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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Friedrich Engels - Lage der arbeitenden Klasse in England - Das Ackerbauproletariat</TITLE>
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<H2 ALIGN="CENTER">Das Ackerbauproletariat</H2>
<STRONG><P>&lt;473&gt;</STRONG> Schon in der Einleitung sahen wir, wie gleichzeitig mit der kleinen Bourgeoisie und dem Wohlstande der bisherigen Arbeiter auch die kleine Bauernschaft ruiniert wurde, indem die bisherige Vereinigung der industriellen mit der ackerbauenden Arbeit sich aufl&ouml;ste, die vakant gewordenen Felder in gro&szlig;e Pachten zusammengeworfen und die kleinen Bauern durch die &uuml;berwiegende Konkurrenz der gro&szlig;en Wirtschaften aus dem Felde geschlagen wurden. Statt, wie bisher, selbst Grundbesitzer oder P&auml;chter zu sein, wurden sie gezwungen, ihre Wirtschaft aufzugeben und sich als Ackerknechte bei den gro&szlig;en P&auml;chtern und Gutsbesitzern zu verdingen. Eine Zeitlang war dieser Zustand, wenn auch gegen ihren fr&uuml;heren verschlechtert, doch ertr&auml;glich. Die Ausdehnung der Industrie hielt der vermehrten Bev&ouml;lkerung die Waagschale, bis endlich der industrielle Fortschritt etwas langsamer zu werden anfing und die stets neuen Vervollkommnungen der Maschinerie die Industrie au&szlig;erstand setzten, den ganzen &Uuml;berschu&szlig; der arbeitenden Bev&ouml;lkerung aus den Ackerbaubezirken zu absorbieren. Von diesem Zeitpunkte an zeigte sich das Elend, das bisher in den Fabrikdistrikten allein und auch da nur zeitweise existiert hatte, auch in den Ackerbaubezirken. Dazu kam, da&szlig; ungef&auml;hr um dieselbe Zeit der f&uuml;nfundzwanzigj&auml;hrige Krieg mit Frankreich aufh&ouml;rte; die verminderte Produktion auf den Kriegsschaupl&auml;tzen, die Sperrung der Zufuhren und die Notwendigkeit, die britischen Armeen in Spanien zu versorgen, hatten dem britischen Ackerbau einen k&uuml;nstlichen Aufschwung gegeben und zudem eine Menge von Arbeitskr&auml;ften der Arbeit entzogen. Diese Stockung der Zufuhr, die Notwendigkeit des Exports und der Mangel an Arbeitern h&ouml;rten nun mit einem Male auf, und die notwendige Folge war, wie die Engl&auml;nder es nennen, agricultural distress, Ackerbau-Elend. Die P&auml;chter mu&szlig;ten ihr Korn niedrig verkaufen und konnten daher nur niedrigen Lohn bezahlen. Um die Kornpreise hoch zu halten, wurden 1815 die Korngesetze passiert, die die Einfuhr von Korn solange prohibierten, als der Preis <STRONG>&lt;474&gt;</STRONG> des Weizens unter 80 Shilling f&uuml;r das Quarter war. Sp&auml;ter wurden diese nat&uuml;rlich fruchtlosen Gesetze noch mehrere Male ver&auml;ndert, ohne indes das Elend der Ackerbaudistrikte mildern zu k&ouml;nnen. Alles, was sie taten, war das, da&szlig; sie die Krankheit, die bei freier Konkurrenz des Auslandes akut geworden w&auml;re und ihre Krisen gehabt h&auml;tte, in eine chronische verwandelten, die einen gleichm&auml;&szlig;igen, aber immer noch harten Druck auf die Lage der ackerbauenden Arbeiter aus&uuml;bte.</P>
<P>In der ersten Zeit nach der Entstehung des Ackerbauproletariats entwickelte sich hier das patriarchalische Verh&auml;ltnis, das gleichzeitig f&uuml;r die Industrie zerst&ouml;rt wurde - dasselbe Verh&auml;ltnis des Bauern zu seinen Ackerknechten, wie es in Deutschland fast &uuml;berall jetzt noch besteht. Solange dies bestand, trat die Not unter den Arbeitern weniger und seltner hervor, die Knechte teilten das Schicksal der P&auml;chter und wurden nur im schlimmsten Notfalle entlassen. Jetzt ist das aber anders. Die Leute sind fast alle Tagel&ouml;hner, die von den P&auml;chtern besch&auml;ftigt werden, wenn diese ihrer bed&uuml;rfen, und daher oft wochenlang, besonders aber winters, gar keine Arbeit haben. Bei dem patriarchalischen Verh&auml;ltnis, wo die Knechte und ihre Familien auf dem Hofe des P&auml;chters wohnten und ihre Kinder dort heranwuchsen, wo also nat&uuml;rlich der P&auml;chter die heranwachsende Generation auf seinem Hofe zu besch&auml;ftigen suchte und die Tagl&ouml;hner die Ausnahme, nicht die Regel ausmachten, fand sich auf jedem Gute eine gr&ouml;&szlig;ere Zahl Arbeiter als, streng genommen, n&ouml;tig war. Daher lag es auch im Interesse der P&auml;chter, dies Verh&auml;ltnis aufzul&ouml;sen, den Ackerknecht vom Hof zu treiben und ihn in einen Tagl&ouml;hner zu verwandeln. Dies geschah ziemlich allgemein gegen das Ende der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts, und die Folge davon war, da&szlig; jetzt die bisher, um den Ausdruck der Physik zu gebrauchen, latente &Uuml;berflu&szlig;bev&ouml;lkerung entbunden, der Lohn gedr&uuml;ckt und die Armensteuern enorm gesteigert wurden. Von dieser Zeit an wurden die Ackerbaudistrikte die Hauptsitze des <EM>permanenten</EM>, wie die Fabrikdistrikte die des <EM>wechselnden Pauperismus</EM>, und die Umgestaltung der Armengesetze war die erste Ma&szlig;regel, welche die &ouml;ffentliche Macht gegen die t&auml;glich wachsende Verarmung der Landgemeinden ergreifen mu&szlig;te. Dazu kam aber noch, da&szlig;, bei