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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx - Enthuellungen ueber den Kommunisten-Prozess zu Koeln</TITLE>
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 8, 3. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 418-430</SMALL>
<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me08_414.htm"><FONT SIZE=2>II. Das Archiv Dietz</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me08_405.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me08_431.htm"><FONT SIZE=2>IV. Das Originalprotokollbuch</FONT></A></P>
<P ALIGN="CENTER">III</P>
<FONT SIZE=5><P ALIGN="CENTER">Das Komplott Cherval</P>
</FONT><B><P><A NAME="S418">&lt;418&gt;</A></B> Stieber wu&szlig;te indes mit dem gestohlenen Schatz zu wuchern. Die ihm am 5. August 1851 zugekommenen Papiere f&uuml;hrten zur Entdeckung des sogenannten "deutsch-franz&ouml;sischen Komplotts zu Paris". Sie enthielten sechs Berichte des von Willich-Schapper abgesandten Emiss&auml;rs <I>Adolph Majer </I>d.d. Paris und f&uuml;nf Berichte des leitenden Kreises Paris an die Zentralbeh&ouml;rde Willich-Schapper. (Zeugenaussage Stiebers in der Sitzung vom 18. Oktober.) Stieber unternimmt eine diplomatische Lustreise nach Paris und macht dort die pers&ouml;nliche Bekanntschaft des gro&szlig;en Carlier, der soeben in der ber&uuml;chtigten Aff&auml;re der Goldbarrenlotterie den Beweis geliefert hatte, da&szlig; er zwar ein gro&szlig;er Feind der Kommunisten, aber ein noch gr&ouml;&szlig;erer Freund von fremdem Privateigentum sei.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Demgem&auml;&szlig; reiste ich im September 1851 nach Paris ab. Ich fand in dem damaligen dortigen Polizeipr&auml;fekt Carlier die bereitwilligste Unterst&uuml;tzung ... Durch franz&ouml;sische Polizeiagenten wurden die in den Londoner Briefen enth&uuml;llten F&auml;den schnell und sicher aufgefunden; es gelang, die Wohnungen der einzelnen Chefs der Verschw&ouml;rung zu ermitteln und alle ihre Bewegungen, namentlich alle ihre Versammlungen und Korrespondenzen, zu beobachten. Man ermittelte dort sehr arge Dinge ... Ich mu&szlig;te den Anforderungen des Pr&auml;fekten Carlier nachgeben, und es wurde in der Nacht vom 4. zum 5. September 1851 eingeschritten." (Aussage Stiebers vom 18. Oktober.)</P>
</FONT><P>Im September reiste Stieber von Berlin ab. Nehmen wir an den 1. September. Abends den 2. September traf er im besten Falle zu Paris ein. In der Nacht vom 4. wird eingeschritten. Bleiben also f&uuml;r die Besprechung mit Carlier und die Ergreifung der n&ouml;tigen Ma&szlig;regeln 36 Stunden. In diesen 36 Stunden werden nicht nur die Wohnungen der einzelnen Chefs "ermittelt" <I>alle </I>ihre Bewegungen, <I>alle </I>ihre Versammlungen, <I>alle </I>ihre Korrespondenzen werden "beobachtet", nat&uuml;rlich erst, nachdem ihre "Wohnungen ermittelt" <A NAME="S419"><B>&lt;419&gt;</A></B> sind. Stiebers Ankunft bewirkt nicht nur eine wundert&auml;tige "Schnelligkeit und Sicherheit der franz&ouml;sischen Polizeiagenten", sie macht auch die konspirierenden Chefs "bereitwillig", in 24 Stunden so viel Bewegungen, Versammlungen und Korrespondenzen zu begehen, da&szlig; schon am andern Abend gegen sie eingeschritten werden kann.</P>
<P>Aber nicht genug, da&szlig; am 3. die Wohnungen der einzelnen Chefs ermittelt, alle ihre Bewegungen, Versammlungen und Korrespondenzen beobachtet sind:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Franz&ouml;sische Polizeiagenten", schw&ouml;rt Stieber, "finden Gelegenheit, den Sitzungen der Verschworenen beizuwohnen und die Beschl&uuml;sse derselben &uuml;ber das Verfahren bei der n&auml;chsten Revolution mit anzuh&ouml;ren."</P>
</FONT><P>Kaum haben also die Polizeiagenten die Versammlungen beobachtet, so finden sie durch die Beobachtung Gelegenheit beizuwohnen, und kaum wohnen sie einer Sitzung bei, so werden es mehrere Sitzungen, und kaum sind es ein paar Sitzungen, so kommt es auch schon zu Beschl&uuml;ssen &uuml;ber das Verfahren bei der n&auml;chsten Revolution - und alles an demselben Tage. An demselben Tage, wo Stieber den Carlier, lernt Carliers Polizeipersonal die Wohnungen der einzelnen Chefs, lernen die einzelnen Chefs das Polizeipersonal Carliers kennen, laden es denselben Tag in ihre Sitzungen ein, halten ihnen zu Gefallen denselben Tag eine ganze Reihe von Sitzungen und k&ouml;nnen sich nicht von ihnen trennen, ohne noch eiligst Beschl&uuml;sse &uuml;ber das Verfahren bei der n&auml;chsten Revolution zu fassen.</P>
