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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals, 22. Kapitel</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="lu05_246.htm"><FONT SIZE=2>21. Kapitel</FONT></A><FONT SIZE=1> | </FONT><A HREF="lu05_005.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="lu05_263.htm"><FONT SIZE=2>23. Kapitel</FONT></A></P>
<FONT SIZE=2><P>Rosa Luxemburg - Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut f&uuml;r Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 5. Berlin/DDR. 1975. "Die Akkumulation des Kapitals", S. 251-263.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 20.10.1998</P>
<HR>
</FONT><FONT SIZE=5><P ALIGN="CENTER">Zweiundzwanzigstes Kapitel</P>
<I><P ALIGN="CENTER">Bulgakow und seine Erg&auml;nzung der Marxschen Analyse</P>
</I></FONT><B><P><A NAME="S251">&lt;251&gt;</A></B> Der zweite Kritiker der "volkst&uuml;mlerischen" Skepsis, S. Bulgakow, lehnt sofort die Struveschen "dritten Personen" als Rettungsanker der kapitalistischen Akkumulation rundweg ab. Er hat f&uuml;r sie nur ein Achselzucken. "Die Mehrheit der &Ouml;konomen (bis Marx)" sagt er, "l&ouml;ste die Frage in dem Sinne, da&szlig; irgendwelche 'dritten Personen' n&ouml;tig seien, um als Deus ex machina den gordischen Knoten zu durchhauen, d.h. den Mehrwert zu verzehren. Als solche Personen treten bald luxustreibende Grundbesitzer auf (wie bei Malthus), bald luxustreibende Kapitalisten, bald der Militarismus u.dgl. mehr. Ohne solche au&szlig;erordentlichen Mittel k&ouml;nne der Mehrwert keinen Absatz finden: er werde auf den M&auml;rkten festgefahren und rufe &Uuml;berproduktion und Krisen hervor."<A NAME="ZF1"><A HREF="lu05_251.htm#F1">(1)</A></A> "So nimmt Herr Struve an, da&szlig; die kapitalistische Produktion sich in ihrer Entwicklung auf die Konsumtion irgendwelcher phantastischer dritter Personen st&uuml;tzen k&ouml;nne. Wo liegt denn aber die Quelle der Kaufkraft dieses grand public, dessen spezielle Bestimmung es ist, den Mehrwert zu verzehren?"<A NAME="ZF2"><A HREF="lu05_251.htm#F2">(2)</A></A> Bul- <A NAME="S252"><B>&lt;252&gt;</A></B> gakow seinerseits stellt das ganze Problem von vornherein auf die Analyse des gesellschaftlichen Gesamtprodukts und seiner Reproduktion, wie sie Marx im zweiten Bande des "Kapitals" gegeben. Er begreift ausgezeichnet, da&szlig; man zur L&ouml;sung der Frage der Akkumulation erst mit der einfachen Reproduktion beginnen und sich ihren Mechanismus ganz klarmachen m&uuml;sse. Hier sei es namentlich wichtig, sich &uuml;ber die Konsumtion des Mehrwerts und der L&ouml;hne derjenigen Produktionszweige klarzuwerden, die nichtkonsumierbare Produkte herstellen, und andererseits &uuml;ber die Zirkulation desjenigen Teils des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, der das verbrauchte konstante Kapital darstellt. Das sei eine ganz neue Aufgabe, deren sich die &Ouml;konomen gar nicht einmal bewu&szlig;t waren und die erst von Marx gestellt wurde. "Zur L&ouml;sung dieser Aufgabe teilt Marx alle kapitalistisch hergestellten Waren in zwei gro&szlig;e und wesentlich verschiedene Kategorien. die Produktion von Produktionsmitteln und die Produktion von Konsummitteln. In dieser Einteilung allein ist mehr theoretischer Sinn verborgen, als in s&auml;mtlichen vorhergehenden Wortgefechten &uuml;ber die Theorie der Absatzm&auml;rkte."<A NAME="ZF3"><A HREF="lu05_251.htm#F3">(3)</A></A></P>
<P>Man sieht, Bulgakow ist ein ausgesprochener und begeisterter Anh&auml;nger der Marxschen Theorie. Er formuliert auch als die Aufgabe seiner Studie die theoretische Nachpr&uuml;fung der Lehre, da&szlig; der Kapitalismus ohne ausw&auml;rtige M&auml;rkte nicht existieren k&ouml;nne. "Zu diesem Behufe hat der Verfasser die sehr wertvolle, aber - man wei&szlig; nicht warum - in der Wissenschaft fast nicht verwertete Analyse der gesellschaftlichen Reproduktion benutzt, die K. Marx im zweiten Teil des zweiten Bandes des 'Kapitals' gibt. Obwohl diese Analyse nicht als abgeschlossen gelten kann, bietet sie doch u.E. auch in ihrer vorliegenden unbearbeiteten Fassung eine gen&uuml;gende Grundlage f&uuml;r eine andere L&ouml;sung der Frage von den Absatzm&auml;rkten als diejenige, die sich die Herren Nikolai-on, W. Woronzow und andere zu eigen gemacht haben und die sie K. Marx aufs Konto schreiben."<A NAME="ZF4"><A HREF="lu05_251.htm#F4">(4)</A></A> Die L&ouml;sung, die Bulgakow aus Marx selbst abgeleitet hat, formuliert er folgenderma&szlig;en "Der Kapitalismus kann unter Umst&auml;nden existieren ausschlie&szlig;lich dank dem inneren Markt; es liegt keine innere, der kapitalistischen Produktionsweise eigent&uuml;mliche Notwendigkeit vor, da&szlig; nur der ausw&auml;rtige Markt den &Uuml;berschu&szlig; der kapitalistischen Produktion verschlingen kann. Dies der Schlu&szlig;, zu dem der Verfasser auf Grund des Studiums der erw&auml;hnten Analyse der gesellschaftlichen Reproduktion gelangt ist."</P>