fortw&auml;hrender Ausbreitung des Systems der Bewirtschaftung im gro&szlig;en, die Einf&uuml;hrung von Dresch- und andern Maschinen in den Ackerbau und die vielfach eingef&uuml;hrte Arbeit von Weibern und Kindern in den Feldern, die so allgemein ist, da&szlig; ihre Folgen neulich durch eine besondre, offizielle Kommission untersucht wurden, auch hier eine gro&szlig;e Zahl von Arbeitern brotlos machen. Wir sehen also, wie auch hier das System der industriellen Produktion sich durch gro&szlig;e Wirtschaft, Aufhebung des patriarchalischen Verh&auml;ltnisses - die gerade hier von <STRONG>&lt;475&gt;</STRONG> der gr&ouml;&szlig;ten Bedeutung ist - und Einf&uuml;hrung von Maschinerie, Dampfkraft und Arbeit von Weibern und Kindern Eingang verschafft und die letzte, stabilste Seite der arbeitenden Menschheit in die revolution&auml;re Bewegung hineingerissen hat. Je l&auml;nger aber der Ackerbau seine Stabilit&auml;t bew&auml;hrt hatte, um so schwerer fiel die Last nun auf den Arbeiter, um so gewaltsamer &auml;u&szlig;erte sich hier die Desorganisation des alten sozialen Zusammenhangs. Die "&Uuml;berbev&ouml;lkerung" trat mit einem Male ans Tageslicht und war nicht, wie in den Industriebezirken, durch vermehrte Produktion zu beseitigen. Neue Fabriken konnten immer angelegt werden, wenn Abnehmer f&uuml;r ihre Produkte da waren, aber neues Land konnte nicht geschafft werden. Die Kultur der unbebauten Gemeindel&auml;ndereien war eine zu riskante Spekulation, als da&szlig; sich seit dem Frieden viel Kapital hierauf geworfen h&auml;tte. Die notwendige Folge von war, da&szlig; die Konkurrenz der Arbeiter unter sich auf den h&ouml;chsten Punkt gesteigert wurde und der Lohn auf sein Minimum fiel. Solange das alte Armengesetz existierte, wurde den Arbeitern aus der Armenkasse zugesetzt; nat&uuml;rlich fiel der Lohn hierdurch noch mehr, indem jetzt die P&auml;chter einen m&ouml;glichst gro&szlig;en Teil desselben der Armenkasse zuzuschieben suchten. Die schon durch die &uuml;berfl&uuml;ssige Bev&ouml;lkerung n&ouml;tig gewordene Steigerung der Armensteuer wurde hierdurch nur vermehrt und so das neue Armengesetz, wovon wir noch sprechen werden, n&ouml;tig gemacht. Dies machte die Sache indes nicht besser. Der Arbeitslohn stieg nicht, die &uuml;berfl&uuml;ssige Bev&ouml;lkerung war nicht wegzuschaffen, und die Grausamkeit des neuen Gesetzes diente nur dazu, das Volk aufs h&ouml;chste zu erbittern. Selbst die Armensteuer, die anfangs abnahm, erreichte nach wenigen Jahren dieselbe H&ouml;he, die sie fr&uuml;her hatte. Die einzige Frucht war die, da&szlig; wenn fr&uuml;her drei bis vier Millionen Halbpaupers bestanden hatten, jetzt eine Million ganzer Paupers zum Vorschein kam und die &uuml;brigen darum auch halbe Paupers, nur ohne Unterst&uuml;tzung blieben Das Elend der Ackerbaubezirke hat mit jedem Jahre zugenommen. Die Leute leben in der gr&ouml;&szlig;ten Not, ganze Familien m&uuml;ssen sich mit 6, 7 oder 8 Shilling w&ouml;chentlich durchschlagen und haben zeitweise gar nichts. H&ouml;ren wir eine Schilderung, die ein liberales Parlamentsglied &lt;(<EM>1892</EM>) Parlamentsmitglied&gt; von dem Zustande dieser Bev&ouml;lkerung schon 1830 entwarf:</P>
<P><SMALL></P>
<P>"Ein englischer Bauer (d.h. Ackerbautagl&ouml;hner) "und ein englischer Pauper - die Worte sind synonym. Sein Vater war ein Pauper und seiner Mutter Milch war ohne n&auml;hrende Kraft; von Kind auf hat er schlechte Nahrung und immer nur halbsatt bekommen, und jetzt noch f&uuml;hlt er die Qual unbefriedigten Hungers fast immer, wenn er nicht schl&auml;ft. Er ist halbbekleidet, ohne mehr Feuerung, als grade ausreicht, seine <STRONG>&lt;476&gt;</STRONG> magern Mahlzeiten zu kochen, und so kehren K&auml;lte und N&auml;sse stets mit dem Wetter bei ihm ein und verlassen ihn nur mit dem Wetter. Er ist verheiratet, aber er kennt nicht die Freuden des Gatten und Vaters. Sein Weib und seine Kleinen, hungrig, selten warm, oft krank und h&uuml;lflos, stets sorgenvoll und hoffnungslos wie er, sind nat&uuml;rlich gierig, selbsts&uuml;chtig und qu&auml;lerisch, und so, um seine eignen Worte zu gebrauchen, ha&szlig;t er ihren Anblick (hates the sight of them) und geht nur zu seiner Baracke zur&uuml;ck, weil sie ihm immer noch etwas mehr Schutz gegen Regen und Wind gew&auml;hrt als eine Hecke. Er mu&szlig; seine Familie erhalten, wo er es doch nicht kann; das gibt Bettelei, heimliche Anschl&auml;ge aller Art und endigt in ausgebildeter Verschlagenheit. Wenn er auch Lust h&auml;tte, so fehlte ihm doch der Mut, um, wie andre, energischere Leute seiner Klasse, ein Wilddieb oder Schmuggler im gro&szlig;en zu werden; aber er stibitzt gelegentlich und lehrt seine Kinder l&uuml;gen und stehlen. Sein unterw&uuml;rfiges und sklavisches Betragen gegen seine reichen Nachbarn zeigt, da&szlig; sie ihn rauh und mit Verdacht behandeln; daher f&uuml;rchtet und ha&szlig;t er sie, aber er wird ihnen nie auf gewaltsame Weise Leid antun. Er ist durch und durch depraviert, zu sehr herabgedr&uuml;ckt, um die Kraft der Verzweiflung noch zu haben. Sein elendes Leben ist kurz, Rheumatismus und Asthma bringen ihn ins Arbeitshaus, wo er seinen letzten Atemzug ohne eine einzige angenehme R&uuml;ckerinnerung tun und f&uuml;r einen andern Ungl&uuml;cklichen Platz machen wird, der ebenso leben und sterben mag wie er."</P>