<P>So bereitwillig Carlier sein mochte - und niemand wird an seiner Bereitwilligkeit zweifeln, drei Monate vor dem Staatsstreich ein kommunistisches Komplott zu entdecken -, Stieber mutet ihm mehr zu, als er leisten konnte. Stieber verlangt Polizeiwunder, er verlangt sie nicht nur, er glaubt sie auch; er glaubt sie nicht nur, er beschw&ouml;rt sie.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Beim Beginne des Unternehmens, n&auml;mlich des Einschreitens, verhaftete ich zuerst pers&ouml;nlich mit einem franz&ouml;sischen Kommiss&auml;r den gef&auml;hrlichen Cherval, den Hauptchef der franz&ouml;sischen Kommunisten. Er widersetzte sich heftig, und es entstand ein hartn&auml;ckiger Kampf mit ihm."</P>
</FONT><P>So Stiebers Aussage vom 18. Oktober.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Cherval ver&uuml;bte in Paris ein Attentat auf mich, und zwar in meiner eigenen Wohnung, in welche er sich w&auml;hrend der Nacht eingeschlichen, und wobei meine Frau, die mir bei dem dadurch veranla&szlig;ten Kampfe zu H&uuml;lfe kam, verwundet wurde."</P>
</FONT><P>So Stiebers andere Aussage vom 27. Oktober.</P>
<P>In der Nacht vom 4. auf den 5, schreitet Stieber bei Cherval ein, und es entsteht ein Faustkampf, worin Cherval sich widersetzt. In der Nacht vom <A NAME="S420"><B>&lt;420&gt;</A></B> 3. auf den 4. schreitet Cherval bei Stieber ein, und es entsteht ein Faustkampf, worin Stieber sich widersetzt. Aber am 3. herrschte ja gerade die entente cordiale &lt;das herzliche Einvernehmen&gt; zwischen Verschw&ouml;rern und Polizeiagenten, wodurch so Gro&szlig;es an einem Tage geleistet ward. Jetzt soll nicht nur Stieber am 3. hinter die Verschw&ouml;rer, sondern die Verschw&ouml;rer sollen am 3. auch hinter den Stieber gekommen sein. W&auml;hrend Carliers Polizeiagenten die Wohnungen der Verschw&ouml;rer, entdeckten die Verschw&ouml;rer die Wohnung Stiebers. W&auml;hrend er ihnen gegen&uuml;ber eine "beobachtende", spielen sie ihm gegen&uuml;ber eine t&auml;tige Rolle. W&auml;hrend er von ihrem Komplott gegen die Regierung tr&auml;umt, sind sie mit einem Attentat auf seine Person besch&auml;ftigt.</P>
<P>Stieber f&auml;hrt in seiner Aussage vom 18. Oktober fort:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Bei diesem Kampfe" (wo Stieber in der Offensive) "bemerkte ich, da&szlig; Cherval bem&uuml;ht war, ein Papier in den Mund zu stecken und es hinunterzuschlucken. Es gelang nur mit M&uuml;he, die H&auml;lfte des Papiers zu retten, die andere H&auml;lfte war schon verzehrt."</P>
</FONT><P>Das Papier befand sich also im Munde, zwischen den Z&auml;hnen des Cherval, denn nur die eine H&auml;lfte ward gerettet, die andere war schon verzehrt. Stieber und sein Helfershelfer, Polizeikommiss&auml;r oder wer sonst, konnten die andere H&auml;lfte nur retten, indem sie ihre H&auml;nde in den Rachen des "gef&auml;hrlichen Cherval" steckten. Die n&auml;chste Art, wie Cherval sich gegen einen solchen Angriff verteidigen konnte, war die des <I>Bei&szlig;ens</I>, und wirklich meldeten die Pariser Bl&auml;tter, Cherval habe die Frau Stieber gebissen, aber in dieser Szene wohnte dem Stieber nicht die Frau bei, sondern der Polizeikommiss&auml;r. Dagegen erkl&auml;rt Stieber, bei dem Attentat, das Cherval in seiner eigenen Wohnung ver&uuml;bt, sei Frau Stieber, die ihm zu H&uuml;lfe gekommen, verwundet worden. Stellt man die Aussagen Stiebers und die Aussage der Pariser Journale zusammen, so scheint es, da&szlig; Cherval in der Nacht vom 3. auf den 4. Frau Stieber bi&szlig;, um die Papiere zu retten, die Herr Stieber ihm in der Nacht vom 4. auf den 5. aus den Z&auml;hnen ri&szlig;. Stieber wird uns antworten, da&szlig; Paris eine Wunderstadt ist und da&szlig; schon Larochefoucauld erkl&auml;rt hat, in Frankreich sei alles m&ouml;glich.</P>
<P>Lassen wir einen Augenblick den Wunderglauben, so scheint es, da&szlig; die ersten Wunder entstanden sind, indem Stieber eine Reihe von Handlungen, die der Zeit nach weit auseinanderliegen, in <I>einen </I>Tag zusammendr&auml;ngt, auf den 3. September - und die letzten Wunder, indem er verschiedene Tatsachen, die an einem Abende und an einem Orte vorfielen, an zwei verschiedene N&auml;chte und zwei verschiedene Orte verteilt. Wir stellen seiner Erz&auml;hlung <A NAME="S421"><B>&lt;421&gt;</A></B> von "Tausendundeiner Nacht" den wirklichen Tatbestand gegen&uuml;ber. Vorher noch ein verwunderliches Faktum, wenn auch kein Wunder. Stieber entri&szlig; eine H&auml;lfte des von Cherval verschluckten Papiers. Was enthielt die gerettete H&auml;lfte? Das Ganze, was Stieber suchte.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Dieses Papier", schw&ouml;rt er, "enthielt eine h&ouml;chst wichtige Instruktion f&uuml;r den Emiss&auml;r Gipperich in Stra&szlig;burg mit dessen <I>vollst&auml;ndiger Adresse</I>."</P>
</FONT><P>Jetzt zum Tatbestand.</P>