<B><P><A NAME="S253">&lt;253&gt;</A></B> Und nun sind wir gespannt auf die Bulgakowsche Beweisf&uuml;hrung f&uuml;r die angef&uuml;hrte These.</P>
<P>Sie f&auml;llt zun&auml;chst unerwartet einfach aus. Bulgakow gibt getreulich das uns bekannte Marxsche Schema der einfachen Reproduktion wieder, mit Kommentaren, die seinem Verst&auml;ndnis alle Ehre machen. Dann f&uuml;hrt er das uns ebenso bekannte Marxsche Schema der erweiterten Reproduktion an - und damit ist der gesuchte Beweis auch schon erbracht. "Auf Grund des Gesagten bietet es keine Schwierigkeit zu bestimmen, worin die Akkumulation bestehen wird: I (Abteilung der Produktionsmittel) mu&szlig; die zur Produktionserweiterung erforderlichen zusch&uuml;ssigen Produktionsmittel sowohl f&uuml;r sich wie f&uuml;r II (Abteilung der Konsummittel) herstellen, w&auml;hrend hinwiederum II die zusch&uuml;ssigen Konsummittel zur Erweiterung des variablen Kapitals I und II zu liefern haben wird. Sieht man von der Geldzirkulation ab, so reduziert sich die Produktionserweiterung auf den Austausch der zusch&uuml;ssigen Produkte I, deren II bedarf, und der zusch&uuml;ssigen Produkte II, deren I bedarf." Bulgakow folgt hier also getreulich den Ausf&uuml;hrungen Marxens und merkt gar nicht, da&szlig; seine These bis jetzt immer noch auf dem Papier bleibt. Er glaubt mit diesen mathematischen Formeln die Frage der Akkumulation gel&ouml;st zu haben. Da&szlig; man sich die Proportionen, die er aus Marx abschreibt, wohl vorstellen kann, ist au&szlig;er Zweifel. Ebenso sicher ist es, da&szlig;, <I>wenn</I> die Produktionserweiterung stattfinden soll, sie sich in diesen Formeln ausdr&uuml;cken kann. Bulgakow &uuml;bersieht aber die Hauptfrage: <I>F&uuml;r wen</I> findet denn die Erweiterung statt, deren Mechanismus er untersucht? Da sich die Akkumulation in mathematischen Proportionen auf dem Papier darstellen l&auml;&szlig;t, so ist sie auch schon vollbracht. Doch nachdem Bulgakow soeben die Sache f&uuml;r gel&ouml;st erkl&auml;rt hat, st&ouml;&szlig;t er im n&auml;chsten Moment, bei dem Versuch, die Geldzirkulation in die Analyse hineinzuf&uuml;hren, auf die Frage: Wo kommt bei I und II das Geld f&uuml;r den Ankauf der zusch&uuml;ssigen Produkte her? Wir haben bei Marx gesehen, wie die wunde Stelle seiner Analyse, die eigentliche Frage nach den Konsumenten f&uuml;r die erweiterte Produktion, in der schiefen Form der Frage nach zusch&uuml;ssigen Geldquellen immer wieder zum Vorschein kommt. Bulgakow folgt hier sklavisch der Marxschen Betrachtungsweise und akzeptiert dieselbe mi&szlig;verst&auml;ndliche Fragestellung. ohne die darin enthaltene Verschiebung zu merken. Er stellt freilich fest, da&szlig; "Marx selbst auf diese Frage in den Brouillonheften, nach denen der zweite Band des 'Kapitals' hergestellt ist, eine Antwort nicht gegeben hat". Um so interessanter mu&szlig; <A NAME="S254"><B>&lt;254&gt;</A></B> die Antwort sein, die Marxens russischer Sch&uuml;ler auf eigene Faust abzuleiten versucht.</P>
<P>"Uns", sagt Bulgakow, "scheint der ganzen Marxschen Lehre die folgende L&ouml;sung am besten zu entsprechen. Das neue variable Kapital in Geldform, das II f&uuml;r I wie f&uuml;r sich selbst liefert, findet sein Waren&auml;quivalent im Mehrwert II. Wir haben schon bei der Betrachtung der einfachen Reproduktion gesehen, da&szlig; die Kapitalisten selbst das Geld zur Realisierung ihres Mehrwerts in die Zirkulation werfen m&uuml;ssen und dieses Geld schlie&szlig;lich in die Tasche des Kapitalisten, von dem es ausging, zur&uuml;ckkehrt. Das Quantum Geld, das zur Zirkulation des Mehrwerts erforderlich ist, wird nach dem allgemeinen Gesetz der Warenzirkulation bestimmt, durch den Wert der Waren, worin er eingeschlossen ist, geteilt durch die Durchschnittszahl der Umschl&auml;ge des Geldes. Dasselbe Gesetz findet auch hier Anwendung. Die Kapitalisten II m&uuml;ssen eine gewisse Summe Geldes zur Zirkulation ihres Mehrwerts haben, sie m&uuml;ssen folglich einen gewissen Geldvorrat besitzen. Dieser Vorrat mu&szlig; gen&uuml;gend gro&szlig; sein, damit er sowohl f&uuml;r die Zirkulation desjenigen Teils des Mehrwerts ausreicht, der den Konsumtionsfonds darstellt, wie desjenigen, der als Kapital akkumuliert werden soll." Weiter entwickelt Bulgakow den Standpunkt, da&szlig; es f&uuml;r die Frage, wieviel Geld zur Zirkulation eines bestimmten Warenquantums im Lande erforderlich ist, gar keinen Unterschied machte, ob ein Teil dieser Waren Mehrwert darstellt oder nicht. "Die allgemeine Frage aber, woher das Geld &uuml;berhaupt im Lande kommt, wird in dem Sinne gel&ouml;st, da&szlig; dieses Geld durch den Goldproduzenten geliefert wird." Wird mit der Erweiterung der Produktion im Lande mehr Geld erforderlich, so wird eben auch die Goldproduktion dementsprechend erweitert.