<P></SMALL></P>
<P>Unser Autor f&uuml;gt hinzu, da&szlig; es au&szlig;er dieser Klasse der Ackerbautagl&ouml;hner noch eine zweite gebe, die etwas energischer und physisch, intellektuell und moralisch besser begabt sei; diejenigen n&auml;mlich, die zwar ebenso elend lebten, aber nicht in dieser Lage geboren seien. Diese seien bessere Familienmitglieder, aber Schmuggler und Wilddiebe, die oft blutige Konflikte mit den Wildh&uuml;tern und Douaniers der K&uuml;ste h&auml;tten, oft durch die Gef&auml;ngnisse, die h&auml;ufig ihr Aufenthalt w&uuml;rden, sich noch mehr gegen die Gesellschaft erbittern lernten und in ihrem Ha&szlig; gegen die Besitzenden so der ersten Klasse ganz gleich st&auml;nden.</P>
<P><SMALL></P>
<P>"Und", schlie&szlig;t er, "aus H&ouml;flichkeit (by courtesy) wird diese ganze Klasse die ,k&uuml;hne Bauerschaft von England' (bold Peasantry of England, nach Shakespeare) genannt </SMALL><A HREF="me02_473.htm#O1"><SMALL><A NAME="Z1">(1)</A></SMALL></A><SMALL>."</P>
<P></SMALL></P>
<P>Bis auf den heutigen Tag gilt diese Schilderung f&uuml;r den gr&ouml;&szlig;ten Teil der Tagl&ouml;hner in den Ackerbaubezirken. Die "Times" sandte im Juni 1844 einen Korrespondenten in diese Gegenden, um &uuml;ber die Lage dieser Klasse zu berichten, und der Bericht, den er gibt, stimmt vollkommen mit Obigem &uuml;ber- <STRONG>&lt;477&gt;</STRONG> ein. In einigen Gegenden war der Lohn nicht h&ouml;her als sechs Shilling w&ouml;chentlich, also nicht h&ouml;her als in vielen Gegenden Deutschlands, w&auml;hrend die Preise aller Lebensbed&uuml;rfnisse in England doch wenigstens doppelt so hoch sind als hier. Wie das Leben beschaffen ist, das diese Leute f&uuml;hren, l&auml;&szlig;t sich denken. Ihre Nahrung schlecht und knapp, ihre Kleidung zerlumpt und ihre Wohnungen eng und erb&auml;rmlich - eine kleine elende H&uuml;tte ohne alle Komforts, und f&uuml;r junge Leute Logierh&auml;user, wo M&auml;nner und Frauen fast gar nicht getrennt sind und die zu illegitimem Verkehr herausfordern. Ein paar unbesch&auml;ftigte Tage im Monat m&uuml;ssen solche Leute notwendig in das tiefste Elend st&uuml;rzen. Dazu k&ouml;nnen sie sich nicht assoziieren, um den Lohn hoch zu halten, weil sie zerstreut wohnen, und weigert einer, zu niedrigem Lohn zu arbeiten, so sind Dutzende von Brotlosen und Armenhausgenossen, die sich freuen, wenn ihnen das Geringste geboten wird, w&auml;hrend dem Weigernden als einem faulen, liederlichen Taugenichts von der Armenverwaltung jede andre Unterst&uuml;tzung als die verha&szlig;te des Armenhauses abgeschlagen wird; denn in der Verwaltung sitzen ja grade die P&auml;chter, von denen oder deren Nachbarn und Standesgenossen er allein Arbeit erhalten kann. Und nicht nur aus einem oder dem andern der ackerbauenden Distrikte Englands erhalten wir solche Berichte; im Gegenteil, die Not ist gleich gro&szlig; im S&uuml;den und Osten, im Norden und Westen; die Lage der Arbeiter in Suffolk und Norfolk stimmt genau mit der von Devonshire, Hampshire und Sussex; der Lohn ist in Dorsetshire und Oxfordshire so niedrig wie in Kent und Surrey, Buckinghamshire und Cambridgeshire.</P>
<P>Eine besonders hervorzuhebende Barbarei gegen das Ackerbauproletariat sind die Jagdgesetze, die in England so streng sind wie nirgends, w&auml;hrend zu gleicher Zeit der Wildstand &uuml;ber alle Begriffe zahlreich ist. Der englische Bauer, der nach alter Sitte und Gewohnheit in der Wilddieberei nur eine ganz nat&uuml;rliche, noble &Auml;u&szlig;erung des Mutes und der Verwegenheit sieht, wird durch den Gegensatz zwischen seinem eignen Elend und dem car tel est notre plaisir &lt;denn das ist unser Vergn&uuml;gen&gt; des Lords, der Tausende von Hasen und jagdbaren V&ouml;geln zu seinem Privatvergn&uuml;gen hegt, noch mehr dazu gereizt. Er legt Schlingen, schie&szlig;t auch wohl einmal ein St&uuml;ck Wild - es schadet ja dem Lord im Grunde nichts, der hat ja doch &Uuml;berflu&szlig; daran, und <EM>ihm </EM>bringt es einen Braten &uuml;bers Feuer f&uuml;r<EM> </EM>seine hungernde Familie. Wird er entdeckt, so wandert er ins Gef&auml;ngnis, beim Wiederholungsfalle wird er mindestens sieben Jahre transportiert. Aus der Strenge dieser Strafen entstehen die h&auml;ufigen blutigen Konflikte mit den Wildh&uuml;tern, die jedes Jahr eine Reihe von Morden herbeif&uuml;hren. Das <STRONG>&lt;478&gt;</STRONG> Gewerbe eines Wildh&uuml;ters wird dadurch nicht nur gef&auml;hrlich, sondern auch verrufen und ge&auml;chtet. Im vorigen Jahre kamen zwei F&auml;lle vor, da&szlig; Wildh&uuml;ter sich lieber eine Kugel durch den Kopf jagten als bei ihrem Handwerk blieben. Das ist der wohlfeile Preis, um den sich die grundbesitzende Aristokratie das edle Vergn&uuml;gen der Jagd erkauft - aber was verschl&auml;gt das den edlen "lords of the soil &lt;deutsch etwa: "Herren von Ar und Halm""&gt;"? Ob ein paar &Uuml;berfl&uuml;ssige mehr oder minder am Leben sind, ist ja doch h&ouml;chst gleichg&uuml;ltig, und wenn die H&auml;lfte der "&Uuml;berfl&uuml;ssigen" erst infolge der Jagdgesetze auf die Seite geschafft w&auml;ren, so w&uuml;rde es der &uuml;brigbleibenden H&auml;lfte desto besser gehen - so r&auml;soniert die Philanthropie der englischen Besitzenden.</P>