<P>Am 5. August 1851, wissen wir von Stieber, erhielt er das in starke Wachsleinwand verpackte Archiv Dietz. Am 8. oder 9. August 1851 fand sich zu Paris ein gewisser Schmidt ein. Schmidt scheint der unvermeidliche Name f&uuml;r die inkognito reisenden preu&szlig;ischen Polizeiagenten. Stieber reist 1843-1846 als Schmidt im schlesischen Gebirge, sein Londoner Agent <I>Fleury </I>reist 1851 als Schmidt nach Paris. Er sucht hier die einzelnen Chefs der Willich-Schapperschen Verschw&ouml;rung und findet zun&auml;chst Cherval. Er gibt vor, aus K&ouml;ln entflohen zu sein und von dort die Bundeskasse mit 500 Talern gerettet zu haben. Er beglaubigt sich durch Mandate von Dresden und verschiedenen anderen Orten, spricht von Reorganisation des Bundes, Vereinigungen der verschiedenen Parteien, da die Spaltungen auf rein pers&ouml;nlichen Differenzen beruhten - die Polizei predigte schon damals Einigkeit und Einigung -, und versprach, die 500 Taler zu verwenden, um den Bund wieder in Flor zu bringen. Nach und nach lernt Schmidt die einzelnen Chefs der Schapper-Willichschen Bundesgemeinden in Paris kennen. Er erf&auml;hrt nicht nur ihre Adressen, er besucht sie, er spioniert ihre Korrespondenzen aus, er beobachtet ihre Bewegungen, er dringt in ihre Sitzungen, er treibt sie voran als agent provocateur &lt;Lockspitzel&gt;, Cherval speziell renommiert um so mehr, je bewundernder Schmidt ihn als den gro&szlig;en Unbekannten des Bundes r&uuml;hmt, als den "Hauptchef", der bisher nur seine eigene Wichtigkeit ignoriert, was schon manchem gro&szlig;en Manne passiert ist. Eines Abends, als Schmidt sich mit Cherval in die Bundessitzung begibt, verliest Cherval seinen ber&uuml;hmten Brief an Gipperich, vor dessen Abschickung. So erfuhr Schmidt die Existenz des Gipperich. "Sobald Gipperich nach Stra&szlig;burg zur&uuml;ckgekehrt ist", bemerkte Schmidt, "wollen wir ihm gleich eine Anweisung auf die 500 Taler geben, die zu Stra&szlig;burg liegen. Hier haben Sie die Adresse des Mannes, der das Geld verwahrt, geben Sie mir dagegen die Adresse des Gipperich, um sie dem Manne, dem er sich vorstellen wird, als Legitimation zuzuschicken." So erhielt Schmidt die Adresse des Gipperich. Denselben Abend, wo Cherval den Brief an Gipperich abschickte, wurde eine Viertelstunde sp&auml;ter ver- <A NAME="S422"><B>&lt;422&gt;</A></B> mittelst des elektrischen Telegraphen Gipperich verhaftet, Haussuchung bei ihm gehalten, der ber&uuml;hmte Brief aufgefangen. Gipperich wurde <I>vor Cherval verhaftet</I>.</P>
<P>Kurze Zeit nachher teilte Schmidt dem Cherval mit, ein preu&szlig;ischer Polizeikerl, namens Stieber, sei in Paris angekommen. Er habe nicht nur dessen Wohnung entdeckt, sondern auch von dem gar&ccedil;on &lt;Kellner&gt; eines gegen&uuml;berliegenden Caf&eacute;s geh&ouml;rt, Stieber habe unterhandelt, um ihn, Schmidt, arretieren zu lassen. Cherval sei der Mann, um dem elenden preu&szlig;ischen Polizisten ein Andenken zu geben. "Er wird in die Seine geschmissen", antwortet Cherval. Beide verabredeten sich, den n&auml;chsten Tag in Stiebers Wohnung zu dringen, unter irgendeinem Vorwande seine Anwesenheit zu konstatieren und sich sein Personale zu merken. Den n&auml;chsten Abend unternahmen unsere beiden Helden wirklich die Expedition. Unterwegs meinte Schmidt, es sei besser, wenn Cherval sich in das Haus begebe, w&auml;hrend er selbst vor dem Hause als Schutzwache patrouilliere. "Du fragst", fuhr er fort, "bei dem Portier nach Stieber und erkl&auml;rst dem Stieber, wenn er dich vorl&auml;&szlig;t, du habest Herrn Sperling sprechen und bei ihm anfragen wollen, ob er den erwarteten Wechsel von K&ouml;ln mitbringe. Apropos, noch eins. Dein wei&szlig;er Hut f&auml;llt auf, er ist zu demokratisch. Da! Setz meinen schwarzen auf." Die H&uuml;te werden gewechselt, Schmidt postiert sich als Schildwache, Cherval zieht die Klingel und befindet sich in der Wohnung des Stieber. Der Portier glaubte nicht, da&szlig; Stieber zu Hause sei, und schon wollte sich Cherval zur&uuml;ckziehen, als die Treppe hinunter eine Frauenstimme rief: "Ja, Stieber ist zu Hause." Cherval geht der Stimme nach, deren Spuren zu einem gr&uuml;n bebrillten Subjekt f&uuml;hren, das sich als Stieber zu erkennen gibt. Cherval bringt die verabredete Formel mit dem Wechsel und dem Sperling vor. "Das geht nicht so", f&auml;llt Stieber lebhaft ein, "Sie kommen hier ins Haus, fragen nach mir, werden hinaufgewiesen, ziehen dann zur&uuml;ck etc. Das ist mir h&ouml;chst verd&auml;chtig." Cherval antwortet grob, Stieber zieht die Glocke, mehrere Kerls erscheinen augenblicklich, umringen den Cherval, Stieber greift ihm nach der Rocktasche, wo ein Brief hervorlugt. Es war dies zwar keine Instruktion Chervals an Gipperich, wohl aber ein Brief Gipperichs an Cherval. Cherval versucht den Brief zu essen, Stieber f&auml;hrt ihm in den Mund. Cherval bei&szlig;t und st&ouml;&szlig;t und schl&auml;gt. Mann Stieber will die eine H&auml;lfte, Eheh&auml;lfte Stieber will die andere H&auml;lfte retten und wird f&uuml;r ihren Diensteifer verwundet. Der L&auml;rm, den diese Szene verursacht, ruft die verschiedenen Mieter aus ihren Appartements. Unterdessen aber hat einer <A NAME="S423"><B>&lt;423&gt;</A></B> von Stiebers Kerlen eine goldene Uhr &uuml;ber das Treppengel&auml;nder geworfen, und w&auml;hrend Cherval: Mouchard! ruft, rufen Stieber und Kompanie: Au voleur! &lt;Haltet den Dieb!&gt; Der Portier bringt die goldene Uhr, und der Ruf: Au voleur! wird allgemein. Cherval wird verhaftet und findet an der T&uuml;r zwar nicht seinen Freund Schmidt, wohl aber 4 bis 5 Soldaten, die ihn in Empfang nehmen.</P>
