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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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Raw Blame History

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<TITLE>Rosa Luxemburg - Kartenh&auml;user</TITLE>
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<HR size="1">
<H2>Rosa Luxemburg</H2>
<H1>Kartenh&auml;user</H1>
<HR size="1">
<P><SMALL>&raquo;Die Rote Fahne&laquo;, 13.Januar 1919.</SMALL>
<P>Auf rauchenden Tr&uuml;mmern, zwischen Blutlachen und Leichen
hingemordeter &raquo;Spartakisten&laquo; beeilen sich die Helden der &raquo;Ordnung&laquo;,
ihre Herrschaft neu zu befestigen. Die Ebert-Regierung
rafft sich krampfhaft zu einer Konsolidierung ihrer Macht auf:
auf Bajonetten will sie nunmehr sitzen. Ebert h&auml;lt ganz nach
C&auml;sarenmuster eine Revue der Gardetruppen ab und h&auml;lt eine
Ansprache an sie, stattet im Angesicht der Toten und Verwundeten
auf dem Pflaster Berlins &raquo;den tapferen Truppen den Dank
der Regierung&laquo; ab, und weist ihnen als Aufgabe die Sicherung der
Nationalversammlung mit Waffengewalt zu. Der &raquo;Oberbefehlshaber&laquo; Noske nimmt in seinem Tagesbefehl vom 11. die alten bekannten
Register der Hindenburg, von Kessel und all der Schergen
des Hohenzollernregimes auf: &raquo;Im Osten pl&uuml;ndern spartakistische
Banden im Auto mit vorgehaltenem Revolver ein Haus
ums andere... Die letzte Maske, als handle es sich um eine
politische Bewegung, ist gefallen, Raub und Pl&uuml;nderung entpuppt
sich als letztes und einziges Ziel des Aufruhrs&laquo;... Die Geduld
der Regierung sei ersch&ouml;pft, und nun sollen die &raquo;starke Artillerie&laquo; und die Maschinengewehre ihr Wort reden. &raquo;Die Einigkeit der
Arbeiterklasse mu&szlig; gegen Spartakus erfolgen&laquo;, schlie&szlig;t der
blutbefleckte Empork&ouml;mmling.
<P>
So hoffen die Scheidem&auml;nner mit materieller Hilfe des
gegenrevolution&auml;ren Milit&auml;rs und mit moralischer Unterst&uuml;tzung des
B&uuml;rgertums auf den Leichen der Berliner revolution&auml;ren Arbeiter
ihre Regierungsgewalt neu aufzurichten.
<P>
Diese Rechnung hat aber ein Loch. Die Milit&auml;rs, das B&uuml;rgertum,
die heute den Ebert-Scheidemann aus der Patsche helfen, wollen
selber die Fr&uuml;chte der blutigen Ernte genie&szlig;en. Diese Elemente
wollten die &raquo;sozialistische&laquo; Regierung nur so lange unterst&uuml;tzen,
als sie glauben konnten, durch die falsche Flagge die proletarischen
Massen im Zaume halten zu k&ouml;nnen, durch &raquo;moralische&laquo;
Wirkung die Revolution, den Sozialismus zu erdrosseln. Nun ist
der Bann gebrochen. Die letzte Woche hat den Abgrund aufgerissen,
der zwischen der Ebertschen Regierung und der Revolution
g&auml;hnt. Heute ist es klar, da&szlig; Ebert-Scheidemann nur durch Bajonette
herrschen k&ouml;nnen. Ist dem aber so, dann will das Bajonett
auch ohne Ebert-Scheidemann herrschen. Das B&uuml;rgertum geht aufs
Ganze und schreit nach offener Proklamierung der S&auml;beldiktatur,
nach g&auml;nzlicher Wiederherstellung der alten &raquo;Ordnung&laquo;:
<P> &raquo;Die Aufr&uuml;hrer geh&ouml;ren vor das Standgericht oder in das Zuchthaus&laquo; - ruft heiser die &raquo;T&auml;gliche Rundschau&laquo; - &raquo;und ihnen geh&ouml;rt
nicht die Freiheit... Die Wiederherstellung von Ruhe und
Ordnung mu&szlig; bis ins Kleinste durchgef&uuml;hrt werden; die Polizei,
die es seit dem 9. November kaum noch gegeben hat, mu&szlig; in
ihrem alten Umfange und in ihrer alten Bedeutung wiederhergestellt,
die Schutzmannschaft mu&szlig; wiederum bewaffnet und ihr
Machtvollkommenheit zugewiesen werden.&laquo;
<P>
Gleichzeitig erkl&auml;rt der Leiter der Noske-Garde, <B>Oberst Reinhardt:
er werde das Standrecht verh&auml;ngen, er habe von niemand -
auch nicht von der Regierung - Befehle entgegenzunehmen, er sei
Soldat und habe selbst&auml;ndig zu bestimmen.</B> Und das 3. Garde-Regiment
erkl&auml;rt auf eigene Faust, es sei &raquo;entschlossen&laquo;, die
Nationalversammlung &raquo;mit Waffengewalt zustande zu bringen&laquo;.