<P><A NAME="O6">Aber</A> obwohl die l&auml;ndlichen Verh&auml;ltnisse, die isolierten Wohnungen, die Stabilit&auml;t der Umgebung, der Besch&auml;ftigung und also auch der Ideen aller Entwicklung entschieden ung&uuml;nstig sind, so tr&auml;gt die Armut und Not auch hier ihre Fr&uuml;chte. Die Industrie- und Bergwerksarbeiter kamen bald &uuml;ber die erste Stufe der Opposition gegen den sozialen Zustand, &uuml;ber die unmittelbare Auflehnung des Vereinzelten durch Verbrechen, hinaus; die Bauern stecken noch bis auf den heutigen Tag in dieser ersten Stufe. Ihre beliebte Weise des sozialen Krieges ist die Brandstiftung. In dem Winter, der auf die Julirevolution folgte, im Winter 1830/31 wurden diese Brandstiftungen zum ersten Mal allgemein, nachdem schon anfangs Oktober in Sussex und den ansto&szlig;enden Grafschaften Unruhen wegen verst&auml;rkter K&uuml;stenpolizei (wodurch das Schmuggeln erschwert und die K&uuml;ste, nach dem Ausdruck eines P&auml;chters, ruiniert wurde), wegen Neuerungen in der Armenverwaltung, niedrigen Lohns und Maschineneinf&uuml;hrung stattgefunden und die ganze Gegend in Aufregung versetzt hatten. Im Winter also wurden den P&auml;chtern die Korn- und Heuschober auf den Feldern, ja die Scheunen und St&auml;lle unter ihren Fenstern angez&uuml;ndet. Fast jede Nacht flammten ein paar solcher Feuer und verbreiteten Entsetzen unter den P&auml;chtern und Grundeigent&uuml;mern. Die T&auml;ter wurden nie oder sehr selten entdeckt, und das Volk &uuml;bertrug diese Brandstiftungen auf eine mythische Person, die es <EM>Swing </EM>nannte. Man zerbrach sich die K&ouml;pfe dar&uuml;ber, wer dieser Swing sein m&ouml;ge, woher diese Wut unter den Armen der Landdistrikte entstehe; an die gro&szlig;e bewegende Kraft; die <EM>Not, </EM>die Unterdr&uuml;ckung dachten die wenigsten - in den Ackerbaudistrikten selbst gewi&szlig; niemand. Seit jenem Jahre haben sich die Brandstiftungen mit jedem Winter, mit der f&uuml;r die Tagl&ouml;hner brotlosen Jahreszeit, wiederholt. Im Winter 1843/44 waren sie wieder einmal au&szlig;erordentlich h&auml;ufig. Mir liegen eine Reihe Nummern des "Northern Star" aus jener Zeit vor, deren <STRONG>&lt;479&gt;</STRONG> jede mehrere Berichte von Brandstiftungen mit Angabe der Quelle enth&auml;lt. Die fehlenden Nummern dieses w&ouml;chentlichen Blattes in der folgenden Liste liegen mir nicht vor, enthalten aber jedenfalls noch eine Menge F&auml;lle. Ohnehin kann ein solches Blatt nicht alle F&auml;lle geben. "N[orthern] S[tarl", 25. November 1843: zwei F&auml;lle, von mehreren fr&uuml;heren wird gesprochen. - 16. Dezember: In Bedfordshire seit 14 Tagen allgemeine Aufregung wegen h&auml;ufiger Brandstiftungen, deren jede Nacht mehrere vorkommen. In den letzten Tagen <EM>zwei </EM>gro&szlig;e Pachth&ouml;fe niedergebrannt. In Cambridgeshire <EM>vier </EM>gro&szlig;e Pachth&ouml;fe, Hertfordshire <EM>einer </EM>und au&szlig;erdem noch <EM>f&uuml;nfzehn </EM>Brandstiftungen in verschiedenen Gegenden. 30. Dezember in Norfolk <EM>eine, </EM>Suffolk <EM>zwei</EM>, Essex <EM>zwei, </EM>Herts <EM>drei, </EM>Cheshire <EM>eine, </EM>Lancashire <EM>eine, </EM>in Derby, Lincoln und dem S&uuml;den <EM>zw&ouml;lf</EM> Brandstiftungen. - 6. Januar 1844: im ganzen <EM>zehn, </EM>13. Januar: <EM>sieben, </EM>20. Januar: <EM>vier </EM>Brandstiftungen. Von jetzt an werden w&ouml;chentlich im Durchschnitt drei bis vier Br&auml;nde gemeldet, und zwar nicht nur wie fr&uuml;her bis ins Fr&uuml;hjahr, sondern bis in den Juli und August hinein, und da&szlig; mit dem Herannahen der strengen Jahreszeit 1844/45 diese Art Verbrechen einen neuen Aufschwung nahm, beweisen die mir seitdem zukommenden englischen Zeitungen und die Berichte in deutschen Bl&auml;ttern.</P>
<P>Was sagen meine Leser zu einem solchen Zustande der stillen, idyllischen Landdistrikte von England? Ist das sozialer Krieg oder nicht? Ist das ein nat&uuml;rlicher, ein der Dauer f&auml;higer Zustand? Und doch sind hier die P&auml;chter und Grundbesitzer ebenso dumm und verstockt, ebenso blind gegen alles, was ihnen nicht bares Geld in die Tasche schafft, wie in den Industriebezirken die Fabrikanten und Bourgeois &uuml;berhaupt. Wenn diese ihren Arbeitern alles Heil von der <EM>Abschaffung </EM>der Korngesetze versprechen, so versprechen die Grundbesitzer und ein gro&szlig;er Teil der P&auml;chter den ihrigen den Himmel von der <EM>Beibehaltung </EM>derselben. Aber in beiden F&auml;llen gelingt es den Besitzenden nicht, die Arbeiter f&uuml;r ihre Lieblingsmarotte zu gewinnen. Wie die Fabrikarbeiter, so sind auch die Ackerbautagl&ouml;hner gegen die Abschaffung oder Beibehaltung der Korngesetze durchaus gleichg&uuml;ltig. Dennoch ist die Frage f&uuml;r beide wichtig. Durch die Abschaffung der Korngesetze