<P>Vor dem Tatbestand verschwinden alle von Stieber beschworenen Wunder. Sein Agent Fleury hat &uuml;ber drei Wochen hindurch operiert, er hat nicht nur die F&auml;den des Komplotts entdeckt, er hat sie mit weben helfen. Stieber braucht nur noch von Berlin zu kommen und kann rufen: Veni, vidi, vici! &lt;Ich kam, sah und siegte&gt; Er kann dem Carlier ein fertiges Komplott zum Pr&auml;sent machen, Carlier bedarf nur noch der "Bereitwilligkeit" zum Einschreiten. Frau Stieber braucht nicht am 3. von Cherval gebissen zu werden, weil Herr Stieber am 4. dem Cherval in den Mund greift. Die Adresse des Gipperich und die richtige Instruktion brauchen nicht, wie Jonas aus dem Bauche des Walfisches, aus dem Rachen des "gef&auml;hrlichen Cherval" ganz herauszukommen, nachdem sie halb gegessen sind. Das einzige, was wunderbar bleibt, ist der Wunderglaube der Geschwornen, denen Stieber seine L&uuml;genm&auml;rchen ernsthaft aufzutischen wagen darf. Vollbl&uuml;tige Tr&auml;ger des beschr&auml;nkten Untertanenverstandes!</P>
<FONT SIZE=2><P>"Cherval", schw&ouml;rt Stieber (Sitzung vom 18. Oktober), "legte mir im Gef&auml;ngnis, nachdem ich ihm zu seinem gr&ouml;&szlig;ten Erstaunen alle seine Originalberichte, welche er nach London geschickt. vorgelegt und nachdem er einsah, da&szlig; ich alles wu&szlig;te, ein offenes Gest&auml;ndnis ab."</P>
</FONT><P>Was Stieber dem Cherval zun&auml;chst vorlegte, waren keineswegs dessen Originalberichte nach London. Diese lie&szlig; Stieber mit anderen Dokumenten des Archivs Dietz erst sp&auml;ter aus Berlin kommen. Was er ihm zun&auml;chst vorlegte, war ein von Oswald Dietz gezeichnetes Rundschreiben, das Cherval eben erst erhalten hatte, und einige der j&uuml;ngsten Briefe von Willich. Wie gelangte Stieber in ihren Besitz?. W&auml;hrend sich Cherval mit Stieber und Eheh&auml;lfte bi&szlig; und schlug, st&uuml;rzte der brave Schmidt-Fleury zu Madame Cherval, einer Engl&auml;nderin - Fleury, als Deutschlondoner Kaufmann, spricht nat&uuml;rlich englisch -, und sagt ihr, ihr Mann sei arretiert, die Gefahr gro&szlig;, sie m&ouml;chte Chervals Papiere herausgeben, damit er nicht noch mehr kompromittiert werde, Cherval habe ihn beauftragt, sie einer dritten Person einzuh&auml;ndigen. Zum Beweise, da&szlig; er ein echter Abgesandter, zeigt er den wei&szlig;en Hut, den er dem Cherval abnahm, weil er zu demokratisch aussah. <A NAME="S424"><B>&lt;424&gt;</A></B> Fleury erhielt die Briefe von Madame Cherval, und Stieber erhielt sie vom Fleury.</P>
<P>Jedenfalls stand er nun auf einer g&uuml;nstigeren Operationsbasis als vorher in London. Die Papiere des Dietz konnte er stehlen, aber die Aussagen des Cherval konnte er machen. Er l&auml;&szlig;t also seinen Cherval (Sitzung vom 18. Oktober) "sich &uuml;ber die Verbindungen mit Deutschland" dahin auslassen:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Er habe sich l&auml;ngere Zeit in den Rheinlanden aufgehalten und sei namentlich 1848 in K&ouml;ln gewesen. Dort sei er mit Marx bekannt und von diesem in den Bund aufgenommen worden, den er dann in Paris auf Grund der schon vorgefundenen Elemente eifrig verbreitet habe."</P>
</FONT><P>1846 wurde Cherval von Schapper und auf Antrag des Schapper in den Bund zu London aufgenommen, w&auml;hrend sich Marx in Br&uuml;ssel befand und noch nicht einmal Bundesmitglied war. Cherval konnte also nicht 1848 in denselben Bund von Marx zu K&ouml;ln aufgenommen werden.</P>
<P>Cherval reiste nach Ausbruch der M&auml;rzrevolution auf einige Wochen nach Rheinpreu&szlig;en, kehrte aber von da wieder nach London zur&uuml;ck, wo er sich vom Ende Fr&uuml;hling 1848 bis Sommer 1850 fortw&auml;hrend aufhielt. Er kann also nicht gleichzeitig "den Bund eifrig zu Paris verbreitet haben", oder Stieber, der chronologische Wunder verrichtet, ist auch imstande, <I>r&auml;umliche </I>zu verrichten und sogar dritten Personen die Eigenschaft der Ubiquit&auml;t mitzuteilen.</P>
<P>Marx lernte erst nach seiner Ausweisung aus Paris, September 1849, nachdem er zu London in den Arbeiterverein der Great Windmill Street eingetreten, unter hundert anderen Arbeitern auch den Cherval oberfl&auml;chlich kennen. Er kann also nicht seine Bekanntschaft 1848 zu K&ouml;ln gemacht haben.</P>