In Berlin und den Vororten nehmen Offiziere auf eigene Faust
Verhaftungen vor.
<P>
So rebelliert das gegenrevolution&auml;re Offizierskorps gegen die
Regierung Eberts und l&auml;&szlig;t sie deutlich verstehen, da&szlig; die Sache
umgekehrt gemeint war: die Ebert-Scheidemann sollten f&uuml;r die
Bourgeoisie Kastanien aus dem Feuer holen und nicht die Bourgeoisie
f&uuml;r die Ebert-Scheidemann. Kommt es dazu, da&szlig; die Bourgeoisie
die &raquo;sozialistische&laquo; Regierung vor der revolution&auml;ren Arbeiterschaft
retten mu&szlig;, dann ist das Spiel aus, dann denkt die
Bourgeoisie wohl nicht ohne Grund, da&szlig; sie f&uuml;r die S&auml;beldiktatur
bef&auml;higtere Kandidaten hat als die Empork&ouml;mmlinge Ebert und Noske.
<P>
Auf der dritten Seite aber sucht die Haase-Partei die Krise zur
Aufrichtung einer Koalitionsregierung &raquo;<B>aller sozialistischen
Richtungen</B>&laquo; zu verwerten, getreu der Feigenblattpolitik Haases alle
inneren Widerspr&uuml;che der Revolution im unterschiedslosen Brei
zu ertr&auml;nken, alle Gegens&auml;tze zu vertuschen, die Kampfenergie
der Massen im faulen Kompromi&szlig; aufzul&ouml;sen. Nur die &raquo;kompromittierten F&uuml;hrer&laquo;, die Ebert, Scheidemann, Landsberg, Noske,
sollen von der B&uuml;hne abtreten, nur ein <B>Personenwechsel</B> soll stattfinden,
die Scheidemannsche <B>Politik</B> aber soll nach wie vor am
Ruder bleiben und mit ihr sollen &raquo;alle sozialistischen Richtungen&laquo; eine gemeinsame Regierung bilden.
<P>
Da die &raquo;Spartakisten&laquo; heute, angesichts der Leichen hingemordeter
Proletarier, angesichts der Blutorgien der Scheidem&auml;nner,
noch zehnmal mehr als je f&uuml;r diese erb&auml;rmlichste Politik des
Kompromisses und des Verrats an der Sache der Revolution nur einen
Blick der Verachtung und die geballte Faust &uuml;brig haben, so l&auml;uft
die Phrase der Haase-Leute von der Koalition &raquo;aller sozialistischen
Richtungen&laquo; in Wirklichkeit auf die fr&uuml;here bekannte Kombination:
Scheidem&auml;nner und Unabh&auml;ngige hinaus. Die Wiederauferstehung
der Regierung Ebert-Haase unter neuen Personennamen:
das ist alles, worauf der gro&szlig;e &raquo;Einigungs&laquo;rummel der
USP hinaus will. Und je kr&auml;ftiger man auf die Ebert-Scheidemann
heute in der &raquo;Freiheit&laquo; schimpft, um so sicherer bereitet man unter
dieser Scheinkanonade den schm&auml;hlichen Umfall der USP vor,
die trotz aller Lehren, trotzdem sie schon gezwungen war, am
28. Dezember das Kompaniegesch&auml;ft mit den Scheidem&auml;nnern
aufzugeben, einfach zu diesem Gesch&auml;ft - nur unter anderen
Firmentr&auml;gern - zur&uuml;ckkehren will.
<P>
So ergeben sich aus der gegenw&auml;rtigen Krise drei Kombinationen:
<UL>
<LI>Die Ebert-Scheidemann wollen den status quo, ihre eigene
Herrschaft auf Bajonette der Bourgeoisie gest&uuml;tzt weiter erhalten,
<P>
<LI>die USP will die Entwicklung auf den 9. November, auf eine
Regierung Ebert-Haase unter anderem Namen zur&uuml;ckschrauben,
<P>
<LI>die Bourgeoisie endlich will die Dinge auf den Stand <B>vor</B> dem
9. November, auf die nackte S&auml;beldiktatur r&uuml;ckw&auml;rtsrevidieren.
</UL>
<P>
Alle drei Kombinationen sind Kartenh&auml;user schon deshalb,
weil sie alle drei auf &uuml;berholte, &uuml;berwundene Etappen hinauslaufen.