wird n&auml;mlich die freie Konkurrenz, die jetzige soziale Wirtschaft auf die Spitze getrieben; alle weitere Entwicklung innerhalb der bestehenden Verh&auml;ltnisse h&ouml;rt dann auf, und der einzige m&ouml;gliche Fortschritt ist dann die radikale Umw&auml;lzung des sozialen Zustandes. Den Ackerbautagl&ouml;hnern hat die Sache noch folgende Bedeutung. Die Freigebung der Korneinfuhr bedingt - wie, kann ich <EM>hier </EM>nicht entwickeln - die Emanzipation der P&auml;chter von den Grundbesitzern, mit andern Worten die Verwandlung der torystischen P&auml;chter in liberale. Dazu hat die Antikorngesetzligue - und das ist ihr einziges Verdienst - <STRONG>&lt;480&gt;</STRONG> schon t&uuml;chtig vorgearbeitet. Werden aber die P&auml;chter liberal, d.h. bewu&szlig;te Bourgeois, so werden die Tagl&ouml;hner notwendig Chartisten und Sozialisten, d.h. bewu&szlig;te Proletarier. Das eine zieht das andre nach sich. Und da&szlig; schon jetzt unter den Ackerbauproletariern eine neue Bewegung anf&auml;ngt sich geltend zu machen, zeigt eine Versammlung, welche Graf <EM>Radnor</EM>, ein liberaler Grundbesitzer, im Oktober 1844 bei Highworth, wo seine G&uuml;ter liegen, abhalten lie&szlig;, um Beschl&uuml;sse gegen die Korngesetze zu passieren, und wo die Arbeiter. durchaus apathisch gegen diese Gesetze, ganz andre Dinge, n&auml;mlich kleine Pachtungen zu billiger Pacht f&uuml;r sich forderten und dem Grafen Radnor allerlei bittere Wahrheiten ins Gesicht sagten. - So dringt die Bewegung der arbeitenden Klasse auch in die abgelegnen, stabilen, geistig toten Ackerbaubezirke und wird hier bei der herrschenden Not sehr bald ebenso sicher begr&uuml;ndet und lebendig sein wie in den Fabrikdistrikten.</P>
<P>Was die religi&ouml;se Stufe der Ackerbautagl&ouml;hner betrifft, so haben sie allerdings mehr Religion als die industriellen Arbeiter, aber sie sind doch sehr mit der Kirche - denn in diesen Bezirken gibt es fast nur Anh&auml;nger der Hochkirche - zerfallen. Ein Korrespondent des "Morning Chronicle", der mit der Unterschrift: <EM>Einer, der hinter dem Pfluge gepfiffen hat</EM> &lt;Pseudonym Alexander Somervilles&gt;, Berichte &uuml;ber die von ihm bereisten Ackerbaubezirke gibt, erz&auml;hlt unter anderm folgende Unterhaltung mit einigen Tagl&ouml;hnern nach der Kirche:</P>
<P><SMALL></P>
<P>"Ich frug einen dieser Leute, ob der heutige Prediger ihr eigner Geistlicher sei - yes, blast him &lt;Ja, hol ihn der Teufel&gt;, ja, wohl ist er unser eigner Pfaff, er bettelt in einem fort, er hat immer gebettelt, solange ich ihn kenne." (Es war n&auml;mlich eine Predigt f&uuml;r die Heidenmission gehalten worden.) - "Und seit ich ihn kenne, auch, setzte ein anderer hinzu, und ich hab' nie einen Pfaffen gekannt, der nicht immer f&uuml;r dies oder das gebettelt h&auml;tte. - Ja, sagte eine Frau, die eben aus der Kirche kam, und seht, wie der Lohn heruntergeht, und seht mal die reichen Vagabunden an, wo die Pfaffen mit essen und trinken und auf die Jagd gehen. So helf' mir Gott, wir sind eher reif, ins Arbeitshaus zu gehen und zu verhungern, als f&uuml;r Pfaffen zu bezahlen, die unter die Heiden gehen. - Und warum, sagte eine andre, warum schicken sie nicht die Pfaffen hin, die alle Tage im Dome zu Salisbury pl&auml;rren, und das f&uuml;r niemand als f&uuml;r die nackten Steine? Warum gehen die nicht unter die Heiden? - Die gehen nicht, sagte der Alte, den ich zuerst gefragt, weil sie reich sind, sie haben mehr Land, als sie brauchen, sie wollen Geld haben, um sich die armen Pfaffen vom Halse zu schaffen; ich wei&szlig;, was sie wollen, daf&uuml;r kenn' ich sie zu lange. - Aber, gute Freunde, frug ich, ihr kommt doch nicht immer mit solchen bittern Gef&uuml;hlen gegen den Prediger aus der Kirche? Weshalb geht ihr denn sonst &uuml;berhaupt hin? - Weshalb gehen wir hin, sagte die Frau, wir m&uuml;ssen wohl, wenn wir nicht alles verlieren wollen, Arbeit und alles, wir m&uuml;ssen wohl. - Ich sah sp&auml;ter, da&szlig; sie einige kleine Vor- <STRONG>&lt;481&gt;</STRONG> rechte wegen Feuerung und etwas Kartoffelland, das sie bezahlen mu&szlig;ten, erhielten, <EM>wenn sie in die Kirche gingen</EM>!"</P>
<P></SMALL></P>
<P>Nach einer Schilderung ihrer Armut und Unwissenheit schlie&szlig;t unser Korrespondent:</P>
<P><SMALL></P>
<P>"Und nun versichre ich k&uuml;hn, da&szlig; die Lage dieser Leute, ihre Armut, ihr Ha&szlig; gegen die Kirche, ihre &auml;u&szlig;erliche F&uuml;gsamkeit und ihre innerliche Bitterkeit gegen die kirchlichen W&uuml;rdentr&auml;ger <EM>die Regel ist durch die Landgemeinden </EM>von <EM>England </EM>und das Gegenteil nur die Ausnahme."</P>
<P></SMALL></P>