<A NAME="ZF5"><A HREF="lu05_251.htm#F5">(5)</A></A> Wir landen also schlie&szlig;lich gl&uuml;cklich beim Goldproduzenten, der schon bei Marx die Rolle des Deus ex machina spielt. Man mu&szlig; gestehen, da&szlig; Bulgakow die gespannten Erwartungen auf seine neue L&ouml;sung arg get&auml;uscht hat. "Seine" L&ouml;sung der Frage ist &uuml;ber die von Marx gelieferte Analyse auch nicht um ein Jota hinausgegangen. Sie reduziert sich auf die folgenden &auml;u&szlig;erst einfachen drei S&auml;tze: 1. Frage. Wieviel Geld ist erforderlich, um den kapitalisierten Mehrwert zu realisieren? Antwort: Soviel wie nach dem allgemeinen Gesetz der Warenzirkulation n&ouml;tig ist. 2. Frage. Woher nehmen die Kapitalisten dieses Geld, um den kapitalisierten Mehrwert zu realisieren? Antwort: Sie m&uuml;ssen es eben haben. 3. Frage. Woher kommt das Geld &uuml;berhaupt ins Land? Antwort: <A NAME="S255"><B>&lt;255&gt;</A></B> Vom Goldproduzenten. Eine Erkl&auml;rungsweise die in ihrer au&szlig;erordentlichen Einfachheit mehr verd&auml;chtig als bestrickend ist.</P>
<P>Doch es er&uuml;brigt sich, diese Theorie vorn Goldproduzenten als Deus ex machina der kapitalistischen Akkumulation zu widerlegen. Bulgakow selbst hat sie sehr sch&ouml;n widerlegt. 80 Seiten weitet kommt er in einem ganz anderen Zusammenhang, n&auml;mlich von der Lohnfondstheorie aus, gegen die er sich ohne ersichtlichen Grund in eine breite Polemik verwickelt hat, wieder auf den Goldproduzenten. Und hier entwickelt er pl&ouml;tzlich die folgende scharfe Einsicht:</P>
<P>"Wir wissen schon, da&szlig; unter anderen Produzenten auch der Goldproduzent existiert, der einerseits selbst bei einfacher Reproduktion die absolute Menge des im Lande zirkulierenden Geldes vergr&ouml;&szlig;ert und andererseits Produktionsmittel und Konsummittel kauft, ohne seinerseits Waren zu verkaufen, wobei er f&uuml;r die gekauften Waren direkt mit dem allgemeinen Tausch&auml;quivalent zahlt, das sein eigenes Produkt darstellt. Kann nun der Goldproduzent nicht vielleicht den Dienst erweisen, da&szlig; er bei II dessen ganzen akkumulierten Mehrwert abkauft und daf&uuml;r mit Gold zahlt, das II alsdann zum Ankauf der Produktionsmittel bei I und zur Erweiterung des variablen Kapitals, d.h. zum Ankauf der zusch&uuml;ssigen Arbeitskraft, gebrauchen wird? Als wirklicher ausw&auml;rtiger Absatzmarkt erscheint somit der Goldproduzent.</P>
<P>Doch das ist eine vollkommen absurde Voraussetzung. Ihre Annahme bedeutet, da&szlig; man die Erweiterung der gesellschaftlichen Produktion von der Erweiterung der Goldproduktion abh&auml;ngig macht. (Bravo!) Dies setzt seinerseits ein Wachstum der Goldproduktion voraus, das der Wirklichkeit gar nicht entspricht. Soll der Goldproduzent verpflichtet werden, durch seine Arbeiter bei II den ganzen akkumulierten Mehrwert abzukaufen, dann bedeutet dies, da&szlig; sein variables Kapital t&auml;glich und st&uuml;ndlich wachsen mu&szlig;. Aber dementsprechend mu&szlig; auch das konstante Kapital wachsen und auch der Mehrwert, folglich mu&szlig; die ganze Goldproduktion direkt ungeheuerliche Dimensionen annehmen (Bravo!) Anstatt diese l&auml;ppische Voraussetzung statistisch nachzupr&uuml;fen (was &uuml;brigens kaum m&ouml;glich w&auml;re), gen&uuml;gt es, auf eine Tatsache hinzuweisen, die ganz allein diese Voraussetzung vernichtet. Diese Tatsache ist - die Entwicklung des Kredits, welche die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft begleitet. (Bravo!) Der Kredit hat die Tendenz, die Menge des umlaufenden Geldes (nat&uuml;rlich relativ, nicht absolut) zu verringern und erscheint als notwendige Erg&auml;nzung zur Entwicklung der Tauschwirtschaft, die sonst sehr bald am Mangel an Metallgeld ihre Schranken finden w&uuml;rde. Ich finde es &uuml;ber- <A NAME="S256"><B>&lt;256&gt;</A></B> fl&uuml;ssig, hier zahlenm&auml;&szlig;ig nachzuweisen, wie gering jetzt die Rolle des Metallgeldes bei den Tauschgesch&auml;ften ist. Die aufgestellte Hypothese steht auf diese Weise in direktem und offenbarem Widerspruch mit den Tatsachen und mu&szlig; abgelehnt werden."<A NAME="ZF6"><A HREF="lu05_251.htm#F6">(6)</A></A></P>
<P>Bravissimo! Sehr sch&ouml;n! Aber damit hat Bulgakow auch seine einzige bisherige Erkl&auml;rung der Frage, wie und durch wen der kapitalisierte Mehrwert realisiert wird, selbst "abgelehnt". &Uuml;brigens hat er auch in dieser Selbstwiderlegung nur etwas ausf&uuml;hrlicher dargelegt, was Marx bereits mit einem Wort gesagt hat, indem er die Hypothese von dem Goldproduzenten, der den ganzen gesellschaftlichen Mehrwert schluckt, "abgeschmackt" genannt hat.</P>