<P>Cherval erkl&auml;rte anf&auml;nglich dem Stieber &uuml;ber alle diese Punkte die Wahrheit. Stieber suchte ihn zu falschen Aussagen zu zwingen. Erreichte er seinen Zweck? Nur Stiebers eigene Aussage spricht daf&uuml;r, also ein Minus. Dem Stieber lag nat&uuml;rlich alles daran, Cherval in einen erlogenen Zusammenhang mit Marx zu bringen, um die K&ouml;lner Angeklagten in einen k&uuml;nstlichen Zusammenhang mit dem Pariser Komplott zu bringen.</P>
<P>Sobald sich Stieber gezwungen sieht, en d&eacute;tail auf die Verbindungen und Korrespondenzen von Cherval und Genossen mit Deutschland einzugehen, h&uuml;tet er sich, K&ouml;ln auch nur zu erw&auml;hnen, spricht dagegen mit selbstgef&auml;lliger Breite von Heck in Braunschweig, Laube in Berlin, Reininger in Mainz, Tietz in Hamburg etc. etc., kurz, von der Partei Willich-Schapper. Diese Partei, sagt Stieber, hatte "das Archiv des Bundes in H&auml;nden". - <A NAME="S425"><B>&lt;425&gt;</A></B> Durch eine Verwechselung geriet es aus ihren H&auml;nden in seine. Er fand in diesem Archiv <I>nicht eine </I>Zeile, die Cherval <I>vor der Spaltung </I>der Londoner Zentralbeh&ouml;rde, vor dem 15. September 1850, nach London oder gar pers&ouml;nlich an Marx gerichtet h&auml;tte.</P>
<P>Durch Schmidt-Fleury lie&szlig; er der Frau Cherval die Papiere ihres Mannes abschwindeln. Er fand wieder keine Zeile, die Cherval von Marx erhalten h&auml;tte. Um diesem Mi&szlig;stande abzuhelfen, diktiert er dem Cherval in die Feder:</P>
<FONT SIZE=2><P>"da&szlig; er mit Marx auf einen gespannten Fu&szlig; gekommen, weil derselbe, obgleich die Zentralbeh&ouml;rde in K&ouml;ln gewesen, <I>noch </I>die Korrespondenzen mit ihm zu f&uuml;hren verlangt habe."</P>
</FONT><P>Wenn Stieber <I>vor </I>dem 15. September 1850 keine Korrespondenz von Marx mit Cherval findet, so r&uuml;hrt dies blo&szlig; daher, da&szlig; Cherval <I>nach </I>dem 15. September 1850 jede Korrespondenz mit Marx abbrach. Pends-toi, Figaro, tu n'aurais pas invent&eacute; cela! &lt;H&auml;ng dich auf, Figaro, auf so was w&auml;rst du nicht gekommen! (Beaumarchais, "La folle journ&eacute;e")&gt;</P>
<P>Die Akten, die die preu&szlig;ische Regierung w&auml;hrend der 1<SUP>1</SUP>/<SUB>2</SUB>j&auml;hrigen Untersuchung zum Teil durch Stieber selbst gegen die Angeklagten zusammengeschleppt, widerlegten allen Zusammenhang der Angeklagten mit der Pariser Gemeinde und dem deutsch-franz&ouml;sischen Komplott.</P>
<P>Die Ansprache der Londoner Zentralbeh&ouml;rde vom Juni 1850 bewies, da&szlig; vor der Spaltung der Zentralbeh&ouml;rde die Gemeinde in Paris aufgel&ouml;st war. Sechs im Archiv Dietz befindliche Briefe bewiesen, da&szlig; nach der Verlegung der Zentralbeh&ouml;rde nach K&ouml;ln die Gemeinden zu Paris von dem Emiss&auml;r der Willich-Schapperschen Partei, von A. Majer, neu gestiftet waren. Die in demselben Archiv befindlichen Briefe des leitenden Kreises Paris bewiesen, da&szlig; er in feindlichem Gegensatz zur K&ouml;lner Zentralbeh&ouml;rde stand. Der franz&ouml;sische Anklageakt endlich bewies, da&szlig; alles, was gegen Cherval und Genossen inkriminiert wurde, erst im Jahre 1851 vorfiel. Saedt (Sitzung vom 8. November) sieht sich daher trotz der Stieberschen Enth&uuml;llungen auf die d&uuml;nne Vermutung angewiesen, da&szlig; es doch m&ouml;glich sei, da&szlig; die Partei Marx zu irgendeiner Zeit in irgendein Komplott zu Paris irgendwie einmal verwickelt gewesen, da&szlig; man aber von dieser Zeit und diesem Komplott weiter nichts wisse, als eben, da&szlig; Saedt in obrigkeitlichem Auftrag sie f&uuml;r m&ouml;glich h&auml;lt. Man urteile vom Stumpfsinn der deutschen Presse, die von Saedts Scharfsinn fabelt!</P>
<B><P><A NAME="S426">&lt;426&gt;</A></B> De longue main &lt;weit ausholend&gt; suchte die preu&szlig;ische Polizei dem Publikum Marx und durch Marx die K&ouml;lner Angeklagten als in das deutsch-franz&ouml;sische Komplott verwickelt darzustellen. Der Polizeispion Beckmann schickte w&auml;hrend der Verhandlungen des Chervalschen Prozesses folgende Notiz d. d. Paris 25. Februar 1852 an die "K&ouml;lnische Zeitung":</P>
<FONT SIZE=2><P>"Mehrere Angeklagte sind fl&uuml;chtig, darunter ein gewisser A. Majer, der als Agent von <I>Marx u. Co. </I>dargestellt wird."</P>
</FONT><P>Die "K&ouml;lnische Zeitung" brachte darauf eine Erkl&auml;rung von Marx:, da&szlig; "A. Majer einer der intimsten Freunde des Herrn Schapper und des ehemaligen preu&szlig;ischen Leutnants Willich sei, ihm selbst aber g&auml;nzlich fernstehe". Jetzt in seiner Aussage vom 18. Oktober 1852 erkl&auml;rt Stieber selbst:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die am 15. September 1850 in London von der Marxschen Partei ausgeschlossenen Mitglieder der Zentralbeh&ouml;rde sandten A. Majer nach Frankfurt etc.",</P>