<P>Wenn uns die Bauernschaft des eigentlichen Englands die Folgen zeigt, die ein zahlreiches Ackerbauproletariat bei gro&szlig;en G&uuml;tern auf den Zustand der Landgemeinden hat, so sehen wir in <EM>Wales </EM>das Vorkommen der kleinen P&auml;chter. Wenn die englischen Landgemeinden den Gegensatz von Proletariern und gro&szlig;en Kapitalisten reproduzieren, so entspricht der Zustand der welschen &lt;so bei Engels f&uuml;r walisisch&gt; Bauern dem fortschreitenden Ruin der kleinen Bourgeoisie in den St&auml;dten. In Wales existieren meist nur kleine P&auml;chter, die nicht imstande sind, ihre Ackerbauprodukte mit gleichem Vorteil ebenso billig zu verkaufen wie die gro&szlig;en, beg&uuml;nstigteren englischen P&auml;chter, mit denen sie in demselben Markte konkurrieren. Dazu l&auml;&szlig;t die Beschaffenheit des Landes an vielen Stellen nur die Viehzucht zu, die wenig profitabel ist, und dann sind diese Welschen schon wegen ihrer aparten Nationalit&auml;t, an der sie festhalten, noch viel stabiler als die englischen P&auml;chter. Vor allem aber die Konkurrenz unter sich und mit ihren englischen Nachbarn und die daraus folgende Steigerung des Grundzinses hat sie so heruntergebracht, da&szlig; sie kaum leben k&ouml;nnen, und weil sie die wahre Ursache ihrer schlimmen Lage nicht einsehen, so suchen sie diese in allerlei Kleinigkeiten, hohen Weggeldern usw., die zwar die Ausbildung der Agrikultur und den Verkehr hemmen, aber doch von jedem, der eine Pachtung &uuml;bernimmt, als bestehende Lasten in Anschlag gebracht und also eigentlich doch vom Grundeigent&uuml;mer bezahlt werden. Dazu hat hier das neue Armengesetz, da die P&auml;chter selbst stets in Gefahr schweben, ihm zu verfallen, auch unter ihnen sich gr&uuml;ndlich verha&szlig;t gemacht. Im Februar 1843 brach die Unzufriedenheit der welschen Bauern in den bekannten Rebekka-Unruhen aus; die M&auml;nner zogen Weiberkleider an, schw&auml;rzten ihre Gesichter und fielen in zahlreichen bewaffneten Scharen &uuml;ber die Tore, die in England die Stelle der Schlagb&auml;ume vertreten, her, zerschlugen sie unter Jubelgeschrei und Schie&szlig;en, demolierten auch die H&auml;uschen der Weggeldempf&auml;nger, schrieben Drohbriefe im Namen der fingierten "Rebekka" und st&uuml;rmten sogar einmal das Arbeitshaus in Caermarthen. Als sp&auml;ter Truppen <STRONG>&lt;482&gt;</STRONG> einberufen und die Polizei verst&auml;rkt wurde, f&uuml;hrten sie diese mit au&szlig;erordentlicher Geschicklichkeit auf Abwege, zerst&ouml;rten Tore hier, w&auml;hrend das Milit&auml;r, dem die Signalh&ouml;rner von allen Bergen her voraust&ouml;nten, in der entgegengesetzten Richtung marschierte, und gingen endlich, als die Truppen zu sehr verst&auml;rkt wurden, zu einzelnen Brandstiftungen und selbst Mordversuchen &uuml;ber. Wie immer, waren diese gr&ouml;&szlig;eren Verbrechen das Ende der Bewegung. Viele sagten sich aus Unwillen, andere aus Furcht los, und die Ruhe trat von selbst wieder ein. Die Regierung schickte eine Kommission zur Untersuchung der Geschichte und ihrer Ursachen, und damit war alles am Ende. Die Armut der Bauern w&auml;hrt indes fort und wird, da sie bei den bestehenden Verh&auml;ltnissen in der Gesellschaft nur gr&ouml;&szlig;er, aber nicht geringer werden kann, gelegentlich einmal ernsthaftere Sachen produzieren als diese humoristischen Rebekka-Maskeraden.</P>
<P>Wenn in England das System der gro&szlig;en Bewirtschaftung und in Wales&#9;das der kleineren Pachtung in seinen Resultaten uns vorgef&uuml;hrt wird, so haben , wir in <EM>Irland </EM>die Folgen der Parzellierung des Bodens vor Augen. Die gro&szlig;e Masse der Bev&ouml;lkerung von Irland besteht aus kleinen P&auml;chtern, welche eine erb&auml;rmliche Lehmh&uuml;tte ohne innere Abteilung und ein Kartoffelst&uuml;ck gepachtet haben, das gerade gro&szlig; genug ist, um ihnen f&uuml;r den Winter die notd&uuml;rftigste Nahrung zu verschaffen. Bei der gro&szlig;en Konkurrenz, die zwischen diesen kleinen P&auml;chtern herrscht, ist der Grundzins auf eine unerh&ouml;rte H&ouml;he, auf das Doppelte, Drei- und Vierfache des englischen gestiegen. Denn jeder Ackerbautagl&ouml;hner sucht P&auml;chter zu werden, und obwohl die Teilung der L&auml;ndereien schon so hoch gestiegen ist, so bleiben dennoch eine gro&szlig;e Menge sich um Pachtungen bewerbender Tagl&ouml;hner &uuml;brig. Obgleich in Gro&szlig;britannien 32 Millionen englische Morgen und in Irland nur 14 Millionen Morgen bebaut sind, obgleich Gro&szlig;britannien j&auml;hrlich f&uuml;r 150 Millionen Pfund Sterling und Irland nur f&uuml;r 36 Millionen Pfund Sterling Ackerbauprodukte erzeugt, so sind in Irland doch 75 000 Ackerbautagl&ouml;hner <EM>mehr </EM>als in der Nachbarinsel <A HREF="me02_473.htm#O2"><A NAME="Z2">(2)</A></A>. Wie gro&szlig; die Konkurrenz um den Boden also in Irland sein mu&szlig;, geht aus diesem au&szlig;erordentlichen Mi&szlig;verh&auml;ltnis hervor, besonders wenn man bedenkt, da&szlig; schon die britischen Tagl&ouml;hner in der &auml;u&szlig;ersten Not leben. Die Folge dieser Konkurrenz ist nat&uuml;rlich ein so hoher Grundzins, da&szlig; es den P&auml;chtern nicht m&ouml;glich wird, viel besser zu leben als die Tagl&ouml;hner. Auf diese Weise wird das irische Volk in einer erdr&uuml;ckenden Armut gehalten, aus der es sich bei den jetzigen sozialen Verh&auml;ltnissen nicht herausrei&szlig;en kann. Die Leute leben in den elendesten Lehmh&uuml;tten, die kaum zu Viehst&auml;llen geeignet sind, haben den Winter &uuml;ber knappe Nahrung - oder wie <STRONG>&lt;483&gt;</STRONG> der