Die Revolution l&auml;&szlig;t sich nicht zur&uuml;ckschrauben, nicht zur&uuml;ckrevidieren,
weder auf den 9. November noch viel weniger
auf die sch&ouml;nen Zeiten vor dem 9. November, und ebensowenig
l&auml;&szlig;t sie sich unter Eberts Zepter auf einem toten Punkt festnageln.
<P>
Der ganze politische Sinn und historische Inhalt der Krise dieser
letzten Woche liegt gerade darin, da&szlig; die Revolution durch
ihre innere Kraft und logische Entwicklung vorw&auml;rtsgetrieben
wird, um mit der Machteroberung des Proletariats, mit der
Verwirklichung des Sozialismus Ernst zu machen, w&auml;hrend sich ihr
heute noch hemmende Momente auf Schritt und Tritt in den Weg
stellen. M&ouml;gen diese gegnerischen Kr&auml;fte f&uuml;r den Augenblick durch
rohe Gewaltmittel Oberhand gewinnen: den weiteren Entwicklungsgang,
den Siegeszug der Revolution aufzuhalten, sind sie v&ouml;llig machtlos.
<P>
Und das kommt am besten in der Tatsache zum Ausdruck, da&szlig;
keine einzige Kombination auf den Tr&uuml;mmern dieser Woche aufgerichtet
werden kann, die von irgendwelcher Dauerhaftigkeit
w&auml;re. Was auch morgen oder &uuml;bermorgen als Ergebnis und L&ouml;sung
der Krise zustande kommen mag: es wird ein <B>Provisorium</B>,
es wird ein Kartenhaus sein. Mag die nackte Gewalt der Maschinengewehre
oder die Zweideutigkeit des Verschleierungsplanes
der USP die Oberhand gewinnen, - nach k&uuml;rzester Zeit werden
die Urgewalten der Revolution: die <B>wirtschaftlichen K&auml;mpfe</B>,
einen Strich durch all diese Rechnungen machen. Die Revolution
wird wieder und immer wieder das Grundproblem: die Generalabrechnung
zwischen Arbeit und Kapital auf die Tagesordnung
stellen. Und diese Abrechnung ist eine welthistorische
Auseinandersetzung zwischen zwei Todfeinden, die nur in einem langen
Machtkampf, Auge in Auge, Brust gegen Brust ausgefochten werden kann.
<P>
Kaum werden die Tr&uuml;mmer und die Leichen dieser j&uuml;ngsten
Episode hinweggetragen werden, tritt die Revolution an diese
ihre unerm&uuml;dliche Tagesarbeit wieder. Die &raquo;Spartakisten&laquo; gehen
ihren Weg mit unersch&uuml;tterlicher Festigkeit weiter. Die Zahl der
von ihnen gebrachten Opfer w&auml;chst mit jeder Woche, die Zahl
ihrer Anh&auml;nger w&auml;chst aber hundertfach. Unter dem Belagerungszustand
des Krieges f&uuml;llten sie Gef&auml;ngnisse und Zuchth&auml;user,
unter der &raquo;sozialistischen&laquo; Regierung Ebert-Scheidemann f&uuml;llen
sie die Gr&auml;ber im Friedrichshain. Aber um die Fahne des r&uuml;cksichtslosen
revolution&auml;ren Kampfes scharen sich immer dichter die
Massen des Proletariats. M&ouml;gen sich momentan einzelne Schichten
von der Demagogie und der Phrase der &raquo;Einigung&laquo; berauschen
und einfangen lassen: desto fester und treuer werden sie morgen
schon, nach neuer Entt&auml;uschung und Ern&uuml;chterung wieder zu der
einzigen Partei stehen, die keine Kompromisse, keine Schwankungen
kennt, die ihren historisch vorgezeichneten Weg geht, ohne
nach rechts oder nach links zu schauen, ohne den Feind und die
Gefahren zu z&auml;hlen - bis zum Siege.</P>
<HR size="1" align="left" width="200">
<P><SMALL>Quelle: &raquo;die nicht mehr existierende Website "Unser Kampf" auf fr<66>her "http://felix2.2y.net/deutsch/index.html"&laquo;<BR>
Pfad: &raquo;../lu/&laquo;<BR>
Verkn&uuml;pfte Dateien: &raquo;<A href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">../css/format.css</A>&laquo;</SMALL></P>
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