<P>Freilich liegt die eigentliche L&ouml;sung bei Bulgakow wie &uuml;berhaupt bei den russischen Marxisten, die sich mit der Frage eingehend besch&auml;ftigt haben, ganz anderswo. Sowohl er wie Tugan-Baranowski wie Iljin legen das Hauptgewicht darauf, da&szlig; die Gegenseite - die Skeptiker - in bezug auf die M&ouml;glichkeit der Akkumulation einen kapitalen Fehler in der Wertanalyse des Gesamtprodukts machen. Diese - namentlich Woronzow - nahmen an, das gesamte gesellschaftliche Produkt bestehe in Konsummitteln, und gingen von der irrt&uuml;mlichen Voraussetzung aus, Konsumtion sei &uuml;berhaupt Zweck der kapitalistischen Produktion. Hier - erkl&auml;rten nun die Marxisten - liege die Quelle des ganzen Mi&szlig;verst&auml;ndnisses, und aus dieser Quelle fl&ouml;ssen die imagin&auml;ren Schwierigkeiten der Realisierung des Mehrwerts, &uuml;ber die sich die Skeptiker den Kopf zerbrachen. "Dank dieser irrigen Vorstellung schuf sich diese Schule selbst nichtexistierende Schwierigkeiten: Da die normalen Bedingungen der kapitalistischen Produktion voraussetzen, da&szlig; der Konsumtionsfonds der Kapitalisten blo&szlig; einen und dazu geringeren Teil des Mehrwerts ausmacht, w&auml;hrend der gr&ouml;&szlig;ere f&uuml;r die Erweiterung der Produktion abgerechnet wird, so ist es augenscheinlich, da&szlig; die Schwierigkeiten, die sich jene Schule (die Volkst&uuml;mler - <I>R. L.</I>) vorstellte, in Wirklichkeit gar nicht existieren."<A NAME="ZF7"><A HREF="lu05_251.htm#F7">(7)</A></A> Es ist auffallend, mit welcher Selbstverst&auml;ndlichkeit Bulgakow hier das Problem &uuml;bersieht und nicht einmal zu ahnen scheint, da&szlig; gerade erst bei der Annahme der erweiterten Reproduktion die Frage: <I>f&uuml;r wen?</I> unabweisbar wird, jene Frage, die unter der Voraussetzung der pers&ouml;nlichen Konsumtion des gesamten Mehrwerts sehr nebens&auml;chlich ist.</P>
<P>Alle diese "imagin&auml;ren Schwierigkeiten" l&ouml;sen sich nun durch die zwei Entdeckungen Marxens in Dunst auf, die seine russischen Sch&uuml;ler nicht <A NAME="S257"><B>&lt;257&gt;</A></B> m&uuml;de werden, ihren Widersachern entgegenzuhalten. Erstens die Tatsache, da&szlig; die Wertzusammensetzung des gesellschaftlichen Produkts nicht v + m, sondern c + v + m sei, und zweitens, da&szlig; mit den Fortschritten der kapitalistischen Produktion in dieser Zusammensetzung der Teil c im Verh&auml;ltnis zu v immer gr&ouml;&szlig;er werde, w&auml;hrend gleichzeitig im Mehrwert der kapitalisierte Teil im Verh&auml;ltnis zum konsumierten immer wachse. Von hier aus stellt Bulgakow eine ganze Theorie &uuml;ber das Verh&auml;ltnis der Produktion zur Konsumtion in der kapitalistischen Gesellschaft auf. Sie spielt bei den russischen Marxisten und insbesondere bei Bulgakow eine so wichtige Rolle, da&szlig; es n&ouml;tig ist, sie in extenso kennenzulernen.</P>
<P>"Die Konsumtion", sagt Bulgakow, "die Befriedigung gesellschaftlicher Bed&uuml;rfnisse, bildet nur ein nebens&auml;chliches Moment der Kapitalzirkulation. Der Umfang der Produktion wird durch den Umfang des Kapitals und nicht durch die Gr&ouml;&szlig;e der gesellschaftlichen Bed&uuml;rfnisse bestimmt. Die Entwicklung der Produktion wird nicht nur von dem Wachstum der Konsumtion nicht begleitet, sondern es besteht zwischen beiden sogar ein Antagonismus. Die kapitalistische Produktion kennt keine andere Konsumtion als die zahlungsf&auml;hige, zahlungsf&auml;hige Konsumenten k&ouml;nnen aber nur diejenigen sein, die Arbeitslohn oder Mehrwert beziehen, und ihre Kaufkraft entspricht genau dem Umfang dieser Einkommen. Wir haben aber gesehen, da&szlig; die Grundgesetze der Entwicklung der kapitalistischen Produktion die Tendenz haben, die relative Gr&ouml;&szlig;e des variablen Kapitals wie des Konsumtionsfonds des Kapitalisten (obgleich sie absolut w&auml;chst) zu verringern. Man kann deshalb sagen, da&szlig; <I>die Entwicklung der Produktion die Konsumtion verringert</I>.<A NAME="ZF8"><A HREF="lu05_251.htm#F8">(8)</A></A> Auf diese Weise stehen die Bedingungen der Produktion und der Konsumtion zueinander im Widerspruch. Die Erweiterung der Produktion kann sich nicht vollziehen und vollzieht sich nicht f&uuml;r die Rechnung der Konsumtion. Diese Erweiterung ist aber ein inneres grundlegendes Gesetz der kapitalistischen Produktion, das jedem Einzelkapitalisten gegen&uuml;ber die Form des strengen Gebotes der Konkurrenz annimmt. Der Ausweg aus diesem Widerspruch ist der, da&szlig; den Markt f&uuml;r die zusch&uuml;ssige Menge Produkte die sich erweiternde Produktion selbst darstellt. 'Der innere Widerspruch wird gel&ouml;st durch die Erweiterung des &auml;u&szlig;eren Feldes der Produktion.' (Das Kapital, Bd. III, S.189.) (Hier zitiert Bulgakow einen Marxschen Satz in ganz verkehrtem Sinne, worauf noch weiter zur&uuml;ckzukommen sein wird. - <I>R. L.</I>) Wie das m&ouml;glich, ist soeben gezeigt worden. (Bulgakow meint die Analyse des Schemas der erweiterten Reproduktion. - <I>R. L.