zitierte Bericht es ausdr&uuml;ckt, sie haben 30 Wochen im Jahr Kartoffeln genug, um sich halbsatt zu essen, und f&uuml;r die &uuml;brigen 22 Wochen gar nichts. Kommt dann im Fr&uuml;hjahr die Zeit, wo der Vorrat zu Ende geht oder wegen der auswachsenden Keime ungenie&szlig;bar wird, so geht die Frau mit ihren Kindern betteln und durchstreicht, den Teekessel in der Hand, die ganze Gegend, w&auml;hrend der Mann nach bestellter Aussaat entweder im Lande selbst oder in England Arbeit sucht und zur Kartoffelernte sich wieder bei seiner Familie einfindet. In diesem Zustande leben neun Zehntel des irischen Landvolks. Sie sind arm wie die Kirchenm&auml;use, tragen die elendesten Lumpen und stehen auf der tiefsten Bildungsstufe, die in einem halbzivilisierten Lande m&ouml;glich ist. Nach dem zitierten Bericht leben unter einer Bev&ouml;lkerung von 8 1/2 Millionen 585 000 Familienh&auml;upter in totaler Armut (destitution), und nach andern, von Sheriff Alison <A HREF="me02_473.htm#O3"><A NAME="Z3">(3)</A></A> angef&uuml;hrten, Quellen sind in Irland 2 300 000 Menschen, die ohne &ouml;ffentliche oder Privatunterst&uuml;tzung nicht leben k&ouml;nnen; also sind 27 Prozent der Bev&ouml;lkerung Paupers!</P>
<P>Die Ursache dieser Armut sind die bestehenden sozialen Verh&auml;ltnisse, namentlich die Konkurrenz, nur hier in einer andern Form, in der der Parzellierung des Bodens. Man hat sich abgem&uuml;ht, andere Ursachen aufzufinden; man behauptet, die Stellung des P&auml;chters zum Grundbesitzer, der seine L&auml;ndereien in gro&szlig;en St&uuml;cken an P&auml;chter verdingt, die wieder ihre Unterp&auml;chter und Unter-Unterp&auml;chter haben, so da&szlig; oft zehn Zwischendr&auml;nger zwischen dem Grundbesitzer und dem eigentlichen Bebauer sind - man hat behauptet, das allerdings sch&auml;ndliche Gesetz, das dem Grundbesitzer das Recht gibt, wenn sein n&auml;chster P&auml;chter nicht bezahlt, den wirklichen Bebauer wegzutreiben, selbst wenn dieser an seinen Oberp&auml;chter seinen Zins bezahlt hat, das sei Schuld an der Armut. Aber dies bedingt ja nur die <EM>Form, </EM>in der das Elend zur Erscheinung kommt. Macht die kleinen P&auml;chter selbst zu Grundbesitzern, was wird die Folge sein? Die Mehrzahl wird selbst dann, wenn sie keine Pacht mehr zu bezahlen hat, nicht von ihrem Felde leben k&ouml;nnen, und was sich etwa bessert, wird durch den fortw&auml;hrenden raschen Zuwachs der Bev&ouml;lkerung in wenig Jahren wieder ausgeglichen. Denen, die dadurch in bessere Verh&auml;ltnisse kommen, wachsen dann die Kinder heran, die jetzt infolge der Not und des Mangels in den ersten Jahren sterben. Von andern Seiten ist behauptet worden, die schamlose Unterdr&uuml;ckung des Volks durch die Engl&auml;nder sei schuld daran. Allerdings <EM>daran, </EM>da&szlig; die Armut etwas fr&uuml;her eintrat, aber nicht daran, da&szlig; sie &uuml;berhaupt eintrat. Oder die protestantische Staatskirche, die der katholischen Nation aufgedr&auml;ngt wurde - verteilt auf die Irl&auml;nder das, was sie nimmt. und es kommen noch keine zwei Taler auf <STRONG>&lt;484&gt;</STRONG> den Kopf. Ohnehin sind die Zehnten ja eine Steuer auf den <EM>Grundbesitz, </EM>nicht auf den P&auml;chter, obwohl dieser sie auszahlte; jetzt - nach der Kommutationsbill &lt;(<EM>1892</EM>) Kommutationsakte&gt; von 1838 - bezahlt der Grundbesitzer sie direkt und rechnet daf&uuml;r soviel mehr Pacht, so da&szlig; der P&auml;chter darum nicht besser dran ist. Und so werden noch hundert andere Ursachen angef&uuml;hrt, die ebensowenig beweisen. Die Armut ist eine notwendige Folge der gegenw&auml;rtigen sozialen Einrichtungen, und au&szlig;er diesen kann nur f&uuml;r die Art und Weise, in der die Armut auftritt,&#9;nicht aber f&uuml;r die Armut selbst eine Ursache gesucht werden. Da&szlig; aber die Armut in Irland so und nicht anders auftritt, daran ist der nationale Charakter des Volks und seine geschichtliche Entwicklung schuld. Die Irl&auml;nder sind ein seinem &lt;(<EM>1892</EM>) dem&gt; ganzen Charakter nach mit den romanischen Nationen, den Franzosen und besonders den Italienern, verwandtes Volk. Die schlechten Seiten ihrer Nationalit&auml;t haben wir oben schon von Carlyle entwickelt gesehen; h&ouml;ren wir nun einen Irl&auml;nder, der wenigstens etwas mehr recht hat als der f&uuml;r das germanische Wesen eingenommene Carlyle:</P>
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<P>"Sie sind unruhig und doch tr&auml;g (indolent); aufgeweckt und indiskret, st&uuml;rmisch, ungeduldig und ohne Voraussicht; tapfer aus Instinkt, gro&szlig;m&uuml;tig, ohne viel zu &uuml;berlegen; rasch bei der Hand, um Beleidigungen zu r&auml;chen und zu vergeben, Freundschaften zu schlie&szlig;en und aufzujagen; verschwenderisch begabt mit Genie, sparsam mit Urteilskraft." <A HREF="me02_473.htm#O4"><A NAME="Z4">(4)</A></A></SMALL></P>