</FONT><P>und teilt sogar die Korrespondenz des A. Majer mit Schapper-Willich mit. Ein Mitglied der Partei Marx, <I>Konrad Schramm</I>, wurde bei Gelegenheit der Fremdenverfolgungen zu Paris im Monat September 1851 nebst 50 bis 60 andern anwesenden G&auml;sten in einem Kaffeehaus verhaftet und w&auml;hrend beinahe zwei Monate unter der Anklage festgehalten, Teilnehmer des von dem Irl&auml;nder Cherval geleiteten Komplotts zu sein. Am 16. Oktober erhielt er im Depot der Polizeipr&auml;fektur den Besuch eines Deutschen, der ihn folgenderma&szlig;en anredete:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Ich bin preu&szlig;ischer Staatsbeamter, Sie wissen, da&szlig; in allen Teilen Deutschlands, namentlich in K&ouml;ln, zahlreiche Verhaftungen infolge der Entdeckungen einer kommunistischen Gesellschaft vorgenommen worden sind. Eine Namenserw&auml;hnung in einem Briefe reicht hin, um die Verhaftung der betreffenden Person zu veranlassen. Die Regierung befindet sich einigerma&szlig;en in Verlegenheit durch die Menge von Verhafteten, von denen sie nicht wei&szlig;, ob sie etwas mit der Sache zu tun haben oder nicht. <I>Wir </I>wissen, <I>da&szlig; Sie in dem complot franco-allemand</I> &lt;franz&ouml;sich-deutschen Komplott&gt;<I> nicht beteiligt sind, dagegen mit Marx und Engels genau bekannt und ohne Zweifel &uuml;ber alle Einzelheiten der deutschen kommunistischen Verbindung unterrichtet sind</I>. Sie w&uuml;rden uns sehr verbinden, wenn Sie uns die erforderliche Auskunft dar&uuml;ber geben k&ouml;nnten und die Personen n&auml;her bezeichnen wollten, die schuldig oder unschuldig sind. Sie k&ouml;nnen dadurch zur Befreiung einer gro&szlig;en Menge Leute beitragen. Wenn Sie wollen, so k&ouml;nnen wir &uuml;ber die Erkl&auml;rung einen Akt aufnehmen. Sie haben durch eine solche Erkl&auml;rung nichts zu furchten" etc. etc.</P>
</FONT><B><P><A NAME="S427">&lt;427&gt;</A></B> Schramm wies nat&uuml;rlich diesem sanften preu&szlig;ischen Staatsbeamten die T&uuml;re, protestierte gegen dergleichen Besuche beim franz&ouml;sischen Ministerium und wurde Ende Oktober aus Frankreich ausgewiesen.</P>
<P>Da&szlig; Schramm der "Partei Marx" angeh&ouml;rte, wu&szlig;te die preu&szlig;ische Polizei aus der bei Dietz gefundenen Austrittserkl&auml;rung. Da&szlig; die "Partei Marx" mit dem Komplott Cherval nicht zusammenh&auml;nge, r&auml;umte sie selber dem Schramm ein. War eine Verbindung der "Partei Marx" mit dem Komplott Cherval nachzuweisen, so konnte es nicht in K&ouml;ln geschehen, sondern nur in Paris, wo gleichzeitig mit Cherval ein Mitglied dieser Partei gefangensa&szlig;. Aber die preu&szlig;ische Regierung f&uuml;rchtete nichts mehr als eine Konfrontation zwischen Cherval und Schramm, die den ganzen Erfolg, den sie sich gegen die K&ouml;lner Angeklagten von dem Pariser Proze&szlig; versprach, im voraus vereiteln mu&szlig;te. In der Freilassung des Schramm f&auml;llte der franz&ouml;sische Untersuchungsrichter das Urteil, da&szlig; der K&ouml;lner Proze&szlig; mit dem Pariser Komplott in keinem Zusammenhang stehe.</P>
<P>Stieber macht einen letzten Versuch:</P>
<FONT SIZE=2><P>"In betreff des oben erw&auml;hnten Chefs der franz&ouml;sischen Kommunisten, Cherval, hat man sich lange vergeblich bem&uuml;ht, zu ermitteln, wer dieser Cherval eigentlich sei. Endlich hat sich durch eine vertrauliche &Auml;u&szlig;erung, die Marx selbst einem Polizeiagenten machte, ergeben, da&szlig; er ein Mensch war, der 1845 aus dem Gef&auml;ngnis zu Aachen, wo er wegen Wechself&auml;lschung sa&szlig;, entwichen ist und den Marx 1848 w&auml;hrend der damaligen Unruhen in den Bund aufgenommen hat, von wo er nach Paris als Emiss&auml;r gegangen."</P>
</FONT><P>So wenig wie Marx dem spiritus familiaris &lt;dienstbaren Geist&gt;, dem Polizeiagenten Stiebers mitteilen konnte, er habe den Cherval 1848 in K&ouml;ln in den Bund aufgenommen, wenn Schapper ihn schon 1846 zu London aufnahm, oder er habe ihn in London wohnen und zugleich in Paris Propaganda hausieren lassen, ebensowenig konnte er die Notiz, Cherval habe 1845 in Aachen gesessen und Wechsel gef&auml;lscht, die er eben erst durch die Aussage des Stieber erfuhr, dem alter ego &lt;zweiten Ich&gt; Stiebers, dem Polizeiagenten als solchem, schon vor der Aussage Stiebers mitgeteilt haben. Dergleichen hysteron proteron &lt;Umkehrungen der Reihenfolge&gt; sind blo&szlig; einem Stieber erlaubt. Die antike Welt hinterlie&szlig; ihren <I>sterbenden Fechter</I>, der preu&szlig;ische Staat hinterl&auml;&szlig;t seinen <I>schw&ouml;renden Stieber</I>.</P>