</I>) Dabei entf&auml;llt offenbar der gr&ouml;- <A NAME="S258"><B>&lt;258&gt;</A></B> &szlig;ere Teil dieser Erweiterung auf die Abteilung I. d.h. auf die Produktion des konstanten Kapitals, und nur der relativ kleinere Teil auf die Abteilung II, die G&uuml;ter f&uuml;r die unmittelbare Konsumton produziert. In dieser Verschiebung allein im Verh&auml;ltnis der Abteilungen I und II kommt mit gen&uuml;gender Klarheit die Rolle zum Ausdruck, welche die Konsumtion in der kapitalistischen Gesellschaft spielt, sowie auch der Hinweis, wo der wichtigste Absatz der kapitalistischen Waren zu suchen ist."<A NAME="ZF9"><A HREF="lu05_251.htm#F9">(9)</A></A> "Auch in diesen engen Schranken (des Profitinteresses und der Krisen - <I>R. L.</I>), auch auf diesem Dornenwege vermag sich die kapitalistische Produktion schrankenlos zu erweitern, ungeachtet und selbst trotz der Verringerung der Konsumtion. In der russischen Literatur wird mehrmals auf die Unm&ouml;glichkeit eines bedeutenden Wachstums der kapitalistischen Produktion ohne ausw&auml;rtige M&auml;rkte hingewiesen, und zwar angesichts der Verringerung der Konsumtion. Dabei war die Rolle der Konsumtion in der kapitalistischen Gesellschaft ganz falsch eingesch&auml;tzt. Man hat &uuml;bersehen, da&szlig; die Konsumtion gar nicht der Zweck der kapitalistischen Produktion ist, da&szlig; diese letztere nicht durch das Wachstum der Konsumtion, sondern durch die Erweiterung des &auml;u&szlig;eren Feldes der Produktion existiert, die eben den Absatzmarkt f&uuml;r die kapitalistisch hergestellten Produkte bildet. An der L&ouml;sung der unl&ouml;sbaren Aufgabe: der Auffindung von Mitteln, um die Konsumtion zu erweitern, die die kapitalistische Produktionsweise zu verringern bestrebt ist, qu&auml;lte sich eine ganze Reihe Forscher der Malthusschen Schule ab, die sich mit der oberfl&auml;chlichen Harmonielehre der Schule Ricarcio-Say nicht zufriedengeben konnten. Erst Marx hat die Analyse des wirklichen Zusammenhangs gegeben: Er zeigte, da&szlig; das Wachstum der Konsumtion fatal hinter dem Wachstum der Produktion zur&uuml;ckbleibt und zur&uuml;ckbleiben mu&szlig;, welche 'dritten Personen' man auch erfinden m&ouml;ge. Deshalb kann die Konsumtion und ihr Umfang in keiner Weise als die <I>unmittelbare</I> Schranke der Erweiterung der Produktion gelten. Die kapitalistische Produktion b&uuml;&szlig;t f&uuml;r die Abweichung von diesem wahren Zweck der Produktion mit Krisen, aber sie ist unabh&auml;ngig von der Konsumtion. Die Erweiterung der Produktion findet ihre Schranke nur in dem Umfang des Kapitals und h&auml;ngt lediglich von diesem letzteren ab."<A NAME="ZF10"><A HREF="lu05_251.htm#F10">(10)</A></A></P>
<P>Hier wird die Theorie Bulgakows und Tugan-Baranowskis direkt Marx in die Schuhe geschoben, so sehr schien sie den russischen Marxisten unmittelbar aus der Marxschen Lehre zu folgen und sich in sie organisch einzuf&uuml;gen. Noch deutlicher formuliert sie Bulgakow an einer anderen Stelle <A NAME="S259"><B>&lt;259&gt;</A></B> als direkte Deutung des Marxschen Schemas der erweiterten Reproduktion. Nachdem die kapitalistische Produktionsweise in einem Lande Einzug gehalten hat, f&auml;ngt ihre innere Bewegung an, sich nach diesem Schema zu entwickeln: "Die Produktion des konstanten Kapitals bildet die Abteilung I der gesellschaftlichen Reproduktion, die schon eine selbst&auml;ndige Nachfrage nach Konsummitteln er&ouml;ffnet im Umfange des eigenen variablen Kapitals dieser Abteilung I sowie des Konsumtionsfonds ihrer Kapitalisten. Abteilung II ihrerseits er&ouml;ffnet die Nachfrage nach Produkten I. <I>Auf diese Weise bildet sich schon bei Beginn der kapitalistischen Produktion ein geschlossener Kreis heraus, in dem die kapitalistische Produktion von gar keinem ausw&auml;rtigen Markt abh&auml;ngig ist, sondern sich selbst gen&uuml;gt und in dem sie sozusagen automatisch vermittelst der Akkumulation zu wachsen in der Lage ist.</I>"<A NAME="ZF11"><A HREF="lu05_251.htm#F11">(11)</A></A> Und an einer anderen Stelle versteigt er sich gar zu der folgenden krassen Formulierung seiner Theorie: "Der einzige Markt f&uuml;r die Produkte der kapitalistischen Produktion ist diese Produktion selbst."<A NAME="ZF12"><A HREF="lu05_251.htm#F12">(12)</A></A></P>
<P>Man kann die ganze K&uuml;hnheit dieser Theorie, die in den H&auml;nden der russischen Marxisten zur Hauptwaffe wurde, womit sie ihre Gegner, die "volkst&uuml;mlerischen" Skeptiker, in der Frage der Absatzm&auml;rkte zur Strecke gebracht haben, nur dann richtig w&uuml;rdigen, wenn man sich vergegenw&auml;rtigt, in welchem erstaunlichen Widerspruch sich diese Theorie mit der t&auml;glichen Praxis, mit allen bekannten Tatsachen der kapitalistischen Wirklichkeit befindet. Aber noch mehr: Man mu&szlig; diese Theorie, die mit solchem Triumph als reinste marxistische Wahrheit verk&uuml;ndet wurde, noch mehr bewundern, wenn man bedenkt, da&szlig; sie auf einem einfachen kapitalen Quiproquo basiert. Doch auf diese Frage werden wir weiter bei der Besprechung Tugan-Baranowskis eingehen.</P>