<P>Bei den Irl&auml;ndern herrscht das Gef&uuml;hl, die Leidenschaft durchaus vor, der Verstand mu&szlig; sich ihnen f&uuml;gen. Ihr sinnliches, erregbares Wesen l&auml;&szlig;t die &Uuml;berlegung und ruhige, anhaltende T&auml;tigkeit nicht zur Entwicklung kommen - ein solches Volk taugt zur Industrie, wie sie jetzt betrieben wird, durchaus nicht. Daher blieben sie beim Ackerbau, und selbst hier auf der niedrigsten Stufe. Bei den kleinen Parzellen, die hier nicht, wie in Frankreich und am Rhein, k&uuml;nstlich aus der Zersplitterung gro&szlig;er G&uuml;ter entstanden <A HREF="me02_473.htm#O5"><A NAME="Z5">(5)</A></A>, sondern von jeher dagewesen sind, war an eine Verbesserung des Bodens durch angelegtes Kapital nicht zu denken, und so w&uuml;rde es nach Alisons Angabe 120 Millionen Pfd. St. erfordern, um den Boden in Irland auf <STRONG>&lt;485&gt;</STRONG> dieselbe, noch gar nicht so hohe Stufe der Produktivit&auml;t zu bringen, welche der englische Boden erhalten hat. Die englische Einwanderung, welche die Kulturstufe des irischen Volks h&auml;tte heben k&ouml;nnen, hat sich mit der brutalsten Ausbeutung desselben begn&uuml;gt, und w&auml;hrend die Irl&auml;nder durch ihre Einwanderung der englischen Nation einen G&auml;rungsstoff mitgeteilt haben, der in der Zukunft seine Fr&uuml;chte tragen wird, so hat Irland doch der englischen Einwanderung wenig zu verdanken.</P>
<P>Die Versuche der irischen Nation, sich aus der bestehenden Verkommenheit zu retten, sind einerseits Verbrechen, die hier in den Landdistrikten an der Tagesordnung sind und fast alle in Mordtaten gegen die n&auml;chsten Feinde - die Agenten der Grundbesitzer oder deren gehorsame Diener, die protestantischen Eindringlinge, die gro&szlig;en P&auml;chter, deren Gut aus den Kartoffelfeldern von hundert vertriebenen Familien zusammengesetzt usw. - bestehen und namentlich im S&uuml;den und Westen h&auml;ufig vorkommen; andererseits in der Repeal-Agitation. Nach dem oben Gesagten ist es klar, da&szlig; die ungebildeten Irl&auml;nder in den Engl&auml;ndern ihre n&auml;chsten Feinde sehen m&uuml;ssen und der n&auml;chste Fortschritt f&uuml;r sie in der Erringung nationaler Selbst&auml;ndigkeit liegt. Ebenso klar ist aber auch, da&szlig; die Armut durch keine Repeal mit abgeschafft, sondern da&szlig; durch sie nur bewiesen werden kann, wie die Ursache des irischen Elends, die jetzt noch ausw&auml;rts zu liegen scheint, zu Hause zu suchen ist. Ob indes die wirkliche Durchf&uuml;hrung der Repeal n&ouml;tig ist, um den Irl&auml;ndern zu dieser Einsicht zu verhelfen, will ich dahingestellt sein lassen. Bis jetzt haben weder der Chartismus noch der Sozialismus besondern Erfolg in Irland gehabt.</P>
<P>Ich schlie&szlig;e meine Bemerkungen &uuml;ber Irland hiermit um so eher, als die Repeal-Agitation von 1843 und der O'Connellsche Proze&szlig; die Veranlassung waren, da&szlig; das irische Elend in Deutschland mehr und mehr bekannt wurde.</P>
<P>So haben wir denn das Proletariat der britischen Inseln durch alle Zweige seiner T&auml;tigkeit verfolgt und &uuml;berall Elend und Not, &uuml;berall durchaus unmenschliche Lebensverh&auml;ltnisse gefunden. Wir haben mit dem Proletariat die Unzufriedenheit entstehen, wachsen, sich ausbilden und organisieren, wir haben offne, blutige und unblutige K&auml;mpfe des Proletariats gegen die Bourgeoisie gesehen. Wir haben die Prinzipien untersucht, nach denen das Schicksal, die Hoffnungen und Bef&uuml;rchtungen der Proletarier sich bestimmen, und gefunden, da&szlig; keine Aussicht auf Besserung ihrer Lage da ist. Wir haben Gelegenheit gehabt, hier und da die Bourgeoisie in ihrem Benehmen gegen das Proletariat zu beobachten, und gefunden, da&szlig; sie nur sich im Auge hatte, nur ihren eignen Vorteil verfolgte. Um indes nicht ungerecht zu sein, wollen wir ihre Handlungsweise etwas n&auml;her untersuchen. </P>
<P><HR></P>
<P>Anmerkungen F. E.:</P>
<P><A NAME="O1">(1)</A> E.C. Wakefield, M. P., "Swing unmasked, or the Causes of Rural Incendiarism" [Der entlarvte Swing (siehe hierzu <A HREF="me02_473.htm#O6">S. 478/79</A>), oder die Ursachen der l&auml;ndlichen Brandstiftungen], London 1831. - Pamphlet. Die obigen Zitate stehen p. 9 - 13, und sind die Stellen, welche sich im Original auf das damals noch bestehende alte Armengesetz beziehen, in der &Uuml;bersetzung weggelassen. <A HREF="me02_473.htm#Z1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="O2">(2)</A> Bericht der Armengesetz-Kommision &uuml;ber Irland. Parlamentssession von 1837. <A HREF="me02_473.htm#Z2">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="O3">(3)</A> Principles of Population", II. vol. <A HREF="me02_473.htm#Z3">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="O4">(4)</A> "The State of Ireland" [Der Zustand Irlands]. London 1807; 2nd edition 1821. - Pamphlet.&nbsp;<A HREF="me02_473.htm#Z4">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="O5">(5)</A> (<EM>1892</EM>) Irrtum. Der kleine Ackerbau war seit dem Mittelalter herrschende Betriebsform geblieben. Die kleinen Bauernh&ouml;fe bestanden also schon vor der Revolution. Was diese &auml;nderte, war nur das <EM>Eigentum </EM>daran; sie nahm es den Feudalherren und &uuml;bertrug es, direkt oder indirekt, an die Bauern. <A HREF="me02_473.htm#Z5">&lt;=</A></P></BODY>
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