Wochenbl&auml;ttern zu 2 d. sind bisher in London ausgegeben worden: "The Pilot" (katholisches Blatt); die "Illustrated Times" und Mr. <I>Charles Knight's: </I>"Town and Country Paper". Endlich haben die Herren Willet und Ledger ein w&ouml;chentliches Londoner Pennypaper (1 d.) angek&uuml;ndigt. Bedeutender jedoch ist die Revolution, die die Abschaffung der Stempelsteuer in der Provinzialpresse hervorgerufen. Zu Glasgow allein werden 4 neue t&auml;gliche Pennypapers erscheinen. Zu Liverpool und Manchester werden sich die bisher nur w&ouml;chentlich oder halbw&ouml;chentlich erscheinenden Bl&auml;tter in Tagebl&auml;tter zu 3, 2 und 1 d. verwandeln. Die Emanzipation der Provinzialpresse von London, die Dezentralisation des Journalismus war in der Tat der Hauptzweck der Manchesterschule in ihrem z&auml;hen und langj&auml;hrigen Feldzuge gegen den Zeitungsstempel.</P>
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