<P>Auf dem Mi&szlig;verst&auml;ndnis &uuml;ber das Verh&auml;ltnis der Konsumtion zur Produktion in der kapitalistischen Gesellschaft errichtet Bulgakow ferner eine ganz verkehrte Theorie des ausw&auml;rtigen Handels. Vom Standpunkte der obigen Auffassung der Reproduktion gibt es in der Tat f&uuml;r den ausw&auml;rtigen Handel keinen Raum. Wenn der Kapitalismus in jedem Lande gleich zu Beginn seiner Entwicklung jenen bewu&szlig;ten "geschlossenen Zirkel" herausbildet, in dem er sich wie eine Katze um den eigenen Schwanz dreht und "sich selbst gen&uuml;gt", f&uuml;r sich selbst schrankenlos einen Absatz schafft und sich selbst Stachel zur Erweiterung ist, dann ist jedes kapitalistische Land &ouml;konomisch auch ein abgeschlossenes, "sich selbst gen&uuml;gendes" Gan- <A NAME="S260"><B>&lt;260&gt;</A></B> zes. Nur in einem Fall w&auml;re dann ausw&auml;rtiger Handel begreiflich: als Mittel, das nat&uuml;rliche Manko eines Landes an gewissen Produkten des Bodens und des Klimas durch Einfuhr von ausw&auml;rts zu decken, nur als notgedrungene Einfuhr von Rohstoffen oder Nahrungsmitteln. Und in der Tat errichtet Bulgakow, indem er die These der Volkst&uuml;mler direkt auf den Kopf stellt, eine Theorie des internationalen Handels der kapitalistischen Staaten, in dem die Einfuhr von Produkten der Landwirtschaft das grundlegende aktive Element, die industrielle Ausfuhr nur die notgedrungene Deckung jener Einfuhr darstellt. Der internationale Warenverkehr erscheint hier nicht im Wesen der Produktionsweise begr&uuml;ndet, sondern in den Naturbedingungen der L&auml;nder - jedenfalls eine Theorie, die nicht von Marx, sondern von deutschen Gelehrten der b&uuml;rgerlichen National&ouml;konomie geliehen ist. Wie Struve von Wagner und Sch&auml;ffle sein Schema der drei Weltreiche, so &uuml;bernimmt Bulgakow von dem seligen List die Einteilung der Staaten in Kategorien nach dem "Agrikulturstand" und dem "Agrikulturmanufakturstand", die er mit dem Fortschritt der Zeiten in "Manufakturstand" und "Agrikulturmanufakturstand" modifiziert. Die erstere Kategorie ist von Natur mit einem Mangel eigener Rohstoffe und Nahrungsmittel gestraft und deshalb auf den ausw&auml;rtigen Handel angewiesen, die letztere Kategorie ist von der Natur mit allem versehen und kann auf den ausw&auml;rtigen Handel pfeifen. Typus der ersteren ist England, der zweiten - die Vereinigten Staaten. F&uuml;r England w&uuml;rde die Abschaffung des ausw&auml;rtigen Handels &ouml;konomische Agonie und Tod bedeuten, f&uuml;r die Vereinigten Staaten nur eine vor&uuml;bergehende Krise, nach der v&ouml;llige Genesung gesichert w&auml;re: "Hier kann sich die Produktion auf der Basis des inneren Marktes schrankenlos erweitern."<A NAME="ZF13"><A HREF="lu05_251.htm#F13">(13)</A></A> Diese Theorie, die ein ehrw&uuml;rdiges Erbst&uuml;ck der deutschen National&ouml;konomie bis auf den heutigen Tag bildet, hat offenbar von den Zusammenh&auml;ngen der kapitalistischen Weltwirtschaft keinen Dunst und f&uuml;hrt den heutigen Weltverkehr ungef&auml;hr auf die Grundlagen aus den Zeiten der Ph&ouml;nizier zur&uuml;ck. Doziert doch z.B. auch Professor B&uuml;cher: "Es ist ein Irrtum, wenn man aus der im liberalistischen Zeitalter erfolgten Erleichterung des internationalen Verkehrs schlie&szlig;en zu d&uuml;rfen meint, die Periode der Volkswirtschaft gehe zur Neige und mache der Periode der Weltwirtschaft Platz ... Gewi&szlig; sehen wir heute in Europa eine Reihe von Staaten. welche der nationalen Selbst&auml;ndigkeit in ihrer G&uuml;terversorgung insofern entbehren, als sie erhebliche Mengen ihrer Nahrungs- und Genu&szlig;mittel aus dem Auslande zu beziehen gen&ouml;tigt sind, w&auml;hrend ihre industrielle Produktionst&auml;tigkeit <A NAME="S261"><B>&lt;261&gt;</A></B> weit &uuml;ber das nationale Bed&uuml;rfnis hinausgewachsen ist und dauernd &Uuml;bersch&uuml;sse liefert, die auf fremden Konsumtionsgebieten ihre Verwertung finden m&uuml;ssen. Aber das Nebeneinanderbestehen solcher Industrie- und Rohproduktionsl&auml;nder, die gegenseitig aufeinander angewiesen sind, diese 'Internationale Arbeitsteilung' ist nicht als ein Zeichen anzusehen, da&szlig; die Menschheit eine neue Stufe der Entwicklung zu erklimmen im Begriffe steht, die unter dem Namen der Weltwirtschaft den ... fr&uuml;heren Stufen gegen&uuml;bergestellt werden m&uuml;&szlig;te. Denn einerseits hat keine Wirtschaftsstufe volle Selbstherrlichkeit der Bed&uuml;rfnisbefriedigung auf die Dauer garantiert; jede lie&szlig; ... gewisse L&uuml;cken bestehen, die so oder so ausgef&uuml;llt werden mu&szlig;ten. Andererseits hat jene sogenannte Weltwirtschaft bis jetzt wenigstens keine Erscheinungen hervortreten lassen, die von denen der Volkswirtschaft in wesentlichen Merkmalen abweichen, und es steht sehr zu bezweifeln, da&szlig; solche in absehbarer Zukunft auftreten werden."