<P>Also lange, lange hatte man sich vergeblich bem&uuml;ht zu ermitteln, wer Cherval eigentlich sei? Abends, den 2. September kam Stieber nach Paris. Am Abend des 4. wurde Cherval verhaftet, am Abend des 5. wurde er aus seiner Zelle in einen sp&auml;rlich erleuchteten Saal gef&uuml;hrt. Stieber war da, aber neben Stieber war noch ein franz&ouml;sischer Polizeibeamter da, ein Els&auml;sser, <A NAME="S428"><B>&lt;428&gt;</A></B> der das Deutsche gebrochen spricht, aber ganz versteht, ein Polizeiged&auml;chtnis besitzt und den anma&szlig;lich servilen Berliner Polizeirat nicht eben angenehm fand. In Gegenwart also dieses franz&ouml;sischen Beamten hatte folgendes Gespr&auml;ch statt:</P>
<I><FONT SIZE=2><P>Stieber </I>zu deutsch: "H&ouml;ren Sie mal, Herr Cherval, mit dem franz&ouml;sischen Namen und dem irl&auml;ndischen Pa&szlig; wissen wir recht gut, was es zu bedeuten hat. Wir kennen Sie, Sie sind Rheinpreu&szlig;e, Sie hei&szlig;en K., und es kommt blo&szlig; auf Sie an, sich von den Folgen zu befreien, und zwar dadurch, da&szlig; Sie uns ein ganz offenes Gest&auml;ndnis machen" etc. etc. Cherval leugnete. Stieber: "Die und die Personen, die Wechsel gef&auml;lscht und aus preu&szlig;ischen Gef&auml;ngnissen entsprungen sind, wurden von den franz&ouml;sischen Beh&ouml;rden nach Preu&szlig;en ausgeliefert, und ich sage Ihnen deswegen nochmals, besinnen Sie sich, es handelt sich hier um 12 Jahre Zellengef&auml;ngnis."</P>
<I><P>Der franz&ouml;sische Polizeibeamte</I>: "Wir wollen dem Mann Zeit lassen, er soll sich in seiner Zelle bedenken."</P>
</FONT><P>Cherval wurde in seine Zelle zur&uuml;ckgef&uuml;hrt.</P>
<P>Stieber durfte nat&uuml;rlich nicht mit der T&uuml;re ins Haus fallen, er durfte dem Publikum nicht gestehen, da&szlig; er dem Cherval mit dem Gespenst der Auslieferung und des zw&ouml;lfj&auml;hrigen Zellengef&auml;ngnisses falsche Aussagen zu erpressen suchte.</P>
<P>Stieber hat indes noch immer nicht ermittelt, wer Cherval eigentlich ist. Er nennt ihn vor den Geschwornen immer noch Cherval und nicht K. Noch mehr. Er wei&szlig; auch nicht, wo Cherval sich eigentlich aufh&auml;lt. In der Sitzung vom 23. Oktober l&auml;&szlig;t er ihn noch in Paris sitzen. In der Sitzung vom 27. Oktober, gedr&auml;ngt durch die Frage des Advokaten Schneider II: "Ob der mehrgenannte Cherval sich nicht gegenw&auml;rtig in London aufhalte?", antwortet Stieber: "Er k&ouml;nne dar&uuml;ber keine Auskunft geben und nur das Ger&uuml;cht mitteilen, da&szlig; Cherval in Paris entsprungen sei."</P>
<P>Die preu&szlig;ische Regierung erlag ihrem gew&ouml;hnlichen Schicksal, d&uuml;piert zu werden. Die franz&ouml;sische Regierung hatte ihr erlaubt, die Kastanien des deutsch-franz&ouml;sischen Komplotts aus dem Feuer zu holen, man erlaubte ihr nicht, sie zu essen. Cherval hatte sich das Wohlwollen der franz&ouml;sischen Regierung zu erwerben gewu&szlig;t, und sie lie&szlig; ihn einige Tage nach Beendigung der Pariser Assisenverhandlungen mit Gipperich nach London entfliehen. Die preu&szlig;ische Regierung glaubte, sich ein Werkzeug f&uuml;r den K&ouml;lner Proze&szlig; in Cherval erworben zu haben, sie hatte nur der franz&ouml;sischen Regierung einen Agenten mehr geworben.</P>
<P>Einen Tag vor Chervals Scheinflucht erschien bei ihm ein preu&szlig;ischer faquin &lt;Strolch&gt; in schwarzem Frack, Manschetten, schwarzem, struppigem Schnurr- <A NAME="S429"><B>&lt;429&gt;</A></B> bart, kurzgeschnittenen und d&uuml;nnen gr&auml;ulichen Haaren, mit einem Wort, ein ganz h&uuml;bscher Junge, der ihm sp&auml;ter als Polizeileutnant Greif bezeichnet wurde und sich hinterher auch als Greif pr&auml;sentierte. Greif hatte Zutritt zu ihm erhalten durch eine Eintrittskarte, die er direkt vom Polizeiminister mit Umgehung des Polizeipr&auml;fekten empfing. Es kitzelte den Polizeiminister, die lieben Preu&szlig;en anzuf&uuml;hren.</P>
<I><FONT SIZE=2><P>Greif</I>: "Ich bin preu&szlig;ischer Beamter, hierher geschickt, um mit Ihnen in Unterhandlungen zu treten. Sie werden hier nie herauskommen, au&szlig;er durch uns. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Verlangen Sie in einer Eingabe an die franz&ouml;sische Regierung, deren Einwilligung im voraus zugesagt ist, nach Preu&szlig;en ausgeliefert zu werden, denn wir brauchen Sie dort als Zeugen zu K&ouml;ln. Nachdem Sie Ihre Schuldigkeit getan und die Sache vorbei ist, werden wir Sie auf Ehrenwort in Freiheit setzen."</P>
<I><P>Cherval</I>: "Ich komme auch ohne Sie heraus."</P>
<I><P>Greif </I>mit Bestimmtheit: "Das ist unm&ouml;glich!"</P>
</FONT><P>Greif lie&szlig; auch den Gipperich herunterkommen und machte ihm den Vorschlag, f&uuml;r f&uuml;nf Tage als kommunistischer Emiss&auml;r nach Hannover zu gehen. Auch ohne Erfolg. Den n&auml;chsten Tag waren Cherval und Gipperich entflohen. Die franz&ouml;sischen Beh&ouml;rden schmunzelten, die Ungl&uuml;cksdepesche ging nach Berlin, und noch am 23. Oktober schw&ouml;rt Stieber, da&szlig; Cherval in Paris sitzt, und noch am 27. Oktober kann er keine Auskunft geben und wei&szlig; nur ger&uuml;chtweise, da&szlig; Cherval "in Paris" entsprungen ist. Unterdessen hatte der Polizeileutnant Greif den Cherval w&auml;hrend der K&ouml;lner Verhandlungen dreimal in London besucht unter anderem, um die Adresse des Nette in Paris zu erfahren, von dem man eine Zeugenaussage gegen die K&ouml;lner erkaufen zu k&ouml;nnen glaubte. Der Coup mi&szlig;lang.</P>