<A NAME="ZF14"><A HREF="lu05_251.htm#F14">(14)</A></A> Bei Bulgakow ergibt sich aus dieser Auffassung jedenfalls ein unerwarteter Schlu&szlig;: Seine Theorie von der schrankenlosen Entwicklungsf&auml;higkeit des Kapitalismus wird nur auf gewisse L&auml;nder mit g&uuml;nstigen Naturbedingungen beschr&auml;nkt. In England mu&szlig; der Kapitalismus in absehbarer Zeit an der Ersch&ouml;pfung des Weltmarktes zugrunde gehen, in den Vereinigten <A NAME="S262"><B>&lt;262&gt;</A></B> Staaten, in Indien und in - Ru&szlig;land bl&uuml;ht ihm eine unumschr&auml;nkte Entwicklung durch "Selbstgen&uuml;gsamkeit".</P>
<P>Doch abgesehen von diesen augenscheinlichen Seltsamkeiten, birgt die Bulgakowsche Argumentation in bezug auf den ausw&auml;rtigen Handel wiederum ein fundamentales Mi&szlig;verst&auml;ndnis. Das Hauptargument Bulgakows gegen die Skeptiker von Sismondi bis Nikolai-on, die zur Realisierung des kapitalistischen Mehrwerts den ausw&auml;rtigen Absatzmarkt zu Hilfe nehmen zu m&uuml;ssen glaubten, ist folgendes: Diese Theoretiker betrachteten offenbar alle den ausw&auml;rtigen Handel als "einen bodenlosen Abgrund", in dem der im Innern unabsetzbare &Uuml;berschu&szlig; der kapitalistischen Produktion auf Nimmerwiedersehen verschwinde. Demgegen&uuml;ber hebt Bulgakow mit Triumph hervor, da&szlig; ja der ausw&auml;rtige Handel durchaus kein "Abgrund" und erst recht kein "bodenloser" sei, da&szlig; er ein zweischneidiges Schwert darstelle und da&szlig; zur Ausfuhr stets auch Einfuhr geh&ouml;re, die sich beide so ziemlich die Waage zu halten pflegen. Was also durch die eine Grenze hinausgeschoben werde, das werde durch die andere Grenze blo&szlig; in ver&auml;nderter Gebrauchsgestalt wieder hereingeschoben. "F&uuml;r die eingef&uuml;hrten Waren, die das &Auml;quivalent der ausgef&uuml;hrten darstellen, mu&szlig; man in den Grenzen des gegebenen Absatzmarktes Platz finden, Platz ist aber nicht da, folglich zieht die Zuhilfenahme des ausw&auml;rtigen Absatzes blo&szlig; neue Schwierigkeiten nach sich."<A NAME="ZF15"><A HREF="lu05_251.htm#F15">(15)</A></A> An einer anderen Stelle sagt er, der Ausweg, den die russischen Volkst&uuml;mler zur Realisierung des Mehrwerts gefunden h&auml;tten, die ausw&auml;rtigen M&auml;rkte, sei "viel weniger gl&uuml;cklich als der Ausweg, den Malthus, v. Kirchmann und Woronzow selbst als Verfasser des Aufsatzes vom 'Militarismus und Kapitalismus' gefunden hatten"<A NAME="ZF16"><A HREF="lu05_251.htm#F16">(16)</A></A>. Bulgakow verr&auml;t hier, da&szlig; er trotz all seiner begeisterten Wiedergabe der Marxschen Schemata der Reproduktion gar nicht begriffen hat, worin das eigentliche Problem liegt, um das die Skeptiker seit Sismondi bis Nikolai-on herumtasteten: Er lehnt den ausw&auml;rtigen Handel als angeblichen Ausweg aus der Schwierigkeit ab, weil dieser den abgesetzten Mehrwert, "wenn auch in ver&auml;nderter Gestalt", wieder ins Land einf&uuml;hre. Bulgakow glaubt also, im Einklang mit der rohen Vor- <A NAME="S263"><B>&lt;263&gt;</A></B> stellung v. Kirchmanns und Woronzows, da&szlig; es sich darum handelt, ein gewisses Quantum Mehrwert zu <I>vertilgen</I>, vom Erdboden zu verwischen, er ahnt nicht, da&szlig; es sich um die <I>Realisierung</I>, um die Warenmetamorphose, also gerade um die "ver&auml;nderte Gestalt" des Mehrwerts handelt. </P>
<P>So gelangt Bulgakow schlie&szlig;lich, wenn auch durch eine andere Stra&szlig;e, nach demselben Rom wie Struve. Er verk&uuml;ndet die Selbstgen&uuml;gsamkeit der kapitalistischen Akkumulation, die selbst ihre Produkte verschlinge, wie Kronos seine Kinder, und sich aus sich selbst immer m&auml;chtiger geb&auml;re. Von hier aus blieb nur noch ein Schritt zur R&uuml;ckkehr vom Marxismus zur b&uuml;rgerlichen &Ouml;konomie. Diesen Schritt hat gl&uuml;cklich Tugan-Baranowski vollzogen.</P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten von Rosa Luxemburg</P>
<P><A NAME="F1">(1)</A> S. Bulgakow: &Uuml;ber die Absatzm&auml;rkte der kapitalistischen Produktion. Eine theoretische Studie, Moskau 1897, S. 15. <A HREF="lu05_251.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F2">(2)</A> l.c., S. 32, Fu&szlig;note. <A HREF="lu05_251.htm#ZF2">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F3">(3)</A> l.c., S. 27. <A HREF="lu05_251.htm#ZF3">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F4">(4)</A> l.c., S. 2/3. <A HREF="lu05_251.htm#ZF4">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F5">(5)</A> l.c., S. 50-55. <A HREF="lu05_251.htm#ZF5">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F6">(6)</A> l.c., S. 132 ff. <A HREF="lu05_251.htm#ZF6">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F7">(7)</A> l.c., S. 20. <A HREF="lu05_251.htm#ZF7">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F8">(8)</A> Hervorgehoben bei Bulgakow. <A HREF="lu05_251.htm#ZF8">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F9">(9)</A> l.c., S. 161. <A HREF="lu05_251.htm#ZF9">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F10">(10)</A> l.c., S. 167. <A HREF="lu05_251.htm#ZF10">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F11">(11)</A> l.c., S. 210. Von uns hervorgehoben. <A HREF="lu05_251.htm#ZF11">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F12">(12)</A> l.c., S. 238. <A HREF="lu05_251.htm#ZF12">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F13">(13)</A> Bulgakow, l.c., S. 199. <A HREF="lu05_251.htm#ZF13">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F14">(14)</A> K. B&uuml;cher: Entstehung der Volkswirtschaft, 5. Aufl., S. 147. Die neueste Leistung auf diesem Gebiete ist die Theorie des Professors Sombart, wonach wir nicht in die Weltwirtschaft hineinwachsen, sondern gar umgekehrt uns immer mehr von ihr entfernen: "Die Kulturv&ouml;lker, so behaupte ich vielmehr, sind heute (im Verh&auml;ltnis zu ihrer Gesamtwirtschaft) nicht wesentlich mehr, sondern eher weniger durch Handelsbeziehungen untereinander verkn&uuml;pft. Die einzelne Volkswirtschaft ist heute nicht mehr, sondern eher weniger in den Weltmarkt einbezogen als vor hundert oder f&uuml;nfzig Jahren. Mindestens aber ... ist es falsch anzunehmen, da&szlig; die internationalen Handelsbeziehungen eine verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig wachsende Bedeutung f&uuml;r die moderne Volkswirtschaft gewinnen. Das Gegenteil ist richtig." Sombart wendet sich mit Hohn gegen die Annahme einer zunehmenden internationalen Arbeitsteilung, eines steigenden Bed&uuml;rfnisses nach ausw&auml;rtigen Absatzm&auml;rkten, dieweil der inl&auml;ndische Markt einer Ausdehnung nicht f&auml;hig sei; Sombart seinerseits ist &uuml;berzeugt, da&szlig; "die einzelnen Volkswirtschaften immer vollkommenere Mikrokosmen werden und da&szlig; der innere Markt f&uuml;r alle Gewerbe den Weltmarkt immer mehr an Bedeutung &uuml;berfl&uuml;gelt". (Die deutsche Volkswirtschaft im Neunzehnten Jahrhundert. 2. Aufl. 1909, S. 399-420.) - Diese niederschmetternde Entdeckung setzt freilich voraus, da&szlig; man das bizarre, nun dem Herrn Professor erfundene Schema annimmt, wonach als Ausfuhrland - man wei&szlig; nicht, weshalb - einzig und allein dasjenige Land gelten soll, das seine Einfuhr mit dem &Uuml;berschu&szlig; an landwirtschaftlichen Produkten &uuml;ber den eigenen Bedarf, "mit Boden" bezahlt. Nach diesem Schema sind Ru&szlig;land, Rum&auml;nien, die Vereinigten Staaten, Argentinien "Ausfuhrl&auml;nder", Deutschland aber, England, Belgien nicht. Da die kapitalistische Entwicklung &uuml;ber kurz oder lang den &Uuml;berschu&szlig; an Agrarprodukten auch in den Vereinigten Staaten und in Ru&szlig;land f&uuml;r den inneren Bedarf in Anspruch nehmen d&uuml;rfte, so ist es klar, da&szlig; es immer weniger "Ausfuhrl&auml;nder" in der Welt gibt, die Weltwirtschaft verschwindet also. - Eine andere Entdeckung Sombarts ist, da&szlig; die gro&szlig;en kapitalistischen L&auml;nder, die ja keine "Ausfuhrl&auml;nder" sind, ihre Einfuhr immer mehr "umsonst" kriegen - n&auml;mlich als Zinsen der ausgef&uuml;hrten Kapitalien. F&uuml;r Professor Sombart z&auml;hlt aber die Kapitalausfuhr ebenso wie die industrielle Warenausfuhr &uuml;berhaupt nicht: "Mit der Zeit werden wir wohl dahin kommen einzuf&uuml;hren, ohne auszuf&uuml;hren." (l.c., S. 422.) Modern, sensationell und gigerlhaft. <A HREF="lu05_251.htm#ZF14">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F15">(15)</A> l.c., S. 132. <A HREF="lu05_251.htm#ZF15">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F16">(16)</A> l.c., S. 236. Noch resoluter formuliert dieselbe Ansicht W. Iljin: "Der Romantiker (so nennt er die Skeptiker - <I>R. L.</I>) sagt: Die Kapitalisten k&ouml;nnen den Mehrwert nicht konsumieren und m&uuml;ssen ihn deshalb im Ausland absetzen. Geben denn etwa, fragt er sich, die Kapitalisten ihre Produkte umsonst an die Ausl&auml;nder ab oder werfen sie sie etwa ins Meer? Sie verkaufen sie, also erhalten sie ein &Auml;quivalent; sie fuhren Produkte aus, also f&uuml;hren sie andere ein." "&Ouml;konomische Studien und Artikel, S. 26.) [W. I. Lenin: Zur Charakteristik der &ouml;konomischen Romantik. In: Werke. Bd. 2, S. 156.] Im &uuml;brigen gibt Iljin eine viel richtigere Erkl&auml;rung f&uuml;r die Rolle des ausw&auml;rtigen Handels in der kapitalistischen Produktion als Struve und Bulgakow. <A HREF="lu05_251.htm#ZF16">&lt;=</A></P></BODY>
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