<P>Stieber hatte Gr&uuml;nde, sein Verh&auml;ltnis mit Cherval im dunkeln zu lassen. K... blieb daher immer Cherval, der Preu&szlig;e blieb Irl&auml;nder, und Stieber wei&szlig; noch heute nicht, wo Cherval sich aufh&auml;lt und "wer Cherval eigentlich ist" .<A name="Z1"></a><A HREF="me08_418.htm#M1">(1)</A></P>
<B><P><A NAME="S430">&lt;430&gt;</A></B> In der Korrespondenz des Cherval mit Gipperich besa&szlig; das Trifolium Seckendorf-Saedt-Stieber endlich, was es w&uuml;nschte:</P><DIR>
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<FONT SIZE=2><P>Schinderhannes, Karlo Moor<BR>
Nahm ich mir als Muster vor.<BR>
&lt;Heinrich Heine, "Buch der Lieder", "Traumbilder"&gt;</P></DIR>
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</FONT><P>Der Brief Chervals an Gipperich, damit er sich ja recht tief der tr&auml;gen Hirnmaterie der 300 Meistbesteuerten, die das Geschwornengericht repr&auml;sentiert, einbleue, hatte die Ehre, dreimal verlesen zu werden. Jeder Kenner erkannte sofort hinter diesem harmlosen Zigeunerpathos den Schalksnarren, der sich und andern f&uuml;rchterlich vorzukommen sucht.</P>
<P>Cherval und Genossen hatten ferner die allgemeinen Erwartungen der Demokratie von den Wunderwirkungen des 2. [Sonntags im Monat] Mai geteilt und beschlossen, am 2. [Sonntag im Monat] Mai mitzurevolutionieren. Schmidt-Fleury hatte beigetragen, dieser fixen Idee die Form eines Plans zu geben. So verfielen Cherval u. Co. der juristischen Kategorie des Komplotts. So war an ihnen der Beweis geliefert, da&szlig; das Komplott, welches die K&ouml;lner Angeklagten nicht gegen die preu&szlig;ische Regierung ver&uuml;bt hatten, doch jedenfalls von der Partei Cherval gegen Frankreich ver&uuml;bt worden sei.</P>
<P>Durch Schmidt-Fleurv hatte die preu&szlig;ische Regierung einen Scheinzusammenhang zwischen dem Pariser Komplott und den K&ouml;lner Angeklagten zu fabrizieren gesucht, den sie durch Stieber beschw&ouml;ren lie&szlig;. Stieber-Greif-Fleury, diese Dreieinigkeit, spielt die Hauptrolle im Komplott Cherval, wir werden sie sp&auml;ter wieder am Werk finden.</P>
<P>Res&uuml;mieren wir:</P>
<P>A ist Republikaner, B nennt sich auch Republikaner. A und B sind verfeindet. B baut im Auftrage der Polizei eine H&ouml;llenmaschine. A wird darauf vor Gericht gestellt. Wenn B die H&ouml;llenmaschine gebaut hat und nicht A, so liegt die Schuld daran, da&szlig; A mit B verfeindet ist. Um den A zu &uuml;berf&uuml;hren, wird B als Zeuge gegen ihn aufgerufen. Das war der Humor des Komplotts Cherval.</P>
<P>Man begreift, da&szlig; diese Logik vor dem Publikum durchfiel. Die "tats&auml;chlichen" Enth&uuml;llungen Stiebers verschwammen in &uuml;belriechendem Dunst, es blieb bei der Klage des Anklagesenats, da&szlig; "kein objektiver Tatbestand vorliege". Neue Polizeiwunder waren n&ouml;tig geworden.</P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten</P>
<P><A name="M1">">(1)</A> Auch im "Schwarzen Buch" wei&szlig; Stieber noch immer nicht, wer der Cherval eigentlich ist. Es hei&szlig;t da Teil II, S. 38, unter Nr. 111 Cherval: siehe Cr&auml;mer; und unter Nr. 116 Cr&auml;mer: "hat laut Nr. 111 unter dem Namen Cherval eine sehr gro&szlig;e T&auml;tigkeit f&uuml;r den Kommunistenbund entwickelt. Er f&uuml;hrt auch den Bundesnamen Frank. Unter dem Namen Cherval wurde er vom Assisenhof zu Paris im Februar 1853" (soll hei&szlig;en 1852) "zu 8 Jahren Gef&auml;ngnis verurteilt, entsprang aber bald und begab sich nach London." So unwissend ist Stieber im zweiten Teil, der die Personalien der alphabetisch und nach Nummern geordneten Verd&auml;chtigen registriert. Er hat bereits vergessen, da&szlig; ihm Teil I, S. 81 das Gest&auml;ndnis entfahren: "Cherval ist n&auml;mlich der Sohn eines rheinischen Beamten namens Joseph Kr&auml;mer, welcher" (jawohl welcher? Der Vater oder Sohn?) "sein Gewerbe als Lithograph zu Wechself&auml;lschungen gemi&szlig;braucht hat, deswegen verhaftet worden, aber 1844 aus dem Gef&auml;ngnis in K&ouml;ln" (falsch, in Aachen!) "entsprungen und nach England und sp&auml;ter nach Paris entflohen ist." - Man vergleiche hiermit die obigen Aussagen des Stieber vor den Geschwornen. Die Polizei kann nun einmal absolut nicht die Wahrheit sagen. [<I>Anmerkung </I>von <I>Engels zur Ausgabe von 1885</I>] <A HREF="me08_418.htm#Z1">&lt;=</A></P></BODY>
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